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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Verdursten oder ertrinken, beides ist hier möglich

N 22°56’56.8’’ E 128°15’36.3’’
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    Tag: 136 Etappe Zwei

    Sonnenaufgang:
    04:43

    Sonnenuntergang:
    17:37

    Luftlinie:
    20,5

    Tageskilometer:
    28

    Temperatur - Tag (Maximum):
    40 Grad

    Breitengrad:
    22°56’56.8’’

    Längengrad:
    128°15’36.3’’

See-Camp-3 — 29.10.2001

Moskitos, Moskitos, Moskitos. Sie schwirren um unser kleines Stoffhaus und surren so laut, dass ich diese ständige Geräuschkulisse nur noch schwerlich ertrage. Wie wir uns auch schützen, sie bleiben die uneingeschränkten Sieger. Mich graust es regelrecht kurz nach drei Uhr morgens in ihr Reich treten zu müssen. Konzentriert kaure ich vor dem Zelteingang und warte bis mein Geist mir befiehlt nach draußen zu stürzen. Lange sitze ich da und lausche auf meine innere Stimme, doch sie bleibt einfach stumm. Nachdem die Anweisung nach draußen zu treten und den Tag wie jeden Tag zu beginnen ausbleibt höre ich eine mir ebenfalls bekannte Stimme mit sanften Tonfall flüstern. „Komm, lege dich noch ein paar Minuten hin. Ob du nun fünf Minuten früher oder später in diese Hölle da draußen schreitest wird an dem Tagesablauf nicht das Geringste ändern.“ „Gute Idee,“ antworte ich ebenfalls leise und bin im Begriff meinen müden Körper wie empfohlen wieder abzulegen. „Was machst du da Mann! Raus mit dir! Tanja räumt schon die Küche zusammen! Du wirst doch kein so furchtbarer Egoist sein?“ ,belfert mich mein Unterbewusstsein plötzlich an und lässt mich hochschrecken. „Okay, du hast gewonnen,“ antworte ich ärgerlich, reiße den Reißverschluss auf, hechte in das Moskitoinferno und ehe ich mir meine Socken und Hosen angezogen habe saugen sich die nimmersatten Vampire bis zum Rand an meinem kostbaren Blut voll. Laut fluchend ziehe ich mir trotz der 20 Grad einen Flies und eine dünne Wollmütze an damit meine Feinde so wenig Stechmöglichkeiten wie nur möglich bekommen. Dann räume unsere Schlafsachen in einen großen Ortliebseesack. Prüfend blicke ich während meiner Arbeit in den nächtlichen Himmel und bemerke die sich schwarz absetzenden Gewitterwolken. Bedrohlich rasen sie über unseren Lagerplatz, verdecken die Sterne, um sie wenige Augenblicke später wieder durch ihre ausgefransten Löcher spitzen zu lassen. Mit ungutem Gefühl laufe ich nach dem Zusammenpacken zu unsere Küche, setze mich laut aufstöhnend in den Klappstuhl, greife mir meine Müslischüssel und bereite mir mein Frühstück. „Hast du gut geschlafen?“ ,fragt mich Tanja ebenfalls müde. „Es geht, und du?“ „Ich habe seltsam geträumt. Glaubst du wir werden Regen bekommen?“ „Keine Ahnung. Australien ist immer für eine extreme Wetterveränderung zu haben.“ „Wir müssen sehen, dass wir dieses überschwemmte Region so schnell als nur möglich hinter uns lassen.“ „Ja, wenn ich nur daran denke, dass wir von einem weiteren schweren Wetter überrascht werden stellen sich meine Haare auf. Vor allem werden wir in solch einem Fall hier ohne die geringsten Chancen untergehen.“ „Ray hat schon gesagt wir sollen uns jetzt beeilen. Die Zyklonenzeit beginnt offiziell Anfang November und bis dahin sind es nur noch drei Tage.“ „Hm, antworte ich besorgt und löffle wegen der Stechmücken mein Müsli in Rekordzeit hinein. Wie auch schon die gesamte Nacht wälzen sich unsere Wüstentiere unaufhörlich im Wüstensand, um für wenige Bruchteile eines Augenblicks die lästigen Sauger loszuwerden. Meine Hände werden trotz der schnellen Bewegung von Schüssel zu Mund zerstochen und die wenigen freien Stellen unserer Gesichter werden unaufhörlich attackiert.

