Motten, Insekten und anderes Fluggeziefer treiben uns zur Verzweiflung
Tag: 97 Etappe Zwei
Sonnenaufgang:
05:30
Sonnenuntergang:
17:34
Luftlinie:
28,1
Tageskilometer:
33
Temperatur - Tag (Maximum):
40 Grad
Gewitterstimmungs-Camp — 20.09.2001
Ab 23 Uhr sinkt die nächtliche Temperatur auf angenehme 20 Grad. Wir verbringen eine erholsame Nacht und das Aufstehen um 3 Uhr 30 fällt uns nicht ganz so schwer. Die Kamele sind in zwei Stunden beladen und wir bringen es das erste Mal auf dieser Etappe fertig um 7 Uhr 30 unterwegs zu sein. Die Temperaturen steigen heute auf 40 Grad im Schatten und lassen uns erahnen was es heißt sich hier im Hochsommer zu bewegen. Rufus der arme Kerl hechelt als würde er jeden Augenblick vom Hitzeschlag getroffen tot umfallen. Er verweigert sein Trinkwasser welches in den Wasserflaschen zu warm geworden ist. „Wir müssen ihn wieder auf Hardie reiten lassen sonst wird er das nicht durchhalten,“ meine ich besorgt. „Auf jeden Fall,“ gibt mir Tanja recht. Ich stoppe die Karawane um einen Trinkwasserbeutel, den ich vorsorglich bei Sebastian geladen habe, auszupacken. Die Isolation der Sourcebeutel hält das Wasser auf einer angenehmen Temperatur, so dass Rufus eine große Menge davon säuft. Dann hebe ich ihn auf Hardie und weiter geht die Reise. Rufus ist über die Abwechslung mehr als glücklich. Schwanzwedelnd steht er auf Hardies Sattel. Wir haben den Eindruck als würde er vor Freude über beide Maulwinkel grinsen. Stolz surft er in seiner eleganten Art durch die Wüste, nur das sein Surfbord ein Kamel ist. Neidisch sehe ich zu ihm hinauf. Gerne würde ich mit ihm tauschen, denn seit Stunden schmerzen mir wieder die Fersen als hätte sie jemand mit dem Hammer bearbeitet. Auch peinigt mich der Ischiasnerv derart, dass ich zu hinken beginne. Ich werfe einen besorgten Blick auf meine Schuhe denen ich die Schuld dieser Leiden zuschreibe. Nicht das sie schlecht wären, nein ganz im Gegenteil glaube ich schon lange nicht mehr solch gutes Schuhmaterial auf einer Expedition getragen zu haben. Doch nach bald fünf Monaten Buschleben geben sie ihren Geist auf und fallen mir demnächst von den Füßen. Mit der Sattellieferung erhalten wir auch neue Schuhe die uns Meindl zu Jo und Tom geschickt hat. Es ist schon verblüffend, dass man selbst zu einem der isoliertesten Fleckend dieser Erde Material schicken lassen kann. Es hängt nur davon ab wie viel Wochen man Zeit hat und ob man jemanden findet der 2500 Kilometer fährt.
Zur Mittagszeit packt Tanja unseren Wanderfladen aus. „Es tut mir leid ich konnte ihn mit nichts bestreichen weil er zu hart war um ihn in zwei Hälften zu schneiden. Pass auf deine Zähne auf,“ warnt sie mich. „Na so schlecht sind sie ja auch nicht.“ „Ich möchte dich nur an unsere Taklamakandurchquerung erinnern.“ „Stimmt da habe ich mir eine Krone ausgebissen. Das war ein schwarzer Tag in meinem Expeditionsleben,“ antworte ich lachend und beiße in das Brot. „Oh weh, es ist ja hart wie Pflasterstein.“ „Ich habe dich gewarnt. Ich denke die Sonne hat die gesamte Feuchtigkeit herausgetrocknet.“ „Na den kann ich unmöglich essen. Mal sehen ob ihn Sebastian mag,“ antworte ich und halte ihm die trockene Köstlichkeit vors Maul. Ham, macht es und er hat sich das gesamte Ding einverleibt. „Schmeckt fantastisch. Hast du mehr davon?“ ,scheint er zu grunzen und schiebt seinen großen Kopf über meine Schulter. „Äh du alter Nimmersatt, beherrsch dich,“ sage ich und schiebe seine überdimensional große Schnauze zur Seite.
