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Link zum Tagebuch: TRANS-OST-EXPEDITION - Etappe 1

Reizvollste Landschaften! Tödlich schwarzer Gummi!

N 47°33'994'' E 019°03'675''
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    Tag: 60

     

    Sonnenaufgang:
    06:28 Uhr

     

    Sonnenuntergang:
    18:45 Uhr

     

    Luftlinie:
    36,39 Km

     

    Tageskilometer:
    75,31 Km

     

    Gesamtkilometer:
    1621,64 Km

     

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

     

    Temperatur – Tag (Maximum):
    24,1 °C

     

    Temperatur – Tag (Minimum):
    17,4 °C

     

    Temperatur – Nacht:
    11 °C

     

    Breitengrad:
    47°33’994“

     

    Längengrad:
    019°03’675“

     

    Maximale Höhe:
    108 m über dem Meer

     

    Aufbruchzeit:
    09:44 Uhr

     

    Ankunftszeit:
    19:05 Uhr

    Durchschnittsgeschwindigkeit:
    14,85 Km/h

Das unterdurchschnittliche Frühstück der Pension hat nichts mehr mit dem leckeren Essen unserer letzten Unterkunft zu tun. Meine in der Mikrowelle aufgewärmten Pfandkuchen sind von gestern und im Begriff gerade wieder völlig zu erkalten. Der Kaffee schmeckt sauer aber trotzdem wollen wir unsere wieder gewonnene Motivation nicht von einem lächerlichen Frühstück trüben lassen.

Einen neuen Tag entgegen blickend schwingen wir uns in die Sättel und lassen unsere Bikes zur slowakisch ungarischen Grenze rollen. Die Beamten sind sehr freundlich und nach einem kurzen Blick in unsere Pässe dürfen wir unsere Roadtrains auf die  einst im zweiten Weltkrieg zerstörten Maria Valeria Brücke schieben. Sie verbindet die Städte Sturovo und Esztergom und somit auch die Slowakei und Ungarn miteinander. Kaum zu glauben, jetzt nach knapp 1600 Kilometer haben wir mit Deutschland, der Schweiz, Österreich, Slowakei und Ungarn schon fünf Länder bereist. Unbeschreiblich wie vielfältig und abwechslungsreich Europa ist.

Erst im Jahr 2001 wurde die Länderverbindende Brücke wieder aufgebaut. Am anderen Ende rauschen wir ihre Erhebung hinab in das von einem Schriftsteller genannte ungarische Rom. Esztergom ist seit dem 11. Jahrhundert der Sitz des Erzbischofs von Ungarn. Die beeindruckende Basilika thront auf den Burgberg und lockt mit ihrer Schönheit zu einer Besichtigung. Unser Ziel ist heute die Hauptstadt Budapest, deswegen müssen wir uns nur mit ihrer prächtigen Außenfassade begnügen.

Schon in der Steinzeit war dieser Ort besiedelt. Die Römer nutzten den strategischen Platz  für eine Befestigungsanlage zum Schutz ihrer Grenzen. Im 13. Jahrhundert wurde Esztergom von den Tataren besetzt und im 16. Jahrhundert von den Türken die dann 140 Jahre blieben. Nachdem die Türken vertrieben wurden war die Stadt eine Ruine in der nur noch ca. 400 der ursprünglichen Bewohner hausten. Wir lassen das hübsche Städtchen hinter uns und finden sofort den weiterführenden Radweg. “Stopp!”, warnt mich Tanjas Ruf. “Was denn?” “Da geht es nicht weiter. Der Radweg endet in einer steilen Treppe. Hätte sie beinahe nicht gesehen.” Wir umgehen das gefährliche Hindernis und finden den richtigen Radweg. Schon nach wenigen Kilometern mündet der Weg in die Bundesstraße. Wir haben nun die Möglichkeit mit der Fähre auf die ruhigere linke Seite der Donau zu gelangen. “Forint?”, fragt der Fährmann. “Nein wir haben keine Forint”, antworte ich mit der Schulter zuckend. Mit Zeichensprache versucht mir der Fährmann zu erklären in dem nahen Restaurant Geld zu wechseln. Leider schlägt das auch fehl, worauf wir unsere Reise auf der Bundesstraße fortsetzen. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir noch nicht dass ab hier der Luxus eines wunderbaren Radweges für uns beendet ist.