„Camis walk up!“ ,befehle ich 4 ½ Stunden später unseren treuen Gefährden das Loslaufen. Die bedrohlichen Wolken verdecken für eine Weile den brennenden Planeten, ziehen dann aber unter tiefen furchteinflößenden Donnern in Richtung Südosten an uns vorbei. Es ist ein außergewöhnlich heißer Tag der uns das Vorankommen nicht leicht macht. Große Bereiche des Wüstenlandes sind mittlerweile von Buschfeuern schwarz gezeichnet. Manche der gefräßigen Flammen sind schon vor Wochen über das Land gewalzt. Frisches, Spinifex spitzt mit seinem sanften, saftigen und jungen Grün durch die toten, verbrannten Flächen und bilden einen farbenfrohen Kontrast. Das zähe und hartnäckige Gras ist für mich ein Symbol des Überlebens. Es zeigt die Stärke einer sich regenerierenden Mutter Natur und trotzt dem unaufhörlichen Abbrennen durch Menschenhand. Ich führe unsere Karawane über das jungfräuliche Grün, welches unsere Kamele liebend gerne fressen. Vor unseren Augen wölbt ein relativ großer Steinhügel seinen flachen Rücken in den Himmel. Mount Webb heißt dieser imposante Berg der mit Sicherheit eine Rolle in den Traumpfaden der Aborigines spielt. Eine Stunde später glitzert eine Wasserfläche nördlich von uns in der Mittagshitze. Der Track führt in ca. 200 Meter Abstand vorbei und ist unangenehm feucht. Es riecht modrig und sumpfig. Langsam ziehe ich Sebastian über den tückischen Untergrund. Er murrt, schimpft und jammert in letzter Zeit recht häufig, was wir auf die harten Wetterbedingungen zurückführen. „Sollen wir dort unsere Wasserreserven auffüllen?“ ,fragt Tanja. Ich überlege eine Weile und habe große Bedenken unsere Kamele könnten in Ufernähe gefährlich einsinken. „Ich weiß nicht. Ich habe ein ungutes Gefühl wenn ich mir das abgestorbene Spinifex betrachte. Lass uns lieber bis zur nächsten Möglichkeit warten. Das Beste wäre wenn der Weg wieder direkt in einem See verschwindet. Dann können wir auf dem festeren Untergrund uns nahe an das Wasser wagen ohne hoffnungslos darin zu versinken,“ meine ich mit skeptischen Tonfall, denn ich weiß nicht ob wir einen weiteren großen Wüstensee entgegenlaufen. Obwohl wir genug Wasservorräte mitführen und wir uns in einem riesigen Schwemmland befinden bin ich mir nicht wirklich sicher ob sie ausreichen werden bis wir wieder auf ein in der Karte eingetragenes Bohrloch stoßen. Das Seewasser der Wüste ist durch eine starke Versalzung nicht selten ungenießbar und wir wissen nie ob das nächste Bohrloch Wasser enthält, verschmutzt ist oder vielleicht gar nicht mehr existiert. Es ist also ein ungeschriebenes Gesetz in der Wüste dann Wasser aufzufüllen wenn es da ist. Abgesehen davon haben wir während der letzten 3490 Laufkilometer schon soviel unvorhergesehene Zwischenfälle meistern müssen, dass wir mittlerweile noch vorsichtiger geworden sind. Australien ist ein Land in dem man innerhalb nur weniger Stunden und manchmal in noch kürzerer Zeit verdursten oder in zuviel Wasser ertrinken kann. Es ist ein Land der extremen Gegensätze, besonders in diesem regenreichen und zugleich heißem Jahr. Ich grüble also noch eine Weile vor mich hin und frage mich ob wir nicht doch in diesem See unsere Wasservorräte erneuern hätten sollen? Viele der Entscheidungen hier draußen sind elementare Entscheidungen die das Weiterleben oder das elendige Verenden besiegeln können. Da aber Entscheidungslosigkeit ebenfalls zum Tote führen kann ist es immer besser eine zu treffen. Meine Gedanken drehen sich also um dieses Thema als uns der sich neigende, langgezogene Rücken des verwaschenen Weges wieder den Blick auf einen riesigen Binnensee freigibt. Obwohl uns diese Wasserfläche zu einem weiteren großen Umweg zwingt bin ich über ihren Anblick richtig froh.

