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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 3

Wasser wird kostbarer als Gold! &Tödliche Pflanzen!

N 23°38’13.7’’ E 141°50’33.2’’
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    Tag: 152 Etappe Drei / Expeditionstage gesamt 543

    Sonnenaufgang:
    05:59

    Sonnenuntergang:
    18:37

    Luftlinie:
    20,1

    Tageskilometer:
    25

    Temperatur - Tag (Maximum):
    36° Grad, in der Sonne ca. 58°

    Temperatur - Nacht:
    7° Grad

    Breitengrad:
    23°38’13.7’’

    Längengrad:
    141°50’33.2’’

Mistel-Camp — 15.10.2002

„Ob die Bewohner von Mount Windsor Station Zuhause sind?“ ,frage ich besorgt als unsere Karawane den letzten Seitenarm des Mayne Rivers überquert. „Ich hoffe,“ antwortet Tanja.

Nach unserem mehrtägigen Aufenthalt im letzten Camp sind unsere Wasserreserven auf 20 Liter geschrumpft. Bei den anhaltenden hohen Temperaturen ist unser Flüssigkeitsverbrauch auf über 20 Liter pro Tag gestiegen. Um unser aller Überleben zu sichern müssen wir auf Mount Windsor dringend unsere Wasserbeutel auffüllen und die durstigen Kamele tränken. Normalerweise informieren wir die auf unserem Weg liegenden Stations von unserem Kommen, doch als ich von Marion Downs anrief, konnte ich einige nicht erreichen.

Es hat zwar im Regelfall keiner etwas dagegen, wenn wir durch die riesigen Ländereien laufen, dennoch sind die Besitzer und Manager gerne informiert was auf ihrem Land geschieht. Abgesehen davon erfahre ich während den Gesprächen an welchen Bohrlöchern und Dämmen wir Trinkwasser bekommen, wo es eine Möglichkeit gibt unsere Jungs zu tränken und ob wir mit giftigen Pflanzen für die Kamele zu rechnen haben. Gerade jetzt, während der schlimmsten Dürreperiode seit hundert Jahren, sind solche Informationen für uns überlebensnotwendig. Nicht selten kommt es vor, dass ein natürliches Wasserloch ausgetrocknet ist oder eine Windmühle kein Wasser mehr aus dem sinkenden Grundwasserspiegel pumpt. In manchen Fällen kann es sogar geschehen, dass Bewohner der Homesteads einfach weggezogen sind und deswegen die dortigen Wassertanks völlig leer sind. In den letzten 2 ½ Jahren unseres Marsches mussten wir diesbezüglich schon viel Unangenehmes erfahren. Einmal erreichten wir mit den letzten 10 Liter Wasser eine Stadt, die es nur noch auf der Karte gab. Kein Mensch lebte dort mehr. Es gab kein Bohrloch oder Tank. Selbst alle Häuser waren verschwunden und die einstigen Straßen wegplaniert. Der Anblick war ein regelrechter Schock. (Tagebuchgesamtübersicht, 20.09.00, Tag 132, Etappe Eins) Wir hatten damals viel Glück mit letzter Kraft einen Kängurujäger zu erreichen der auf einer ebenfalls unbewohnten Farm hauste. Im Outback ist also alles möglich und manchmal verdursten hier draußen die Menschen schneller als sie mit ihren Augen zwinkern können.

„Da steht ein Jeep vor dem Farmhaus,“ erleichtert mich Tanjas stimme als die Homestead hinter einer Biegung in Sicht kommt. „Das ist ein gutes Zeichen,“ freue ich mich. Wenige Meter vor dem Gatter halte ich unsere Karawane an. Während Tanja auf unsere Lastentiere und Rufus aufpasst begebe ich mich zum stattlichen Farmhaus. „Hallo! Ist jemand Zuhause?“ Haaallo!“ rufe ich doch nichts rührt sich. Ich öffne ein schmales Zaungatter, um in den Garten zu gehen der das Haus umgibt. Vorsichtig schreite ich auf das Gebäude zu und lasse meine Blicke aufmerksam herumschweifen, um nicht wieder von einem Kettenhund plötzlich überrascht zu werden. „Haaallo! Jemand Daheim?“ Ich klopfe an die Tür und als sich nichts rührt umgehe ich das in der grellen Sonne liegende Haus. „Der Stationmanager nennt sich Tiger und ist ein seltsamer Mensch,“ wurden wir gewarnt. Scheu sehe ich durch ein Fenster, jeden Moment damit rechnend Tiger könnte plötzlich hinter mir stehen und fragen was ich hier auf seinem Grund zu suchen habe. Ob es einen besonderen Grund dafür gibt sich Tiger zu nennen? ,denke ich mir. Alles steht offen, was darauf hinweist das Tiger anwesend sein muss oder gleich wieder kommt.

