VON MAROKKO NACH MAURETANIEN
N 20°51'05.0" W 017°01'51.7"Tag: 378
Camp: 71
Land: Mauretanien
Ort: Stellplatz am Ufer des Atlantiks
Breitengrad N: 20°51’05.0″
Längengrad W: 017°01’51.7″
Tageskilometer: 457 km
Gesamtkilometer: 10.062 km
Höhe: 5 Meter
Temperatur Tag max: 25°
Temperatur Nacht: 19°
Aufbruch: 08:00 Uhr
Ankunft: 22:30 Uhr
Fahrzeit: 12:30 Std.
Da wir noch etwa 380 Kilometer bis zur mauretanischen Grenze zurücklegen müssen und unsere marokkanischen Visa morgen ablaufen, brechen wir bereits heute in der Morgendämmerung auf. An der Auffahrt zur P1100 werden wir von einem Polizeiposten angehalten. Obwohl wir bisher bei früheren Polizeikontrollen fast immer problemlos durchkamen, werden wir heute zur Seite gewunken. Es stellt sich heraus, dass wir ein Stoppschild übersehen haben. „An dieser Stelle ist es zwingend erforderlich, anzuhalten“, erklärt uns der Polizist. „Es tut uns aufrichtig leid, das wissen wir. Vermutlich haben wir das Schild aufgrund der frühen Morgenstunde übersehen. Das wird nicht wieder vorkommen“, entschuldigen wir uns. Der freundliche Beamte lässt uns daraufhin weiterfahren und wünscht uns einen guten Tag. Wir hatten Glück, denn gemäß den Informationen, die wir erhalten haben, wird ein solcher Verstoß mit einer Geldstrafe von 30,- € geahndet.
Da der Diesel in Mauretanien möglicherweise nicht die gleiche Qualität wie in Marokko hat, möchten wir hier noch einmal volltanken. Außerdem wird der Diesel in der Westsahara staatlich subventioniert und ist mit einem Preis von 11,42 Dirham pro Liter, was etwa 1,10 Euro entspricht, recht günstig. Da wir nicht sicher sind, ob es entlang der Strecke von hier bis zur Grenze noch Tankstellen gibt, entscheiden wir uns für einen kurzen Umweg über die Stadt Daklah, um dort unseren Tank zu füllen.
Wieder auf der N1 setzen wir unsere Reise in südlicher Richtung fort. Die umliegende Wüstenlandschaft verändert sich kaum. Während Tanja stundenlang am Steuer sitzt und uns sicher durch das endlose Meer aus Sand lenkt, verbringe ich die meiste Zeit schlafend. Dies liegt hauptsächlich an den Nachwirkungen des schrecklichen Virus, der Tanja bereits vor wenigen Tagen regelrecht außer Gefecht gesetzt hatte. Glücklicherweise hat sie sich bereits erholt, während ich noch immer mit den Symptomen zu kämpfen habe.
Die vergangenen Tage haben uns erneut verdeutlicht, wie wichtig es ist, dass wir beide in der Lage sind, unsere Terra Love zu steuern. Auf einer solchen Reise kann es immer wieder vorkommen, dass man sich eine Magenverstimmung einfängt oder, wie in unserem aktuellen Fall, krank wird oder sich sogar verletzt. In solchen Situationen ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir beide fahren können. Im schlimmsten Fall kann dies sogar lebensrettend sein.
Dann geht es weiter durch die Sahara. Wieder gibt es starke Sandverwehungen und heftigen Seitenwind. Wir passieren Kamelherden, riesige Dünen und ab und zu vom Wind geformte Felsformationen. Am Nachmittag flacht der Sturm ein wenig ab. Zarte Sandschleier wehen über die Fahrbahn. Die Luft ist klarer geworden, und wir können wieder frei atmen. Aufgrund der starken Erhöhung der Feinstaubbelastung in der Luft leiden die Einwohner dieser Wüstenregionen oft unter Atembeschwerden, Husten und in einigen Fällen sogar unter Atemwegsinfektionen. Des Weiteren kann feiner Sand in die Augen gelangen und Irritationen, Rötungen und sogar Verletzungen verursachen. Ganz zu schweigen von massiven Hautproblemen. Das ist der grund warum die hier lebenden Menschen ihren gesamten Kopf mit Tüchern einhüllen, sodass zwischen all den Stofflaken nur noch dunkle Sonnenbrillen zu erkennen sind.