Ist das Seewasser genießbar?

„Erkennst du das da vorne? Ist das ein Auto?“ ,frage ich Tanja. „Ja, eigenartig. Wie soll denn ein Auto in diese überschwemmte Region kommen?“ „Keine Ahnung aber so wie es aussieht ist es keine Fatahmorgana,“ antworte ich und bin gespannt was wir gleich entdecken werden. Einen Kilometer weiter stehen wir vor einem alten Holden der in einem schwer zerklüfteten, jetzt ausgetrockneten Flussbett mit seinem Motorblock auf einen großen Kieselstein aufsitzt. „Ist ja unglaublich. Ob das die Aborigines waren die es bis 50 Kilometer vor Kiwirrkurra geschafft haben?“ ,fragt Tanja. „Ich weiß nicht. Es ist mir unbegreiflich wie ein Personenwagen soweit in diese unzugängliche, sumpfige und vom Hochwasser heimgesuchte Region fahren konnte. Aber wenn es die Aborigines bis hierher wirklich geschafft haben sind sie Helden. Ich frage mich bloß wie sie von hier wieder weggekommen sind? Sie hatten in jedem Falle einen sehr weiten Weg vor sich, egal in welche Richtung sie gelaufen sind,“ plaudere ich kopfschüttelnd vor mich hin und untersuche das völlig demolierte und zerstörte Gefährt. Es ist bekannt, dass die heutigen Aborigines keinen Meter mehr freiwilligen laufen. Vor allem, dass viele von ihnen durch unsere westliche Nahrung übergewichtig sind und durch die fehlende körperliche Bewegung völlig untrainiert. Nicht selten kommen Aborigines in den Wüsten Australiens ums Leben weil ihre Fahrzeuge schlapp machen und sie absolut nichts mit sich führen, um nur einen Tag überleben zu können. Genau aus diesem Grund frage ich mich wie diese Fahrzeuginsassen hier mit ihrem Leben davongekommen sind? Ich führe unsere schwer beladenen Boys um das Wrack in Richtung See. Prüfend lasse ich meinen Blick über das Gelände vor uns schweifen. Es ist genau erkennbar an welchen Stellen sich der Sand des Tracks dunkler verfärbt. 50 Meter bevor sich ein verräterischer, dunkelbrauner Streifen über den Weg zieht stoppe ich die Karawane. Wir lassen unsere Jungs absetzen, binden ihre Vorderbeine zusammen und während Tanja die Kamele beaufsichtig prüfe ich das Ende des Wüstenweges, welcher unter den enormen Wassermassen verschwindet. „Es ist ganz schön sumpfig hier,“ spreche ich in das Walkie Talkie. „Kommst du bis ans Wasser ran?“ ,fragt Tanja. „Ja, aber ich versinke bis zu den Knöcheln. Ich denke ich schaufle uns eine Plattform von der aus wir die Eimer füllen können,“ antworte ich, knie mich ab, um die verheißungsvolle Flüssigkeit zu probieren. „Schmeckt nur leicht bitter und wenn man die vielen toten Insekten auf der Oberfläche und die unzählig Lebenden unter der Oberfläche übersieht ist es absolut genießbar,“ stelle ich fest und hinke wegen meiner unaufhörlich schmerzenden Hüfte zur Karawane zurück. Wie in Zeitlupe schnalle ich die Eimer von Edgars Sattel und packe die leeren Wassersäcke aus seinen Satteltaschen. Tanja und ich bleibt jetzt nichts anderes übrig als unsere Lasttiere unbeaufsichtigt zu lassen und zum See zu laufen. Wie geplant schaufle ich den ebenfalls feuchten Sand auf den Rand des  Weges und baue so eine Basis die uns einige Zeit tragen sollte. Tanja schöpft nun aus dem brühwarmen, in diesem Bereich etwa 15 Zentimeter flachen Wasser, Becher für Becher heraus, um in die Wassersäcke zu füllen. Ich nehme die Hundeschüssel, um das kostbare Nass in die Eimer für die Kamele zu schütten. Dann laufe ich mit immer länger