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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Hitze oder Moskitos

N 22°56’22.5’’ E 128°03’38.1’’
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    Tag: 133-135 Etappe Zwei

    Sonnenaufgang:
    04:45

    Sonnenuntergang:
    17:37

    Temperatur - Tag (Maximum):
    38 Grad

    Breitengrad:
    22°56’22.5’’

    Längengrad:
    128°03’38.1’’

Schwindel-Camp — 26.10.2001 – 28.10.2001

Schon am Morgen wache ich mit fürchterlichen Schwindelanfällen auf. „Ich hoffe wirklich nicht diese Ross River Virus Krankheit zu haben.“ „Glaube ich nicht.“ „Ich weiß, dass ein Moskito nicht länger als ein paar Tage lebt und diese Krankheit meist dort vorkommt, wo es viele Menschen gibt. Aber irgend etwas muss es doch sein? Ich fühle mich Hundeelend,“ jammere ich wie sooft in der letzten Zeit und erhebe mich mit schmerzendem Rücken. Nach dem Frühstück richte ich wieder alles her um diese Zeilen zu schreiben. Es kostet mich Stunden um den ersten Absatz zu formulieren. Immer wieder bricht meine Konzentration zusammen und ich weiß nicht wie ich weiter machen soll. Das Thermometer steigt auf knapp 40 Grad im Schatten worauf ich noch mehr leide. Tanja geht es heute geradezu hervorragend. Sie ist Energie geladen und bester Laune. Ich freue mich darüber, dass wenigsten sie von den Schwindelanfällen unbehelligt ist, komme mir aber gleichzeitig wie ein verwundbares kleine Küken vor welches jeden Tag unter etwas anderem leidet. Ich quäle mich von Zeile zu Zeile und bin dem Weinen nahe. Was ist bloß los mit mir? Der reichste Mensch ist furchtbar arm wenn er krank ist, geht es mir in diesem Moment durch den Kopf und heute verstehe ich diesen Spruch aus dem tiefstem Inneren. Obwohl mein Reichtum nur aus Erfahrungen besteht nützen sie mir in diesem Augenblick auch nicht. Schon oft auf den letzten 3462 Kilometern, also seit Beginn der Red Earth Expedition, habe ich über meinen und unseren Gesundheitszustand berichtet. Auch wenn es sich oft wiederholen mag schreibe ich in diesem Tagebuch täglich was ich denke, was ich fühle und wie es uns ergeht. Ich schreibe über die Höhen und Tiefen, über den Zyklus des Lebens, dem Pulsschlag einer Expedition und da gehören natürlich auch unsere kleinen und größeren Leiden dazu. Ob sie psychischer oder physischer Natur sind. Ich schreibe und erkläre mir oft selbst Dinge und verstehe sie dann besser, wenn ich meine Gedanken schriftlich formuliert habe. Heute sitze ich da und weiß nicht wie ich den Tag überstehen soll. Die Moskitos werden immer dreister und attackieren uns jetzt auch während des Tages. Es sind Millionen und Millionen von Stechmücken die das Land beherrschen. Unsere Kamele werden fast wahnsinnig und wälzen sich nachts unaufhörlich im Sand. Die Augen von Rufus sind völlig verstochen und geschwollen. Über Nacht reiben wir ihm Moskitomittel auf die Nase wodurch er für einige Zeit in Ruhe gelassen wird. Er mag den Geruch zwar nicht und versucht sich sofort im Sand zu suhlen aber es hilft. Dadurch, dass es auch für Kleinkinder und Babys geeignet ist können wir ihm nicht schaden. (Zedan Natürlicher Hautschutz wird unter anderem auch von der Fa. Brettschneider vertrieben)

