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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Mutter Erde wispert die Worte der Einladung in die große Wüste

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    Temperatur - Tag (Maximum):
    ca. 26-30 Grad

Anna Plains Station — 08.06.2001 – 10.06.2001

Wie an jedem Ort an dem man länger verweilt setzt ein gewisser Alltag ein. Routineabläufe bestimmen das Geschehen und es wird Zeit diese Oase mitten im Busch bald zu verlassen. Mit jeder zusätzlichen Stunde die wir hier verbringen wird mein innerer Ruf sich wieder zu bewegen größer und dringlicher. Aber nicht nur die innere Unruhe treibt uns voran, sondern auch der Gedanke an die unaufhaltsam fortschreitende Zeit. Manche Nächte sind schon richtig kalt und tagsüber klettert das Thermometer nur noch selten über 30 Grad. Der Winter erreicht bald seinen Höhepunkt und jeder Tag den wir hier zur Vorbereitung nutzen wird uns zwangsläufig in der Wüste fehlen. Der gnadenlose Australische Sommer mit seiner schmerzhaften Hitze wird das Land verbrennen und alle Lebewesen werden in wenigen Monaten unter den heißen strahlen der Sonne leiden. Buschfeuer und starke Regenfälle sind eine weitere ständige Bedrohung und uns ist klar, dass wir durch unseren verspäteten Aufbruch mit diesen Herausforderungen zu rechnen haben. Um uns selbst härter voranzutreiben setzen wir uns den 16 Juni, um die große Reise in die für uns unbekannte Great Sandy Desert und Gibson Desert, fortzusetzen. Filme sichten, Ausbesserungen in der Webseite abschließen, Telefonate, Briefe, Emails, reparieren und flicken einiger Ausrüstungsgegenstände und unendlich viel mehr sind unsere Beschäftigungen und es sieht so aus als würde die Flut der Arbeit nicht abreißen.

Freudentanz unserer Kameljungs

Kurz vor Sonnenuntergang füttern wir unsere Jungs. Obwohl auch dies in den letzten Jahren zur Routine geworden ist bereitet es uns immer wieder von neuem Freude und wir genießen den Augenblick. Kaum haben sie uns entdeckt, strecken sie ihre Köpfe in unsere Richtung. Es ist als könnte ich ihre Unterhaltung verstehen. Sebastian, der Boss scheint seinen Mates zu vermitteln. „Hey, da kommen sie endlich! Nichts wie hin. Ihr wisst ja, wer zu erst am Trog ist bekommt am meisten.“ Istan brummt: „Nicht nur du hast Hunger mein Freund, ich könnte einen gesamten Heuballen alleine reinhauen. Mal sehen wer zu erst dort ist, ich oder du?“ Wie von einem Gifttier gestochen galoppieren die beiden auf mich zu. „Kamele, wartet auf mich ich könnte mindestens zwei Heuballen noch vor den leckeren Würfelchen verdrücken die wir immer von ihm bekommen!“ ,brüllt ihnen Goola hinterher und setzt sich an ihre Versen. „Nichts geht hier ohne mich. Ihr könnt noch soviel Vorsprung haben ich hole euch auf jeden Fall ein,“ blubbert Jafar, springt mit allen Vieren gleichzeitig in die Luft und explodiert regelrecht vor geballter Energie, um seine Kollegen einzuholen. „Macht nur, macht nur. Ich bin zwar der Kleinste von euch aber ich fresse am meisten und vor allem am schnellsten, trommelt Hardie und setzt seinen haarigen Freunden nach. „Mir ist die Sache unheimlich. Wer weiß, wenn wir in seine Nähe kommen legt er uns bloß wieder so ein scheußliches Seil um den Hals und zwingt uns irgendwelche schrecklichen Dinge zu tun. Ich bleibe besser mal da und beobachte den ganzen Laden aus der Entfernung. Dieses Wesen ist mir nicht geheuer,“ brummelt Edgar seinem Gefährten Jasper ins Ohr. „Ach was, komm schon. Mir knurrt der Magen. Lass uns wenigstens mal nachsehen. Wenn die anderen so scharf darauf sind als erster dort zu sein, kann uns nichts Schlimmes geschehen. Komm schon, mach dir nicht ins Fell,“ antwortet Jasper und folgt dem Rest der Herde langsam und vorsichtig.