Enttäuscht mache ich mich dann auf dem Rückweg und untersuche einen Wassertank neben der naheliegenden Scheune. Er ist leer. Mit Zeichensprache verständige ich Tanja, die ein paar hundert Meter weg von hier auf mich wartet, das keiner Zuhause ist. Meine Blicke gleiten über das Gelände und entdecken einen weiteren Wassertank neben dem Haus. Ob es dort Wasser gibt? Darf ich die kostbare Flüssigkeit entnehmen ohne gefragt zu haben? Wie viel Wasser besitzen diese Leute hier? Ob es knapp ist? Was ist, wenn Tiger gerade in diesem Moment heimkommt, während ich unsere Beutel fülle? ,frage ich mich und komme mir wie ein Dieb vor. Doch was bleibt uns anderes übrig? Wir benötigend dringend die kostbare Flüssigkeit die während so einer Trockenheit kostbarer ist als Gold.

DIE FOLGEN DER DÜRRE SIND NICHT ABSEHBAR

„Denis! Da kommt ein Lastwagen!“ ,trägt der heiße Wind Tanjas Stimme an meine Ohren. Tatsächlich nähert sich uns eine hohe Staubwolke. Ich gehe auf den weitläufigen Platz vor dem Haus, um mich dem Fahrer zu zeigen. Er hält den Viehtransporter direkt neben mir. „Hallo. Ich heiße Denis und durchquere mit meiner Lebenspartnerin und unseren Kamelen das Outback,“ stelle ich mich freundlich lachend vor. „Bist du der Mann der ins Spinifex gefallen ist?“ ,fragt der Fahrer und streckt mir seine Hand zum Gruß entgegen. „Wie? Ähm, woher weißt du das?“ ,äußere ich mich überrascht. „Ich habe ein paar Interviews von dir im Radio gehört,“ lacht er. Sofort ist das Eis gebrochen. „Haben eure Kamele bei der Trockenheit genug zu fressen?“ ,möchte Tiger wissen. „Nein, sie nehmen ab. Es gibt nur noch Gidyeabäume, ansonsten ist alles vertrocknet.“ „Ich würde euch gerne etwas von unserem Heu geben aber die Rinder hier sind in solch einer schlechten Verfassung, dass wir jeden Halm davon für sie benötigen.“ „Könnt ihr sie nicht verkaufen?“ Nur noch ein paar davon. Die meisten allerdings sind so dünn, dass sie keiner haben will.“ „Wie viel sind denn noch auf der Station?“ „Ca. 6000.“ „Und was wird mit ihnen geschehen?“ „Das weiß nur Gott. Das Einzige was sie retten kann ist Regen. Vor etwa drei Jahren hat es hier soviel geregnet, dass wir eine schlimme Flutkatastrophe erlebten und jetzt müssen wir die schlimmste Dürre seit Gedenken überstehen. Das Wetter ist unberechenbar. Viele Rinder werden sterben. Tausende.“ „Gehört diese Station nicht zu einem Firmenkonzern?“ „Ja, sie ist im Besitz der Mac Donaldfamilie. Sie managen acht Rinderfarmen und sind somit einer der größten privaten Landbesitzer in Australien.“ „Könnt ihr die Rinder nicht zu anderen Stations ausquartieren?“ „Dafür ist es zu spät. Sie würden das Zusammentreiben und den Transport nicht überleben.“ „Werden die Mac Donalds das wirtschaftlich überstehen?“ „Ja, sie sind reich und mächtig genug, um diese Trockenheit zu verkraften aber viele kleinere Stationbesitzer werden alles verlieren.“

Wir unterhalten uns noch eine Weile über die Naturkatastrophe und deren Folgen, bis uns Tiger anbietet, soviel Wasser abzufüllen wie wir benötigen. „Dort drüben neben der Scheune ist ein Wasserhahn. Nimm dir was du benötigst. Wenn ihr wollt könnt ihr auch eure Kamele davon tränken. Es ist Dammwasser?“ ,erklärt er. „Dammwasser? Können wir es auch zum Trinken verwenden?“ ,frage ich, weil es in der Trockenheit immer wieder vorkommt das Rinder im Schlamm der langsam austrocknenden Dämme verenden. „Es hat seit bald zwei Jahren nicht mehr geregnet. Wir besitzen schon lange kein Regenwasser mehr. Dammwasser ist das einzige was wir hier noch haben. Wir behandeln es mit Silberionen. Es ist ohne Probleme trinkbar,“ beruhigt er mich.

