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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 3

Schlechte Neuigkeiten von der Außenwelt

N 24°02’32.9“ E 142°49’50.6“
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    Tag: 158-162 Etappe Drei / Expeditionstage gesamt 549-553

    Sonnenaufgang:
    05:50-05:46

    Sonnenuntergang:
    18:38

    Temperatur - Tag (Maximum):
    30°-40° Grad, in der Sonne ca. 55°-60°

    Temperatur - Nacht:
    15°-22° Grad

    Breitengrad:
    24°02’32.9“

    Längengrad:
    142°49’50.6“

Westerton-Camp — 21.10.2002 – 25.10.2002

Es dauert zwei Tage bis wir uns wieder einigermaßen erholt haben. Westerton ist für uns ein gut geeigneter Ort, um dieses Update zu schreiben. Vor allem können sich die Kamele wieder regenerieren und wenn wir Glück haben wächst unter dem guten Futter Istans Höcker ein wenig.

Es ist eigenartig, obwohl die Tiere sich hier ausruhen können, scheint es so, als ob das Gift des Mulgaholzes bei einer Ruhepause besonders aktiv wird. Die Entzündung an Instans Penis bricht wieder aus. Es ist zwar nicht so schlimm wie es war aber wir müssen die Stelle immer noch mit der Spezialcreme einreiben. Auch Jafars Hüftgeschwür walt auf und ab und muss weiterhin behandelt werden. Ich bin jetzt noch wirklich froh darüber, mir beim Sattelbau auf New Haven keinen Mulgaholzspies in den Finger gerammt zu haben. Es ist einfach nicht zu fassen wie langwierig diese Verletzungen sind.

Obwohl der Bildschirm des Fernsehers in der Küche defekt ist, sehen wir bald jeden Abend die Weltnachrichten. Wir hören von der Katastrophe auf der Insel Bali und sind wie letztes Jahr, als wir am 11. September davon hörten das die Twin Tower zusammenstürzten, bis aufs Mark geschockt. Damals campten wir neben einer Aboriginegemeinschaft auf einer Sanddüne und wurden rein zufällig von diesem Drama informiert. Nach langer Einsamkeit und Isoliertheit von der Außenwelt scheinen schlechte Nachrichten geradezu vernichtend auf uns zu wirken.

Es schmerzt uns sehr davon zu hören das wieder unschuldige Menschen ihr Leben für politischen und religiösen Fanatismus und Verblendung geben mussten. An dieser Stelle senden Tanja und ich allen betroffenen unser Mitgefühl und Beileid.

Erstarrt sitzen wir vor der flimmernden Mattscheibe und hören von dem Scharfschützen in Washington der bisher 10 Menschen erschoss und eine ganze Stadt in Angst und Schrecken versetzt. Kaum hat der Nachrichtensprecher diese Meldung beendet, hören wir von dem Drama, in dem ein Schüler hier in Australien zwei Mitschüler erschoss. Dann folgt die Meldung über eine deutsche Touristin die von einem Krokodil gefressen wurde als sie leichtsinniger Weise nachts in einem Krokodilverseuchtem Gewässer baden ging. Als danach noch die Geiselnahme von Russland über den Äther flimmert, sind wir fix und fertig. Verwirrt über so unendlich viel Brutalität und Negativität sitzen wir wie vom Hammer erschlagen da und sehen uns schweigend an. Als hätte mir die Sonne die Gehirnwindungen versenkt, brummt mir der Kopf. Es stellt sich für mich wirklich die Frage ob wir in diese verrückte Welt von Mord und Todschlag zurückwollen? Was sind schon Hitze, Überschwemmungen, Zyklonen und andere Naturgewalten im Vergleich zu den von Menschen produzierten Katastrophen? Zumindest ist die Natur geradlinig und ehrlich. Das was wir hier in den Nachrichten gehört haben klingt eher krank und furchtbar traurig.

