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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Aufbruch zur Teiletappe Zwei der Red Earth Expedition

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    Tag: 01-Etappe Zwei

    Sonnenaufgang:
    06:25

    Sonnenuntergang:
    17:24

    Luftlinie:
    10,3

    Tageskilometer:
    13

    Temperatur - Tag (Maximum):
    28-32 Grad

Hohes Gras-Camp — 16.06.2001

Schon um sechs Uhr befinden wir uns bei den Jungs. Wir haben nun die gesamte Ausrüstung bis auf die letzte Ersatzschraube zu den Kamelen gebracht und alles an seinem richtigen Ort verpackt. Wie vorgestern beginnen wir in der gleichen Reihenfolge mit dem Laden. Peter, der Filmproduzent ist ebenfalls mit dem ersten Tageslicht aufgetaucht und hat mit seiner Filmarbeit begonnen. Er möchte unseren Aufbruch und die ersten zwei Tage der Expedition festhalten und dokumentieren. Danach wird er nach Perth und Sydney fliegen, um einen Kontakt zu einem Sender finden. Wie der Fotograf Ken Maley von der West Australian, der vier Tage mit uns verbrachte, scheint auch er ein angenehmer Mensch zu sein. Wenn Peter Erfolg in Sydney haben sollte wird er versuchen uns einige Male im Busch aufzusuchen. Wie wir diese Treffen arrangieren wollen und wie er uns finden wird wissen wir im Augenblick noch nicht. Es ist für uns in diesem Moment auch nicht so wichtig, denn wir wollen uns nicht den Kopf über Dinge zerbrechen die vielleicht nie eintreten.

Während wir unsere Tiere beladen kommen einige der Jackeroos, um sich noch mal von uns zu verabschieden. Besonders Richard, der Engländer, scheint der Abschied etwas schwer zu fallen. Um 11 Uhr 30 haben wir es tatsächlich geschafft die gesamte Ladung auf den Rücken der Wüstenschiffe zu verteilen. Für den ersten Tag ist das absoluter Rekord, denn während der Etappe Eins benötigten wir dafür mehrer Tage.