Langsam nähern wir uns der mauretanischen Grenze, wo Korruptionsberichte unsere Spannung steigern. Armut und niedrige Einkommen treiben Beamte zu zusätzlichen Verdienstmöglichkeiten. Die fehlende Transparenz in Regierung und Finanzen erleichtert Korruption, während persönliche Beziehungen oft über Leistung bei der Besetzung von Positionen und Vergabe von Verträgen entscheiden. Mauretanien hat Maßnahmen gegen Korruption ergriffen, darunter Anti-Korruptionsgesetze und Verbesserungen der Transparenz. Internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen und die Weltbank unterstützen diese Bemühungen. Mal sehen, was uns erwartet.
Gegen 17:00 Uhr, nach siebenstündiger Fahrt, erreichen wir die marokkanische Grenze und reihen uns unter den PKWs ein, um auf die Einlassung in den Grenzbereich zu warten. Ein Beamter weist mich auf den durchgestrichenen Schriftzug „Westsahara“ hin und erklärt, dass dies zu Marokko gehört. „Ja, genau, deshalb ist ‚Westsahara‘ durchgestrichen“, antworte ich lachend. Dann dürfen wir passieren. Vor einem kleinen Häuschen bildet sich eine Menschentraube, die darauf wartet, einen Ausreisestempel zu erhalten. Ein Marokkaner hilft mir und legt unsere Pässe unter den Haufen der dort liegenden Dokumente. Der einzige Beamte bearbeitet geduldig einen Pass nach dem anderen. Auch ein Motorradfahrer aus den USA, zwei aus Spanien und ein Reisender aus Kanada stehen in der Schlange. Wir nutzen die Wartezeit um einige Informationen auszutauschen.
Nachdem wir endlich unseren Stempel im Pass haben, dürfen wir ein Stückchen weiterfahren. Ich muss zu einem Beamten, der ein Dokument für unser Fahrzeug ausstellt und alle Daten in eine Liste einträgt. Anschließend fahren wir zum Scanner. Dort übergebe ich das Dokument und das kleine weiße Papier, das wir bei der Einreise erhalten haben, einem Beamten. Wir steigen aus dem Fahrzeug aus, das dann gescannt wird, und dürfen danach weiterfahren. Als wir die große Halle verlassen, sehen wir auf der linken Seite einen großen sandigen Platz, auf dem viele Lastkraftwagen von Zollbeamten durchsucht werden. Wir ignorieren sie und folgen dem asphaltierten Streifen bis zu einem Posten. „Die Papiere bitte“, sagt der Beamte. „Welche Papiere?“, frage ich. Freundlich erklärt er mir auf rudimentärem Englisch, wie die Papiere aussehen sollten. „Die hat der Mann am Scanner“, erinnere ich mich. „Sie müssen sie holen“, sagt der Beamte. Ich jogge zurück zum Fahrzeug und fahre zur Röntgenanlage. Dort frage ich nach meinen Papieren, die mir ein Uniformierter kommentarlos gibt. Nun gut, denke ich mir. Ich laufe zurück zum Fahrzeug und fahre wieder zu dem Kontrollposten. „Sie benötigen einen Zollstempel“, sagt der Beamte nun. „Okay“, antworte ich geduldig lächelnd, steige in unser Terra Love und fahre wieder dahin, woher wir gerade gekommen sind. „Ich versuche mal jemanden zu finden, der uns helfen kann“, sage ich zu Tanja und verlasse unser Expeditionsmobil. „Sie bekommen den Stempel vom Zolloffizier“, erklärt mir wenig später ein Mann in Zeichensprache und auf Arabisch. „Wo finde ich den Zolloffizier?“, frage ich nun fast verzweifelt. Er holt einen anderen Beamten, der ein wenig Englisch spricht.
