Sharga und Bor finden neuen Besitzer
N 48°55'433'' E 103°39'440''Tag: 410
Sonnenaufgang:
06:29
Sonnenuntergang:
19:37
Gesamtkilometer:
2468
Bodenbeschaffenheit:
Gras
Temperatur – Tag (Maximum):
9 °C
Temperatur – Tag (Minimum):
8 °C
Temperatur – Nacht:
3 °C
Breitengrad:
48°55’433“
Längengrad:
103°39’440“
Maximale Höhe:
1380 m über dem Meer
Am heutigen Morgen besuchen uns Bilgees Schwager Tovuu mit Frau Baatar. Tovuu, der mit Baatar in den Sommerferien letztes Jahr in einer Jurte neben Bilgee lebte, verhielt sich uns gegenüber sehr gierig. Wir sind über seinen Besuch also nicht besonders erfreut. „Ein tolles Zelt habt ihr da. Regnet es manchmal rein?“, fragt Tovuu. „Es ist in der Tat fantastisch. Wir leben schon lange in diesem Heim und es hat uns bei jeder Wetterlage geschützt“, antworte ich. „Ich würde es gerne kaufen“, überrascht er uns. „Kaufen?“ „Ja.“ „Zurzeit leben wir noch hier drin. Wenn wir die Expedition aufgelöst haben werden wir noch für ein paar Wochen in die Gobiwüste gehen. Kann sein das wir dass Zelt dort noch brauchen“, antworte ich. „Also wenn ihr es verkauft dann bitte an mich.“ „Klar, machen wir“, sage ich und frage mich wie ernst sein Kaufinteresse wirklich ist. „Sie sind hier um mich zum Heumähen abzuholen. Bitte sag ihnen wie wichtig es für euch ist mich hier zu haben. Ich verspüre nicht die geringste Lust auf diese Arbeit“, flüstert mir Bilgee zu als sich Tovuu und Baatar gerade über das Zelt unterhalten.
„Also Bilgee, kommst du jetzt mit?“, fragt ihn seine Schwester wenige Augenblicke später etwas schnippisch. „Äh… Bataar, entschuldige bitte meine Einmischung aber wir bräuchten Bilgee noch für ein paar Tage bei uns im Camp. Es ist wichtig. Er ist der Einzige der uns beim Verkauf der Pferde helfen kann“, sage ich. Baatar sieht mich an. Dann blickt sie zu ihrem Bruder und sagt; „Du bist muu, (schlecht) wirklich muu.“ Bilgee nimmt den Ärger seiner Schwester gelassen hin. Später bedankt er sich bei uns ihn vor diesen üblen Job gerettet zu haben.
Nach dem Frühstück fahren Tovuu und Baatar wieder nach Erdenet. Weil Tanja sich um unser facebooke und Webseite kümmern möchte wird sie von den Beiden mitgenommen. „Lass dich von Tovuu in Bezug auf Benzinkosten nicht über den Tisch ziehen!“, warne ich. „Denis? Wie lange sind wir jetzt schon in diesem Land?“ „Ich weiß ja. Wollte es nur erwähnen,“ sage ich ihr eine gute Fahrt wünschend.
Es schüttet den gesamten Tag wie aus Eimern. Das Thermometer erreicht eine maximale Höhe von 8 °C. Bilgee und ich verbringen viel Zeit im Zelt. Beim Schreiben dieser Zeilen friere ich und wünsche mir nichts sehnlicher als den Verkauf unserer Pferde bald abgeschlossen zu haben. Es ist bereits 17:00 Uhr. Ilhauchauu hat sich bis jetzt nicht blicken lassen. Ich habe die Hoffnung schon aufgegeben als wir den Motor eines Mopeds hören. „Ilhauchauu?“ ,frage ich etwas nervös. „Magadgüj, (Vielleicht) antwortet Bilgee mit der Schulter zuckend. Sofort öffne ich den Zelteingang und bin erleichtert Ilhauchauu zu sehen. „Komm herein“, bitte ich ihn ins Zelt und ziehe sofort wieder den Reißverschluss des Eingangs zu. „Ist es wirklich dicht?“, fragt er sich auf eine Pferdedecke setzend. „Du meinst das Zelt?“ „Tijmee“. (Ja) „Aber natürlich ist es dicht. Wie hätten wir sonst die vielen Reisemonate überstanden? Es hat in diesem Frühjahr und Sommer sehr viel geregnet“, erwähne ich. „Ein tolles Zelt.“ „Ist es“, antworte ich und wundere mich warum die Mongolen plötzlich solch Interesse an unserem Zelt zeigen.