Jeffery und sein Mob gehen zur Jagd
Am Nachmittag hören wir das seltene Geräusch eines Fahrzeugs nahen. „Es sind Aborigines,“ ruft Tanja die neben der Karawane läuft, um das Auto zu warnen. Jeffery James hält neben uns an und begrüßt uns lachend. Tanja übernimmt die Führungsleine damit ich mit Jeffery einige Worte wechseln kann. Ich beuge mich ab um in den Fahrgastraum sehen zu können und zähle inklusive Jeffery und zwei Kleinkinder acht Personen die mich anstrahlen. Vorbei ist die Zeit in der ich noch zurückhaltend war als wir Aborigines auf dem Weg angetroffen haben. Ich fühle mich mit diesem Mob (Aussage der Aborigines für Gruppe) verbunden und begrüße sie wie alte Freunde. Ich spreche mit Jeffery während ich dem kleinen lachenden Junior den Bauch streichle. „Jeffery wohin fahrt ihr denn?“ ,frage ich angenehm überrascht. „Och wir gehen ein bisschen jagen.“ „Was wollt ihr denn jagen?“ „Vielleicht ein Känguru oder ein Buschtruthahn. Was uns über den Weg läuft.“ „Seid bitte vorsichtig mit dem Feuer legen. Wir wollen hier nicht abbrennen, ha, ha, ha.“ „Ja, wir machen nur ein kleines Feuer, ha, ha, ha.“ „Das ist gut. Wenn ihr Erfolg habt könnten wir doch einen Abend zusammen im Camp verbringen.“ „Wenn wir einen Buschtruthahn erwische gerne.“ „Hast du etwas von Carl gehört?“ „Ja er hat mich heute angerufen. Er wird morgen im Laufe des Tages kommen.“ „Gut, sag ihm bitte wir freuen uns auf seinen Besuch.“ „Ja.“ „Gibt es hier eigentlich irgend einen Flecken der nicht abgebrannt ist. Wir benötigen dringend Kameltucker?“ „Ja, dort auf dem Hügel, da gibt es Mulgabäume.“ „Wie weit ist das noch?“ „Nicht weit,“ sagt er und ich frage mich ob er diese Angabe auf fahren oder laufen bezogen ist. Um ihn nicht in Verlegenheit zu bringen frage ich wie weit es noch bis zur Gary Junction (Gary Kreuzung) ist an der sich die Gary Junction Road und der Verbindungstrack zur Canning Stock Route kreuzen. „Ihr werdet sie noch heute Nachmittag erreichen,“ sagt er als wäre es das Sicherste der Welt. Das GPS zeigt mir allerdings 19 Kilometer Luftlinie an was mindestens 25 Laufkilometer bedeutet. Mir ist also klar, dass Jefferys Streckenangeben mit dem Auto gemessen sind. „Also vielleicht bis heute Abend,“ verabschiede ich mich von dem sympathischen Mann und den anderen Insassen des vollgestopften Autos. „Ta, ta (australische Kurzform für auf wiedersehen) rufen sie alle zusammen und winken als sich das Fahrzeug wieder in Bewegung setzt.
Nach sieben Laufstunden und 33 Kilometern erreichen wir um 14 Uhr 30 ein Stückchen Land mit einigen Mulgabüschen. Bevor wir die Karawane über das Spinifexgras führen inspiziere ich die grüne Insel ob sie für einen Lagerplatz geeignet ist. Mit letzter Kraft hinke ich durch und über das mittlerweile verfluchte Gras. „Es sieht gut aus,“ rufe ich erleichtert und winke Tanja zu unsere Jungs zu bringen. Bei ca. 64 Grad in der Sonne entladen wir die Kamele. Obwohl wir erst wieder zwei Tage unterwegs sind haben wir das Gefühl so kraftlos zu sein, dass wir glauben es nie mehr fertig zu bringen diese abgelegnen Wildnis jemals wieder verlassen zu können. Mit der Schaufel beseitige ich erst mal Spinifexgras. Dann stellen wir unsere Stühle in den wohltuenden Schatten und trinken zusammen drei Liter Flüssigkeit innerhalb weniger Minuten. Sofort beginnen unsere Körper zu schwitzen. Mein Hemd ist klatsch nass und uns läuft der Schweiß in Strömen vom Gesicht. Am Horizont steigen dunkle Rauchwolken auf die uns im ersten Moment einen Schrecken einjagen. „Das ist Jeffery mit seinem kleinen Feuer,“ Meine ich. „Hoffentlich wird es uns nicht gefährlich?