Tauchende Kängurus

Am Abend, nach den verschiedensten Interviews spreche ich mit Jo und Tom über Funk. Ich erkläre Jo meine Situation. „Ja, ich habe Angst bald nicht mehr weiter zu können. Es wird von Tag zu Tag schlimmer.“ „Ich hatte auch mal solche Kreislaufstörungen und bei mir war es niedriger Blutdruck. Später habe ich herausgefunden, dass es vom Süßstoff kam. Ich ließ ihn weg und seitdem sind meine Kreislaufstörungen wie weggeblasen.“ „Klingt ja interessant Jo. Da fällt mir ein, dass unsere Magnesiumbrausetabletten ebenfalls Süßstoff enthalten. Vielleicht ist es das? Ich lasse sie einfach mal weg und sehe ob es mir besser geht. Ich habe auch schon öfter über die Nebenwirkungen von Süßstoff gehört. Angeblich sind in Amerika schon einige Leute an den Folgen von ständiger Süßstoffeinnahme gestorben. Vor kurzer Zeit dachte ich es wäre das Voltaren. Ich war mir sogar zu hundert Prozent sicher. Aber wer weiß vielleicht sind es diese Brausetabletten? Wir werden in wenigen Tagen mehr wissen,“ sage ich und bedanke mich bei Jo für den Hinweis. „Ach übrigens Denis ich habe mich über die Symptome von Ross River erkundigt.“ „Ja Jo schieß los.“ „Also, man ist selbst nach einer gut durchgeschlafenen Nacht sehr müde, man hat geschwollenen Gelenke, Hautausschläge, Kopfweh und fühlt sich ständig matt.“ „Das klingt sehr gut Jo, denn das heißt ich habe kein Ross River.“ „Ha, ha, ha,“ höre ich erleichterndes Lachen. „Jo?“ „Ja Denis?“ “Gibt es eigentlich immer soviel Moskitos in den australischen Wüsten?“ „Ich denke ihr habt ein außergewöhnliches Jahr erwischt. Aber wie du weißt bin ich im Busch aufgewachsen. Als Kind habe ich gerne den Geschichten der Buschmänner und Cowboys gelauscht. Sie haben immer wieder einmal davon erzählt, dass es in manchen Jahren soviel Moskitos gab, dass selbst die Kängurus wahnsinnig geworden sind. Sie konnten mit eigenen Augen sehen wie die Kängurus in rasender Flucht in einen See gerannt sind, um dort vor den Stechmücken Schutz zu suchen. Sie sind unters Wasser getaucht und haben zum atmen nur ihre Nasenspitze aus dem Wasser gestreckt.“ „Eine irre Geschichte. Glaubst du sie könnte wahr sein?“ „Ich denke schon, denn ich habe sie von vielen verschiedenen Männern gehört.“ „Tauchende Kängurus, was es nicht alles gibt in diesem Australien. Am liebsten würde ich auch in solch einen See hüpfen aber leider muss man da ja irgendwann mal wieder raus.“ Wir unterhalten uns noch einige Zeit, bis ich von den Moskitos so belagert werde, dass ich den Funkkontakt abbrechen muss.

Heute fühle ich mich etwas besser. Ich weiß nicht ob es an dem Weglassen des Magnesium liegt oder daran das wir nicht laufen. Dadurch das Tanja die Kamele an den wenigen Büschen direkt neben dem Camp angebunden hat leben wir mittlerweile in einem Ozean von Moskitos. Wir glauben, dass sie sich über Nacht vermehrt haben und jetzt können wir trotz leichtem Wind nicht einmal mehr tagsüber im Lager sitzen. Verzweifelt nehmen wir unser Frühstück im Stehen ein. Wir laufen dabei sogar hin und her, um den uns folgenden gefräßigen Schwärmen zu entgehen. Sie treiben uns bald zum Wahnsinn und an meine Schreibarbeit ist gar nicht mal zu denken. Tanja hat heute die Nase voll und würde am liebsten flüchten. Nur wohin ist die Frage? Jo und Tom empfehlen uns das Moskitonetz im Schattenzelt aufzubauen. Dazu muss ich erklären, dass Jo uns eine Überraschung genäht hat die Carl und Cathy uns mit dem letzten Nachschub in die Wüste gebracht haben. Jo hat die Maße meines Buschbüros im Max-Camp genommen und uns dieses Zelt aus schattenspendendem Material genäht. (Tag 98-99 Etappe Zwei erklärt) Tanja hat es heute zum ersten Mal aufgebaut. Es ist tatsächlich viel kühler als in der prallen Sonne zu sitzen und dadurch das der Wind durch die Maschen zirkulieren kann ist es möglich selbst an einem heißen Tag wie heute sich darunter aufzuhalten. In diesem Moment sitze ich also da und schreibe in dem moskitofreiem Schattenzelt diese Zeilen. Das Thermometer liegt neben mir und zeigt 45 Grad an. Draußen unter den moskitoverseuchten Büschen hat es ca. 38 oder 39 Grad. Ich zergehe vor Hitze fast im eigenen Saft und habe die Wahl entweder von den Vampiren aufgefressen zu werden oder hier zu schwitzen. Da es in der Sonnen um die 60 Grad hat empfinde ich die 45 Grad hier gar nicht so schlecht. Vor allem, wenn ich mir die vielen Schweinebacken von Stechmücken betrachte die außen am Moskitonetz sitzen und keine Chance haben an mein Blut heranzukommen.

Am Abend verspüre ich trotz meiner Müdigkeit und den gefräßigen Stechmücken Lust darauf in das Tagebuch von Rufus zu spitzen. Seit seinem letztem Eintrag sind schon wieder drei Wochen vergangen. Obwohl ich glaube, dass er wegen den Moskitos keine Gelegenheit zum Schreiben hatte suche ich wie immer unter seinem Schlafsack. „Mist da ist es nicht. Wo hat er es diesmal nur versteckt?“ ,frage ich mich leise. Wie ein Dieb schleiche ich um unser Zelt und als ich es dort nicht finde sehe ich unter den nahen Spinifexbüscheln nach. „Er muss bemerkt haben das ich von Zeit zu Zeit seine intimsten Geheimnisse nachlese und hat es diesmal an einem ganz raffiniertem Ort versteckt.“ Als mich die Stechmücken bald zur Verzweiflung bringen und ich die Suche für heute aufgeben möchte fällt mein Blick auf die Wassersäcke. Meinem Instinkt folgend hebe ich einen von ihnen hoch und siehe da, ich habe es gefunden. „Rufus wird mit seinen Verstecken auch immer besser,“ flüstere ich etwas ärgerlich und schlage das kleine Büchlein auf.