„Ich habe nur eine Millionen dabei“, sagt er ohne Übergang die Scheine abzählend. „Muu, das ist wirklich muu für dich“, antworte ich mein Pokerface aufsetzend. „Warum?“ „Weil wir 1.050.000 vereinbarten. Für eine Millionen verkaufe ich sie nicht“, bluffe ich. Da ich die Geldscheine, die er mir geben möchte, nicht anrühre, lacht er wieder. „Sieh in meine Geldbörse. Da ist nicht mehr drin“, sagt er und zeigt mir das leere Portmonee. „Du hättest mehr Scheine rein tun sollen. Für ein Million verkaufe ich sie nicht. Aber du kannst ja morgen nochmal kommen“, schlage ich vor. „Ügüj, wir machen das Geschäft heute“, bestimmt er, greift unter seinen Deel und zieht 30.000 Tugrik heraus. „Mehr habe ich nicht“, grinst er. „Ich muss nachdenken“, antworte ich ebenfalls grinsend. Bilgee sitzt indes schweigend daneben und beobachtet mit regungslosem Gesicht das Verhandlungsspiel. Nach langen fünf Minuten stöhne ich ein gequältes „Okaaay“ heraus, nehme das Bündel Geld und zähle die Scheine. „Passt“, sage ich und schüttle Ilhauchauu die Hand. „Die Pferde sind dein.“ „Gut, dann werde ich sie noch heute abholen lassen“, beschließt der gewitzte Hirte, erhebt sich stöhnend und verlässt das Zelt.
Obwohl er nochmal 20.000 Tugrik herausgequetscht hat bin ich mit der erhaltenen Summe mehr als zufrieden. Erst heute morgen erhielten wir von Shuree eine SMS in der sie schrieb; „Da eure Pferde von der Reise sicherlich erschöpft sind zahlen wir für alle sechs nicht mehr als 900.000 Tugrik. (545,- €) Ich hoffe, dass ist für euch okay?“ Tanja und ich waren über dieses äußerst unverschämte Angebot mehr als entsetzt. „Genauso zieht man Ausländer über den Tisch. Als Tour Guide weiß Shuree offensichtlich wie man das macht“, meinte Tanja. „Sieht so aus. Ist keine aufrichtige Frau. Ein ehrlicher Mensch würde solch ein Angebot niemals unterbreiten. Es war eine gute Entscheidung nicht umgekehrt zu sein und zu ihrer Jurte zu reiten. Dort wären wir in eine Zwangslage geraten. Vielleicht hätten wir dann unsere Tiere wirklich zu diesem Schleuderpreis verkauft? Und wer weiß, möglicherweise hätte sie unsere Tiere sogar zum Schlachter nach Erdenet gebracht, um dort dann den fünffachen Preis zu herhalten“, überlege ich.
Eine Stunde später holt ein Verwandter von Ilhauchauu Sharga und Bor ab. „Ihr müsst die Beiden anpflocken, ansonsten kommen sie wieder hierher galoppiert“, warne ich dem Mann. „Ich weiß“, antwortet er knapp weswegen ich mir ein wenig dumm vorkomme einem Profi gesagt zu haben wie er mit Pferden umgehen soll. Der Hirte schwingt sich auf sein Pferd und zieht Sharga und Bor an Seilen hinter sich her. Wehmütig stehe ich da und sehe ihnen nach. Obwohl wir uns sicher sind für die Beiden ein gutes Zuhause gefunden zu haben überfällt mich ein Gefühl der Traurigkeit. Der Fortgang dieser treuen Kameraden zieht einen unumgänglichen Schlussstrich unter unsere Reise.
Nur zehn Minuten später galoppieren Sharga und Bor laut wiehernd ins Lager. Naraa, Tuya, Sar und Tenger antworten ebenfalls mit dröhnendem Gewieher. Das Wiedersehen der Kurzgetrennten ist freudig aber nicht von Dauer. Der Hirte galoppiert wie ein verärgerter Raubritter heran, springt vom Pferd und fängt die Ausreißer ein. Ohne uns nur einen Blick zu würdigen reitet er davon. „Bin gespannt ob sie es nochmal schaffen“, sage ich zu Bilgee der lachend neben mir steht.
Bereits um Mitternacht hat es diesmal Sharga fertiggebracht sich von seinem Seil loszureißen. Wiehernd erscheint er im Camp und grast die gesamte Nacht mit seinen Freunden.
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