Skip to content
Abbrechen
image description
Mongolei/Vor Mörön Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Vom Hund gebissen – Überflutet

N 49°42'773'' E 100°11'497''
image description

    Tag: 349

    Sonnenaufgang:
    05:20

    Sonnenuntergang:
    21:27

    Gesamtkilometer:
    1722

    Bodenbeschaffenheit:
    Gras

    Temperatur – Tag (Maximum):
    29°C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    20 °C

    Temperatur – Nacht:
    10 °C

    Breitengrad:
    49°42’773“

    Längengrad:
    100°11’497“

    Maximale Höhe:
    1492 m über dem Meer

Weil Bilgee Tanja darum gebeten hat gleich am Morgen anzurufen steht sie auf und geht zu Rezindorj und Gadimaa zum telefonieren. Es dauert nicht lange und sie kommt mit einem eigenartigen Ausdruck in ihrem Gesicht zurück. „Was ist geschehen?“, frage ich beunruhigt. „Der Hund hat mich gebissen.“ „Was? Welcher Hund?“, frage ich erschrocken und verwirrt in die Höhe schießend. „Ich bin zur Nachbarjurte gelaufen als dieser böse Hund auf mich zugerast kam. Komm nur her. Ich zeig es dir, habe ich zu ihm gesagt und er tat es. Noch ehe ich mich versah biss er mir in die Wade.“ „Um Gottes Willen! Ist es schlimm?“. Tanja krempelt ihre Hose hoch. Ein tiefblauer Fleck in dessen Zentrum zwei kleine Löcher davon zeugen wie Zähne in das Fleisch gedrungen sind kommt zum Vorschein. „Oh man, da hast du echt Glück gehabt“, stelle ich fest weil ein Hundebiss entschieden schlimmeren Schaden anrichten kann. „Ich weiß. Eigentlich hat er mich nur gezwickt“, antwortet sie mit brüchiger Stimme die Bissstelle desinfizierend. Ein paar Tränen kullern ihr die Wange hinunter. „Es ist nicht der Schmerz sondern die ständige Anstrengung der Reise, die Ungewissheit wie es weitergehen soll und die verdammte Unzuverlässigkeit der Mongolen. Ich glaube ich bin expeditionsmüde“, sagt sie. „Ich auch. Eigentlich würde ich am liebsten den Kram hinwerfen und Heimfliegen“, gestehe ich ebenfalls ein. „Unser Ticket ist noch gültig“, meint Tanja. „Ja, ich dachte schon darüber nach. Speziell gestern als es mir so schlecht ging. Das bedeutet aber wir müssten innerhalb der kommenden Tage unsere Pferde und einen Großteil der Ausrüstung verschenken“, gebe ich zu bedenken. „Wäre teuer und würde außerdem wie eine Flucht aussehen“, überlegt Tanja. „Ja.“ „Das wäre der bisherigen Reise und uns gegenüber nicht fair“, sage ich leise. „Stimmt. Ich möchte nicht fliehen nur weil es im Augenblick anstrengend ist.“ „Ich auch nicht.“ „Also machen wir weiter?“ „Ich würde gerne unser gestecktes Ziel erreichen.“ „Ich auch.“ „Nun dann lass uns keine Energie in den Gedanken des Abbrechens verschwenden sondern über die nächsten Schritte nachdenken“, meine ich und spüre wie neue Energie in mir aufkeimt. „Gut, also was sind die nächsten Schritte?“, fragt Tanja ebenfalls entspannter als vor wenigen Minuten. „Saraa hat im letzten Telefonat mitgeteilt die Arbeitsgenehmigung bekommen zu haben. Das heißt der Verlängerung des Visums sollte nichts im Wege stehen.“ „Eigentlich nicht aber wir dürfen nicht vergessen wo wir uns befinden“, gibt Tanja zu Bedenken. „In der Mongolei.“ „Genau. Das Einzige was hier sicher ist ist die Unsicherheit. Also müssen wir abwarten. Abgesehen davon gehe ich fest davon aus den Stempel zu bekommen. Wir müssten dann nur klären wann wir zu Bilgees Freund umziehen?“ „Dafür muss er erst mal da sein. Irgendwie kann man sich auf Bilgee auch nicht verlassen. Schließlich hat er seine Zusagen schon mehrfach gebrochen. Und dann hat er immer prima Ideen und wenn es soweit ist sieht alles anders aus. Sein Freund wusste doch das wir kommen und hat uns sogar eingeladen. Noch von Khatgal aus hast du ihn telefonisch über unsere baldige Ankunft informiert und jetzt ist er nicht da. Vielleicht sollten wir hier bleiben und auf Bilgees Ankunft warten?“, schlage ich vor. „Vielleicht. Meinst du er kommt?“ „Sicherlich, warum sollte er nicht kommen?“ „Ich weiß nicht. Vielleicht weil er immer das macht wozu er gerade Lust hat?“ „Okay, okay, aber er hat doch mindestens 15 mal gesagt am 20. Juli mit zwei Pferden hier zu sein. Ich bin mir sicher, er wird kommen. Das verlangt schon sein Ehrgefühl“, antworte ich.

