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E-Bike-Expedition Teil 4 Vietnam - Online Tagebuch 2016-2017

Vom Elefanten angegriffen – Der Horror hat einen Namen

N 12°24’43.9’’ E 108°10’59.1’’
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    Datum:
    19.02.2017

    Tag: 600

    Land:
    Vietnam

    Provinz:
    Đắk Lắk

    Ort:
    Lien Son

    Breitengrad N:
    12°24’43.9’’

    Längengrad E:
    108°10’59.1’’

    Tageskilometer:
    140 km

    Gesamtkilometer:
    22.308 km

    Luftlinie:
    51 km

    Durchschnitts Geschwindigkeit:
    22.7 km/h

    Maximale Geschwindigkeit:
    53.3 km/h

    Fahrzeit:
    6:02 Std.

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Maximale Höhe:
    900 m

    Gesamthöhenmeter:
    65.000 m

    Höhenmeter für den Tag:
    1158 m

    Gegenwind Windstärke: 6
    40 km/h

    Sonnenaufgang:
    06:07 Uhr

    Sonnenuntergang:
    17:54 Uhr

    Temperatur Tag max:
    28°C

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

Weil wir gestern einen 105 km-Tag hatten und wir unsere Körper nicht überbeanspruchen wollen, haben wir für heute beschlossen nur 40 km bis zur nächsten Location zurückzulegen. Tanja trägt deswegen ohne Eile unsere Ausrüstung aus dem zweiten Stock ins Parterre, während ich unsere Böcke startklar mache. Obwohl das Hotel, in dem wir die Nacht verbracht hatten, sich noch im Rohbau befindet, war es ein guter Aufenthalt. Die Besitzer sind außerordentlich freundlich, unser Zimmer war einfach aber sauber, kein Schimmel, kein altes Bettzeug und vor allem keine Karaokebar im Haus. Vielleicht ein Grund für den erholsamen Schlaf, denn trotz des gestrigen anstrengenden Tages fühlen wir uns recht fit.

Bereits um 10:00 Uhr finden wir ein Motel. Es macht einen guten Eindruck. Wir stehen davor und beratschlagen ob wir einchecken sollen. „Ist erst 10:00 Uhr“, sage ich auf meinen Armcomputer blickend. „Haben wir schon unsere 40 km?“, möchte Tanja wissen. „Der Tacho zeigt 42 km an.“ „Ging ja heute echt schnell.“ „Ja, sind ungeachtet unserer Trödelei heute Morgen schon um 8:00 Uhr im Sattel gesessen“, antworte ich und überlege ob es einen Sinn ergibt bereiz jetzt schon den Radtag zu beenden. „Wie fühlst du dich?“, fragt Tanja. „Top fit und du?“ „Auch.“ „Fahren wir weiter?“ „Zusätzliche 40 km werden uns nicht schaden“, meint Tanja frohen Mutes, weswegen wir wieder in die Pedale treten und unterstütz durch unsere Elektromotoren mit 25 km/h dahindüsen.

