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Mongolei/Bilgee Schwester-Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Sechstes Resümee – Überleben am weißen See

N 49°01'460'' E 104°02'800''
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    Tag: 437

    Sonnenaufgang:
    07:05

    Sonnenuntergang:
    18:40

    Gesamtkilometer:
    2525

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Temperatur – Tag (Maximum):
    15 °C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    minus 12 °C

    Temperatur – Nacht:
    minus 5 °C

    Breitengrad:
    49°01’460“

    Längengrad:
    104°02’800“

    Maximale Höhe:
    1281 m über dem Meer

Welch ein wunderbares Gefühl war es zum ersten Mal unsere beheizte Jurte zu betreten. Der Biss der Kälte konnte uns hier drin nur noch wenig anhaben. Auch wenn Ayush ein seltsamer Kauz war arrangierten wir uns die ersten Wochen mit ihm. Wir sahen über seine gierige Art hinweg. Bilgee zeigte mir den Umgang mit der Motorsäge. Damit wir vor der extremen Bodenkälte geschützt waren, die auch vor einer Jurte keinen Halt macht, half er mir ein Hochbett zu schreinern. Mit Tanja schneiderte er Filzunterlagen die wir als zusätzliche Isolation benötigten und legte sein gesamtes Knowhow in die Waagschale, um die Jurte winterfest zu machen.

Wie vereinbart erschien Tulgaa, um die Pferde nach Mörön zurückzutreiben. Der Abschied von ihnen viel uns nicht leicht. Als Tulgaa sich verabschiedete sprach er davon in drei Tagen die Strecke zu bewältigen. Letztendlich benötigte er drei Wochen. Später erfuhren wir, dass die Pferde beim Militär halb verhungert ankamen. Wir wissen bis heute nicht wer an dem darauf folgendem Desaster die Schuld trug denn nach dem Winter schwebte für Monate das Damoklesschwert des Hungertodes über den Tieren.

Nach dem Bilgee sich auf dem Heimweg gemacht hatte fühlten wir uns in den ersten Tagen des fremden Ortes verloren, gewöhnten uns aber schnell an die neue Situation. Die Wochen waren mit viel Organisationsarbeit gefüllt. Eine weitere unvorhergesehene Hürde bedeutete die korrupte Bürgermeisterin des Ortes und die Bürgermeisterin der Tuwa. Beide wollten uns nicht mehr als Maximum zehn Tage Aufenthalt bei den Rentiernomaden gewähren. Auch das Leben in einer Jurte war verboten. Die Frauen witterten Geld und dachten daran uns mit Genehmigungen, die teuer zu bezahlen waren, einzuschränken. Die Rückendeckung kam tatsächlich vom Bürgermeister in Mörön. Er ebnete uns den weiteren Weg.

Um nun auch das Einverständnis der Tuwanomaden zu bekommen fuhren wir mit einem Allradbus in ihr etwa 40 Kilometer entferntes Taigalager. Obschon unsere Anfrage, den Winter mit ihnen verbringen zu dürfen, wohlwollend entgegengenommen wurde, war das Ergebnis des Ältestenrats ernüchternd. „Ihr dürft vorerst nur einen Monat bleiben. Wir wollen nicht, dass Fremde zu sehr in unser Leben eindringen. Wir wollen nicht unsere Probleme, unsere Auseinandersetzungen und unsere Geheimnisse mit euch teilen“, hieß es. Obzwar die Kosten für einen Umzug in die Taiga mit Jurte, Ausrüstung und Nahrung für sechs Monate beträchtlich waren, ließen wir uns nicht von dem Traum abbringen einen Winter mit den letzten tuwinischen Rentiernomaden zu verbringen.

Dann warf uns ein technischer Supergau zurück. Wegen der extremen Kälte verabschiedete sich die Festplatte meines Laptops und beerdigte viele meiner Daten. Wochen an Arbeit waren vernichtet. Es war ein Alptraum und kostete viel Energie. Wir sendeten den Rechner vom Ende der Welt mit einem Allradfahrzeug nach Mörön. Von dort ging es mit dem Flugzeug nach Ulan Bator, Peking und dann nach Frankfurt. Sechs Wochen dauerte es bis das gute Teil, tatsächlich mit neuer Software und Festplatte versehen, wieder den Weg in die Taiga fand.

Wenn man uns vorher prophezeit hatte in der Abgeschiedenheit der Welt von Langeweile geplagt zu werden, war das eine absolut falsche Annahme. Ganz im Gegenteil waren wir froh wenn mal nichts Außergewöhnliches geschah. Einmal glaubten wir zum Beispiel das unser Mogi ein Auge verliert in welches sein Rivale Jack gebissen hatte. Es sah schlimm aus. Zum Glück schien nur die Augenhöhle betroffen zu sein denn es erholte sich wieder. Täglich musste Tanja zu einem der geschlagenen Löcher in den Tsagaan Nuur gehen, um Trink- und Brauchwasser für uns heranzuschleppen.

Täglich war ich damit beschäftigt Holz zu hacken und zu sägen. Die Vorräte gingen schneller zu neige als gedacht. Leider hatte sich Ayush nicht an die Vereinbarung gehalten und nur eine Holzladung besorgt. Als uns bei minus 45 °C das Feuerholz ausging mussten wir uns Gedanken machen wie es weitergehen sollte. Kurz vor der Fahrt zu den Rentiernomaden erhielten wir dann endlich die von uns finanzierte zweite Lastwagenladung. Auch wenn wir diese nun nicht mit in die Taiga nehmen konnten gab uns der ehemalige Bürgermeister des Ortes kein Geld zurück. Im Gegenteil, er verlangte plötzlich weit über das Doppelte von uns, um mit seinem Allradlastwagen in die Taiga umzuziehen. Da wir nicht mit den Kosten gerechnet hatten und es in dem Ort auch keinen Bankautomaten gab, um Geld zu ziehen, war die Herausforderung wieder einmal kaum zu bezwingen. „Kein Geld, kein Lastwagen“, beharrte er stur und Gefühllos auf seiner Forderung. Saraa sprach mit ihrem Cousin der daraufhin den Preis auf das Doppelte als vereinbart herabsetzte. Noch immer viel zu hoch. Da er aber als ehemaliger Bürgermeister Einfluss besaß wollte es sich mit ihm keiner seiner Nachbarn verscherzen. Weswegen auch keiner bereit war uns mit ihrem eigenen Allradlastwagen zu den Nomaden zu bringen. Und vielleicht gibt es doch eine ausgleichende Gerechtigkeit? Am Tag des geplanten Aufbruchs hatte Ayushs Lastwagen einen schweren Motorschaden. Die Kosten einer Reparatur lagen bei mehreren Millionen Tugrik. Nun konnten wir doch mit einem anderen Lastwagen aufbrechen.

Wir freuen uns über Kommentare!

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