Nachdem wir uns abgeredet haben legen wir uns wieder auf die Isomatten um zu ruhen. „Hello! Good morning!“, ruft wenig später eine Stimme. Ein junges Mädchen betritt ungefragt unser Zelt und blickt neugierig auf uns herab. Es ist die Tochter der zweiten Jurte die ebenfalls nur ca. 300 Meter östlich von unserem Zelt entfernt steht. Tanja erhebt sich, um dem Mädchen einen Tee anzubieten. Ich bleibe liegen, darauf hoffend noch etwas dösen zu können. Jedoch ist die Vierzehnjährige hartnäckig. Sie betrachtet sich jeden Ausrüstungsgegenstand und spricht unaufhörlich in ihrer Landessprache auf uns ein. Genervt schließe ich den Reißverschluss, dessen ungeachtet spitzen ihre neugierigen Augen durch einen Stoffspalt weiterhin auf mich herab. „Ich glaube es nicht. Hat man denn in diesem Land nie Ruhe“, schimpfe ich. Olziihutag, so hat sich die Kleine vorgestellt, lässt das kalt. Sie setzt sich vor meine Schlafkabine und schnattert was das Zeug hält. Mindestens eine Stunde hören wir uns ihre, für uns unverständlichen Erklärungen und Erzählungen an, bis sie endlich wieder geht. „Puh, hoffe sie kommt nicht so schnell wieder“, sage ich mich aus der Schlafkabine quälend.

„Heute ist Sonntag. Da ergibt es keinen Sinn in das Dorf zu reiten, um Lebensmittel zu kaufen. Die Läden sind zu. Wir sollten noch bleiben“, meint Tanja. „Okay, dann bleiben wir. Bis auf die kleine Schnattertante ist es hier ja recht friedlich. Außerdem beginnt das Naadam erst in drei Tagen“, antworte ich mich auf die Suche nach weiteren Holzresten begebend.

15:00 Uhr. Olziihutag erscheint wieder vor unserem Zelt. Sie reicht Tanja eine Art blecherne, recht verbeulte Milchkanne. „Was ist das?“ „Essen. Ihr seid doch bestimmt hungrig?“, sagt Olziihutag lächelnd. „Oh vielen Dank. Wir haben einen Bärenhunger“, antwortet Tanja ebenfalls freundlich. Auch ich bedanke mich bei dem Mädchen. Erwartungsvoll blicke ich in meine Schüssel die Tanja gerade mit der Speise füllt. „Innereien vom Schaf mit Reis im eigenen Sud“, sage ich so gelassen als wäre es Brot mit Wurst oder Käse. „Du kannst ja die Innereien in der Schüssel lassen“, schlägt Tanja vor. Da es aber bald mehr Innereienstückchen gibt als Reis fällt es nicht leicht den Vorschlag umzusetzen. Olziihutag sitzt neben uns. Sie betrachtet wohlwollend unsere Gesichter und freut sich offensichtlich wie es uns schmeckt. Als sie wieder gegangen ist meint Tanja. „Gib den Rest Mogi. Der ist glücklich mal wieder Fleisch zu bekommen.