Dieser erklärt mir die Richtung. Ich verstehe nichts, gehe aber in die angegebene Richtung und frage mich durch, bis ich in einem Gebäude lande. Dort lege ich meine Papiere auf den Tisch. „Ihren Pass bitte“, fordert der Mann streng. „Der ist im Fahrzeug“, antworte ich und eile zurück, um ihn zu holen. Dann wird das Papier endlich abgestempelt. Ich steige in unser Wohnmobil und fahre zurück zum Kontrollposten. Dort nimmt der Beamte das Papier freundlich entgegen und gibt mir das kleine Einreisepapier für unser Fahrzeug.
„Heben Sie das auf. Sie benötigen es, wenn Sie wieder einreisen“, sagt er. Ich bedanke mich und fahre etwa 50 Meter weiter, als ein Polizist unsere Pässe kontrollieren möchte. Nach der Kontrolle fahren wir etwa 10 Meter, als ein weiterer Beamter unsere Pässe und den Fahrzeugschein erneut kontrolliert. „Warten Sie hier“, meint er und verschwindet mit unseren Pässen in einem Häuschen. „Alles in Ordnung“, sagt er wenig später, woraufhin wir Marokko verlassen dürfen und uns im Niemandsland zwischen Marokko und Mauretanien befinden.
Marokko und Mauretanien haben in ihrer gemeinsamen Geschichte mehrere Konflikte und Spannungen erlebt. Ein bedeutender Konflikt ereignete sich im Jahr 1975 um die Westsahara, ein Gebiet, das von beiden Ländern beansprucht wurde. Als Ergebnis dieses Konflikts entstand das Niemandsland, das wir gerade durchfahren. Es handelt sich im Wesentlichen um eine entmilitarisierte Zone, die zwischen den beiden Ländern liegt und als Pufferzone dient, um weitere Konflikte zu vermeiden. Das Niemandsland ist symbolisch für die komplexen geopolitischen Spannungen und Konflikte in der Region und bleibt ein wichtiger Aspekt bei den Bemühungen um eine friedliche Lösung des Westsahara-Konflikts. Nach einigen Kilometern auf einem asphaltierten Abschnitt geht die Straße in eine grobe, löchrige Schotterpiste über. Es wird vermutet, dass sich entlang der Straße Minen befinden könnten, daher ist es ratsam, keine Pausen einzulegen, um in der Wüste spazieren zu gehen.
Als wir die Grenze von Mauretanien erreichen, bieten uns gleich mehrere Fixer ihre Dienste an, um für etwa 20,- € schneller durch die Kontrollen zu gelangen. Obwohl einige Reisende berichten, dass solche Hilfe den Grenzübergang erleichtert, lehnen wir ab. Wir betreten ein Gebäude, in dem ein Beamter unsere Passdaten in einen Computer eingibt. In einem anderen Gebäude werden unsere Fingerabdrücke genommen und ein Foto von uns gemacht. Hier erhalten wir unser Monatsvisum für 55,- € pro Person. Anschließend begeben wir uns zum Zoll, wo unser Auto von einem Drogenspürhund gründlich untersucht wird, sowohl von innen als auch von außen. Als ich den Importzettel für unser Terra Love erhalte, verlangt der Beamte 10,- €. Da ich zweifle, ob diese Gebühr rechtmäßig ist, entscheide ich mich, nicht zu zahlen. Trotzdem erhalte ich mit einem freundlichen Lächeln die wichtigen Zollpapiere. Nach einem weiteren Kontrollvorgang dürfen wir schließlich nach Mauretanien einreisen.
Direkt hinter der Grenze halten wir neben einem flachen Gebäude an, in dem ein stark vermummter junger Mann sitzt, der uns die erforderliche Versicherung für unsere Terra Love verkauft. „3.129 Ouguiya“, fordert er freundlich (Abgekürzt MRU oder MRO, was etwa 1 Euro entspricht, 43,18 Ouguiya). Wir erhalten 40,05 Ouguiya. Das bedeutet, die Versicherung kostet 78 Euro im Monat.
Tanja besorgt noch eine SIM-Karte, die ohne Daten 17 Euro kostet und mit 6 GB etwa 20 Euro. Wir sind uns nicht sicher, ob wir übers Ohr gehauen wurden. Als alles fertig ist, herrscht stockdunkle Nacht. Weil wir nicht hier, direkt an der Grenze, nächtigen möchten wollen wir losfahren und navigieren zu einem Stellplatz, den uns unsere Freunde Micha und Sabine empfohlen haben.
