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Link zum Tagebuch: TRANS-OST-EXPEDITION - Etappe 1

Überraschender Besuch

N 46°37'305'' E 019°16'433''
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    Tag: 66

     

    Sonnenaufgang:
    06:35 Uhr

     

    Sonnenuntergang:
    18:32 Uhr

     

    Gesamtkilometer:
    1786,44 Km

     

    Temperatur – Tag (Maximum):
    30 °C

     

    Temperatur – Tag (Minimum):
    12 °C

     

    Temperatur – Nacht:
    10,8 °C

     

    Breitengrad:
    46°37’305“

     

    Längengrad:
    019°16’433“

    Maximale Höhe:
    110 m über dem Meer

Dichter Bodennebel liegt über dem Platz. Alles ist feucht. Es hat die gesamte Nacht genieselt. Nur mit Widerwillen lasse ich mich in den Stuhl neben unserem Zelt sinken und beginne an diesem nasskalten Morgen mit dem Schreiben. Mit eiskalten Fingern tippe ich in die Tasten. Obzwar ich eine lange Unterhose trage,   eine Fjällräven-Hose und die wasserdichte Überhose darüber, ein Unterhemd, zwei Fliesjacken und eine Mütze, friert es mich Gotterbärmlich. Um der Nässe von Unten vorzubeugen und meine Eiszapfenfüße zu schützen zog ich heute Morgen noch meine Neopremüberschuhe, die eigentlich dafür gedacht sind unser Schuhwerk beim Radeln trocken zu halten, über die Halbschuhe von Hanwag. Trotzdem ist mir kalt. Der Wind bläst bei jetzt ca. 12° Grad über mich hinweg und ich weiß nicht wie ich Schreiben soll wenn der Winter kommt. Ab und zu erhebe ich meine steifen Knochen und schlurfe durch das nasse Gras zur Toilette. Die Tür geht auf und ein Herr stellt sich neben mich an das Pinkelbecken. Schweigend verrichten wir unser Geschäft als sich die Tür wieder öffnet. Ein alter Mann hinkt herein. “Na wie geht’s Willi?”, erkundigt sich der Mann neben mir nach dem Befinden des sichtbar angeschlagenen Alten. “Ooouuuhhhh!”, erwidert der Alte. “Na dann ist ja gut”, höre ich den Mann neben mir als ich gerade im Begriff bin die Toilette wieder zu verlassen. Als Tanja aus dem Zelt kommt blitz bereits ab und zu die Sonne zwischen den tief liegenden Wolken durch und es dauert nicht lange bis die Strahlen die Oberhand gewinnen.

Es ist bereits dunkel als wir einen überraschenden Besuch bekommen. “Seit ihr mit den Rädern unterwegs?”, fragt uns ein junger Mann in perfektem Englisch. Nach einer kurzen gegenseitigen Vorstellung sind wir sofort in ein sehr interessantes Gespräch vertieft. Niel kommt mit seiner Freundin Andrea aus England. Sie sind schon seit 6 Monaten mit einem Tandem unterwegs, befinden sich gerade auf dem Nachhauseweg und kommen aus der Ukraine. “Ukraine?”, fragen Tanja und ich begeistert. Wo habt ihr geschlafen? Wie war der Grenzübergang? Sind die Menschen freundlich? Wie sieht es mit der Kriminalität aus?”, bestürmen wir Niel mit Fragen. Wir vereinbaren uns später nach dem Essen zusammenzusetzen, um unsere Erfahrungen gegenseitig auszutauschen.

“Das ist Selbstgebrannter aus Rumänien”, erklärt Niel zu fortgeschrittener Stunde und gießt mir einen Schluck in meinen Becher. “Prost”, sagt er und ich spüre wie mir der das Teufelszeug wie Feuer den Rachen hinunter brennt. “Hua, furchtbares Gesöff”, schüttelt es mich, worauf Niel herzhaft lacht. “Das bekommt man dort überall. Es kostet fast nichts. Rumänien ist übrigens ein wunderbares Land. Ein Land in dem die Zeit vor hundert Jahren stehen geblieben ist. Überall fahren Pferdekutschen herum. Uns hat es sehr gut gefallen und wir würden jeder Zeit wieder hingehen. Ihr müsst nur auf die Sinti aufpassen. Uns haben sie zwar nicht bestohlen wir wurden aber unaufhörlich gewarnt. Das sind wirklich sehr arme Menschen. Magst du noch einen?”, fragt er und gießt mir noch ein Schluck von dem Feuerwasser ein. Tanja hat sich schon vor einer Stunde ins Zelt zurückgezogen. Obwohl Andrea und Niel wegen einer Hochzeit in wenigen Wochen in England sein müssen und morgen weiter wollen sind sie trotz der späten Stunde sehr relaxt. “Also, wenn ihr von Rumänien in die Ukraine wollt wird das schwierig bis unmöglich. Ihr müsst nämlich durch Moldawien und da gibt es kein Visum. Ihr bräuchtet eine persönliche Einladung und die konnten wir nicht bekommen. Das war der Grund warum wir die Fähre von Odecca nach Istanbul nehmen mussten. Magst noch eine Schluck?”, unterbricht er seine Erklärung. Obwohl das schreckliche Gesöff am Anfang recht widerlich geschmeckt hat beginnt es mir langsam zu munden. “Will euch nicht alles wegtrinken”, antworte ich kichernd. “Kein Problem. Das Zeug gibt es auch hier zu kaufen. Also, noch mal zu Moldawien. Ihr müsst nicht unbedingt ans Schwarze Mehr, oder? Es gibt eine Passage über die Karpaten. Und zwar von der Slowakei. Ihr müsstet allerdings zurück.” “Nein, zurück wollen wir im Augenblick nicht. Ich finde diese Route durch Rumänien ganz reizvoll. Gibt es auch eine andere Fährverbindung nach Odecca?”, will ich wissen. “Ja von Varna. Liegt in Bulgarien. Da könnt ihr euch auch einschiffen.” “Wie sieht es mit Visa aus? Brauchen wir für Rumänien und Bulgarien welche?” “Nein, mit unserem Europäischen Pass dürfen wir dort ohne Probleme einreisen. Selbst für die Ukraine haben wir keine Visa benötigt. Allerdings war die neu gewählte Regierung gerade wieder am Wackeln. Wer weiß wie es aussieht wenn ihr dort seid. Ihr wisst ja, dass sich in diesen Ländern alles schnell ändern kann.” Niel und Andrea sind für uns eine wichtige und fantastische Informationsquelle. Wann trifft man schon Radfahrer die aus einer ähnlichen Richtung kommen? Für uns sind sie auf jeden Fall die ersten Langzeitradreisenden mit Erfahrung und positiver Einstellung. Wir unterhalten uns noch bis spät in die Nacht. Dann finde ich leicht angeschlagen, von dem rumänischen Gesöff, meinen Zelteingang und falle in einen tiefen Schlaf.

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