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Mongolei/Tuwa Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Waldbrände – verlorene Pässe – Alleine

N 51°39'155'' E 099°21'977''
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    Tag: 305

    Sonnenaufgang:
    05:17

    Sonnenuntergang:
    21:21

    Gesamtkilometer:
    1361

    Bodenbeschaffenheit:
    Eis, Schnee

    Temperatur – Tag (Maximum):
    15°C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    5°C

    Temperatur – Nacht:
    minus 9°C

    Breitengrad:
    51°39’155“

    Längengrad:
    099°21’977“

    Maximale Höhe:
    1858 m über dem Meer

An dem Abend an dem Bilgee von seinem Außencamp kommen sollte, damit er und Tanja wie besprochen am darauffolgenden Morgen nach Tsagaan Nuur reiten konnten, erschien er nicht. „Er macht was er will“, sagte Tanja. „Stimmt aber ich denke er wird morgen kommen“, antwortete ich. Obwohl in diesem Land ständig etwas Unvorhergesehenes unsere Pläne kreuzt bestand jedoch die Möglichkeit das unserem Bilgee etwas zugestoßen war oder ihm die Pferde davonliefen. „Ich hoffe wirklich das nichts passiert ist“, meinte Tanja nachdem die Sonne bereits untergegangen war. „Hast du Purvee mal nach unserer Grenzgenehmigung gefragt? Ich habe irgendwie ein ungutes Gefühl und würde das nicht auf die lange Bank schieben“, wechselte ich das Thema. „Nein ich suche gleich mal ihr Tipi auf“, sagte sie und ging los.

Vor Tagen ritten Tsaya und Ultsan zum Nachschubplatz, um von dort mit einem Jeep nach Tsagaan Nuur zu gelangen. Sie benötigten einige Lebensmittel und Tsaya einen Checkup wegen ihrem Herzen. Ich nutzte die Gelegenheit ihnen unsere auslaufenden Grenzgenehmigungen mitzugeben, um diese bei den Grenztruppen für uns eventuell verlängern zu lassen. Als sie zurückkamen fragte ich sofort; „Und hat es geklappt?“ „Nein. Alle Soldaten des Posten befinden sich in der Taiga, um das große Feuer zu bekämpfen“, antwortete sie. „Was? Welches Feuer?“, fragte ich erschrocken. „Na siehst du den Rauch nicht der über unserem Tal hängt?“ „Doch, ist seit einigen Tagen sehr dunstig“, gab ich ihr Recht. „Es ist kein Dunst sondern Rauch. Bei Tsagaan Nuur wütet ein schlimmes Feuer. Alle Soldaten und viele Zivilisten befinden sich in den Wäldern, um ein Ausbreiten der Brände zu verhindern. Allerdings, so hat man mir berichtet, sieht es nicht gut aus. Im Augenblick wüten hunderte von Feuern in der Mongolei. Eines der Schlimmsten seit Jahren bei Tsagaan Nuur. Man hat Hubschrauber in Ulan Bator als Unterstützung angefordert. Das ist der Grund warum wir eure Genehmigung nicht verlängern konnten.“ „Ich habe gehört die Mongolei besitzt kaum einen funktionsfähigen Hubschrauber?“ wendete ich ein. „Keine Ahnung.“ „Meinst du das Feuer kann auch dieses Tal erreichen?“, fragte ich dann etwas nervös. „Dieses Feuer kann sich verdammt schnell ausbreiten. Wir befinden uns nur 32 Kilometer Luftlinie von Tsagaan Nuur entfernt. Das ist für solch ein Feuer keine Strecke“, antwortete sie ihre Stirn in Falten legend. „Na dann hoffen wir das Beste. Das hohe trockene Gras in diesem Tal brennt wie Zunder“, antwortete ich. „Stimmt“, bestätigt sie nickend. „Und was hast du mit unseren Permits gemacht? Hast du sie wieder mitgebracht?“, wollte ich wissen. „Nein, ich habe sie bei Tsendmaa gelassen. Sie wird die Genehmigungen jemanden mitgeben wenn sie sie verlängert hat.“ „Gut, eine sehr gute Entscheidung“, lobte ich sie.