Nur 10 km die Straße runter verspricht ein buntes Werbeschild frisch gemahlenen vietnamesischen Kaffee. Da wir heute einen relaxten Tag geplant, bereits um 10:30 Uhr 50 km abgespult haben, stellen wir unsere Bikes in den Schatten zweier kleiner Palmen und bestellen frischen Kaffee. Er schmeckt uns so gut, dass wir umgehend eine zweite Tasse genießen. „Hätte nicht gedacht hier in Vietnam so fantastischen Kaffee zu bekommen“, plaudert Tanja genüsslich an ihrer Tasse schlürfend. „Ja, eigentlich verbindet man Asien eher mit Tee. Das Vietnam seit dem Jahr 2012 nach Brasilien das zweitgrößte Exportland für Rohkaffee ist wusste ich bis vor ein paar Monaten nicht“, antworte ich einen weiteren Schluck nehmend. „Weißt du wie der Kaffee nach Vietnam kam?“ „Ja, das hat mir kürzlich ein Franzose ganz stolz erzählt.“ „Warum war er denn stolz darauf?“ „Weil der Kaffee bereits 1857 von den französischen Kolonialherren nach Vietnam eingeführt wurde. Hier im zentralen Hochland gibt es verschiedene Klimaregionen, die für den Anbau von unterschiedlichen Kaffeesorten fantastisch geeignet sind. Du hast ja gesehen, dass sich links und rechts der Straße endlose Kaffeeplantagen erstrecken. Wir befinden uns also mitten im Anbaugebiet“, stelle ich fest. „Wenn man in Deutschland Kaffee trinken geht schmeckt er manchmal sauer. Hier ist er meist sehr gut. Woran das wohl liegt?“, fragt Tanja. „Hm, vielleicht an der Sorte? Die hier gedeihenden Robusta, Arabica, Chari, Liberica, Catimor und andere werden zu einer einzigartigen Mischung verarbeitet. In Deutschland besteht der Kaffee fast ausschließlich aus 100% Ararabica-Bohnen. Das ist natürlich ein wesentlicher Unterschied und schmeckt dementsprechend klasse. Aber vielleicht liegt es auch an der Röstung. Ich habe gelesen, dass die Bohnen langsam und stark geröstet werden, dabei aber nicht verbrennen und deswegen ihr Aroma erhalten bleibt. Manche der Röster geben sogar flüssige, geklärte Butter oder Speiseöle, andere wiederum Vanille und Zucker hinzu. Die haben sich beim Röstungsprozess im Laufe der letzten 160 Jahre so einiges einfallen lassen. Der Cafebesitzer hier hat unseren Kaffee frisch gemahlen. Das kräftige Aroma ist wie eine herrliche Duftwolke durch den ganzen Raum gezogen.“ „Stimmt, hat fast ein wenig nach rauchigem Leder, Gewürzen und Karamell gerochen“, gibt mir Tanja recht. „Eine tolle Geruchsbeschreibung.“ „Aber dass du diese süße dicke Kondensmilch in deinem Kaffee gibst verstehe ich nicht ganz. Da geht doch ein wenig der Geschmack verloren.“ „Ach was. Damit schmeckt mir das schwarze Gebräu erst richtig gut. Ist übrigens auch eine Erfindung der Franzosen. Während der Kolonialzeit war in Vietnam Kuhmilch unbekannt. Die hier lebenden französischen Mütter wollten ihre Kinder aber genauso wie zuhause mit Milch ernähren. Daraufhin wurden sie erfinderisch und haben Milch eingekocht und konserviert. Durch die Beimengung von Zucker wurde die Milch sogar noch haltbarer. Man verschloss sie in Dosen und konnte auf diese Weise die Kondensmilch auf die lange Seereise nach Indochina schippern. Ich denke es hat dann nicht lange gedauert bis man auf die glorreiche Idee kam die süße Dickmilch dem Kaffee beizumengen. Erst dadurch ist der wirklich echte, traditionelle vietnamesische Kaffee entstanden.“ „Und wenn sie ihr Eis dazugeben haben sie einen erfrischenden Eiskaffee“, meint Tanja. „Genau. Mann ist das klasse wenn wir nicht so große Strecken radeln müssen. Dann besitzen wir sogar die Zeit über vietnamesischen Kaffee zu philosophieren. Wegen mir könnte es die kommenden 5.000 km so weitergehen“, sage ich an meiner Tasse schlürfend.

Auf der weiteren Fahrt kommen wir an vielen Kirchen und wunderschönen buddhistischen Tempeln vorbei. Bei besonders schönen Gebäuden legen wir eine kurze Pause ein, um einen Blick hineinzuwerfen. Um kurz vor 12:00 Uhr stoppen wir bei einen der vielen Suppenbuden. Die Besitzer sind wegen Ajaci ganz aufgeregt und schnattern ohne Punkt und Komma durcheinander. Jeder möchte ein Selfie mit dem großen weißen Wolf, so dass die Köchin glatt vergisst uns eine phở (Suppe) zu aufzubrühen.

