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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 3

Schlangen, eine neue und ständige Bedrohung

N 23°22’32.9“ E 150°24’01.3“
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    Tag: 278-288 Etappe Drei-Expeditionstage gesamt 668-679

    Sonnenaufgang:
    05:45-05:52

    Sonnenuntergang:
    18-35-18:29

    Gesamtkilometer:
    6980 km

    Temperatur - Tag (Maximum):
    22°-31 Grad, Sonne 40°-50°

    Temperatur - Nacht:
    20°-25°

    Breitengrad:
    23°22’32.9“

    Längengrad:
    150°24’01.3“

Paradise Lgoons-Camp — 17.02.2003 – 28.02.2003

Während Tanja seit Stunden an einem Sattel näht arbeite ich an unserem Ford. Zwei Türen lassen sich nicht mehr öffnen, die Scheinwerfer sind schwach wie flackernde Kerzen im Wind und der Tachometer hat seinen Geist aufgegeben.

„Ooooaaahhh!“ schreckt mich Tanjas eigenartiger Ruf aus der Fahrertür. „Was ist denn?“ ,frage ich sie. Tanja deutet ohne Kommentar auf den Sattel an dem sie genäht hat. „Eine Schlange?“ ,rufe ich. „Ja, eine große Schlange,“ antwortet sie. Ich nehme das 1 ½ Meter lange Plastikrohr, welches an einem Pfosten lehnt und gehe zu dem Sattel. „Sie ist unter der Satteltasche. Ich habe meine Arbeit gerade abgeschlossen und die Satteltasche hochgelegt, als ich sie darunter entdeckte. Ihr Kopf war während der letzten Stunden nur wenige Zentimeter von meiner Hand entfernt,“ erklärt sie. Vorsichtig schiebe ich das Ende des Plastikrohrs unter die Satteltasche und hebe sie ein wenig hoch. Sofort schießt ihr Schlangenkopf nach oben und sieht uns an. „Huuuaaahh! Das ist eine große King Brown. Du hast ungeheuer viel Glück gehabt. Wie viele Stunden hast du an ihm genäht?“ frage ich. „Bestimmt zwei oder drei.“ „Wauu, du musstest anscheinend unter dem Schutz mehrerer Engel stehen. Wenn die dich gebissen hätte? Nicht auszudenken,“ sage ich mit respektvoller Stimme, fühle wie sich meine Nackenhaare aufstellen und lasse die Satteltasche wieder fallen. „Wie sollen wir die das raus bekommen?“ ,fragt Tanja. „Am besten wir warten, bis einer der Ringer zurückkommt. Zusammen werden wir sie da schon vorholen,“ antworte ich.

Wenig später sucht sich Tanja einen anderen Sattel, um auch diesen zu reparieren. Bevor sie mit ihrer Arbeit beginnt nimmt sie das Plastikrohr und schlägt auf ihn ein, bis sie sich sicher ist, dass keines der gefährlichen Kriechtiere darin wohnt. Dann setzt sie sich nur zwei Meter entfernt von der tödlichen Bedrohung an den Afghanpacksattel und beginnt mit ihrer Näharbeit.

Als Hamish von der Arbeit kommt erzähle ich ihm die Schlangengeschichte. „Das muss die gleiche King Brown sein auf die vor ein paar Tagen Mike fast getreten wäre. Wir müssen sie unbedingt loswerden, ansonsten wird noch einer von uns gebissen,“ sagt er. Um vor einen eventuellen Biss geschützt zu sein ziehe ich mir Ledergamaschen über meine Schuhe. Dann schnappe ich mir das Plastikrohr und bin fertig für die Schlangenjagd. Hamish ist mit einer Schaufel bewaffnet und steht jetzt mit mir vor dem Packsattel. Tanja hat die Kamera im Anschlag, um die Szene zu fotografieren. Sie steht in einem sicheren Abstand schräg hinter uns. „Ob sie noch drunter ist?“ ,fragt Hamish. „Glaube schon. Ihr scheint es da zu gefallen,“ antworte ich mit dem Plastikrohr die Satteltasche berührend. „Nichts. Es rührt sich nichts,“ meint Hamish. „Sie ist bestimmt noch da. Ich kann ihre Anwesenheit richtig spüren,“ antworte ich konzentriert. Vorsichtig schiebe ich das Rohr unter die Satteltasche, um sie anzuheben. Kaum habe ich die Tasche vom Sattel geklappt schießt der Kopf der tödlich giftigen Schlange nach oben und sieht uns an. „Jetzt! Komm schieß das Foto!“ ,rufe ich aufgeregt. Das Blitzlicht trifft das Reptil, worauf ihr Kopf wie von einer Kugel getroffen nach hinten zischt. „Hast du das gesehen? Sie hat auf das Blitzlicht reagiert! Ich dachte Schlangen sind blind?“ ,sage ich verblüfft. Nachdem Tanja das Bild fotografiert hat berühre ich die King Brown mit dem Rohr. Sofort zischt sie in die Satteltasche. „Sie ist in der Tasche!“ ,rufe ich. Ich denke gerade darüber nach ob es eine gute Idee wäre auf die Tasche zu springen als Hamish ruft: „Da ist sie!“ Erschrocken wirble ich herum und sehe wie sie sich hinter mir aufs offene Gras flüchtet. „Mein Gott, ich habe nicht einmal mitbekommen wie sie die Tasche verlassen hat. Die ist ja unglaublich schnell!“ Hamish und ich hetzen ihr hinter her. Dann saust seine Schaufel herunter und verfehlt sie. Noch mal saust die Schaufel auf das Gifttier und wieder schafft sie es sich in letzter Sekunde davon zu schnellen. „Schnell sie flüchtet sich ins hohe Gras!“ ruft Hamish, doch ehe wir am Zaun sind verschwindet sie im Schilf. „Und jetzt?“ ,will ich wissen. „Wir werden ein Feuer am Schilfrand setzen. Dann kommt sie bestimmt heraus,“ meint Hamish.