“ „Ich hoffe auch und erhebe mich schwerfällig aus dem Stuhl, um noch vor der Dunkelheit unser Lager aufgebaut zu haben. Auch Tanja bleibt kaum Zeit zum Verschnaufen. Müde und langsam geht sie den Kamelen nach die sich schon wieder beachtlich weit vom Camp entfernt haben. Als die Sonne um 17 Uhr 34 ihre letzten Strahlen aussendet beginne ich die Antenne des Funkgerätes in einen der Mulgabüsche zu hängen. Es ist dunkel als ich es einschalte, um mit Jo und Tom Kontakt aufzunehmen. „Victor-Hotel-6-Charly-Hotel ruft Victor-Zoolo-Oskar-422 Jo und Tom könnt ihr uns hören?“ Ich wiederhole meinen Ruf noch ein paar Mal doch der Kanal antwortet nur mit atmosphärischen Störungen. Dann rufe ich jeden der mich empfangen kann, um zu testen ob mich überhaupt jemand empfängt doch auch diesmal hören wir nur Krächzen aus dem kleinen Lautsprecher. Wir fragen uns warum wir keinen Funkkontakt bekommen. Während des gesamten bisherigen Expeditionsverlaufes ist das kaum geschehen. „Meinst du das Funkgerät ist defekt?“ ,fragt Tanja. „Ich glaube nicht. Vielleicht sind es die fetten Regenwolken die wieder aufgezogen sind,“ vermute ich nach oben deutend. „Manchmal gibt es Störungen im Funkverkehr die schwer zu erklären sind,“ füge ich noch hinzu und schalte das Gerät ab. „Wir können ja morgen früh auf dem anderen Kanal Kontakt mit ihnen aufnehmen,“ sagt Tanja. „Ja natürlich das werden wir tun,“ antworte ich und setze mich in den Stuhl. Es ist stockdunkel als wir unser Abendessen, Nudeln mit Gemüse, Ketchup und Parmesankäse einnehmen. Im Schein unserer Stirnlampen flattern Tausende von Motten, Heuschrecken, fetten Käfern, Moskitos und anderem Nachtgeschwärm herum welche uns das Essen schwer fallen lassen. Ständig landen sie in den Nudeln und vereinen sich mit ihnen, dass ich es müde bin sie heraus zu fischen und sie einfach mitesse. Auch in unserem Tee landen sie unaufhörlich. Ständig drehen wir die Lampen aus um für Augenblicke unsere Ruhe zu haben, doch sobald wir Licht machen, um zum Beispiel zu sehen wohin wir in der wolkenverhangenen Finsternis den Becher stellen sollen, stürzen sie sich auf uns. Es ist ohne jegliche Übertreibung schrecklich. Manche von ihnen landen in den Ohren, beim Zwinkern zwischen den Augenliedern, während des Sprechens im Mund und in den Nasenlöchern. Manche von ihnen sausen in einem scheinbar unkontrollierten Flug wie ein Kamikaze auf uns zu, so dass sie mit voller Wucht ins Gesicht klatschen. Vor aufkommender Wut verliere ich bald meine Geduld und bin in der verzweifelten Lage den Milliarden von Moskitos, Motten und anderem Fluggeziefer den Kampf zu erklären, doch was macht es für einen Sinn? „Ich gehe schnell noch mal die Kamele prüfen,“ sagt Tanja und verschwindet in der Dunkelheit. Plötzlich brechende, knackende Zweige und lautes Fluchen lassen mich hochschrecken. „Alles klar Tanja“ ,rufe ich in die schwüle Schwärze dieser Nacht. „Ja, ja sie haben sich mit den Beinseilen ineinander verheddert. Sebastian, Istan, Jasper und Max sind von einer Seite der Büsche durch die andere gelaufen. Ich muss jetzt durch diesen Scheiß durchkrabbeln und sie da rausholen.“ „Brauchst du meine Hilfe?“ „Nein ich mach das schon.“ „Pass auf die Schlangen und Hundertfüßler auf.“ „Ja, ja.“
Schon um 19 Uhr liegen wir wie gelähmt in unserem Moskitozelt und schwitzen. Wieder hat sich die dicke Wolkenschicht wie eine Daunendecke über das Land gelegt und lässt die aufgespeicherte Hitze des Tages nicht abziehen. Wach, mit schmerzenden Körpern liegen wir da und lauschen dem lauten Surren einer Moskitoarmada die vergeblich versucht in unser Zelt zu kommen um uns auszusaugen. Noch Stunden liege ich da bis ich kurz einschlafe nur um gleich wieder aufzuwachen.