Zwei Tage später kam Gamba mit einem der kleinen chinesischen Mopes von Tsagaan Nuur ins Camp geholpert. Er war dort wegen irgendeiner Besprechung die aus irgendeinem Grund aber nicht stattgefunden hat. Er brachte unsere Permits mit und gab sie seiner Frau. Per Zufall erfuhren wir davon.

Verlorenen Pässe

10 Minuten nach Tanjas Aufbruch kam sie wieder ins Tipi. „Der Punkt geht an dich“, sagte sie. „Wie?“ „Na du lagst mit deinem Gefühl wieder mal richtig. Sie findet unsere Papiere nicht“, fährt mir ihre Antwort in die Glieder. „Was? Purvee findet die Papiere nicht? Wie kann das denn sein? Ein Tipi ist doch nicht so groß das man solch wichtigen Dokumente verlegen kann?“, sagte ich. „Anscheinend doch. Aber sie wird sie schon finden. Es war ihr sichtlich unangenehm. Sie hat in meinem Beisein über all gesucht und am Ende mir die Pässe von sich und ihren Kindern gereicht.“ „Sie hat was?“ „Mir die Pässe von ihrer Familie gegeben.“ „Warum das denn? Sieht sie schlecht?“ „Kann schon sein. Wer weiß?“ „Ich glaube es nicht. Da bittet man diese Menschen um einen Gefallen und dann verlegen sie unsere Ausweispapiere. Wenn die verschwunden sein sollten kann uns das ein kleines Vermögen kosten“, empörte ich mich und dachte daran welch Ärger und Aufwand solch ein Verlust nach sich ziehen würde. „Ich weiß“, antwortete Tanja. „Man oh man, kann denn nicht mal etwas völlig reibungslos verlaufen? Immer muss etwas schief gehen. Das halten doch die besten Nerven nicht aus. Kannst du dich noch an den Touristen erinnern den wir vor ein paar Jahren hier getroffen haben? Der hatte seinen Pass verloren? Man hatte ihn einfach mal eingesperrt“, schnaubte ich. „Der Fall lag aber anders“, entgegnete Tanja. „Egal. Hast du in diesem Land keine Papiere gibt es Ärger. Schon alleine die Strecke von hier bis nach Ulan Bator ist gewaltig. Glaube das dürften gut 1.500 Kilometer sein. Wenn die Papiere weg sein sollten müssen wir hier erst mal abbrechen und dort hin. Und wenn Bilgee geht, wer passt in dieser Zeit auf die Pferde auf? Oh nein! Haben die gestern wieder gesoffen?“, fragte ich bald außer mir und spürte das meine Wut mir jeden Augenblick durch die Schädeldecke platzen würde. „Keine Ahnung. Kann schon sein das Gamba eine Flasche aus Tsagaan Nuur mitgebracht hat“, antwortete Tanja. „Eine Flasche? Da muss ich doch lachen. Die haben bestimmt wieder gesoffen und dabei vergessen wo sie unsere Permits und Identity cards hingelegt haben“, fluchte ich ungehalten. „Ich gehe zu Tsaya und sage ihr was vorgefallen ist“, schimpfte ich und zog mir meine Jacke über. „Was soll das bringen?“ „Was weiß ich? Ich muss mir Luft verschaffen“, antwortete ich. „Denis?“, rief Tanja. „Ja?“ „Versuch locker zu bleiben. Ärger bringt uns nicht weiter“, ermahnte sie mich. „Ist schon gut. Ich bin locker“, antwortete ich und stapfte wie ein Sturmwind zu Tsayas und Ultsan Tipi. „Tsya und Ultsan holen Wasser“, sagte Hoo als ich die beiden nicht antraf. „Okay“, antwortete ich mir ein Lächeln abringend und stapfte zu unserem Tipi zurück. Tsaya und Ultsan hatten auf dem Rückweg vom Bach rein zufällig bei uns vorbeigeschaut und saßen im Tipi.

