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Mongolei/Tuwa Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Packen und Blasen

N 51°33'227'' E 099°18'794''
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    Tag: 319

    Sonnenaufgang:
    05:06

    Sonnenuntergang:
    21:35

    Luftlinie:
    11

    Tageskilometer:
    15

    Gesamtkilometer:
    1376

    Bodenbeschaffenheit:
    Gras

    Temperatur – Tag (Maximum):
    25 °C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    19 °C

    Temperatur – Nacht:
    minus 5 °C

    Breitengrad:
    51°33’227“

    Längengrad:
    099°18’794“

    Maximale Höhe:
    1827 m über dem Meer

Das Packen dauert länger als geplant. Kein Wunder, denn nach zwei Monaten Leben im Tipi hat sich vieles angesammelt. Die Herausforderung am heutigen Tag des Aufbruchs liegt darin unsere gesamte Habe auf vier Pferderücken zu verstauen. Weil Od gestohlen wurde und zu unserem Leidwesen bis heute nicht mehr aufgetaucht ist, sind wir gezwungen die Taiga zu Fuß zu verlassen. Tanjas Naraa fällt auf Grund ihrer noch immer anhaltenden Schwäche als Reitpferd aus. Offensichtlich wird sie von unserem sich gut entwickelnden und immer hungrigen Neuzugang Tuya regelrecht ausgesaugt. Obwohl Bor wie ein Hungerhaken aussieht bekommt er seine übliche Ladung von 60 Kg. Mein Pferd Sar, Bilgees Tenger und unser Wagenpferd Sharga nutzen wir ebenfalls als Packpferde. Es ist ein Jammer im Land der Reiter zu Fuß unterwegs sein zu müssen aber die Umstände zwingen uns nun mal dazu.

Wie die Wiesel eilen wir hin und her und versuchen das Gepäck in vier Seesäcke und vier Kuriertaschen zu verstauen. Entnervt sitze ich vor unserem Tipi und raufe mir die Haare. „Wie soll all das in die Säcke rein?“, frage ich schon vor dem Fußmarsch müde. „Du wirst es schon unterbringen“, meint Tanja. „Du mit deiner Zuversicht. Wie denn? Schau dir das Chaos an. Wir besitzen zu viel. Es geht nicht rein“, antworte ich an einem Punkt angelangt an dem mir das Abenteuerleben den Buckel hinunter rutschen könnte. Während dieser Zeit werden wir immer wieder von den Tuwa besucht. Tanja bringt es fertig trotz des Packtrubels Puntsel, Saintsetseg, Hadaa und Hoo mit Tee und Brot zu bedienen. „Das ist für dich“, sagt Hoo und reicht mir ebenfalls einen Gazellenfuß. „Das unverhoffte Geschenk von Ultsans Bruder lässt meine schlechte Laune verfliegen. „Jetzt bräuchte ich nur noch ein Pferd zum Reiten“, sage ich lachend das Präsent in meine Satteltasche steckend. Als Gegengabe schenke ich Hoo meine Gummistiefel, die ich auf der kommenden 1.000 Kilometer langen Strecke hoffentlich nicht mehr gebrauchen werde.

Um 15:00 Uhr sind wir soweit. Wir haben es wie von Tanja angekündigt tatsächlich vollbracht unsere Habe auf den vier Pferden zu laden. Alles was wir nicht mehr verstauen und entbehren konnten ist unter den Tuwa verteilt. Ohne großes Aufsehen und Abschied verlassen wir das Frühjahrscamp der Nomaden. Nur wenige stehen vor ihren Zelten und winken. Etwas enttäuscht lassen wir die Gemeinschaft mit der wir so lange lebten zurück. Es dauert nur Minuten bis die Tipis hinter einem Hügelchen sang und klanglos verschwinden. Gedankenversunken ziehe ich meinen Sar hinter mir her. Klar, was habe ich mir erwartet? Einen Abschied mit Blaskapelle? Gestern sagten wir zu den uns am nächsten stehenden Tuwa auf Wiedersehen. Es ist also völlig normal, dass sich die ca. 45 Anwesenden nicht auf einen Hügel stellen, um uns nachzuwinken. Wer hätte das organisieren sollen? Abgesehen davon gehört das Kommen und Gehen bei den Nomaden zur Tagesordnung. Die Enttäuschung in uns ist ausschließlich auf unsere deutsche Herkunft zurückzuführen. Zuhause werden wir vor jeder Reise von unserer Familie und den engsten Freunden verabschiedet. Alle versammeln sich am Bahnhof oder Flughafen. Aber wir sind nicht Zuhause sondern am Anfang der Welt bei einem der letzten funktionierenden Nomadenstämmen. Hier sind die Sitten und Gebräuche anders.

