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E-Bike-Expedition Teil 4 Vietnam - Online Tagebuch 2016-2017

Was sind wir Menschen für Wesen?

N 20°46’48.8’’ E 104°50’12.3’’
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    Datum:
    30.07.2016

    Tag: 399

    Land:
    Vietnam

    Ort:
    Einsames Gästehaus

    Breitengrad N:
    20°46’48.8’’

    Längengrad E:
    104°50’12.3’’

    Tageskilometer:
    83 km

    Gesamtkilometer:
    18.105 km

    Luftlinie:
    64 km

    Durchschnitts Geschwindigkeit:
    19 km/h

    Maximale Geschwindigkeit:
    55.5 km/h

    Fahrzeit:
    4:17 Std.

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Maximale Höhe:
    1.250 m

    Gesamthöhenmeter:
    54.487 m

    Höhenmeter für den Tag:
    1.266 m

    Sonnenaufgang:
    05:33

    Sonnenuntergang:
    18:40 Uhr

    Temperatur Tag max:
    35°C

    Temperatur Tag min:
    24°C

    Aufbruch:
    9:45 Uhr

    Ankunftszeit:
    16:30 Uhr

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

Auch der Inhaber dieses Gästehauses ist in Ajaci regelrecht vernarrt. Er streichelt ihn ohne Unterlass, fotografiert ihn aus allen Perspektiven, und ist regelrecht stolz darauf mit dem großen weißen Wolf abgelichtet zu werden. Dann veröffentlicht er sogleich die Bildschätze auf seiner Facebookseite und freut sich über die vielen Kommentare seiner Freunde. Ist schon irre, die einen lieben es Hundefleisch zu essen und für die anderen sind es geliebte Familienmitglieder. Manche binden ihre Hunde den ganzen Tag an kurze Ketten an, während andere wiederum die Freiheit genießen dürfen. Auf der Fahrt werden wir immer wieder von Schweinetransportern überholt. Das Gequieke der zusammengepferchten Tiere, die bei dem Geschaukel auf ihren eigenen Ausscheidungen hin und herrutschen, ist schrecklich. Ich glaube regelrecht zu hören wie die gepeinigten Wesen um Hilfe rufen. Ganz schlimm ist es wenn wir ihre Todesschreie vernehmen, die, kurz bevor sie abgestochen werden, aus so manchen Hinderhöfen dringen, oder wenn ein Ferkel oder eine große Sau vor einem Restaurant das Leben aushaucht. Warum dürfen wir Menschen den Tieren solch ein Leid antun? Ich verstehe es nicht. Wir töten unsere Mitlebewesen, fressen sie und vorher werden sie manchmal sogar noch gequält. Das gleiche tun wir mit unserer Mutter Erde. Was sind wir nur für ignorante, selbstverherrlichte, egoistische, schreckliche Wesen? Wütend trete ich in die Pedale. Am liebsten würde ich der Rächer aller gepeinigten Lebewesen sein. Aber Rache bringt auch nichts. Aggression erzeugt Gegenaggression. Das Einzige was wirklich was bringt, zumindest bin ich davon überzeugt, ist Bildung und eine unaufhörlich Aufklärung. Nur wenn wir Menschen wissen, dass auch Tiere leiden und Schmerzen ertragen, wird der Mensch in Zukunft dieses abscheuliche Verbrechen beenden und seine Profitgier zügeln. Das hoffe ich zumindest.

Plötzlich ist die Straße gesperrt. Ein Polizist winkt mit ernstem Gesicht die Fahrzeuge an den Straßenrand. Der Grund ist ein schwerer Unfall, der sich erst vor kurzem ereignet haben muss. Ein Kran ist gerade dabei das völlig demolierte Führerhaus eines Lastwagens aus dem Hinterteil eines Tankzuges zu zerren. Menschen arbeiten mit einfachem Werkzeug daran die ineinander verkeilten Riesen voneinander zu trennen. Benzin träufelt aus den Leitungen, während ein Zuschauer nur ein paar Meter weit weg eine Zigarette raucht. „Der Wahnsinn“, sage ich zu Tanja, als ich wieder bei den Rädern bin und ihr von der explosiven Gefahr vor uns berichte. „Gut, dass wir nicht 10 oder 20 Minuten früher hier angekommen sind. Wer weiß ob es uns dann erwischt hätte“, meint sie. „Tja, so hat meist alles einen Sinn“, antworte ich, daran denkend mit unserer heutigen späten Aufbruchzeit nicht zufrieden gewesen zu sein. Tuuhht! Tuuhht! Tuuhht!, tönt es unaufhörlich. Die Mopeds mit ihren schrecklich lauten Hupen bahnen sich einen Weg durch die Absperrung. Obwohl ein Polizist sie mit offensichtlichem Ärger stoppt, düsen sie an ihm vorbei sobald er ihnen den Rücken zuwendet. Verzweifelt versuchen die Fahrer dann über die vom Regen aufgeweichten Felder die Unfallstelle zu umgehen. Manche von ihnen bleiben im Matsch stecken. Dann steigen sie ab und drücken mit vereinten Kräften ihren Motorroller durch die klebrige Erde. Am Ende sind sie und ihr Gefährt völlig verdreckt, aber die Fahrt kann weitergehen. „Wie bei uns in Europa. Keiner hat Zeit“, sage ich.