„Sie wird die Papiere wieder finden“, beruhigte mich Tsaya. „Na hoffentlich“, antwortete ich so freundlich wie ein Schnellkochtopf dem der Deckel bald hochgeht da mit dieser Aktion meine Belastbarkeit eine Sollbruchstelle erreicht hatte. „Was ist mit Bilgee? Wollte er heute nicht kommen?“, wechselte Tsaya das Thema. Ich war mir sicher, dass sie diese Frage nicht mit Absicht zu solch einem ungelegenen Zeitpunkt stellte. Trotzdem schnaubte ich. „Man kann sich hier auf gar nichts verlassen. Wir befinden uns in der Mongolei.“ Tanja warf mir einen warnenden Blick zu worauf ich mich wieder unter Kontrolle bekam. Freundlich als wäre nie etwas vorgefallen frage ich nach Tsayas Befinden. „Ganz gut. Denke die Medizin hilft. Ich fühle mich fit“, antwortete sie. Dann verließen uns die Beiden wieder.

Gegen 21:30 Uhr erschien Purvee in unserem Tipi. Lachend und sich mehrfach entschuldigend reichte sie Tanja unsere Papiere. „Puhh, da bin ich aber erleichtert. Ich hatte mir diesbezüglich schon große Sorgen gemacht“, sagte ich ehrlich und lachte ebenfalls befreit. „Uutschlal, uutschlal“, („Entschuldigung, Entschuldigung“) antwortete sie erneut. Es war zweifelsohne sichtbar wie unangenehm ihr das war. „Kein Problem. Hauptsache die Permits sind wieder aufgetaucht“, sagte ich in beruhigendem Tonfall.

In der Nacht fielen die Temperaturen wieder auf beachtliche minus 17 °C. Nachdem wir die letzten Nächte unseren Extremschlafsack nur noch als Zudecke nutzten waren wir nun gezwungen wieder hinein zu schlüpfen. Mittlerweile befinden wir uns bald am Ende des Wonnemonats Mai. Doch in diesen Breitengraden spendet er uns kaum Wonne sondern eher extreme Temperaturschwankungen. Tage langer Schneefall, Regen, Sonnenschein und T-Shirtwetter, kräftigen Wind, Sturmböen und massive Nachtfröste prägen den fünften Monat des Jahres.

Am kommenden Morgen brachen nahezu alle Männer zu einem längeren Jagdtrip auf. Ihre Waffen geschultert ritten sie einer nach dem anderen an unserem Tipi vorbei. Ich hob die Hand zum Gruß und wünschte ihnen viel Erfolg. Sie erwiderten meinen Gruß gut gelaunt und verschwanden im hohen Gestrüpp des Tales.

Dann erschien Bilgee. Er grüßte uns als wäre nichts gewesen. Dann erklärte er; „Ich war gestern Nachmittag auf dem Weg zu euch. Plötzlich fiel es den Pferden ein welch gutes Fressen es im Außencamp gab. Sie galoppierten allesamt einfach zurück. Ich folgte ihnen und als ich sie erreichte waren wir wieder da wo wir zwei Stunden vorher aufbrachen. Ich entschied mich die Nacht dort zu verbringen, um heute wieder ins Tuwa Camp zu reiten.“ „Und warum hast du Bor, Naraa und Tuya nicht mitgebracht?“, möchte ich wissen. „Das Pferdehüten ist mein Job. Ist doch so?“ „Ja, dafür wirst du bezahlt“, antwortete ich. „Ich habe mir gedacht alle Pferde nach Tsagaan Nuur mitzunehmen. Sollte ich Naraa, ihr Fohlen und den alten Bor bei dir lassen kann es durchaus geschehen, dass sie sich plötzlich entscheiden ins Außencamp zu galoppieren. Dann wärst du die Pferde los und hättest ein Problem“, erklärte er. „Stimmt, dann hätte ich in der Tat ein Problem“, gab ich ihm Recht. „Nun, das ist der Grund warum ich sie gerne alle mitnehme. Während Tanja ihre Besorgungen im Ort macht reite ich in die Berge und hüte die Pferde. Dort in Tsgaaan Nuur gibt es zu dieser Jahreszeit schon saftiges frisches Gras. Das wird ihnen Kraft geben. Somit haben wir zwei Fliegen mit einem Schlag geschlagen“, sagte er. Ich dachte eine Weile über seinen Vorschlag nach und kam zu dem Schluss das Bilgee wiedermal eine weise Entscheidung getroffen hatte. „Gut, so machen wir es“, antwortete ich.

