Letzter Tag vor dem Aufbruch
Temperatur - Tag (Maximum):
ca. 29-32 Grad
Anna Plains — 15.06.2001
Wie in den vergangenen Tagen stehen wir heute um 5 Uhr auf. Obwohl wir schon seit Wochen hart und konzentriert arbeiten gibt es noch unendlich viel zu tun. Wenn alles gut geht ist dieser Freitag unser letzter Tag auf Anna Plains Station. Morgen wollen wir aufbrechen und wenn wir nur wenige Kilometer hinter der Homestate unser Lager aufschlagen müssen. Oft gehört der Aufbruch zum schwersten Schritt vor einer Expedition. Das Loseisen, das Packen der letzten Kleinigkeiten ist nicht selten wirklich zeitaufwendig. Keith, der Freund von John kommt um sieben Uhr vorbei, um mit mir die Strecke abzufahren die wir morgen laufen wollen. Es gibt eine Möglichkeit direkt von der Homestate durch einige große Gehege zu marschieren. Dazu muss am anderen Ende, etwa zehn Kilometer von hier, der Zaun umgelegt werden. John hat uns gestern von dieser Abkürzung erzählt die uns mindestens fünf Kilometer einspart. Ich sitze mit Keith in seinem Jeep, um zur anderen Seite der Rinderweiden zu fahren. „Das ist die alte Verbindung von Karratha bis nach Broome. Bevor es den Great Northern Highway gab mussten alle Menschen diese schmale Erdestraße benutzen,“ erklärt er. Neben einem Tor hält er an. „Hier werdet ihr morgen rauskommen. John hat mir aufgetragen den Zaun an dieser Stelle zu zerschneiden. Wenn ihr da durch seid könnt ihr den alten Track benutzen, also kein Problem,“ meint er freundlich und lacht. Ich sehe in die Richtung der Homestate und kann sie am Horizont erkennen. Mein GPS sagt mir das es nur acht Kilometer sind. Ich bin zufrieden mit dieser Abkürzung, denn auf diese Weise müssen wir nicht an den Scheunen und den Generator der Farm vorbeilaufen. Unsere Tiere, vor allem die Neuen sind das noch nicht gewohnt und könnten vor Angst glatt ausflippen. Wenig später sind wir wieder auf der Farm. Ich bedanke mich bei Keith und inspiziere das Gelände hinter dem Generator und den Scheunen. Die Abkürzung führt uns zu einem Gatter welches wir passieren müssen. Es sieht groß genug aus um mit sieben Kamelen durchlaufen zu können. Auf dem Weg dorthin versinke ich in Matsch und sumpfigen Untergrund. So ein Mist. Für die glatten und weichen Kamelfüße ist so ein Boden gefährlich. Sie rutschen darauf aus, können fallen oder sich einen Muskel verzerren. Schon oft hatten wir in der Vergangenheit Schwierigkeiten mit solchem Terrain. Sofort verwerfe ich die Idee mit der Abkürzung und versuche mich mit dem Gedanken des Umweges anzufreunden. Enttäuscht suche ich Keith auf, um ihn davon zu berichten. „Uns wird etwas anders einfallen. Ich spreche noch mal mit John, vielleicht weiß er einen Weg um das Sumpfland herum,“ meint er zuversichtlich.
Den gesamten Tag stehen Tanja und ich unter Hochdruck. Nachdem Frühstück behandeln wir alle Kamele noch mal mit einem Wurmmittel, um damit auch die letzten Überlebenden auszumerzen. Dann gebe ich einige Interviews, empfangen das Team der West Australian die eine weitere Story über unsere Expedition schreiben wollen, Führe verschiedene Telefonate und tausche das defekte Diskettenlaufwerk des Panasoniccomputer aus welches gestern gekommen ist. Am Abend stelle ich noch unser Flying Doktor Radio auf um es mit Collin vom 80 Mile Beach zu testen. Ich bin glücklich ihn gut und deutlich zu empfangen, denn er wird auf den nächsten 2500 Kilometern bis nach Alice Springs Kontakt mit uns halten. Als wir am Telefon die verschiedenen Frequenzen abklären sagt er mir das Jo und Tom ihn angerufen haben. „Sie wollen auch versuchen mit euch Funkkontakt zu halten. Kannst du Tom anrufen und auch mit ihm einen Test durchführen?“ ,fragt Collin. „Natürlich ich werde mich mit ihnen sofort in Verbindung setzen. Mittlerweile ist es draußen stockdunkel. Die Moskitos beißen wie wild und ich versuche verzweifelt Jo und Tom anzufunken. Nur ganz leise kann ich Toms Stimme wahrnehmen aber nicht verstehen. Am Telefon vereinbaren wir dann einen weiteren Test wenn wir den 80 Mile Beach Caravanpark erreicht haben. Todmüde falle ich dann mit Tanja ins Bett. Uns ist bewusst, dass diese Nacht für viele Monate die letzte in einem Bett sein wird. Obwohl es nicht das erste Mal ist fühle ich mich etwas unsicher, ja nervös. Wieder steht ein Lebensabschnitt vor uns der absolut ungewiss ist. Ein Lebensabschnitt der jeden Tag etwas Neues bieten wird, der uns in eine andere Welt führt die wir so enorm schätzen und lieben.