Ich fühle mich nicht wohl bei diesem Vorschlag. Auch wenn es seltsam klingen mag möchte ich sie gar nicht töten. Tanja und ich sehen uns an. Ich weiß, dass sie ähnlich denkt. Grundsätzlich sind wir dagegen Tiere zu töten, selbst wenn es Schlangen sind. Sie sind ein wichtiges Bindeglied in unserem Ökosystem. Da Schlangen aber immer im gleichen Revier leben, sind sie neben Farmhäusern eine ernsthafte Bedrohung. Wenn man sie vertreibt kommen sie zurück. Sie fühlen sich im Regelfall dort zu Hause wo man sie antrifft. Besonders neben und um Häuser gefällt es ihnen sehr gut. Hier gibt es Abfälle und wo es Abfälle gibt sind Mäuse und Frösche Zuhause. Die gehören wiederum zur Hauptbeute der Schlangen und so schließt sich der Kreis. Das Beste wäre natürlich einen Schlangenfänger aus der Umgebung kommen zu lassen. Doch sind wir zu weit davon entfernt. Da die meisten Menschen in Australien beim Versuch die Schlange zu fangen oder zu töten gebissen werden, ist so eine Aktion äußerst gefährlich. Selbst wenn wir hier in der Nähe von Rockhamton relativ schnell an eine Gegengift kommen würden, ist so ein Biss nicht selten tragisch. Wir kennen Fälle in denen Menschen, trotz der rechtzeitigen Hilfe durch ein Gegengift, noch nach Jahren unter den Folgen eines Bisses leiden. Es kann Jahre dauern bis der Körper mit solch einer massiven Vergiftung fertig wird. Die Zeit die es dauern kann, um voll zu genesen, sind für den Betroffenen ein Alptraum.

Die nur etwa 10 Quadratmeter kleine Schilffläche, in welche sich die King Brown geflüchtet hat, brennt mittlerweile. Hamish und ich stehen an seinem Rand, um auf sie zu warten, doch es rührt sich nichts. „Vielleicht hat sie dort drin ein Loch in der Erde?“ ,sage ich grübelnd. „Du meinst das sie dort lebt?“ ,fragt Tanja. „Wer weiß,“ antworte ich. Wir warten noch eine ganze Weile, bis wir es aufgeben. „Sie ist uns entwischt,“ meint Hamish. „Wir können nur hoffen, dass sie nicht zurückkommt. Vielleicht war ihr diese Aktion ein Leere,“ antworte ich.

Nur einen Tag danach begibt sich Tanja wieder zu den Sätteln, um ihre Mammutarbeit fortzusetzen. Mit dem Plastikrohr schlägt sie auf die Satteltaschen ein, um sicher zu sein das auch keine Schlange drin ist. Dann setzt sie sich vor dem Sattel und beginnt mit dem Nähen. Plötzlich bemerkt sie im Augenwinkel wie sich etwas neben ihr bewegt. Sofort springt sie auf. Wieder ist es eine King Brown die sich gerade aus einer der Satteltaschen schlängelt. Diesmal ist sie nur ca. 70 Zentimeter lang aber genauso gefährlich wie ihr großer Bruder. John, einer der Arbeiter der ebenfalls mit uns hier lebt, holt einen Spaten und befeit Tanja von der Gefahr.

Nur ein paar Tage später heben wir einen Sattel, der auf einer Plastikplane steht, hoch. Diesmal befinden sich gleich drei Schlangen darunter. Mit äußerster Vorsicht und flink beseitige ich sie. Aber nicht nur Schlangen sind unsere ständige Bedrohung, sondern auch giftige Spinnen und ebenfalls hochgiftige Hundertfüßler die den Schattigen, trockenen Platz unterm Haus lieben. Sie alle wollen unsere Sättel als ihre Wohnung erobern. Tanja und ich sind jetzt in ständiger Alarmbereitschaft. Es geht darum in den letzten Tagen der Expeditionsabschlussarbeiten nicht noch von solch einem Mistvieh gebissen oder gestochen zu werden.

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