Ich beeile mich das Tor vor dem Futtergehege zu schließen, damit ich in Ruhe das Heu und die Kraftnahrung in die Futterröhre verteilen kann. „Hey, hey Sebastian, Istan langsam!“ ,rufe ich und schaffe es in letzter Sekunde die Verriegelungskette des Tores in den Pfosten zu hängen. „Mist, er hat es wieder geschafft,“ brummt Istan ärgerlich Sebastian zu. „Morgen werden wir noch schneller sein. Am besten wir gehen schon am Nachmittag ins Futtergehege und bleiben einfach drin,“ erwidert Sebastian.

Als ich das Heu in die Futterröhre werfe höre ich ihr aufgeregtes Brummen und Blubbern. Nervös und hungrig laufen die Kamele vor dem Tor auf und ab. „Ist schon gut Jungs, bin gleich fertig!“, rufe ich ihnen zu. Bevor ich heute allerdings das Gatter zum Fressparadies öffne nehme ich einen Eimer voll Kraftfutter und laufe damit außerhalb des Zaunes entlang. Alle sieben Kamele folgen mir aufgeregt. Tanja steht mit der Filmkamera und dem Foto in Wartestellung, um festzuhalten was jetzt geschehen wird. Sebastian reckt seinen langen Hals über den Zaun. Er will sein gieriges Maul in den Eimer stecken, doch ich laufe weiter. „Jetzt!“ ,rufe ich und renne los. Wie ein Sprinter rase ich am Zaun des Geheges entlang. „Hinterher!“, glaube ich das Gebrüll der Kamele zu verstehen und sie galoppieren los. Ein wilder ausgelassener Tanz der Freude beginnt. Alle sieben Jungs springen in die Luft, rasen von einem Ende des Geheges zum anderen, drehen sich um die eigene Achse, Schnauben laut, und versammeln sich an der Stelle, wo ich schwer atmend stehe und ihnen den Eimer mit Leckerbissen zum Fressen über den Zaun halte. „Schmeckt riesig, „ grunzen sie um die Wette und reißen mir fast den Eimer aus der Hand. Nachdem jeder einige Mäuler voll ergattert hat, rase ich wieder zum anderen Ende des Geheges. Wieder beginnt die Verfolgungsjagd, der ausgelassene Tanz und das wilde Bockspringen. Staub wird aufgewirbelt und die rotgoldenen Sonnenstrahlen lassen das ausgelassene Treiben in einem warmen, wunderschönen Licht erscheinen. Noch einige Male jage ich laut jubelnd vor Glück und lachen den Zaun entlang und jedes Mal habe ich unsere Meute hinter mir. Tanja, die im Gehege unser Spiel mit der Kamera verfolgt wird fast von ihnen überrannt und kann sich einmal gerade noch rechtzeitig hinter dem Trainingspfosten in Sicherheit bringen. Nachdem die Kamele und ich völlig außer Atem sind öffne ich das Tor. Wie die Irren donnern sie zum Fresstrog und machen sich über ihr wohlverdientes Abendmahl her. Tanja und ich sitzen dann noch vor dem Zaun und beobachten den spektakulären Untergang der Sonne. Eine große, weite Wolkenfront ist aufgezogen. Die feuerroten, dunkelorangen, tiefgelben, ockerfarbenen Strahlen tauchen den Himmel in ein unbeschreibliches Farbenmeer. Die Wolken leuchten derart, als würden sie jeden Augenblick in Flammen aufgehen. Ein großes Windrad dreht sich langsam und wirkt wie ein unechter Scherenschnitt. Selbst die herumstehenden Lastwägen und Räumfahrzeuge der Station wirken im letzten Gegenlicht des glühenden Planeten wie Kreaturen aus einer anderen Traumwelt. Schweigend sitzen wir da und sind von diesem Schauspiel der Natur verzaubert und gefangen. Obwohl wir in diesen Augenblicken nicht mit einander sprechen wissen wir beide aus der tiefe des Herzens das uns die große Wüste erwartet. Das sie uns in den nächsten Monaten viel, unendlich viel zu erzählen hat. Mutter Erde, der größte Lehrer der Menschheit, zeigt sich in diesem Moment von einer goldenen Seite und ich glaube ihre wispernden Worte der Einladung zu einem weiteren, interessanten und lebenswerten Abschnitt unseres Seins zu hören.

Schon in der Nacht beginnt es heftig zu regnen. Selbst am Morgen schüttet es ohne Ende. Die Schleusen des Himmels haben sich geöffnet und setzen das gesamte Stationland wieder unter Wasser. Wir verbringen unsere Zeit mit den Arbeiten die noch zu tun sind und genießen an diesem nassen Tag ein sicheres Dach über den Kopf zu haben.

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