Vor uns liegt das Donauknie, eine der reizvollsten Landschaften in Ungarn. Die steilen Berghänge aus zum Teil vulkanischem Gestein wurden hier von dem mächtigen Strom schon vor Urzeiten zweigeteilt. “Schau wie schön!”, rufe ich freudig aus und deute auf die dunklen Berghänge mit den romantisch geformten Felsen. Zu unserer Rechten tauchen die Visegrader Berge und das Pilis-Gebirge auf welches seine gebogenen Rücken in den blauen Himmel strecken. Die Höhenzüge sind mit schattigen Laubwäldern dicht bewachsen. Baumalleen wölben ihre Kronen wie schützende Hände über uns. Wir erreichen das Uferstädtchen Visegrad welches bereits seit dem 1. Jahrhundert nach Christus begann eine wichtige strategische Rolle für die Römer zu spielen. Visegrad, auf der rechten Donauseite, war ein Teil des Limes und gehörte zu den militärischen Festungen an der Grenze zu Panonien. Schon im 4. Jahrhundert errichteten die damaligen Machthaber auf dem 180 Meter hohen Sibrik-Hügel eine befestigte Anlage die später zu einer Burg werden sollte. “Wohin man hier sieht, überall kommen wir in Berührung mit der geschichtlichen Vergangenheit der Donau”, meine ich nachdenklich auf einem Stuhl sitzend. Wir haben es uns in einem Restaurant bequem gemacht, um die berühmte ungarische Küche zu kosten. Leider werden wir gnadenlos enttäuscht. Das Fleisch schmeckt irgendwie ranzig, überhaupt scheint der Koch das von gestern übrig gebliebene Essen einfach wieder aufgewärmt zu haben. Wir bestellen die Rechnung und sind verwundert plötzlich 10 % Steuer zahlen zu müssen. “Es liegt im Ermessen des Wirtes ob er die Steuer verlangt oder nicht”, entschuldigt sich der Kellner in gutem Englisch. Wir zahlen und ärgern uns darüber diesem Beutelschneider von Wirt auf dem Leim gegangen zu sein. Im Vergleich zur Slowakei ist es in Ungarn anscheinend richtig teuer. Ein Bier kostet hier wieder 2 Euro und eine Mahlzeit je nach Wahl 10 bis 20 Euro. “Vielleicht liegt es an den vielen Touristen die es hier wieder gibt?”, frage ich mich laut. “Weiß auch nicht. Wir können nur hoffen das Budapest nicht noch teurer ist”, antwortet Tanja.

Weil es bis zur Hauptstadt für uns noch weit ist können wir auch dieser sehenswerten Siedlung keinen Besuch abstatten und radeln weiter. Wir kommen noch an so einigen reizvollen Städtchen vorbei. Vor allem den Ort Szentendre hinter uns zu lassen, in dem man bei Ausgrabungen auf steinzeitliche Siedlungsreste gestoßen ist, fällt uns schwer.

Tödlich schwarzer Gummi. Reinste Killer!

Die Hauptstraße wird zusehends schlechter und der Verkehr schlimmer. Der Straßenrand ist an manchen Stellen kaum befahrbar. Schmutz, Sand und gefährliche Rillen veranlassen uns unaufhörlich zum Ausweichen. Unsere Anhänger rumpeln mit lautem Krachen in tiefe Löcher. Der Ruck ist so groß das es mir manchmal fast den Lenker aus der Hand reißt. Wir müssen jetzt höllisch aufpassen nicht unter die Räder der Autos und Lastwagen zu geraten. Manchmal verengt sich die Hauptverkehrsader, so dass die Fahrer hinter uns bremsen müssen, um beim Überholen nicht in den Gegenverkehr zu rasen. Einige der schrecklich schnellen Blechhaufen brausen dicht, viel zu dicht an uns vorbei. Tanja leidet unter dem aufgewirbelten Staub. Ihr Knie beginnt von der Anstrengung zu blockieren und der Schmerz wird mit jedem Kilometer größer. “Bleib um Gottes Willen dran!”, brülle ich nach hinten, um den Motorenlärm zu übertrumpfen. Ich habe Bedenken,  besonders für die Lastwägen ein unüberwindbares Hindernis zu werden wenn der Abstand zwischen uns zu groß ist. Die schweren Straßenzüge müssen bei der ersten Gelegenheit zum Überholen ansetzen und wenn ihnen etwas entgegenkommt sind sie gezwungen sich zwischen Tanja und mich zu quetschen. Ich drossle meine Geschwindigkeit, um Tanja die Gelegenheit zu geben dicht in meinem Windschatten zu bleiben. Als geballte Einheit rumpeln wir nun über den sich zum Alptraum entwickelnden Asphaltstreifen. Tote Vögel, Ratten, Katzen und auch Igel säumen in ihrem erschreckenden Antlitz den Straßenrand. Oft endet der fransige Teerstreifen abrupt in einer steil abfallenden Kante. Wenn einer der Monsterlastzüge zu nahe kommt erfordert das Ausweichen geradezu akrobatisches Können. In letzter Sekunde lassen wir dann unsere schwer beladenen Räder die abschüssige Kante hinuntersausen. Es rumpelt und rüttelt. Der Rahmen stöhnt unter der Belastung auf als mein Gefährd in den Straßengraben rattert. Donnernd rauschen nur Sekundebruchteile später die schwarzen, tödlich aussehenden Gummireifen eines Sattelschleppers an uns vorbei. “Ein Wahnsinn. Diese Straße entwickelt sich ja zum reinsten Killer!”, rufe ich entsetzt und frage mich wie wir auf diese Weise die restlichen 19.000 Kilometer unserer Reise bewältigen wollen ohne dabei unter die Räder zu geraten.