Am nächsten Tag sind wir froh einen der größten Sandstürme seit Jahrzehnten im Schutz des Farmhauses zu überstehen. 1700 Kilometer lang und über 400 Kilometer breit erstreckt sich dieser Monstersturm über mehrere Staaten Australiens und verdunkelt das Land. In einigen Gebieten ist die Sicht nur 200 Meter weit. 10 Millionen Tonnen Oberflächenerde und Staub werden in eine Höhe von über 2000 Meter getragen. Für viele Farmer ist das eine weitere Katastrophe und für manche bedeutet dieser riesige Sandsturm das Ende. Durch die anhaltende Dürre können solche gewaltigen Stürme entstehen. Wir können nur hoffen, dass wir keinen erleben müssen wenn wir dort draußen marschieren.

„Da ist eine Schlange!“ ,ruft Tanja als sie nachts zur Wäscheleine läuft, um nachzusehen ob unsere Keidung trocken ist. „Ich komme,“ rufe ich, schnappe mir die Kamera und rase ins Freie. Georg ist mit mir. Er hat eine Schaufel in der Hand um sie zu töten. „Was ist es für eine ?“ ,frage ich auf das sich sehr langsam schlängelnde Reptil blickend. „Ich weiß nicht. Es ist zu dunkel, um ihre Zeichnung zu erkennen,“ antwortet Georg. Wir stehen eine Weile herum und sind uns unschlüssig ob wir sie töten sollen oder nicht. „Wenn wir sie gehen lassen kommt sie wieder. Es ist natürlich fatal hier draußen auf eine Giftschlange zu treten,“ meine ich grüblerisch. „Hast du schon mal eine Schlange getötet?“ ,möchte ich wissen. „Nein,“ antwortet er leise. Mittlerweile windet sie sich in die Richtung eines Schrankes der auf der Terrasse steht. „Du weißt, dass die meisten Menschen bei dem Versuch eine Schlange zu töten gebissen werden?“ „Hm, ja.“ „Na ja, mach dir nichts daraus. Letztendlich sterben in Australien im Durchschnitt nur fünf Menschen im Jahr an den Folgen eines Bisses,“ scherze ich und klopfe ihm auf die Schulter. „Also wenn du sie tötest, dann musst du sie genau hinterm Kopf erwischen. Ansonsten kann dich der abgetrennte Körper immer noch erreichen und der Kopf beißen,“ sage ich leise. „Ihr solltet vielleicht besser Schuhe anziehen,“ wirft Tanja vernünftiger Weise ein. Georg steht mit seiner Schaufel in der Hand unschlüssig da und scheint zu überlegen. „Vielleicht ist sie ja nicht giftig? Wie auch immer, du bist der Boss und musst entscheiden,“ flüstere ich als die Schaufel nach unten saust und ihr den Kopf vom Rumpf trennt.

Aufatmend betrachten wir uns nun die fingerdünne und etwa 70 Zentimeter lange Schlange. Auch nach einer näheren Untersuchung sind wir uns nicht sicher ob sie zu den giftigsten Schlangen der Welt gehört oder nicht. Wir drehen ihr den Rücken zu und gehen wieder in die Küche. Noch lange unterhalten wir uns über die Geschehnisse auf der Welt, bis es Zeit ist unser bequemes Nachtlager aufzusuchen.

Die Tage hier auf Westerton vergehen schnell. Nur langsam beginnen wir die Nachrichten zu verdauen. Unser Kopf wird wieder klarer. Wir machen uns daran Jafars Sattel zu reparieren, einiges an Ausrüstung umzuschlichten und die Karte für die nächsten 200 Kilometer zu studieren. Unsere geschüttelten Gefühle beginnen sich zu erholen. Das Leben geht weiter und ein Schein von Freude und Energie winkt uns am Horizont. Unsere Abenteuerlust meldet sich wieder, erwacht von neuem zum Leben und wir beginnen uns darauf zu freuen die letzten 1000 Kilometer bis zur Ostküste anzugehen. Ohne Zweifel wartet da draußen noch die eine oder andere Herausorderung auf uns. Vor allem stellt sich nach wie vor die Frage, wie wir unseren Zug des Lebens durch ein Land bringen, in dem viele Rinder zu Tausenden sterben?…

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