Da der kleine Tuya, Sharga, Bor und Tenger der Stute Naraa hinterhergehen, schreitet Tanja mit Naraa voran. Das ist der Grund warum wir Sharga und Bor frei laufen lassen können. Bilgee, der Tenger führt und ich mit meinem Sar im Schlepptau, müssen nur darauf achten die zwei Freilaufenden ein wenig zu treiben.

Schon nach 10 Minuten beginnen meine Knie zu rebellieren. Wegen der gestrigen Bergwanderung und den daraus resultierenden Abstieg über das steile Geröllfeld sind offensichtlich beide Menisken gereizt. Weitere 10 Minuten später verspüre ich das typische Brennen von Blasen. Damit die Schmerzen sich im Gleichgewicht befinden werde ich damit an der linken und rechten Ferse beglückt. Dazu kommt die ungewohnte Wärme mit ca. 25 °C im Schatten. Um nicht schon am ersten Lauftag als Weichei dazustehen verkneife ich die Schmerze und versuche wie Tanja und Bilgee leichtfüßig über den löchrigen, groben Untergrund zu schweben. Als jedoch die erste Blase platzt und das rohe Fleisch am Leder meines Schuhes auf und ab schabt wird mein Gang unrund. Klar, nun ist der Schmerz an der linken Ferse größer als an der rechten. Der schlimme Untergrund gibt mir dann den Rest. Die Knieschmerzen werden unerträglich und lassen die Blasen verblassen. Tanja und Bilgee indes schweben fröhlich weiter durch das Land von dessen Schönheit ich zu diesem Zeitpunkt nur noch wenig mitbekomme. Als wir an einem Fluss die Schuhe ausziehen müssen, um durch sein Gletscherwasser zu waten, bleibt ein Teil der geplatzten Blase am Socken hängen. Spätestens jetzt gebe ich zu angeschlagen zu sein. „Wir wollten eigentlich noch zwei Stunden weiter“, sagt Tanja trocken. „Zwei Stunden?“, verschlucke ich mich beinahe. „Ja, wir müssen gute Futtergründe für die Pferde erreichen“, meint Bilgee. „Hast du zufällig ein paar Pflaster einstecken?“, frage ich Tanja. „Die befinden sich im Hauptgepäck“, höre ich und überlege ob ich einen Weitermarsch meinem Körper zutrauen kann. Sehnsüchtig blicke ich zu Naraa auf deren Rücken nur ein Sattel mit leichten Satteltaschen geladen sind. „Auf ihr kannst du nicht reiten. Sie ist zu schwach“, sagt Tanja scheinbar meine Gedanken zu erraten. Erschrocken ertappt worden zu sein lasse ich meine Schultern sinken. „Okay, ich laufe solange es geht. Ihr könnt ja schon mal voraus“, entscheide ich.

Um 19:00 Uhr erreichen wir eine an einem Bach offen liegende Fläche auf der etwas Grün sprießt. Wegen dem brauchbaren Futtergrund entscheiden wir uns hier zu bleiben. Wie ein Auto, welches auf den bloßen Felgen dahin holpert, humple ich herum und errichte unser Zelt. Tanja indes kümmert sich um das Abendessen während Bilgee die Pferde anpflockt.

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