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E-Bike-Expedition Teil 1 Sibirien - Online-Tagebuch 2015

Transsib – Taiga – Baikalsee

N 56°0'20.0’’ E 92°49'47.0’’
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    Tag: 11-13

    Russland / Sibirien

    Ort:
    Krasnojarsk

    Tageskilometer:
    3,036

    Gesamtkilometer:
    6,562

    Breitengrad N:
    56°0’20.0“

    Längengrad E:
    92°49’47.0’’

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

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Die Tage in der Transib vergehen wie im Flug und sind für uns in keiner Weise eintönig. Ganz im Gegenteil genießen wir nach all dem Stress, den uns die Menschen in den letzten Wochen bereitet haben, die Ruhe in unserem Abteil. Ehrlich gesagt bin ich nicht mal bereit groß zu kommunizieren. Wir schlafen lange und viel, fast so wie Murmeltiere während ihres Winterschlafs. Das kommt auch daher weil der Zug durch die Zeitzonen fährt ohne dass die Uhren an den Bahnhöfen, an die sich verändernde Zeit angepasst werden. Es gilt immer Moskauzeit, egal ob es Tag oder Nacht ist. Unser Abteil verlassen wir nur wenn der Zug an manchen Bahnhöfen etwas länger hält. Dann geht Tanja mit Ajaci Gassi während ich uns etwas zu Essen besorge und fotografiere. Danach sitzen wir in unserem kleinen Kupee, lassen die Taiga an uns vorbei fliegen, trinken ein paar russische Bier und genießen landetypische Leckereien wie Bliny (Pfannkuchen), Piroschi gebackene oder gebratene Teigtaschen mit den unterschiedlichsten Füllungen. Da mein Russisch noch eingerostet ist finde ich nicht immer die richtigen Worte um zu fragen was in den Teigtaschen drinnen ist. So werden wir oft von Quark, Pilzen, Kohl, Kartoffeln, Hackfleisch oder Huhn überrascht. Manchmal treibe ich Pelmeni auf. Die schmecken ähnlich wie unsere Maultaschen. Man isst sie vorwiegend auch als Beilage zu einer Suppe, in unserem Fall schreckliche Fertigsuppen aus China, die von vielen Zugreisenden gekauft werden und an allen Ecken und Enden im Angebot sind. Es gibt so einiges an den kleinen Ständen, leider schmeckt es oft nicht so wie wenn es die Babuschka (Großmutter oder Oma) zubereitet, aber wir können sicherlich nicht klagen.

Ajaci bringt es fertig seinen Superstarstatus noch auszubauen. Mittlerweile haben wir schon die ersten Kaufangebote für ihn bekommen. Er macht seine Sache perfekt und hält ohne zu jammern bis zu den unterschiedlichen Pipi-Stops durch. Manchmal verlassen wir die eiserne Schlange auch mitten in der Nacht. Tanja geht dann mit ihm auf den Gleisen oder sucht ein Stückchen Rasen wo er sein Geschäft verrichten darf.

Auch wenn wir ständig müde sind verlassen wir den Zug in den Städten Ekaterinburg, Nowosibirsk,Irkutsk, Nischni Nowgorod und Omsk. Wegen den kurzen Aufenthalten leider nicht lange. Die Erinnerungen an unsere Radreise durch Russland werden sofort geweckt, denn wir kamen damals auf unserem Weg von Deutschland bis in die Mongolei durch viele Städte die an der Transsibirischen Eisenbahn liegen.

Wie hypnotisiert starren wir stundenlang aus dem Fenster. Aus dem Lautsprecher trällert meist russische Musik, im Augenblick aber Modern Talking, was so gar nicht zu dem Land passt. Das Wetter ist traumhaft schön und die Landschaft bietet das, was man über sie in den Büchern liest. Birkenwälder, Fichten, Kiefern, Lärchen und Tannen, von denen manche bis zu 800 Jahre alt werden können, begrenzen stundenlang die Schienen. Im Gegensatz zu den tropischen Regenwäldern zeichnet sich die Taiga durch eine geringe Artenvielfalt aus und besteht zu großen Teilen aus den genannten Nadelbaumarten. Noch immer ist mir die Dimension dieses größten zusammenhängenden Nadelwaldgebietes der Erde nicht richtig bewusst geworden, denn es erstreckt sich von Skandinavien über Sibirien bis nach Nordamerika. Ich habe noch den satten, urigen, klaren Duft der Wälder in der Nase als wir sie vor Jahren mit unseren Fahrrädern durchquerten. Häufig strampelten wir direkt an Sumpfgebieten vorbei, die sich zwischen dem Uralgebirge und dem Jenissej entwickelt haben. Millionen von Moskitos brüten in den flachen Gewässern, weshalb wir es damals vermieden in solchen Bereichen anzuhalten oder unser Zelt aufzuschlagen. Abgestorbene Bäume recken ihre kahlen, von Moos bewucherten Stämme in den blauen Himmel. Ein faszinierender Gedanke, dass die Taiga zum Teil noch völlig unerschlossen ist und dort viele Braunbären herumstreifen. Der Waldtyp der Taiga wächst in den gemäßigten und nördlichen Breiten und gehört somit zu den außertropischen Wäldern unserer Erde, die zusammen etwa 14 Millionen Quadratkilometer Landfläche bedecken. Die außertropischen Wälder gedeihen hauptsächlich in Russland, Nordamerika und Europa, größere Gebiete befinden sich aber auch in Australien, Neuseeland, Chile, Argentinien, Nordafrika und den Küstenregionen Südafrikas.