HEIKLE LADESITUATION

Schnell haben wir unsere durstigen Kameraden vor der Scheune abgehuscht. Während Tanja Eimer für Eimer zu ihnen trägt fülle ich nach einem genauen Kartenstudium 160 Liter Wasser in unsere 10 Literbeutel. Zur Homestead von Mayneside Station sind es ca. 120 Kilometer. Wenn wir 25 bis 30 Kilometer am Tag schaffen könnten wir in spätestens 5 Tagen dort wieder Wasser abfüllen. Da sich Jafars Geschwür als hartnäckiger herausstellt als wir vermuteten, müssen wir ihn entlasten. Edgar ist mit 60 Liter und ca. 70 Kilogramm Ausrüstung mehr als voll. Istans Höcker schrumpft durch die schlechte Futtersituation zusehend. Da er letztes Jahr durch eine Lungenentzündung stark geschwächt wurde und er nur um haaresbreite dem Sensenmann entkommen ist, konnten sich bis heute seine Fettreserven nicht vollständig regenerieren. Deshalb müssen wir auf den einstigen, bulligen und kräftigen Istan ein besonderes Auge werfen und dürfen ihn nicht überladen. Hardie muss wegen der vergifteten Dingoköder zu all dem Gepäck ständig Rufus auf seinem Rücken dulden. Jasper ist mit Ausrüstung und Wasser am Maximum und Sebastian ebenfalls. Mit 160 Liter, unserer Nahrung und Expeditionsausrüstung, stoßen wir unter diesen Gegebenheiten und Wetterbedingungen an die Grenzen. Es ist also wieder einmal reine Kalkulationssache uns heile zum nächsten Wochenziel zu bringen. Natürlich könnten wir unsere Boys auch mit 200 Liter und mehr Wasserreserven beladen, doch wenn wir sie bei der zunehmenden Affenhitze, den seltenen Gelegenheiten sie zu tränken, der wirklich schlechten Futtersituation, überfordern, ist es nur eine Frage der Zeit, bis einer von ihnen zusammenbricht. Das käme einer Katastrophe gleich. Seit Max gestorben ist müssen wir versuchen mit sechs Lastenkamele auszukommen. Bisher ging es ganz gut aber Verletzungen und Ermüdungserscheinungen, Hitze und die Dürre stellen uns vor weiteren nicht vorhergesehenen Herausforderungen.

TÖDLICHE PFLANZEN

Ich lade gerade den letzten Wasserbeutel als Tiger mit seiner Kamera kommt und uns fragt ob er ein Bild von der Karawane schießen darf. „Klar, so viele du möchtest,“ sagen wir. „Hast du davon gehört ob in der Gegend um Vergemont der Desert Poison Busch vorkommt?“ ,frage ich mehr beiläufig. „Ja, ich weiß zwar nicht ob er auf Vergemont Station wächst aber ich habe davon gehört,“ schockt uns seine Antwort. „Na das wäre unser Ende,“ schnaufe ich entsetzt. „Hm, ja ich weiß. Ein Biss genügt und eure Kamele fallen tot um.“ „Dean Anderson von Hukitta Station hat uns schon vor Wochen davor gewarnt aber nichts genaues in Erfahrungen bringen können. Er schlug uns vor diese Gegend in einem großen Bogen über seine andere Station Westerton zu umgehen,“ sage ich. „Würde ich auch tun. Was ist schon ein Umweg im Vergleich zu toten Kamelen?“ „Du hast recht, wir werden Vergemont meiden und nach Süden ausweichen,“ entscheide ich.

Bevor wir uns eine halbe Stunde später von Tiger verabschieden bitten wir ihn noch Jan und Dean Anderson anzurufen. „Bitte teile ihnen mit, dass wir voraussichtlich am Sonntag auf Westerton ankommen.“ Werde ich gerne tun,“ sagt er und winkt uns hinterher.

Voll beladen setzen wir unseren Marsch fort und folgen einem Track der sich am Mayne River entlang windet. Immer wieder treffen wir auf verendete Rinder deren in der heißen Sonne verwesenden Kadaver furchtbar stinken. Am Nachmittag überqueren wir zwei ausgetrocknete Arme des Mayne und finden unter einem Gidyeabaum etwas Schatten für ein Camp. Unsere Boys müssen sich mit der eintönigen Kost zufrieden geben. An manchen Bäumen jedoch wachsen Misteln. Gerne fressen sie die nahrhafte und wuchernde Schmarotzerpflanze. Unsere Stimmung ist durch die Trockenheit und den uns nun ständig begleitenden Tod etwas gedämpft. Trotzdem versuchen wir zuversichtlich zu bleiben und genießen den Abend unter dem glitzernden und unendlichen Sternenhimmel.

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