werdenden Armen über den nachgiebigen Untergrund zu unseren Kamelen zurück. Weil Jafar der Ungeduldigste von allen ist geben ich ihm zuerst einen Eimer. Dann Sebastian, der im Begriff ist trotzt zusammengebundener Vorderbeine herumzurobben. Auch die anderen verrenken ihre Köpfe, verdrehen ihre Augen und protestieren lautstark. „Ihr bekommt ja gleich etwas,“ beruhige ich sie und humple die 100 Meter zum See zurück. Tanja hat es sich mittlerweile bequem gemacht. Sie sitzt auf der schmalen, feuchten Plattform, kühlt ihre Füße in dem warmen Seewasser, trinkt von Zeit zu Zeit einen Schluck daraus um ihren Durst zu stillen und schöpft einen Trinkbecher nach dem anderen in die Sourcesäcke. Ich beneide sie in diesem Moment für ihre Tätigkeit und würde am liebsten tauschen. Missmutig schöpfe ich die nächsten zwei Eimer voll, trinke ebenfalls mehrere Becher, um meinen nicht enden wollenden Durst zu löschen und schleppe die Eimer zu den Kamelen. Nachdem ich 180 Liter Wasser zu unseren durstigen Mäulern getragen habe bin ich fast dem Zusammenbruch nahe. „Ich löse dich ab,“ bietet mir Tanja an und nimmt mir die Eimer aus den Händen. „Danke,“ sage ich erleichtert und begebe mich zu ihrer Schöpfplattform. Erst als ich mich abknie bemerke ich, dass diese Arbeit auch nicht einfacher ist. Über meine anfängliche Missmut lächelnd gieße ich nun Becher für Becher in die Trinksäcke, während Tanja Eimer für Eimer zu den Kamelen trägt. Knapp zwei Stunde später ist der Durst unserer Jungs gestillt. Wir tragen die 10 Wassersäcke, also 100 Liter, zur Karawane. Tanja holt noch die Schaufel und die kleinen Tagestrinksäcke als ich Edgar lade. Er ist nach dem langen Sitzen unruhig und zeigt mir durch sein Verhalten, dass er gleich Aufstehen wird. „Ist in Ordnung Edgar. Ich bin gleich fertig und dann darfst du deine Beine ausstrecken,“ beruhige ich ihn. Als ich wieder einen der Wassersäcke in seine Satteltasche hebe explodiert er plötzlich nach oben, ist aber durch die zusammengebundenen Vorderbeinen gezwungen sich wieder zusetzen. Ich bin zu geschafft, um mich durch diese Aktion aus der Ruhe bringen zu lassen, rede weiterhin beruhigend auf ihn ein als er seinen gesamten Körper urplötzlich auf die Seite wirft und seine Hinterfüßen wie eine tödliche Sense durch die Luft schleudert. Dadurch, dass er diesen gefährlichen Trick schon lange nicht mehr angewendet hat, waren wir nicht mehr gezwungen auch seine Hinderbeine zu fesseln. Unter normalen Umständen wäre ich in letzter Sekunde auf die Seite gesprungen, doch wegen meiner bleischweren Knochen und der Übermüdung ist meine Reaktion nahezu nicht vorhanden. Nur um wenige Zentimeter verfehlt der erste grausame Schwinger meine Beine. Ich schreie vor Schreck wie ein verletztes Tier auf und als seine Hinderbeine das Zweitemal sensenartig über den feuchten Grund sausen lässt mich mein Adrenalin zur Seite hechten. „Edgar bist du irre? Willst du mich umbringen? Du Schwachkopf!“ ,schreie ich aus Leibeskräften und verpasse ihm ebenfalls einen Tritt. Edgar brüllt obwohl ihn ein Fußtritt von mir sowenig schmerzt wie ein Moskitostich. Es sind meine scharfen Worte die ich ihm in sein Ohr belfere und ihn wimmern lassen. Als Tanja kommt ist alles schon vorüber. „Edgar hat mich nur um Haaresbreite verfehlt,“ sage ich immer noch leicht geschockt. „Was? Wie denn das?“ ,fragt sie erschrocken worauf ich ihr den Vorfall erzähle.