21:30 Uhr. Wir erreichen Krasnojarsk. „Weißt du noch wie wir hier im Keller eines Klosters lebten?“, fragt Tanja. „Aber klar. Mensch waren wir nach der Radpanne froh wie uns der hilfsbereite Sergej mit seinem Lastwagen vor der Stadt abgeholt hat und uns ein Wildfremder einfach so mit unseren Rädern zum Kloster fuhr“, sage ich, in der schönen Erinnerung schwelgend, weil Jenya, der uns damals an einer Tankstelle aufgabelte und seine Freundin Anja, richtige Freunde geworden sind. „Schade, dass wir hier keinen längeren Stopp einlegen. Die beiden würden sich sicherlich riesig über einen Besuch freuen“, meint Tanja.

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Nachdem wir unter anderem die großen Flüsse Wolga, Ob und Jenissej hinter uns gelassen haben erreichen wir mitten in der Nacht den Baikalsee an dem die Strecke der Transsibirischen Eisenbahn über 200 Kilometer entlangführt. Es ist wirklich schade, dass wir diesen, für uns schönsten Streckenabschnitt der gesamten Zugreise nachts passieren. Gespannt sitze ich am Fenster und versuche etwas wieder zu erkennen. „Schau mal die vielen Lagerfeuer. Da sitzen die Menschen direkt am tiefsten Süßwassersee der Welt und grillen ihren Omul (artenreichster Fisch im Baikalsee, der oftmals auch als geräucherte Delikatesse verkauft wird). Ich erkenne die Lichter des kleinen Touristenstädchen Listwjanka, die sich auf der Wasserfläche des Vaters aller Seen spiegelt. Die Russen haben das Wort Baikal, wie auch viele der anderen geografischen Bezeichnungen dieser Region, von den hier lebenden Volksstämmen übernommen. Das burjatische Wort für See war Baigal-nuur. Die Mongolen nannten ihn Baigal-murän oder Dalai-noor, was soviel heißt wie heiliges Meer. Die Chinesen gaben ihm den Namen Bai-chai, also nördliches Meer, um nur einige der unterschiedlichen Begriffe für den See zu nennen.

Der See ist das größte und mit 25 Millionen Jahren älteste Süßwasserreservoir der Erde. Ein Fünftel, also 20 Prozent der gesamten Süßwasserreserven unserer Mutter Erde, lagern in diesem gewaltigen Graben. „Kaum zu glauben. An der tiefsten Stelle liegt der Grund 1.637 Meter unter der Wasseroberfläche. Kein See der Welt erreicht solch eine Tiefe“, sage ich bald ehrfürchtig zu Tanja, die aus ihrem Bett gegrabbelt ist und mit mir auf die kleiner werdenden Lichtspiegelungen, die die Ortschaften auf der Oberfläche des Baikals hinterlassen, blickt. Seine unvorstellbar große Oberfläche dehnt sich auf 31.492 Km² aus das man selbst an Tagen mit bester Sicht nicht das andere Ende des Sees erkennt. Kein Wunder, denn seine Länge beträgt von einem Ufer zum anderen 673 Kilometer. An der breitesten Stelle liegen die Küsten 82 Kilometer auseinander. „Wenn man bedenkt, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis Wasser mehr wert ist als Erdöl und die Menschen deswegen Kriege beginnen, ist Russland, unabhängig von seinen enormen Bodenschätzen, schon wegen dem Baikal das reichste Land der Welt“, überlege ich, wie im Jahre 2009, als wir den See mit unseren Fahrrädern erkundeten, und denke daran, dass die Russen, als sie im Jahre 1643 diesen flüssigen Schatz entdeckten, nicht ahnen konnten wie wertvoll das Süßwasser einmal für die Menschheit sein würde. Insgesamt befinden sich in diesem überdimensionalen Becken, welches von 336 Flüssen und unzähligen Bächen gespeist wird, ein Wasservolumen von 23.000 Km³. Damit ist es größer als das der Ostsee und entspricht etwa dem 480fachen Wasserinhalt des Bodensees. Mit seiner Uferlänge von rund 2.125 km ist der Vater aller Seen nach dem Kaspischen Meer das zweitgrößte Gewässer in Asien.

Nachdem nun die schwarze, mondlose Nacht jegliches Licht aus der Landschaft gesaugt hat krabbeln wir wieder auf unser Stockbett, um ein wenig zu ruhen. Wir sind nervös weil wir die Ankunft in Ulan Ude morgen früh, um 1:00 Uhr Moskau-Zeit und um 6:00 Uhr Ulan Ude-Zeit nicht verschlafen wollen. „Bin gespannt welchen Schaden unsere Räder genommen haben“, sage ich leise. „Bestimmt ist es nicht so schlimm wie du denkst“, antwortet Tanja schläfrig. „Ich hoffe“, sage ich und lausche dem unaufhörlichen Ta ta tock, Ta, ta tock, Ta ta tock der eisernen Schlange.

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