Später kommt Renzindorj und fragt ob wir Holz brauchen. Da die Familien ihr Holz selbst mit einem Lastwagen heran transportieren müssen, lehnen wir ab. „Später vielleicht“, antworten wir uns bedankend. Da unsere Nachbarn je ein Motorrad besitzen und sie bald täglich ihre Milch nach Mörön transportieren, hoffen wir darauf morgen eine Mitfahrgelegenheit in die Stadt zu bekommen. Dort können wir uns aus dem Vorratslager, welches wir bei Saraa angelegt haben, unseren Benzinkocher und weitere benötigte Ausrüstung holen.

21:00 Uhr. Die bösen Gewitterwolken haben sich an den umliegenden Bergen aufgeschlitzt und schütten ihren Inhalt auf uns als wollten sie uns wiedereinmal ersaufen. Schnell tragen wir alles was nicht nass werden darf ins Zelt. Bevor ich den Reißverschluss schließe schieße ich noch ein paar Fotos von dem infernalischen Regen der das Land malträtiert. „Ach du scheiße! Das Wasser fließt in unser Zelt!“, rufe ich erst jetzt bemerkend mit beiden Füßen in einem schnell wachsenden See zu stehen. Sofort ziehe ich meine Schuhe aus und springe lachend in die Schlafkabine. Gebannt beobachten wir nun wie sich das Wasser in unserem Vorzelt sammelt. „Wenn das so weiter geht saufen wir ab“, meine ich noch immer belustigt. Doch nach nur wenigen Augenblicken vergeht uns jegliches Lachen. Ein regelrechter Fluss quetscht sich unter den Isomatten durch. „Au weh, das ist nicht mehr lustig“, meine ich. „Schau dir das an“, meint Tanja mit ihrer Hand auf den sich hebenden Boden des Innenzeltes patschend. „Aufhören! Wir wollen doch nicht das es hier auch noch eindringt!“, warne ich. Schnell schlichten wir die Kameras und Laptops auf die noch trockenen Isomatten. Mittlerweile steht das Wasser im Vorzelt mindestens 10 Zentimeter hoch. Die gesamte Ausrüstung wird nun geflutet. Einige der Seesäcke sind nicht verschlossen. Das Nass dringt ein und ertränkt alles was sich darin befindet. Einer meiner Schuhe schwimmt wie ein kleines Boot davon. „Wenn der Pegel noch ein paar Zentimeter ansteigt schwappt es ins Innenzelt!“, rufe ich entsetzt. Der Regen peitscht mit brutaler Heftigkeit gegen die Zeltbahn. Der Druck ist derart stark, dass auch von dieser Seite Wasser eindringt. Es rinnt am Stoff entlang und speist unten angekommen den See. Auch der Stoff der Schlafkabine ist auf der Wetterseite klatsch nass. Ich überlege wie wir unsere Technik schützen sollen wenn wir hier und jetzt tatsächlich absaufen. Gott sei Dank sind die Kameras und Laptops in wasserdichten Taschen verpackt. Es droht vorerst also keine unmittelbare Gefahr die teure Ausrüstung zu verlieren.

Um 22:00 Uhr wird der Regen weniger. Wir holen unsere Pferde, um sie vor dem Zelt anzupflocken. Bevor wir ins Zelt zurück waten deutet Tanja auf einen reißenden, etwa drei Meter breiten Wasserlauf der nur 20 Meter vom Zelt entfernt dahin rauscht. „Wow, der war vor dem Regen noch nicht da“, sage ich erstaunt. „Na gut das du unser Zelt nicht in seinem Lauf aufgebaut hast. Das wäre in der Tat fatal gewesen“, meint sie. „Ja, dagegen ist der Bach in unserem Zelt geradezu lächerlich.“ Darauf hoffend unser Bach entwickelt sich nicht zu dem was wir vor dem Zelt gesehen haben legen wir uns wieder auf die schwimmenden Isomatten und warten auf ein Ende des Unwetters. Langsam tritt Wasser ins Innenzelt. Mit einem Lappen kann ich es vorerst bändigen. Um 22:30 Uhr hört das Hämmern gegen die Zeltbahn schlagartig auf. Ich trockne noch mal die nassen Stellen des Innenzeltes, lege mich mit einem tiefen Seufzer hin und falle in einen Wachschlaf.

Wir freuen uns über Kommentare!

This site is registered on wpml.org as a development site.