DAS EXPEDITIONSTAGEBUCH EINES EXPEDITIONHUNDES NAMENS RUFUS

Ich habe mich dann doch entschieden das Straßenarbeiter-Camp mit meinen Menschen und meinen Kamelen zu verlassen. Zum einen bin ich nun doch der geborene Abenteuerhund und zum anderen wäre das Expeditionsteam ohne mich aufgeschmissen und schutzlos. Wer soll außerdem das ganze leckere Hundefutter fressen, dass in den Vorräten ist? Aber wer braucht Hundefutter wenn er frisches Fleisch fressen darf? Es hat schon unheimlich lange gedauert, bis Denis auf die Idee kam mir ein Stück Kamelfleisch zu servieren. Um genau zu sein, hat es elf (11) Kamelbullen gebraucht. Ich kenne Hunde die es leichter haben ihre Menschen zu trainieren. Meine Menschen sind einfach schwer erziehbar. Zum Beispiel weiß ich nicht wie ich Tanja abgewöhnen soll, mich am Abend mit Moskitomittel zu beschmieren? Erst bekommt sie eine ganz freundliche Stimme. Dann packt sie mich und lässt selbst meinen Nasenrücken und Ohren nicht aus mit dem sogenannten allergiefreien, babygeeigneten Moskitomittel einzureiben… Da macht mir das Kamelehüten mit ihr schon mehr Spaß. Spannend wurde es, als ich diese dicke, lange, braune Schlange entdeckte. Ich wollte sie mir genauer betrachten und habe mich an ihren Schwanz angepirscht, doch plötzlich bekam ich ein hartes Kommando von Tanja. Ich glaube das war gut so, denn als ich im Begriff war mich abzuwenden hat sich die Schlange gedreht und kam angeschnellt. Tanja und ich sind dann übers Spinfex in Sicherheit gesprungen. Für mich war dann das Kamelehüten für diesen Tag gelaufen und bin dann zum Camp zurück. Ist mir auch viel angenehmer, denn wenn das Spinifex so hoch ist stachelt es mir sehr unangenehm am ganzen Körper. Tja… und während meine Menschen noch von der besten Dusche ihres bisherigen Lebens schwärmen kann ich nur sagen, ich hatte das beste Bad meines bisherigen Lebens. Dieser zweite See war einfach traumhaft! Erst bin ich nach Herzenslust schwimmen gegangen und dann gab es noch richtig schön Action als Max sich im Matsch wälzen wollte. Bellend bin ich zu ihnen gerannt und habe dafür gesorgt, dass sie die weiche Ufergegend wieder verlassen.

Ach von wegen schwererziehbare Menschen. Da fällt mir noch ein, wie dumm sich die beiden anstellen, um zu verstehen, das ich gerne ein größeres Reitkamel hätte. Hardie ist schon okay aber ein bisschen klein. So habe ich in meiner Verzweiflung Jafar aus dem Stand angesprungen. Eigentlich wollte ich auf seinen Sattel aber er war einfach zu hoch für mich… Er ist halt ein großer Junge, eben ein absolut perfektes Reitkamel. Als dieser Versuch also fehl geschlagen ist, haben meine Menschen wieder einmal rein gar nichts verstanden, sich angesehen und gemeint, ich hätte wohl ein bisschen zu viel Sonne erwischt… Hätte ich dann meinen Bangaraflugeinsatz von Jafars Rücken aus gestartet, wäre ich bestimmt erfolgreicher gewesen. Also, wie immer betrachte ich das Land beim Reiten sehr aufmerksam und halte Ausschau nach geeigneten Objekten zum jagen oder zumindest um vor Freude zu quietschen. Um die frühe Mittagszeit glaubte ich meinen Augen nicht trauen zu können. Von der Karawane aufgescheucht sehe ich einen Bangara über den Weg rennen. Ein prächtiger Kerl. Kurzerhand entschloss ich mich keine Zeit zu verlieren und mich im Hechtflug auf ihn zu stürzen… Gedacht, getan… Noch im Flug steuerte ich auf die große Echse zu, hatte eine perfekte Landung und setzte meinem Opfer nach. Ich bin mir sicher, dass ich sie erwischt hätte, hätte mich Denis nicht so scharf zurückgepfiffen…Es ist schon ein hartes Leben als Expeditionshund…

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