Noch am gleichen Nachmittag brachen Tanja und Bilgee mit zwei Reit und zwei Packpferden auf. „Mach dir keine Sorgen. Es wird alles gut gehen. Ich werde dich über unseren Freund Heinz informieren“, sagte sie und stieg in den Sattel. Heinz ist während der gesamten Expeditionsreise unser einziger Kontakt zur Außenwelt und nach Deutschland. Er steht mit uns über unser Satellitentelefon in Verbindung. Da anrufen sehr teuer ist haben wir in diesem Fall entschieden das Tanja ihm eine SMS schreibt sobald sie wieder Handyempfang bekommt. Heinz wird mir dann über das Satellitentelefon die Nachricht als Emmail ins Tuwatal weiterleiten. Eine etwas umständliche aber funktionsfähige Methode mit Tanja in Kontakt zu bleiben.

Alleine

Nun bin ich also wieder alleine im Tuwatal. Um mir die Zeit zu vertreiben spüle ich erst mal alle Töpfe ab. Dann schrubbe ich die Bratpfanne so sauber, dass man sie fast als neu verkaufen könnte. Ich hole Wasser aus dem nahen Bächlein welches mal versiegt ist mal leicht vor sich hinfließt. Je nachdem wie kalt es in den Bergen ist gibt es ausreichend oder wenig Wasser. Bei starkem Nachtfrost zum Beispiel ist das Schmelzwasser gefroren. Wenn es tagsüber auftaut plätschert es wieder munter vor sich hin. Ich füttere Mogi, der mir nun als einziger Kamerad geblieben ist, schneide das letzte Trockenfleisch in Stücke und weiche es in einem Topf mit Wasser für einige Stunden auf. Dann repariere ich unseren billigen Kunststoffboden, den wir aus der Jurte mit hierher genommen haben, um nicht auf matschigen oder staubigen Boden leben zu müssen. Ich hacke Holz, schüre den Ofen ein, koche Wasser und setze für morgen den Frischkornbrei an der mir mittlerweile schon zu den Ohren herauskommt. Ich bin also beschäftigt mit Hausarbeiten oder besser gesagt Tipiarbeiten.

Die Tuwa besuchen mich nicht. Ich möchte es ja nicht darauf schieben das ich keinen Kaffee oder Milchtee mehr anzubieten habe. Ihnen geht es hier im Frühjahrscamp recht gut. Ihre Rentierkühe geben reichlich Milch und da die Ferien begonnen haben befinden sich neue Familien und vor allem auch Kinder im Camp. Solang macht mir meine Einsamkeit nichts aus. Ich unterhalte mich mit meinem Hund, der sich wegen seiner Jagdlust noch immer an der Leine befindet. Gerne würde ich ihn mal wieder laufen lassen. Aber wegen den schreckhaften Rentierbabys wäre das selbst mit Maulkorb ein zu großes Risiko. Tsaya meinte sie könnten vor lauter Aufregung einen Herzinfarkt oder so etwas bekommen wenn sie sich sehr fürchten. Das möchte ich nicht riskieren. Egal an was sie sterben. Sollte eines aus irgend einem Grund umfallen und man würde Mogi in seiner Nähe sichten, liegt auf der Hand wem die Schuld trifft. Das ist also keine gute Idee. Deswegen eben die Kette oder Leine.

Seit gestern Abend darf er auch mit ins Tipi. Es gibt ja keine Pferde auf die er achten muss. Also kann er mir auch Gesellschaft leisten. Ich glaube das bereitet ihm Freude. Meinem Ellbogen geht es wieder besser. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen habe ich mir angewöhnt mit der linken Hand Holz zu hacken. War anfänglich etwas ungewohnt aber wir Menschen können uns ja bekanntlicher Weise an vieles gewöhnen.

Wir freuen uns über Kommentare!

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