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Mongolei/Selenge Camp 2 MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Weiter Weg zum Selenge River

N 49°22'220'' E 101°07'482''
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    Tag: 389

    Sonnenaufgang:
    06:08

    Sonnenuntergang:
    20:30

    Luftlinie:
    29,91

    Tageskilometer:
    40

    Gesamtkilometer:
    2187

    Bodenbeschaffenheit:
    Gras

    Temperatur – Tag (Maximum):
    18°C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    14 °C

    Temperatur – Nacht:
    12 °C

    Breitengrad:
    49°22’220“

    Längengrad:
    101°07’482“

    Maximale Höhe:
    1800 m über dem Meer

    Aufbruchzeit:
    12:30 Uhr

    Ankunftszeit:
    19:00 Uhr

Mit steifen Gliedern stehen wir früh auf, erledigen die Ausbesserungsarbeiten an den Sätteln und verlassen gegen Mittag das Camp. Mogi humpelt die ersten Meter beängstigend stark. Erleichtert bemerken wir jedoch, dass er sich nach wenigen Minuten einläuft und ohne Probleme neben mir her rennt. Schon nach fünf Kilometern erblicken wir im Tal eine allein stehende Jurte. Daneben befindet sich ein Häuschen welches Ähnlichkeit mit dem Pumphaus von Renzindorj besitzt. „Ob es dort Wasser gibt?“, überlegt Tanja laut. „Glaube ich nicht.“ „Du solltest mal hinreiten und fragen.“ „Okay“, sage ich widerwillig weil sich die Jurte einen Kilometer abseits der Marschrichtung befindet. Zweihundert Meter vor der Hütte jagen erneut zwei Hunde auf uns zu. Das gestrige Spiel wiederholt sich. Die Jurtenbewohnerin bekommt für kurze Zeit ihre Wachhunde unter Kontrolle. „Haben sie Wasser? Unsere Pferde konnten seit gestern nichts mehr bekommen“, frage ich. „Tijmee. Wir besitzen eine Pumpe aber meine Männer sind nicht da. Wenn du sie anlassen kannst bekommt ihr Wasser“, sagt sie freundlich.

Sofort hole ich Tanja und die Packpferde. Wir binden die Pferde an dafür vorgesehene Pfosten. Dann führt mich die redselige Frau in das Pumphaus. Ein neuer Dieselmotor lacht mich vielversprechend an. Ich suche den Benzinhahn, drehe ihn auf, lege einen Schalter auf on und ziehe am Anlasserseil. Keine Reaktion. Nach 10 Minuten gebe ich auf. „Wann kommen deine Männer zurück?“ „Weiß ich nicht. Sie sind in den Bergen beim Holzschlagen. Kommt in die Jurte und ruht euch aus. Dann sehen wir weiter“, lädt sie uns ein. Wir beratschlagen eine Weile ob es sinnvoll ist alle Pferde zu entladen und auf die Männer zu warten. „So kommen wir nicht voran“, sage ich. „Aber unsere Pferde brauchen Wasser“, erwidert Tanja. „Ja klar. Aber die Frau hat auch gesagt das der Selenge River nur noch 10 Kilometer von hier entfernt ist. Wenn wir traben sind wir in 1 ½ Stunden dort. Wenn wir hier warten kann das ewig dauern und unsere Pferde haben nichts zu saufen“, gebe ich zu bedenken. Nach einigem Hin und Her entscheiden wir uns fürs Warten. Kaum ist das Gepäck abgeladen bittet uns die gastfreundliche Frau in ihre Jurte die sich nur 200 Meter von der Staubpiste entfernt befindet die Erdenet und Mörön verbindet. Ein Auto, ein Motorrad und ein großer Lastwagen stehen davor. Die Satellitenschüssel sorgt für ein weltweites Fernsehprogramm. Drinnen empfängt uns die übliche Einrichtung. Nur das alles etwas moderner ist als gewohnt. Eine neue Batterie speist den letzten Schrei eines Flachbettbildschirms den die Hausherrin sogleich anstellt. Augenblicklich fliegen gestochenscharfe Bilder wie Fliegen gegen die Scheibe. Trophäen hängen vom Dachgestänge der Jurte. „Deine Söhne nahmen am Naadam teil?“, frage ich auf die Medaillen deutend. „Oh ja. Sie haben oft gewonnen“, sagt sie mit Stolz in der Stimme, schneidet frisches Brot auf und serviert uns heißen gesalzenen Milchtee. „Lecker“, loben wir als ein Motorengeräusch zu vernehmen ist. Ihr Mann und Sohn steigen aus einem Kleinlaster. Zuvorkommend werden wir begrüßt. Schnell erzählt unsere Gastgeberin woher wir kommen, wohin wir gehen, wie lange wir schon unterwegs sind und das wir Wasser für die Pferde benötigen. Die Männer lachen, werfen den Motor im Pumphaus an und helfen beim Pferdetränken. „Unser Wasser wird aus 100 Meter Tiefe gepumpt. Es waren extra Ingenieure aus Erdenet da um die Bohrung vorzunehmen“, erklärt man uns.