Wie eine Riesenschlange über das Rückrad einer Sandwelle

Wenig später ist der Beinahunfall wieder vergessen. Ich führe die Karawane über feuchten Grund nach Norden. Unser Ziel ist eine Sanddüne die den See an seiner Nordseite begrenzt. Bedacht ziehe ich Sebastian auf den steilen Dünenhang. Alle anderen folgen ihm ohne große Schwierigkeiten zu zeigen. Es ist das erste Mal, dass wir einen der Seen auf dem Rücken einer Düne umgehen müssen. Es geht nun um Eukalyptusbäume, Sträucher, Büsche, Äste umgefallenen Bäume, durch Mulden und unzählige kleine und größere Sandhügel. Professionell umgehen unsere Jungs all die Hindernisse. Keiner von ihnen versucht eine Abkürzung zu nehmen, um dann von seinem Vordermann über oder durch einen Busch gezogen zu werden. Wir haben von hier oben einen fantastischen Rundblick über die Gibson Wüste und ihre Seenlandschaft. Der Anblick und seine unbegrenzte Schönheit rauben uns fast den Atem. Die gleißende Sonne, die von dunklen Gewitterwolken umringt wird, reflektiert ihr grelles Licht in einem überdimensional großen Spiegel, dem See, und blendet unsere Augen. Abgestorbene und lebende Bäume ragen ihre Kronen in den Gewitterhimmel. Berge und Hügel, in ihrem rotbraunen Gestein, wabbern schemenhaft in der Ferne. Luftspiegelungen lassen uns glauben die Seenlandschaft versinkt hinter der Horizontlinie. Langsam aber stetig winden sich unsere Tiere wie eine Riesenschlange über das Rückrad einer riesigen Sandwelle. Links und rechts von uns leckt das Wasser mit seinem unheilvollen sumpfigen Grund an der Erhebung. Wir fühlen uns wie Treibgut auf einem Ozean und hoffen einen trockenen Lagerplatz zu finden. Eine halbe Stunde später hat es unser Zug des Lebens geschafft die Wasserflächen hinter sich zu lassen. Die Düne und die Seen haben sich für heute in Luft aufgelöst. Mühsam stolpern wir durch hohes Spinifex bis plötzlich die gesamte Gegend wieder von einem Buschfeuer kahlgebrannt ist. Wir sind am Ende unserer Kraftreserven. Da es hier für unsere tapferen Kamele nicht das Geringste zu fressen gibt sind wir aber gezwungen weiterzugehen. Nach acht Stunden finden wir dann am späten Nachmittag neben einen langgezogenen Felshügel ein paar Sträucher die vom Feuer verschont geblieben sind. Wir entladen unsere Tiere und erschrecken über Jaspers Wunde die geschwollen aussieht. „Wir müssen ihn noch mehr entlasten,“ meine ich nachdenklich. „Okay, ich werde den Ladeplan noch einmal umschreiben. Ab morgen wird er nur noch das Allernötigste tragen müssen,“ antwortet Tanja besorgt um ihren Liebling.

Noch während des Campaufbaus zieht eine böse Gewitterfront über den Hügel. Ferner Donner grollt tief und Blitze entladen sich irgendwo in der Seenlandschaft. „Ich baue besser auch das Außenzelt auf,“ sage ich und bin mit der Lage unseres Campplatzes überhaupt nicht zufrieden. „Wenn sich das Gewitter hier entlädt fließt das gesamte Wasser von dem Erdhügel genau hierher,“ stelle ich fest und hoffe wie sooft in den letzten Wochen, dass die Front an uns vorbeizieht.

Nur nicht wahnsinnig werden!