14:00 Uhr. Obwohl wir nur 40 km zurücklegen wollten und bereits die Zahl 80 auf dem Tacho steht sind wir noch immer mit Energie geladen. „Also ich bin noch fit. Wie sieht es bei dir aus?“, frage ich Tanja. „Super“ „Okay, dann müssen wir jetzt an dieser Straßengabelung eine Entscheidung treffen. Wenn wir eine Unterkunft für die Nacht wollen müssten wir nach rechts abbiegen, um die Hauptstadt der Provinz Dalat zu erreichen. Dort in Buôn Ma Thuột finden wir bestimmt einige Unterkünfte die uns auch mit Hund nehmen. Der Nachteil allerdings wäre, dass wir morgen wieder zu dieser Gabelung zurück müssen, denn wenn man hier nach links abbiegt gelangen wir zum Nationalpark in dem es auch die Elefanten gibt“, überlege ich laut. „Wie viel Kilometer sind es noch bis zum Nationalpark?“ „Ca. 50 km, vielleicht aber auch 60 km. Je nachdem wo wir etwas für die Nacht finden.“ „Puh, das wären dann 130 bis 140 Tageskilometer?“ „Wenn nichts dazwischenkommt schaffen wir es noch vor der Dunkelheit.“ „Was macht dein Knie?“ „Dem geht es gut.“ „Wir sollten trotzdem nicht übertreiben. 140 km sind verdammt viel. Allerdings habe ich auf den Umweg morgen Früh auch keine Lust.“ „Ja, und heute noch in eine Großstadt reinzuradeln ist ebenfalls nicht gerade lustig“, sage ich. „Also, was machen wir?“, fragt Tanja. „Ich bin fürs Weiterfahren.“ „Auf geht’s!“, ruft Tanja, worauf wir kräftig in die Pedale treten, um aus einem geplanten kleinen Tag einen wirklich großen Tag zu machen.

Um 15:00 Uhr bläst uns ein kräftiger Wind mit der Stärke sechs (ca. 40 km/h) entgegen. „Der war aber nicht eingeplant!“, ruft Tanja. „Gewiss nicht“, antworte ich und zweifle daran ob wir wirklich eine weise Entscheidung getroffen haben. Unsere Tachos zeigen 100 Tageskilometer an. Nach einer weiteren Abzweigung sind wir auf einer schmalen, nur sehr wenig befahrenen Straße angelangt. Die Holzhütten am Straßenrand sind im traditionellen Stil errichtet. Manche der Stufen zum Haus bestehen aus einem einzigen Baumstamm in den man tiefen Kerben geschlagen hat. Die Bauern, die hier leben, sind sichtlich arme Menschen die zum größten Teil ohne jeglichen Luxus auskommen müssen. Verblüffend ist ihre Offenheit und Freundlichkeit. Auch wenn es in Vietnam fast normal ist, aber hier winken uns nicht nur die Kinder zu sondern bald jeder Erwachsene. Von überall her tönt das uns bekannte, „Hello! Hello! Hello!“

Wir queren ein weites, wunderschönes Tal, welches an allen Seiten von Bergen begrenzt ist. „Wenn wir da heute noch drüber müssen dann prost Mahlzeit!“, ruft Tanja. Bauern treiben ihre Kühe auf der Straße. Obwohl ich mittlerweile wieder hundemüde bin, steige ich vom Rad, um einige von ihnen zu fotografieren. Sie bleiben stehen und blicken freundlich in die Linse. „Tạm biệt“, (Auf wiedersehen) verabschiede ich mich und ernte ein liebenswertes Lächeln.

Um 17:00 Uhr, mit einem Tachostand von 130 Kilometer, erreichen wir unser Ziel, den Lak Ho. (Lak See). Die tief stehende Sonne wirft ihr warmes Licht auf die glatte Wasseroberfläche. „Wow, ist das schön hier“, rufe ich Tanja zu als wir am Ufer entlang radeln. „Die Hütten dort hinten sehen aus als gehören sie zu einem Resort. Lass uns da mal hinfahren“, schlage ich vor. „Das ist bestimmt nicht das Gästehaus welches ich auf TripAdvisor gefunden habe.“ „Ist doch egal. Bis zu den Hütten sind es maximal nur einen Kilometer. Wenn das nichts ist können wir immer noch zu dem Gästehaus fahren“, schlage ich vor. Dort angekommen stellen wir unsere Räder ab und stolpern vor Müdigkeit fast vom Rad. „Lak Resort“, liest Tanja den Schriftzug auf einer heruntergekommenen Betonbank die im dunklen Schatten eines tropischen Baumes steht. „Man, ich glaub’s nicht. Das ist das Resort vor dem im TripAdvisor einige Reisende gewarnt haben. Einer schrieb als Überschrift: Der Horror hat einen Namen – Lak Resort“, sagt Tanja. „Hm, die Anlage sieht wirklich völlig heruntergekommen aus“, stelle ich fest und lasse meinen Blick über den dschungelartigen Garten mit seinen teils kaputten Wegen gleiten. „Ich geh mal zur Rezeption und frage ob sie ein Zimmer frei haben. Nur sicherheitshalber falls der andere Laden ausgebucht ist“, sage ich, da ich genauso wie Tanja nicht die geringste Lust verspüre hier nur eine Nacht zu bleiben. „Hallo! Haaaallo! Ist da jemand?“, rufe ich und lausche in die Stille. „Keiner da“, sage ich später zu Tanja. „Na, das passt zu dem Anblick hier“, meint sie. Unverrichteter Dinge steigen wir wieder in unsere Sättel und fahren erneut dahin wo wir vor einer viertel Stunde waren. „Da geht es zur Bao Dai Villa“, rufe ich, als wir an einem Schild vorbeifahren welches auf einen Hügel zeigt. „Da bringen mich heute keine zehn Pferde mehr rauf“, ist sich Tanja sicher.