Bereits 20 Minuten später ist die schmale Passstraße geräumt und wir können unsere Fahrt durch die noch immer traumhaftschöne Landschaft fortsetzen. Es wird zusehend wärmer. Um unsere Haut vor der starken Sonne zu schützen tragen wir mittlerweile langärmliche Hemden. Sobald wir anhalten, um ein Foto zu schießen, rennt uns der Schweiß in Strömen herunter. Wieder auf dem Bock zu sitzen und sich vom Fahrtwind kühlen zu lassen ist hingegen angenehm. Wie jeden Tag geht es in die Berge. Bis auf 1250 Meter schrauben wir uns hoch. Wegen der Anstrengung schwitzen wir wie skandinavische Elche die sich während des Winters in einer sommerlichen Wüste verirrt haben. In der Hauptstadt Hanoi soll es zurzeit über 42 Grad im Schatten haben. „Die feuchte, tropische Luft kann man da mit dem Messer zerteilen“, hat uns eine Vietnamesin geklagt und sich über das angenehme Klima hier in den Bergen erfreut. An einem der Straßenstände erstehen wir für 30.000 Dong (1,20 €) 1 kg frische Avocados, die wir gerne zum Frühstück essen. Avocados liebe ich genauso wie die Königsfrucht Mango. Die Frucht mit ihrer teils schrumpeligen Haut, die ihren Ursprung im tropischen Zentralamerika hat, wurde bereits vor 10.000 Jahren von den Azteken und anderen dort lebenden Völkern kultiviert. Erst durch die Spanier, die sie in die Karibik, nach Chile und Madeira brachten, fand die Avocado ihre Verbreitung.

Weil es von hier nur noch ca. 200 Kilometer bis zur 6,4 Millionen Metropole Hanoi sind, nimmt der Verkehr wieder zu. Immer mehr Lastwägen und Autos drängen sich auf der Straße. Schon verrückt wie die kragenartigen Arme des Stresses, solch einer hektischen Großstadt, in das Land greifen.