Als uns dann die scheußlichen Stechmücken wieder ins Zelt getrieben haben liege ich da und halte es vor Hitze kaum aus. Der aufgeheizte, feuchte Boden. Die Wolkenschicht die sich wie eine Wärmdecke über das Land gelegt hat und die beunruhigende Windstille lassen das Thermometer im Zelt auf glatte 32 Grad steigen. Ich ziehe mich nackt aus, selbst meine Unterhose ist mir lästig. Immer noch liege ich da und brate im eigenen Schweiß. Mein Körper glitscht auf der Isomatte unangenehm hin und her. Tanja kann wie immer auch bei enormer Hitze gut schlafen. Ich beneide sie dafür und höre ihr regelmäßiges Atmen. Ich setze mich auf, beobachte die sich über uns zusammenbrauenden Wolken und weiß nicht was ich tun soll. Wenn ich das Außenzelt abbaue und es beginnt zu regnen muss ich wieder in die Moskitohölle um es aufzubauen. Ich lege meinen nassen, an vielen Stellen juckenden Körper wieder ab und schließe meine Augen, doch es ist so heiß, dass ich körperliche Schmerzen empfinde. Ich drehe mich auf die linke und auf die rechte Seite. Als das nichts bringt lege ich mich auf den Rücken und dann auf den Bauch. Rufus liegt mit seinem warmen Körper an der Zeltwand die mich unangenehm berührt. Ich beherrsche mich, möchte schreien, möchte jammern, in einen kalten See springen, mir die Haut vom Leib ziehen und weiß nicht wie ich diesen Wahnsinn hier durchhalten soll. Ich stöhne laut auf und versuche zu meditieren. Fünf Minuten später gebe ich meine fehlgeschlagene Meditation wieder auf und setze mich. „Scheiß auf die Moskitos und noch mehr auf den verdammten Regen. Ich gehen jetzt nach draußen und baue das Außenzelt ab,“ flüstere ich sehr, sehr ärgerlich. Sofort ziehe ich den Reißverschluss auf, hechte ins Freie, um ihn gleich wieder zu schließen. Dann rase ich um das Zelt, zerre die Heringe aus dem Boden und ziehe die Schwitzhaut ab. Moskitos nutzen natürlich die super Gelegenheit sich kostenlos an meinem erhitzten Blut zu laben. Sie scheinen meinen verschwitzten, klebrigen nackten Körper zu lieben, denn sie hängen wie die Bienen am Nektar daran. Wild um mich schlagend und laut fluchend schieße ich dann um 21 Uhr wieder in das nun aufgedeckte Moskitozelt. Sofort creme ich die fürchterlich juckenden Einstichstellen mit dem lindernden Gel ein. Dann beherrsche ich mich eine Weile nicht zu kratzen bis der schreckliche Juckreiz nachlässt. Bevor ich mich nun ablege suche ich im Schein meiner Stirnlampe nach den frechen Stechbiestern die sich mit mir ins Zelt geschmuggelt haben und töte sie gnadenlos bis auf den letzten Mann. Dann lege ich mich zufrieden ab und warte aufs schwerverdiente Einschlafen. Ich betrachte durch das Moskitomaterial die schwarzen Wolken die da oben einen ausgelassenen wilden Tanz vollziehen. Blitze zucken durch das Himmelsgewölbe und lassen es für Sekunden im gleißenden Licht erscheinen. Der Vollmond spitzt immer wieder einmal durch die aufreißenden Wolkenschluchten und wirft sein helles Licht auf uns herab. Es ist 21 Uhr 30 und ich liege immer noch wie ein gegarter Braten in der Röhre. Das Thermometer zeigt jetzt zwar nur noch 30 Grad aber für mich ist das weit zu viel, um in das Land der Träume wandern zu können. „Nur nicht wahnsinnig werden. Du wirst dich doch nicht von dem bisschen Hitze ins Boxhorn jagen lassen? Durchhalten, durchhalten, durchhalten,“ rede ich auf mich selbst ein, doch es ist leichter gesagt als getan. Um 23 Uhr hat sich an der Situation nichts geändert. Die Erinnerungen an unsere Madagaskardurchquerung werden wieder wach. Damals war es noch feuchter als jetzt, denn es hatte zu der Hitze noch ständig geregnet. Während Tanja und ich in einem Einbaum Hunderte von Kilometern einen Flusslauf folgten wurden wir von der einsetzenden Monsunzeit überrascht. Ich weiß nicht wie ich damals den Irrsinn entflohen bin, aber irgendwie habe ich es geschafft. „Diese Nacht werde ich auch überstehen,“ schwöre ich mir selbst und versuche mein Leiden zu ertragen. Um 24 Uhr fallen die Temperaturen auf ca. 28 Grad. Mein Körper hat anscheinend genug sich zu Wehr zu setzen und fällt in einen unruhigen Schlaf.

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