Wir treten unsere Rösser durch das Örtchen Lien Son unweit vom See, queren einen kleinen Markt, der uns wegen seinem hektischen Treiben kaum durchlass gewährt. Mittlerweile sind unsere Nerven gereizt. War eventuell doch eine Fehlentscheidung sich für diese weite Strecke entschieden zu haben. Ich steure mein schweres Rad in wenigen Zentimeterabstand an den Verkaufsständen vorbei. Hühner in ihre Drahtkäfigen gackern aufgeregt. Entenkücken, zusammengepfercht in eine flachen Drahtgeflecht schnattern laut durcheinander. Kleine Mopeds, auf deren schmalen Sitzbank sich manchmal bis zu zwei Erwachsene und drei Kinder zusammenquetschen, zickzacken bedenklich nahe an unserem Gepäck vorbei. Der Durchgang auf dem wir uns befinden ist maximal 1 ½ Meter schmal. Immer wieder bleiben die Fahrrad- und Mopedfahrer einfach mitten im Weg stehen, womit sie ein Hup- Klingelkonzert der anderen auslösen. Direkt vor mir fällt ein Korb mit Kartoffeln um. Die braunen Knollen kullern über den Weg. Ein Mopedfahrer ist das egal und knattert drüber. Die Bäuerin schimpft und flucht lauthals. Wir warten bis sie ihr wertvolles Gut wieder eingesammelt hat und schieben unsere Böcke weiter durch ein Chaos das mit Worten schwerlich zu beschreiben ist. Endlich sind wir durch, fragen nach dem Van Long Lak Lake Guesthouse. Kinder umringen uns. Sie kreischen und schreien erregt als sie Ajaci in seinem Anhänger entdecken. Einer nimmt einen Stein auf und möchte ihn auf Ajaci werfen. „Nooo!“, brüllt Tanja. Der Junge lässt den Stein fallen und läuft davon. Wir erreichen das Gästehaus, stellen unsere Räder ab. Keiner der Angestellten beachtet uns. „Was ist denn hier nur los?“, fragt Tanja. „Die haben anscheinend zuviel Touristen“, entgegne ich und suche die Rezeption. Eine junge Vietnamesin fordert mich finster drein schauend auf ihr zu folgen. Sie zeigt mir ein traditionelles Langhaus welches als Dormitorium genutzt wird. „Wir haben einen Hund dabei. Da können wir nicht in einer Massenunterkunft schlafen. Haben sie kein Zimmer mehr frei?“ „Nein. Wir sind heute und auch für die kommenden Tage ausgebucht“, vernehme ich die erschütternde Antwort. Auf dem Rückweg zu Tanja komme ich an einem Käfig vorbei in dem sich gerade eine gewaltige Python am Drahtgitter erhebt. „Wow!“, rufe ich erschrocken und springe ein Stück zu Seite. „Das ist ja ein Koloss“, meine ich zu dem Mädchen auf das Schlangenwesen deutend, dessen Körper ohne Übertreibung einen Durchmesser von mindesten 20 Zentimeter besitzt.