Nachdem die Pferde wieder beladen sind schießen wir zur Freude aller Anwesenden ein Abschiedsfoto. „Könnt ihr es uns schicken. Wir besitzen in unserem Haus in Erdenet einen Emailanschluss“, fragt die Hausherrin. Tanja lässt sich die Adresse geben dann verabschieden wir uns und reiten los. Nicht der staubigen Straße folgend, sondern über einen Umweg die Berge hinauf. „Alles nur keinen Motorenlärm und Staub“, sage ich die Pferde antreibend. Der Weg über die Hügellandschaft lohnt sich. Malerisch breitet sich das Land zu unseren Füßen aus. Auf einer Passhöhe befestige ich Shargas Ladung mit zwei Riemen am Sattelgestell. Ab diesem Zeitpunkt sitzt seine Ladung perfekt und ich frage mich warum ich nicht schon früher auf den Gedanken gekommen bin.

Nachdem wir die Bergkette überquert haben zwingen uns die näher rückenden Bergkämme in das Tal in dem sich unzählige Fahrzeugspuren aneinanderreihen. Die vielen Reifenabdrücke haben das Tal regelrecht zerpflügt. Die Pferdehufe wirbeln feinen Staub in die Luft welchen ich als Antreiber unaufhörlich einatme. Husten plagt mich. „Wo ist denn der Selenge Fluss? Wir hätten sein Bett doch schon lange erreichen müssen?“, wundert sich Tanja. „War ein guter Vorschlag von dir die Pferde bei der liebenswerten Frau zu tränken“, antworte ich da wir seither 25 Kilometer hinter uns gebracht haben. „Dort vorne, am Fuße des Gebirgszuges muss der Selenge liegen!“, rufe ich. „Dort wo sich das grüne Band entlangzieht?“ „Genau dort. Wenn er das nicht ist stimmt etwas mit dem GPS nicht“, sage ich. Eine weitere Stunde später legen wir auf einem kleinen Plateau einen fünfminütigen Stopp ein. Mit dem Fernglas suche ich die Horizontlinie vor uns ab, um zu sehen wo die Pontonbrücke über den Fluss führt. „Und? Kannst du sie sehen?“, fragt Tanja. „Nein. Nur Bäume.“ Dann mache ich einen Bus aus der eine große Staubfontäne hinter sich aufwirbelt. Er verschwindet urplötzlich im Grün. Ein weiteres Auto folgt ihm nur um ebenfalls vom Gebüsch verschluckt zu werden. „Dort muss es sein. Da verschwinden einfach Autos zwischen den Grünzeug“, sage ich und treibe mit neuer Zuversicht die Pferde weiter. Hinter uns baut sich eine bedrohliche Gewitterfront auf. Der Wind bläst uns mit zunehmender Heftigkeit in den Rücken. „Haaack! Haaack! Haaack!“, brülle ich um die Pferde im Trab zu halten. „Ich bin müde!“, ruft Tanja. „Ich weiß aber wir sollten noch vor dem Gewitter die Brücke erreichen“, antworte ich.

Als wir den Grünstreifen am Fuße der Bergkette erreichen bestätigt sich meine Vermutung. Wir treffen direkt auf eine Staubpiste die uns zur Pontonbrücke führt. „Bingo!“, juble ich. Die ersten Regentropfen peitschen vom Himmel als wir an der schwimmende Stahlkonstruktion ankommen. Zwei Busse, einige Pkws und viele Menschen tummeln sich um ein paar Jurten. Mitten in der Einsamkeit herrscht plötzlich reges Treiben. Erstaunt blicken die Anwesenden auf als fünf schwer beladene Pferde zur Brücke traben. Ein Sperrschild und eine Kette stoppen unseren Ritt. „Ist die Brücke gesperrt?“, fragen wir erschrocken. Braun gefärbtes Hochwasser tost in hoher Geschwindigkeit unter dem ächzenden Eisengestell hindurch. „Wir warten auf den Kassierer“, antwortet jemand. Ein kleiner Junge schlägt mit einem Stock Tuya auf den Hintern. „Lass das!“ schimpfe ich worauf der Junge lacht. Dann stellt er sich hinter unseren nervösen Tenger und schlägt ihm ebenfalls mit seinem Stock. Tenger sieht rot, stürmt auf die Kette zu, springt darüber während einer der Seesäcke gegen einen eisernen Pfosten knallt. „Ja spinnst du denn!“ brülle ich den Jungen an der wie ein Irrer lacht. Zum Glück hat Tenger nicht vor lauter Schreck seine Ladung in die reißenden Fluten geworfen.

