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/Erste-Möglichkeit-Camp Link zum Tagebch: TRANS-OST-EXPEDITION - Etappe 3

Steppenberge

N 51°41'44.4'' E 074°24'57.1''
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    Tag: 86

    Sonnenaufgang:
    05:47 Uhr

    Sonnenuntergang:
    20:25 Uhr

    Luftlinie:
    90.84 Km

    Tageskilometer:
    97.33 Km

    Gesamtkilometer:
    9552.86 Km

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt/schlecht

    Temperatur – Tag (Maximum):
    34 °C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    21 °C

    Breitengrad:
    51°41’44.4“

    Längengrad:
    074°24’57.1“

    Maximale Höhe:
    417 m über dem Meer

    Maximale Tiefe:
    268 m über dem Meer

    Aufbruchzeit:
    9.50 Uhr

    Ankunftszeit:
    17.20 Uhr

    Durchschnittsgeschwindigkeit:
    16.07 Km/h

Am Morgen, kurz bevor wir unsere Fahrt fortsetzen, stehen wir im Ort Ereymentau an einem Straßenbrunnen, um für den heutigen Tag unsere Sourcetrinksäcke aufzufüllen. Eine griesgrämige ältere Frau kommt laut schimpfend auf uns zu. Auf einem Wägelchen zieht sie ein 30 Liter Aluminiumfass. Als sie neben uns stehen bleibt werden wir mit einem unangenehm lauten Wortschwall bedient. Ohne Rücksicht drängelt sich die Alte an den Wasserhahn. Ich unterbreche meine Arbeit und lasse ihr den Vortritt. “Das wäre zu Zeiten der Sowjetunion nicht passiert. Sehr schlecht. Nicht bewundernswert. Wirklich sehr schlecht!”, verstehen wir und wissen nicht warum die Frau so ärgerlich auf uns ist. “Wir lieben die Menschen in Kasachstan und das Land gefällt uns auch sehr gut”, meint Tanja, worauf die Frau kurz inne hält, nur um wenige Augenblicke später weiterzuschimpfen. Als ihr Fass voll ist, verschließt sie es und wackelt noch immer protzelnd davon. “Wir lassen uns von solch einer schlecht gelaunten Frau doch nicht den Tag verderben”, meint Tanja mich fotografierend, während ich den restlichen Liter in das Trinksystem laufen lasse.

Kaum liegt der Ort hinter uns erkennen wir, wegen der klaren Sicht, im Süden bis zu 1.500 Meter hohe Berge. Es sind die ersten ernstzunehmenden Höhenzüge seit dem Uralgebirge. Auf unserer Route allerdings lassen wir das beeindruckend aussehende Gebirge rechts liegen. Seine Ausläufer jedoch erstrecken sich bis zu uns und drücken die Gras bewachsene Steppe über 400 Meter in den Wolken verhangenen Himmel. Unsere Muskeln sind nach den Anstrengungen der vergangenen Monate sehr gut trainiert. Wir schalten unsere zuverlässige Rohloffnabe in den ersten oder zweiten Gang und überqueren sie ohne Schwierigkeiten. “Lass dein Rad nicht zu schnell herunter laufen. Ich habe Furcht dich aus dem Straßengraben glauben zu müssen. Das wäre hier in der Einsamkeit eine Katastrophe”, warnt mich Tanja weil ich es bergab gerne etwas schneller mag. “Keine Angst. Ich werde mein Bike kontrolliert ins Tal steuern”, verspreche ich und ziehe tatsächlich immer wieder meine Magura, um so den Rausch der Geschwindigkeit im Zaun zuhalten.

Obwohl sich unter uns schwarzer, oftmals geflickter, Bitumen ausbreitet, rüttelt es bedenklich. Immer wieder sehe ich auf den neuen Haltewinkel meines Anhängers der in irrer Geschwindigkeit vibriert. Der Materialkillerasphalt ist nach wie vor enorm rau. Ein Sturz wäre hier in der Tat fatal. Alles was dieses Reibeisen unter uns berührt wäre in Sekundenbruchteilen in Fetzen geschabt. Hoffend das unser Material den ständigen Vibrationen standhält nähern wir uns unaufhörlich der Grenze zwischen Kasachstan und Ostsibirien.

Urplötzlich werden wir während der Fahrt von Moskitos überfallen. Ihnen scheint der Fahrtwind nicht das Geringste auszumachen, denn sie setzen sich auf unsere Waden, Oberschenkel, auf die Arme, den Rücken, die Stirn und stechen uns ohne Gnade. Anhalten ist unter diesen Bedingungen bald unmöglich. Ganze Geschwader folgen in unserem Windschatten. An Tanjas Waden sehe ich die ersten Resultate. Dicke, rote Pusteln haben sich in kurzer Zeit auf der geplagten Haut gebildet. “Wir müssen uns einsprühen!”, rufe ich worauf wir beide abrupt bremsen, unsere Jaico Anti-Mücken-Milch aus den Lenkertaschen reißen und uns damit von Kopf bis Fuß einnebeln. “Das hält die Viecher für einige Zeit von uns ab”, sage ich erleichtert ausatmend.