„Ausgebucht“, sage ich zu Tanja wieder bei den Rädern angekommen. Für einige Minuten stehen wir etwas unschlüssig herum. Wir fragen einen Tourguide ob er noch weitere Unterkünfte hier kennt. „Es gibt nicht viel. Vielleicht versuchen sie es mal in Lien Son, direkt gegenüber der Post oder im Lak Lake Resort“, schlägt er vor. Wir bedanken uns, steigen auf unsere Räder und fahren zurück ins Zentrum von Lien Son. Dabei geht es erneut durch den kleinen, hektischen Markt. Weil wir das Hotel nicht finden landen wir wieder am See. „Lass uns zur Bao Dai Villa rauf fahren. Dort gibt es auch Zimmer“, vermute ich. Tanja nimmt es kommentarlos hin. Das asphaltierte, schmale Sträßchen schlängelt sich in vielen Windungen durch einen tiefgrünen Urwald steil nach oben. Nur im ersten oder zweiten Gang schaffen wir es überhaupt unsere Räder hinaufzutreten. Vor uns raschelt etwas im Gebüsch. Es muss was Größeres sein, da sich ein riesiger Busch massiv bewegt. „Ein Elefant!“, bin ich verblüfft. Wir stellen die Räder auf die Ständer. Damit bei der Steigung mein Rad nicht rückwärts runterrollt ziehe ich, wie so oft an solchem Gefälle, die Bremse des Hängers. Staunend stehen wir nun da und sehen dem Elefantenbullen beim Fressen zu. Uns trennt nur ein etwa 30 Zentimeter niedrige Straßenbegrenzung und eine 10 Meter kleine, mit Büschen bewachsene Fläche. „Unglaublich“, staunt Tanja. Ohne sich von uns stören zu lassen mampft der Riese seelenruhig weiter an dem großen Bambusstrauch. Ich schieße ein paar Bilder. „Hast du die Räder im Vordergrund?“, fragt Tanja. Klar, ansonsten glaubt uns das keiner“, antworte ich. Damit ich die störende Straßenbegrenzung nicht mehr im Bild habe gehe ich näher heran. Wieder drücke ich den Auslöser. Plötzlich hört der Elefantenbulle zu mampfen auf und sieht mich an. Da wir vor Jahren schon mal für viele Wochen mit einem Elefanten im Tiefland von Nepal unterwegs waren, kenne ich ein wenig die Mimik und Gestik eines Elefanten. Ich bin gerade im Begriff ein paar Schritte rückwärts zu gehen als der Bulle unvermittelt angreift. Etwa 3.500 Kilogramm Muskelmasse stürmen auf mich zu. „Aaahhhh!“, brülle ich vor Schreck und suche mein Heil in einer panischen Flucht. Der Elefantenbulle bleibt indes abrupt an der kleinen Barriere stehen und schleudert mir seinen langen muskulösen Rüssel entgegen. Sssschchttt! Knallt mir das dünne Ende eines Bambusstabes, welches er im Greiffinger seines Rüssels hält, nur einen Zentimeter an meinem Gesicht vorbei. Das Grünzeug trifft den Sonnenschutz meines Helmes, dass mir der Radhelm in den Nacken rutscht. „Er ist angebunden“, stellt Tanja fest. „Puhhh, zum Glück“, pruste ich, weil mir bewusst ist, diesen Umstand mein Leben verdankt zu haben. „Er hat sogar versucht mich mit dem Bambus zu erwischen“, sage ich auf das vor mir liegende Ding deutend. „Unglaublich.“ „Absolut. Hätte mir fast in die Hose gemacht“, stottere ich etwas kleinlaut. „Wen wundert’s“, meint Tanja. Bevor ich die Kamera wieder wegpacke schaue ich mir das letzte Bild an. „Ich hab’s.“ „Was hast du?“ „Als der Elefant angriff betätigte ich vor Schreck den Auslöser, und stell dir vor, das Bild ist was geworden. Super“, freue ich mich, obwohl ich weiß, dass diese Aktion leicht ins Auge hätte gehen können. Es ist durchaus möglich, dass der Mahut (Elefantenführer) sein Tier nicht für eine Attacke gesichert hat, zumindest ist in naher Umgebung des Elefanten kein Baum zu sehen an den man einen Elefanten festketten könnte. Das heißt, er hat ihn mit höchster Wahrscheinlich nur an einen der Büsche festgemacht. Da Elefanten in der Lage sind Tonnen zu bewegen ist es für sie auch nicht schwer sich von einem Busch loszureißen. Diesmal habe ich also Glück gehabt, geht es mir durch den Kopf, an meinen unbeabsichtigten Sprung von der Bambusbrücke vor ein paar Monaten denkend.

Wir verlassen das größte Landsäugetier auf Erden und strampeln weiter den Berg hoch. Oben angekommen erwartet uns ein in die Tage gekommenes Haus. Von hier ist der Blick über dem See traumhaft. In einem dramatischen Farbenspiel ist die Sonne hinter den wenig entfernten Bergrücken gesunken. Bei dämmrigem Licht gehe ich in das Haus. „Halloooo!“, rufe ich erneut. Keine Antwort. An der Wand hängen Bilder die verschiedene Jagdszenen dokumentieren. Ein europäischer Großwildjäger sitzt mit einem Gewehr auf einem Elefanten. An der Wand hängt ein abgegriffenes, ausgestopftes Krokodil. „Yes“, erschreckt mich eine Frauenstimme. „Man, sie haben mir aber einen Schrecken eingejagt.“ Die Asiatin antwortet mit einem Lächeln. „Haben sie noch Zimmer frei?“, frage ich mit noch immer klopfendem Herz. „Haben wir. Wollen sie eines sehen?“, fragt sie auf Englisch. Bevor ich mir die Mühe mache mir eines der Zimmer in der nach Schimmel riechenden Villa anzusehen, frage ich ob es hier oben auch etwas zu essen für uns gibt. „Wenn sie essen möchten müssen sie runter in die Stadt fahren. Wir betreiben zurzeit keine Küche. Frühstück gibt es ebenfalls unten im Lak Lake Resort“, erklärt sie. Ich erfahre, dass die Bao Dai Villa das einstige Jagddomizil eines Kaisers war. Das ist also der Grund für die Bilder und Trophäen. „Ich möchte hier nicht bleiben“, meint Tanja. „Okay, dann bleibt uns nichts anderes übrig als wieder runter zu fahren. Da soll es doch noch ein hochwertigeres Resort geben. Vielleicht können wir dort einen guten Preis für uns aushandeln“, überlege ich. Als wir bei der Talfahrt wieder an dem angriffslustigen Elefanten vorbeiradeln schießt Tanja aus gehörigem Sicherheitsabstand noch ein Bild: ‚Denis auf E-Bike am Elefanten vorbei’. Weil wir das edle Resort nicht finden landen wir nun zum dritten Mal auf dem kleinen Markt. In Zentrum von Lien Son entdecken wir diesmal das Stadthotel. Unschlüssig stehen wir vor dem Betonbunker. „Da sind wir unweit eines Nationalparks und schlafen in so einem hässlichen Haus. Außer dem üblichen Verkehrslärm ist hier von Natur weit und breit nichts zu sehen“, stelle ich fest, bin aber wegen meiner Müdigkeit sofort bereit da einzuchecken. „In diesem Fall würde ich das ‚Horror hat einen Namen’ vorziehen“, meint Tanja.

Es ist 18:00 Uhr und dunkel als wir 10 Stunden nach unserem heutigen Aufbruch und 140 Tagekilometern in dem Horrorladen ankommen. Diesmal ist die Rezeption besetzt. Tatsächlich bekommen wir eines der schwer heruntergekommenen Bungalows für einen Wucherpreis von 750.000 Dong (31,- €). Ob unser Ajaci hier rein darf habe ich nicht mal in Frage gestellt. Unsere Räder sind in der kleinen Rezeption akzeptiert. Ein Pluspunkt für diesen Schuppen. Im Zimmer blättert der Putz von den Wänden, alle Steckdosen haben einen schweren Wackelkontakt oder gehen gar nicht, manche Schränke besitzen keine Türen, die Glühbirnen der Lampen sind fast alle ausgefallen und wurden nicht erneuert, die Türen zum Bad und Terrasse sind völlig verrostet, der altersschwache Kühlschrank dröhnt und auf einem der angenagten niedrigen Schränke steht ein betagter Röhrenfernseher. „Nostalgie pur“, sage ich lachend. „Egal, Hauptsache wir haben ein Bett zum schlafen“. „Stimmt, und morgen sieht die Welt sicherlich besser aus“, meine ich…

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