Eine Frau kommt, öffnet die Kette und bittet uns hindurch. „Was kostet die Passage?“, fragt Tanja. „Für euch nichts“, vernehmen wir. „Oh, vielen Dank“, antwortet Tanja und führt Naraa auf die in der Strömung stöhnende Schwimmbrücke. Tuya folgt seiner Mutter ohne Schwierigkeiten. Auch Sar und Sharga bereiten keine Probleme. Nur Bor und Tenger widersetzen sich nur einen Schritt auf das krächzende Ungetüm zu setzen. Ein junger Mann hilft uns. Er nimmt Tenger am Führungsseil worauf er sich tatsächlich Huf für Huf vorwärts wagt. Bor folgt ihm, weshalb wir uns jetzt alle zusammen auf den Pontons befinden. „Bitte keinen Zwischenfall“, bete ich leise. Die reißende Flut brüllt regelrecht zwischen den einzelnen Schwimmkörpern hindurch. „Klack, klack, klack“, klappern die Hufe der Pferde über das glatte Eisen. Der Regen wird in diesem Augenblick stärker. „Bitte kein Zwischenfall“, wiederhole ich mein Stoßgebet da ich weiß wie schreckhaft unser Tenger ist. Selbst Bor und die Anderen können bei einem plötzlichen lautem Geräusch durchgehen und ihre Ladung in den gurgelnden Fluss werfen oder sich selbst versenken. Und ehe wir uns versehen haben wir es geschafft. „Super!“, rufe ich triumphierend. „Fantastisch!“, antwortet Tanja lachend. Sogleich steigen wir wieder in unsere Sättel und folgen dem Weg. „Nur noch einen Kilometer. Dann haben wir das Traumcamp vom letzten Jahr erreicht“, sage ich. Wir überreiten einen weiteren Hügel. Auf der anderen Seite bahnen sich unsere treuen Tiere einen Weg durch hüfthohes, saftiges Gras. Schnell schlängeln wir uns durch eine dichte Buschreihe und befinden uns auf einer traumhaft schönen Lichtung. Die unvergessliche Lichtung auf der wir bereits vor 11 Monaten eine mehrtägige Rast einlegten. „Meinst du uns hat jemand gesehen?“, fragt Tanja. „Wer denn? Ist doch keiner da“, antworte ich bestens gelaunt. Kaum sind die Pferde entladen hören wir das Geknatter eines Mopeds. Mogi gebärdet sich wie verrückt. „Ob es zu uns kommt?“, frage ich als das Gefährt mit seinen Reitern auch schon auftaucht. Zwei Männer steigen ab und erzählen uns hier Gras schneiden zu wollen. „Sain bajtsgaana uu. (Guten Tag) Wir waren bereits letztes Jahr hier. Ist ein schöner Platz“, plaudert Tanja, worauf die Männer plötzlich lachen. Sie wechseln mit uns noch ein paar Worte und verschwinden wieder. „Woher sind die denn gekommen?“, wundere ich mich. „Als wir auf der Bergkuppe waren konnte ich unten am Fluss ein Blockhaus und zwei Jurten ausmachen. Denke die Männer wohnen dort“, erklärt Tanja. „Okay. Grenzt schon bald an ein Wunder uns zu entdecken als wir für weniger als eine Minute die Bergkuppe querten“, entgegne ich. „Meinst du wir können hier bleiben?“, ist sich Tanja unsicher. „Sicherlich. Das gesamte Ufer des Selenges ist voller frischem, hohen Gras. Hier kann man Wochenlang mähen wenn man möchte“, bin ich überzeugt.

Wieder legten wir heute 40 Kilometer zurück was bedeutet das wir in den vergangenen drei Tagen unserer Reise 100 Kilometer Strecke gemacht haben. Eine sehr gute Leistung womit wir doppelt so schnell sind als letztes Jahr. Tanja ist fix und fertig. Auch ich spüre den anstrengenden Ritt. Wir beschließen hier einige Tage zu verweilen und die herbstliche Zeit am reißenden Selengefluss zu genießen.

Bevor ich mich in meinen Schlafsack zurückziehen kann tippe ich meine Kurzaufzeichnungen in den Laptop und speise wie immer die Bilder des Tages ein. Es ist 22:30 Uhr als ich den Laptop zuklappe und in der wasserdichten Tasche verstaue. Tanja schläft bereits tief. Obwohl sie heute Wachschicht hat lasse ich sie ruhen und übernehme für sie. Bis mir die Augen schwer werden blicke ich in den Himmel. Regenwolken ziehen schnell über uns hinweg. Ab und an zerreißen die nebeligen Gebilde und geben den Blick auf die faszinierend strahlende Milchstraße frei.

Wir freuen uns über Kommentare!

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