“Denis! Da dürfen wir nicht mehr weiter!”, warnt Tanja. “Was, warum nicht?” “Schau doch mal das Verkehrsschild an!”, antwortet sie und deutet nach vorne.  Erschrocken entdecke jetzt auch ich das Verbot für Räder, Tracktoren und Pferdewagen die auf dieser Straße nicht erlaubt sind. Nach ein paar hundert Meter retten wir uns in eine Tankstelle und überlegen wie wir weiterkommen. “Die Bundesstraße hat sich für uns erledigt. Ob es eine andere Verkehrsader gibt die in die gleiche Richtung führt?”, frage ich nachdenklich und studiere die Karte. “Lass es uns doch auf dem Weg hinter der Tankstelle versuchen”, meint Tanja auf den schmalen Asphaltstreifen deutend. Da ich im Augenblick keine andere Möglichkeit sehe gehe ich auf ihren Vorschlag ein. Wir sind erfreut als die schmale Straße uns zu einem Radweg führt der direkt neben der Bundesstraße liegt. Es dauert allerdings nicht lange als der Weg plötzlich über die Hauptstraße führt. So wie es aussieht befinden wir uns bereits in einem Vorort von Budapest. Durch die dunklen Wolken am Himmel beginnt die Dämmerung heute schon früher als erwartet. Die Fahrer haben fast alle ihr Licht eingeschaltet. “Da unten muss die Donau sein. Vielleicht finden wir dort unseren Radweg wieder”, äußere ich und überquere den Fußgängerüberweg. Auf einem sehr reparaturbedürftigen Asphaltstreifen holpern wir nun im Berufsverkehr dahin. Es ist kalt. Hunger macht sich bemerkbar und wir haben keine Ahnung wo man hier übernachten kann. Hotel steht auf einem Schild. “Ich schau mal rein was es kostet”, sage ich. Während ich mit müden Knochen auf wackligen Beinen die Rezeption betrete passt Tanja auf unsere Räder auf. “120 Euro die Nacht. Wir sind aber leider ausgebucht”, antwortet der Mann freundlich. Erschrocken über die für uns hohe Summe und der Tatsache, dass der Laden auch noch ausgebucht ist radeln wir weiter. “Wir finden schon was”, meint Tanja zuversichtlich. Auf den nächsten fünf Kilometern frage ich alle Hotels und Pensionen. Die Preise liegen zwischen 40 und 130 Euro für ein Doppelzimmer. “Vielleicht ist es in der Stadt besser?”, fragt Tanja. “Glaube ich nicht”, antworte ich etwas genickt. Auf unseren weiteren Weg nimmt der Verkehr eher zu. Wir geraten in einen Stau, schieben unsere Räder daran vorbei und erreichen die Stadt. Da ich keine genaue Karte besitze bin ich ohne Orientierung. Wir treffen wieder auf einen Radweg, folgen ihm bis zum Schluss und können seit geraumer Zeit keine Hotels oder Pensionen entdecken. Selbst die Passanten die wir fragen haben keine Ahnung oder sprechen nicht unsere Sprache. Es wird langsam dunkel. Mittlerweile befinden wir uns ca. acht Kilometer von dem Ort entfernt wo es die letzten Unterkünfte gab. “Wir kehren um”, beschließe ich, worauf wir die acht Kilometer zurückradeln. “Geht doch auf den Campingplatz”, scheint uns ein netter alter Herr auf Ungarisch zu sagen. Wir lassen uns mit Zeichensprache erklären wo der Platz liegt und finden ihn auch. Mittlerweile ist es dunkel und die Kälte der Nacht setzt ein. Mein Thermometer zeigt 13 Grad an. Die Rezeption des nahezu leeren Zeltplatzes hat bereits geschlossen. Der Pförtner spricht nur Ungarisch. Er zeigt uns die Preistabelle. Knapp 18 Euro für zwei Personen und ein Zelt. “Ich glaube es nicht, selbst ein Zeltplatz kostet hier ein Vermögen”, schüttle ich verblüfft den Kopf. “Was meinst du? Sollen wir hier erstmal bleiben?”, frage ich Tanja unschlüssig. “Wenn wir Budapest ansehen wollen können wir unsere Ausrüstung, Laptop und Satellitentelefon nicht auf einem Zeltplatz alleine lassen”, antwortet sie womit die Entscheidung gefällt ist. Wir machen kehrt und begeben uns zu einer Pension die noch für drei Tage ein Doppelzimmer frei hat. Obwohl wir auch hier 52 Euro inkl. Frühstück bezahlen entscheiden wir uns zu bleiben. Wir tragen unsere Ausrüstung in das freundliche Zimmer. Unsere Räder dürfen wir unter der Treppe im Hotel parken. Erschöpft lassen wir uns in die Stühle sinken. “Was meinst du? Ich habe nicht weit weg von hier einen kleinen Laden gesehen. Ich könnte doch die Zeit deiner Aufzeichnungen nutzen uns eine gute Flasche ungarischen Wein zu kaufen?”, schlägt Tanja vor. “Eine sehr gute Idee”, antworte ich lächelnd und freue mich hier mit heiler Haut angekommen zu sein.

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