Schon auf der wenig befahrenen Grenzstraße müssen wir das erste Mal anhalten, um ein Fiche auszufüllen, auf dem Fahrzeug- und Passdaten vermerkt werden. Wenig später werden wir wieder angehalten. Der Polizist begrüßt uns freundlich, überprüft die Daten unseres Expeditionsmobils und winkt uns weiter.
(Fiche“ ist ein französisches Wort, das übersetzt verschiedene Bedeutungen haben kann. In Bezug auf Polizeikontrollen oder Grenzübergänge wird „Fiche“ häufig verwendet, um ein Formular oder einen Datensatz zu bezeichnen, auf dem persönliche Informationen wie Name, Adresse, Reisepassnummer, Fahrzeugdaten usw. festgehalten werden.)
Wir erreichen die Stadt Nouadhibou, früher bekannt als Port-Étienne. Sie ist die zweitgrößte Stadt und beherbergt den größten Hafen und dient als wirtschaftliches Zentrum Mauretaniens. Die meisten Verkehrsampeln sind ausgefallen. Das nächtliche Verkehrschaos erfordert von uns absolute Aufmerksamkeit. Niemand hält sich an Regeln. Selbst wenn eine der wenigen funktionierenden Ampeln auf Rot steht, wird sie von allen Verkehrsteilnehmern einfach ignoriert. Fast jedes Fahrzeug ist defekt oder in einem erbärmlichen Zustand. Es ist wirklich chaotisch. Wenn dies unsere erste Straßenerfahrung in Afrika wäre, würden wir vor Nervosität schwitzen.
Die sichtbare Armut trifft uns wie ein Hammer. Mauretanien zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Hier herrscht eine hohe wirtschaftliche Ungleichheit, wobei ein Großteil des Reichtums und der Ressourcen auf eine kleine Elite konzentriert ist. Dies führt dazu, dass die ärmsten Bevölkerungsgruppen nur begrenzten Zugang zu Ressourcen und Chancen haben. Was uns jedoch am meisten schockiert, ist, dass in Mauretanien trotz mehrfacher offizieller Abschaffungen – zuletzt im Jahr 2007 – weiterhin Sklaverei besteht. Diese betrifft die Nachkommen von Menschen, die vor Generationen versklavt wurden und bis heute nicht freigelassen wurden. Hauptsächlich betroffen sind Schwarze, die der Volksgruppe namens Bidhan (auch als „weiße Mauren“ bekannt) als Sklaven dienen. Die genaue Anzahl der Sklaven im Land ist unbekannt, wird aber von Menschenrechtsgruppen auf Hunderttausende geschätzt…
Etwa anderthalb Stunden später erreichen wir die Koordinaten, die uns Sabine und Micha gegeben haben, und stehen vor einem Hotel. „Wo ist der Platz, von dem Micha gesprochen hat?“, frage ich. „Keine Ahnung“, antwortet Tanja gähnend. Da wir nichts finden, entscheiden wir uns, hier auf dem Parkplatz zu bleiben. Plötzlich taucht wie aus dem Nichts ein Parkwächter auf. Er spricht nur Französisch, was die Kommunikation für uns nicht einfach macht. „Geh zur Rezeption, dort kannst du für den Stellplatz bezahlen“, glauben wir zu verstehen. Tatsächlich bezahle ich an der Rezeption etwa 500 MRU, was ungefähr 12,50 € für den Stellplatz entspricht. Danach fährt der Parkwächter mit uns zum Stellplatz unterhalb des Hotels. Der Sandplatz ist mit einem eisernen Tor abgeriegelt. Ein weiterer Wächter tritt aus einem winzigen, heruntergekommenen Häuschen. Er begrüßt uns stumm und schließt das eiserne Tor auf. Beide Männer winken uns durch das Portal. Kaum sind wir drinnen, wird es hinter uns wieder mit einer groben Eisenkette verschlossen. In der Finsternis parken wir unsere Terra Love direkt am Steilufer. Tosende Wellen und ein aufkommender Sturm wirbeln tonnenweise feinsten Sand durch die Luft. Unsere Terra Love schwankt und ächzt wie eine uralte Frau…
Hier ist der Link zum Video: