Skip to content
Abbrechen
image description
Link zum Tagebuch: TRANS-OST-EXPEDITION - Etappe 1

Traum Landschaft, Traum Wetter, Dicke Muskeln

N 48°34'930'' E 013°28'400''
image description

    Tag: 36

    Sonnenaufgang:
    06:15 Uhr

    Sonnenuntergang:
    19:55 Uhr

    Luftlinie:
    44,77 Km

    Tageskilometer:
    76,10 Km

    Gesamtkilometer:
    1006,55 Km

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Temperatur – Tag (Maximum):
    29 °C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    24 °C

    Temperatur – Nacht:
    19 °C

    Breitengrad:
    48°21’722“

    Längengrad:
    013°58’859“

    Maximale Höhe:
    305 m über dem Meer

    Aufbruchzeit:
    10.30 Uhr

    Ankunftszeit:
    18.30 Uhr

    Durchschnittsgeschwindigkeit:
    15,10 Km/h

Erwache heute mit Schwindelgefühlen. “Kann doch nicht von einer Überanstrengung kommen?”, frage ich Tanja. “Ist bestimmt unbedenklich. Mir war gestern auch ein wenig schwindelig”, beruhigt sie mich. Nachdem die ersten Sonnenstrahlen den Morgennebel weggeleckt haben verspricht der blaue Himmel einen wunderschönen Tag. Wir packen unsere Rösser und treten sie ins Zentrum der Dreiflüssemetropole. Passau gilt als einer der schönsten Städte Deutschlands. Ihre lebhafte Geschichte ist bis ins Jahr 500 v. Chr. zurückzuverfolgen. Es nicht schwer sich vorzustellen warum schon die Kelten sich an dem von der Natur begnadeten Ort niederließen. Kein Wunder das sie bereits vor 2000 Jahren von der damaligen Weltmacht Rom vertrieben wurden oder das die Bajuwaren im 6. Jahrhundert die Herrschaft über die letzte römische Festung übernahmen. Die Stadt mit ihrer ruhmreichen Geschichte ist faszinierend und beeindruckend zugleich. Staunend schieben wir unsere Räder durch die Gassen. Gerne würden wir ein paar Tage bleiben, um das Flair zu genießen doch wir müssen weiter.

Wir folgen dem Radweg auf der linken Seite der Donau. Ohne Steigungen kommen wir gut voran. Einige Abschnitte des Weges sind bereits vom Schlamm und Unrat des Hochwassers geräumt. Steilaufragende Hänge bilden den Südrand des Bayerischen Waldes. Das Wasser der Donau hat sich hier bis zu 300 Meter in das harte Gestein des Mittelgebirges eingefressen. Wir erfreuen uns des angenehmen Tages und der immer schöner werdenden Landschaft. Auf  der anderen Seite des Stromes befindet sich Österreich. Aus den mit Mischwald dicht bewachsenen Berghängen ragt ab und zu nacktes, bizarres Gestein. Bei dem Ort Engelhartzell radeln wir über die Grenze nach Österreich. Die interessanten Tage in Deutschland liegen also ab sofort hinter uns. Obwohl in Österreich die gleiche Sprache wie in Deutschland gesprochen wird hat auch dieses Land seine eigene Atmosphäre, sein eigenes Volk mit eigenem Charakter. Gespannt was wir hier erfahren dürfen blicken wir erwartungsvoll nach vorne.

Auf dem perfekt ausgebauten Radweg, an dem früher einmal Pferde die Schiffe flussaufwärts zogen, erreichen wir die Fährstation bei Schlögen. Da der Weg hier wegen eines Naturschutzgebietes für uns endet schieben wir unsere Lastenzüge auf eine Radfähre und lassen uns auf die andere Seite der Donau schippern. Mit uns besteigt eine Rentnergruppe, die uns während des Vormittages ein paar Mal abgehängt hat, das Fährschiff. “Das sind bestimmt Australier”, grübelt Tanja laut. “Ach was, die kommen aus England”, widerspreche ich. “Where you come from?”, frage ich. “Australia”, antwortet mir ein älterer Herr. “Siehst du”, habe auch mal Recht”, zwinkert mir Tanja zu. “Wo fahrt ihr denn hin?”, interessiert es mich. Wir radeln von Passau bis nach Budapest”, hören wir erstaunt. “Nach Budapest? Da habt ihr ja einen tollen Trip vor euch”, entgegne ich worauf wir uns angeregt unterhalten und von unserer Kamelexpedition in Australien berichten. Am anderen Ufer rollen wir alle unsere Zweiräder von dem kleinen Holzboot und verabschieden uns von den Menschen die um die halbe Welt geflogen sind, um die bezaubernde Landschaft der Donau mit eigener Muskelkraft zu erkunden.

“Ich bin müde. Ich glaube ich brauche einen Kaffee”, gähnt Tanja nachdem wir heute über 40 Kilometer zurückgelegt haben und unser Ziel noch lange nicht in Sicht ist. Wir wollen meinen langjährigen Freund Franz Roithmayr und seine Frau Maria besuchen. Sie leben auf einen Bauerngut in Hacking bei Aschach. “Ihr dürft auf keinen Fall an uns vorbeifahren ohne ein paar Tage bei uns zu bleiben”, haben sie gesagt. Gerne nehmen wir ihre Einladung an und freuen uns darauf unsere Freunde mal wieder zu sehen. “Wie weit ist es denn noch? Franz hat doch irgendetwas von 50 Kilometer erzählt”, will Tanja wissen. “Ich glaube er hat sich getäuscht. Er hat bestimmt Straßenkilometer gemeint und nicht die Windungen der Donau mit einkalkuliert”, antworte ich. An einem gemütlichen Bauernhofrestaurant, direkt am Ufer des Flusses, lassen wir uns einen Cappuccino schmecken. Etwas ausgeruht aber mit brennenden Oberschenkeln geht es weiter. Die Spätnachmittagsstimmung ist paradiesisch schön. Ein Schlepper tuckert neben uns bald lautlos den Fluss hinunter. Er hat nahezu die gleiche Geschwindigkeit wie wir. Tanja hängt in meinem Windschatten und fährt heute seit unserem Aufbruch das erste Mal wie eine Maschine. Nur noch wenige Kilometer und der Tacho überschreitet die magische Grenze von 1000 Kilometern. Unsere Muskeln haben sich mehr und mehr an den Bewegungsablauf gewöhnt obwohl uns das Gewicht der Ausrüstung immer noch zu schaffen macht. Die aufgeblasenen Oberschenkel sind mittlerweile gut durchblutet. Jedoch habe ich das Gefühl weitere 1000 Kilometer zu benötigen, bis sie sich nicht mehr wie ein ungezähmtes Kamel gebärden und nach 50 Tageskilometern in den Streik treten wollen. Ehrlich gesagt kommen mir die zwei Jungs da unten so vor als wären sie wie wilde ungezähmte Hengste die man erst einbrechen muss. Es wird also noch dauern bis sie sich friedlich verhalten und das tun was man von ihnen verlangt.

Der Weg führt uns an Burgen und Schlössern vorbei die ihre Mauern mit Stolz präsentieren. Nur noch wenige Radfahrer kommen uns entgegen. Die Meisten sitzen um diese Zeit wahrscheinlich schon beim Essen in einer der vielen Pensionen und Hotels. Wie ein Tour de France Team pedalen wir mit etwa 19 Kilometer pro Stunde nach Aschach. Dort angekommen beginnt mein rechtes Handgelenk ernsthafte Schmerzsignale zu senden. Vor 8 Stunden haben wir Passau verlassen und der Tacho zeigt uns einen neuen Rekord von 76 Tageskilometern an. Wir lassen die Uferpromenade hinter uns, folgen der Straßen nach Hartkirchen und erreichen mit letzter Kraft den stolzen und wunderschönen Bauernhof unserer Freunde. Maria hat uns sofort gesehen und empfängt uns herzlich. Wir umarmen und begrüßen uns. “Willkommen! Kommt rein! Ruht euch aus. Franz ist gerade in Tschechien. Er kommt erst morgen Abend”, plaudert sie worauf wir unsere Räder entladen und das ehrwürdige Haus betreten.

Kirchturmglocken

Nach einer guten Mahlzeit liegen wir satt und zufrieden im Bett. Ich sehe aus dem großen Fenster und beobachte den klaren Sternenhimmel. Meine Muskeln wimmern von der Anstrengung der letzten Tage. Trotz der schwer beladenen Räder haben wir innerhalb nur drei Tage über 220 Kilometer zurückgelegt. Ich hoffe, dass wir unsere Leistung in den kommenden Monaten noch steigern werden und vielleicht einmal auch 100 Kilometer am Tag schaffen. Aber was soll’s. Wer bestimmt schon wie viel Strecke wir in welcher Zeit zurücklegen? Hauptsache wir kommen dort heile an wo wir hinwollen und Hauptsache wir haben während unserer Reise trotz der Anstrengung und der einen oder anderen Gefahr  Spaß. Ehrlich gesagt hoffe ich darauf noch mehr Freude bei der Dokumentation zu bekommen, denn sie ist oftmals anstrengender und erfordert mehr Disziplin als das Radeln selbst.

Meine Gedanken kommen gleichwohl der Müdigkeit nicht zur Ruhe. Ich lausche in die Nacht und vernehme das Läuten der Kirchturmglocken. Eigenartiger Weise höre ich die Glocken 10 Minuten später immer noch. Gebannt lausche ich und lausche, doch das Läuten hält an. Mit wehen Knochen stehe ich auf und schlurfe zum Fenster. Ich öffne es und blicke in die Nacht. Komisch, da draußen ist es mucksmäuschenstill. Wieder lege ich mich ins Bett und höre die Kirchturmglocken. Ich beginne daran zu zweifeln ob mit meinen Ohren etwas nicht in Ordnung ist. “Tanja. Tanja, bist du noch wach?”, flüstere ich leise. “Ja. Was ist?” “Hörst du auch die Kirchturmglocken?” “Ja.” “Gott sei Dank. Ich habe schon geglaubt ich habe einen an der Mütze. Es gibt da draußen keine Kirchtürme und es läuten auch keine Glocken. Was glaubst du was es ist?”  “Keine Ahnung. Lass mich bitte damit in Ruhe. Ich will mich auf dieses Geräusch gar nicht konzentrieren. Dann kann ich auch nicht schlafen”, beendet sie das Gespräch. Grübelnd erhebe ich mich wieder aus dem Bett, setze meine Stirnlampe auf, um Tanja nicht zu stören und untersuche das Zimmer. Ich robbe auf dem Boden herum und stelle fest, dass das eigenartige Geräusch aus der Richtung des Fensters kommen muss. Ich lege mein Ohr an den Heizkörper, drehe dabei den Regler auf und zu und bin erleichtert das ich damit das Läuten beeinflussen und somit lokalisiert habe. Zufrieden begebe ich mich wieder ins Bett. Dongg, dongg, dongg, läutet es leise weiter. Das ekelhafte Gesurre einiger Moskitos kreist um meinen Kopf und scheint sich mit den Glocken aus dem Heizkörper zu vereinen. Als es mir dann auch noch zu warm ist und mich mein ermatteter Körper mit Schwitzattacken quält  beschließe ich ab morgen wieder ins Zelt zu ziehen.

Wir freuen uns über Kommentare!

This site is registered on wpml.org as a development site.