„Hier ist der Weg zur Homestay Hua Tat!“, rufe ich froh darüber unser heutiges Tagesziel erreicht zu haben. Wir verlassen die Hauptstraße und biegen auf den Weg ein, der uns in ein Tal führt. „Dort soll es ein Homestay geben?“, wundert sich Tanja. „Habe ich auf Googel maps entdeckt“, antworte ich. Wir begegnen ein paar Kindern die uns nicht wie üblich mit ihrem „Hello“ begrüßen. „Die haben hier bestimmt schon zuviel Touristen gesehen“, vermute ich. Dann erscheint tatsächlich eines der Holzhäuser auf Pfählen. Ein Mann schaufelt Sand in eine Schubkarre und ignoriert uns genauso wie die Kinder vor wenigen Minuten. „Eigenartig. Warte hier auf mich, ich frage mal nach ob die Homestay überhaupt noch betrieben wird“, sage ich mein Bike auf den Ständer stellend. „Kann man hier übernachten?“, frage ich den Sandschaufler. Kommentarlos zeigt er auf das Stelzenhaus. Ich folge einen von tropischen Pflanzen gesäumten schmalen Pfad. Sssssschch. Eine Schlange windet sich durch das Grün und verschwindet unter einem Busch. Über ein paar Stufen steigend lande ich im unteren offenen Teil des Stelzenhauses. Wäre es ein Wohnhaus der hiesigen Bauern, würde hier wahrscheinlich ein Wasserbüffel genüsslich sein Wiedergekäutes mampfen, ein paar Schweine grunzen, ein Moped in der Ecke lehnen und viel undefinierbares Zeug herumstehen. In diesem Fall ist es hier aber sauber, aufgereihte Tische und Stühle warten auf Gäste, alter Fässer, Körbe , und Mahlsteine hängen oder stehen herum und zeigen dem interessierten Besucher mit welchen Werkzeugen die armen Reisbauern heute noch arbeiten. „Hallo! Haaallo! Ist hier jemand?“, rufe ich. Aus einem Smartphonelautsprecher ist das definierbare, undefinierbare Gekreische eines Videospiels zu hören. Ein etwa dreijähriges Kind taucht hinter dem aus Holz gezimmerten Tresen auf. Wegen der offensichtlichen Spannung des virtuellen Spiels nimmt es mich nicht war. „Xin chào“, (Hallo) begrüßt mich ein Mann in traditioneller Kleidung der Bergstämme mit offenem Lachen. Ich erfahre, dass wir hier für 100.000 Dong (4,- €) pro Person ohne Frühstück schlafen dürfen. Der Mann führt mich in den ersten Stock. In einem großen luftigen Raum, in dem es kein einziges Möbelstück gibt, darf man auf den nackten Holzboden schlafen. Weil wir die einzigen Gäste sind, versuche ich den Preis zu verhandeln. Keine Chance. Wieder bei Tanja sitzen wir im Schatten eines Baumes und überlegen ob wir bleiben wollen. „Wenn man bedenkt, dass man für 250.000 Dong (10,- €) ein Hotelzimmer mit Klimaanlage bekommt, manchmal sogar mit Frühstück, ist das hier relativ teuer. Aber vielleicht solltest du dir selbst ein Bild machen ob es dir gefällt“, sage ich. „Gibt es einen sicheren Platz für die Räder?“ „Habe nichts gesehen. Auch glaube ich das Ajaci nicht mit ins Dormitorium darf“, sage ich. „Na dann lass uns weiterfahren. Wir werden schon etwas finden“, antwortet Tanja müde. „Kannst du noch?“, frage ich ein wenig besorgt. „Klar, ein paar Kilometer gehen immer.“ Wir sind gerade dabei unsere Roadtrains zu wenden, um sie den Berg wieder hochzuschieben, als ein moderner Jeep neben uns hält. Reiche Vietnamesen aus Hanoi steigen aus und begrüßen uns. Wegen Ajaci und unseren E-Bikes kommen wir sofort ins Gespräch. „Was für ein hübscher Hund“, sagt eine modisch gekleidete Frau. Wir beantworten ihre Fragen nach dem Woher und Wohin. „Unglaublich, und sie sind wirklich mit dem Fahrrad von Europa bis nach Vietnam gefahren?“ „Ja“, antwortet Tanja, worauf unzählige weitere Fragen auf uns hernieder prasseln. „Sie müssen doch Hunger und Durst haben. Darf ich ihnen Obst anbieten? Oder etwas zu Essen?“, fragt sie besorgt. „Nein danke wir haben erst gegessen“, schwindeln wir und fragen ob sie weiß ob es hier in der Nähe ein weiteres Hotel oder Homestay gibt. „Ach da rufe ich meinen Mann an. Der arbeitet an einem großen Projekt in der Gegend. Wenn das einer weiß, dann er“, sagt die Frau und zückt ihr Smartphone.

„Da vorne ist es!“, rufe ich auf ein Haus deutend, welches wie ein Hotel aussieht. Nur fünf Kilometer nach der Homestay stellen wir unsere E-Bikes auf den Ständer und fragen ob wir und unser Hund bleiben dürfen. Obwohl auch dieses Gästehaus keinen einzigen Gast beherbergt, und man deswegen glauben könnte der Inhaber buhlt um jedes Geschäft, müssen wir 20 Minuten verhandeln, bis endlich alles geklärt ist. Die Räder dürfen in die kleine Küche nebenan, die Hänger unter eine überdachte kleine Veranda und Ajaci ist im Zimmer geduldet. Weil die Inhaberin, die eher aussieht als sei sie gerade vom Titelbild eines Modejournals gesprungen, scheußliche Angst vor Ajaci hat, müssen wir im obersten Stock im letzten Zimmer einziehen. Das ist der weiteste von der Rezeption entfernte Punkt. Während ich die Räder ablade, in der Küche verstaue und absperre, schleppt Tanja wieder die Ausrüstung nach oben. Die Primadonna des Hauses hilft ihr dabei nicht. Sie lässt sich von ihrer Freundin gerade Strasssteine auf die lackierten Zehenägel kleben und kommentiert kindisch kichernd jede unserer Bewegungen.

Am Abend sind wir die einzigen Gäste in dem einfachen Hotelrestaurant gleich nebenan. Starlet steht in der Küche und kocht. Offensichtlich ohne große Freude, da das Omelett angebrannt und die Suppe nur lauwarm ist…

Wer mehr über unsere Abenteuer erfahren möchte, findet unsere Bücher unter diesem Link.

Die Live-Berichterstattung wird unterstützt durch die Firmen Gesat GmbH: www.gesat.com und roda computer GmbH http://roda-computer.com/ Das Sattelitentelefon Explorer 300 von Gesat und das rugged Notebook Pegasus RP9 von Roda sind die Stützsäulen der Übertragung. Pegasus RP9 von Roda sind die Stützsäulen der Übertragung.

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