Bäume und Sträucher gibt es hier schon seit Astana nicht mehr. So weit das Auge reicht erkennen wir nur die ewige Prärie, offenes Land in dem wir schon seit unserem Campplatz heute Morgen keine Vegetation ausmachen können die höher als 30 Zentimeter ist. “Zelten scheint unmöglich zu sein!”, ruft Tanja. “Ja, aber langsam wird es Zeit”, erwidere ich meine Blicke gen Osten richtend und darauf hoffend ein Versteck für uns zu aufzuspüren. “Wir werden schon etwas finden”, meint Tanja zuversichtlich. Am späten Nachmittag entdecken wir weit vor uns niedrige Büsche am Straßenrand. “Ich hätte ein Fernglas mitnehmen sollen!”, rufe ich verärgert zum wiederholten Mal auf dieser Etappe, denn es würde uns helfen geeignete Übernachtungsplätze frühzeitig auszumachen. Als wir die Buschreihe erreichen, zeigt sich das sie offen und lückenhaft ist. “Kein guter Ort”, meine ich meinen Blick über das Grün schweifen lassend. Weil es schon spät ist begutachte ich trotzdem die Seite hinter den Gewächsen. “Vielleicht gibt es einen Winkel in dem man uns von der Straße aus nicht bemerkt”, denke ich und streife aufmerksam durch das hohe Gras. In etwa einen Kilometer Entfernung steht eine Funkstation. “Wenn sie besetzt ist werden sie uns sehen”, stelle ich, auf das Gebäude mit seinen Wachturm deutend, fest. “Keine gute Idee”, zweifelt Tanja. “Das ist die erste Buschreihe seit 90 Kilometer. Sie ist besser als gar nichts. Wer weiß ob weiter vorne noch etwas kommt”, entgegne ich. “Trotzdem, wenn die Jungs da oben Feierabend haben gehen sie in ihr Dorf. Vielleicht trinken sie einen über den Durst und erzählen von den Radfahrern hinterm Busch. Du weißt doch, die Menschen haben hier nicht viel zu tun und ihnen ist jede Abwechslung recht. Auch wissen wir das Betrunkene Männer sehr unangenehm werden können. Ich habe einfach keine Lust auf angetrunkenen Besuch. Hatten wir schon und war manchmal sogar gefährlich. Auch wenn bisher alles gut ging dürfen wir einfach nicht zu locker werden, darin liegt doch häufig die Gefahr.” “Ja, ja, ich weiß”, gebe ich ihr Recht, weshalb wir uns wieder in unsere Sättel schwingen.

Ich blicke in den Rückspiegel, um zu sehen ob Tanja sich in meinem Windschatten befindet. Die goldenen Strahlen der tief stehenden Sonne blitzen im Rückspiegel auf. Wir überwinden einen weiteren Höhenzug und lassen uns auf seiner Leeseite in das nächste saftige Tal rollen. Als hätte Tanja vorausgesehen tauchen plötzlich die erhofften viel versprechenden Büsche auf. “Fantastisch! Die sind perfekt!”, rufe ich. Wir warten bis kein Auto mehr zu sehen ist und schieben wie schon oft praktiziert unsere riese und müller durch den 30 Meter weiten Straßengraben, über die immer vorhandene auf gebaggerte Erdschneise, und drücken uns ganz schnell durch das schützende Gebüsch. “Oh, hier ist es aber schön!”, freut sich Tanja als wir auf einer riesigen Wiese stehen die einen guten Untergrund für unser Zelt verspricht. In einem Abstand von etwa zwei Kilometer fährt ein Güterzug vorbei, ansonsten sind wir vor allen Augen der Autofahrer gut versteckt.

Wie immer errichten wir unsere Stoffbehausung, räumen unser Schlafgemach ein und setzen uns erstmal auf eine Folie, um für einige Augenblicke den schönen Tag Revue passieren zu lassen. Dann waschen wir uns mit einem Tuch den Schweiß des Tages vom Körper. Bevor die Sonne untergeht findet Tanja die Zeit um sich mit einer Creme von Primavera zu verwöhnen. Ich tippe unsere Erlebnisse in den Laptop. Kurz bevor der glühende Sonneball den Horizont berührt, bereitet uns Tanja eine leckere Vesper mit frischen Brot, Tomaten, Gurken und ein paar Pistazien.

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