Wir lassen die Tiere aufstehen und sind nach 5 ½ Stunden des Ladens tatsächlich fertig, um die Etappe Zwei der Red Earth Expedition zu starten. Wir umarmen Sandy, die mittlerweile auch vorbeigekommen ist und wünschen uns gegenseitig viel Glück. Keith und John warten an einem Tor hinter dem Generatorschuppen. Sie haben es geöffnet und wollen uns den Weg zu zwei weiteren Gattern zeigen die wir durchschreiten müssen, um die Homestate zu verlassen. John hat also einen Weg um das Sumpfland gefunden der uns hoffentlich ohne große Schwierigkeiten zur Abkürzung führen wird. Das einzige Problem sind die Tore. Mit einem Zug von sieben Kamelen kann es sehr heikel sein durch solch einen DUrchgang zu laufen. Wir wissen nicht wie sich die zwei Neuen bei Toren verhalten. Leicht kann es geschehen, dass die Letzten nicht direkt hinter ihren Vorläufer schreiten und mit ihrem Gepäck gegen den massiven Tor oder Zaunpfosten knallen. Istan hat dabei auf der letzten Etappe beinahe Tanja gegen den Pfosten gequetscht, was ihren Tod bedeutet hätte. Tanja ist in letzter Sekunde zur Seite gesprungen und hat sich gerettet, doch der Zaun wurde auf mindestens 50 Meter von Istan eingerissen. Ein Glück war, dass er sich selbst nicht schwer verletzte. Um diese Gefahr zu vermindern teilen wir die Karawane in zwei Gruppen auf. Die Erste besteht aus Sebastian, Goola, Hardie und Jafar und die Zweite Istan, Edgar und Jasper. Tanja wird Sebastian führen und ich Istan mit den zwei neuen Jungs. „Kamele walke up!“ ,rufen wir beide wie aus einem Mund und die Kamele laufen die ersten Meter der nächsten 2500 Kilometer bis nach Alice Springs. Tanja und ich sind sehr angespannt und höchst konzentriert. Langsam führe ich Istan, Edgar und Jasper durch das erste Tor. Es klappt ohne jegliche Aufregung. Etwa 50 Meter weiter lasse ich Istan absetzen und binde seine Vorderfüße zusammen. In der Zwischenzeit wartet Tanja, bis ich komme und ihre Karawane übernehme und sie ebenfalls durch das Tor ziehe. Auch sie kommen gut durch. Noch haben wir zwei zusätzliche Tore in unmittelbarer Nähe, bis wir für ca. acht Kilometer ohne Hindernisse weiterlaufen können. John, Keith und Sandy stehen im sicheren Abstand und beobachten die ersten paar hundert Meter unserer kleinen Karawane. Wie beim ersten Gatter klappt es auch mit den anderen als hätten unsere Jungs es schon seit Jahren geübt. Uns fällt ein Stein vom Herzen der so groß ist, dass ich vor Glück fast abheben könnte. Nach den Toren verabschieden wir uns von Sandy, Keith und John. Ich schüttle lange Johns Hand und sage: „Es war einer der besten Aufenthalte die wir je in unserem gesamten Reiseleben hatten. Mir fehlen die Worte um es näher zu beschreiben aber vielen Dank für Deine außergewöhnlich und überaus großzügige Gastfreundschaft. Dieser Aufenthalt hier bei Dir war unser Basiscamp und äußerst wichtig für den Erfolg unserer Expedition, tausend Dank. Nie werden wir diese Wochen hier vergessen, den Buschpalast, die freundliche Atmosphäre, die Erlaubnis zur Nutzung der Kommunikationsmöglichkeiten und so viel mehr. Auch im Namen der Kamele möchten wir uns bei Dir bedanken. Sie konnten sich jeden Tag den Bauch bis zum Rand voll schlagen und haben ohne Zweifel einige wichtige Fettreserven aufgebaut. Tausend Dank für alles, deine Gesellschaft und dein Vertrauen. Bitte bleib so wie du bist. Du bist ein großartiger Mensch.“ John antwortet nur mit einem verlegenen Lächeln. „Auf wiedersehen!“ ,rufen Tanja und ich, winken den uns liebgewonnen Menschen zu und setzen unseren Lauf fort.„Achtung,“ ruft Tanja nur 10 Minuten später. Wie elektrisiert drehe ich mich um die eigene Achse und bemerke wie Jasper wilde Bocksprünge veranstaltet. Sofort halte ich Istan an. Jasper spring noch einige Meter wie vom Pferd gebissen hin und her und beruhigt sich dann wieder. „Was war denn los“ ,frage ich Tanja. „Keine Ahnung, er hat auf einmal angefangen sich so wild zu gebärden. „Kamel walke up,“ rufe ich und setze den Marsch auf einem schmalen, wenig genutzten Stationtrack fort. Es ist ein wunderbares, ja traumhaftes und äußerst befriedigendes Gefühl wieder unterwegs sein zu dürfen. Leichtfüßig schreite ich aus und genieße den Augenblick. Wir laufen an einem Zaun entlang der uns zur anderen Seite dieser Weide führen wird. Vögel fliegen über unsere Köpfe, zwitschern ein Lied und scheinen ihr Gefieder zum Applaus zusammenzuschlagen. Pferde traben auf der anderen Seite des Zaunes herbei, um zu sehen was da für ein seltsamer Zug durch ihr Gebiet marschiert. Die Sonne scheint, es ist relativ heiß aber trotzdem angenehm. Mein Herz ist angefüllt mit positiven Emotionen und wenn ein Mensch glücklich sein kann dann bin ich es in diesem Augenblick. Jasper veranstaltet alle paar Minuten sein Bockspringen aber selbst das bringt mich nicht aus der Ruhe. Nach etwa 1 ½ Stunden erreichen wir ein weites Tor durch das wir unsere Tiere führen. Von da an biegen wir in Richtung Westen ab, um zu dem Ort zu gelangen den Keith und ich gestern aufgesucht haben. „Denis,“ höre ich Tanja rufen. Ich halte Istan an und werfe einen Blick nach hinten. Tanja deutet mit ihrem ausgestreckten Arm über das dicht bewachsene Grasland. In der Entfernung kann ich ein Fahrzeug erkennen. Es quält sich durch das hohe Gras und kommt direkt auf uns zu. Minuten später hält John den Jeep neben uns an. Keith und er steigen aus. „Ich habe mich gestern vertan Denis. Am besten ihr lauft hier etwa weitere acht oder neun Kilometer querfeldein. Dort kommt ihr dann an einen Zaun den wir für euch flachgelegt haben. So ist es noch kürzer. Ihr braucht nur unseren Spuren zu folgen bis ihr auf Peter trefft der dort auf euch wartet und filmen möchte. Wir bedanken und verabschieden uns noch mal von den lieben Menschen.

Das paradiesische Hochgefühl hat sich schlagartig in Luft aufgelöst

Gleich die ersten Meter durch das hohe, dichte Gras sind äußerst anstrengend. Wir entscheiden uns die zwei Kamelgruppen wieder zusammenzubinden und folgen den kaum sichtbaren Spuren des Jeeps. Schon zehn Minuten später schnaufe ich wie ein Walross, meine Hüften Schmerzen und das paradiesische Hochgefühl hat sich schlagartig in Luft aufgelöst. Dadurch das wir unsere Körper in den letzten Monaten kaum trainiert haben ist das Stapfen durch das dichte, verfilzte, bis zur Hüfte reichende Gras grausam anstrengend. Nur acht oder neun Kilometer hat Keith gesagt. Oh mein Gott, wie soll ich das bloß durchhalten. Tanja läuft hinter der Karawane. Durch das Spuren der Kamele hat sie es zwar etwas einfacher aber dadurch dass das Gras schnell wieder aufsteht kämpft sie auch gegen eine frühe Erschöpfung. Ich habe das Gefühl als bahne ich uns einen Weg durch einen Meter tiefen Neuschnee, nur das es ca. 32 Grad im Schatten hat und das Gras sich wie Schlingpflanzen um unsere Füße angelt. Ständig bleibe ich mit den Füßen darin hängen und muss darauf achten nicht zu stolpern und vor Sebastian hinzufallen. „Achtung!“ ,höre ich Tanjas Warnruf. Schnell drehe ich mich um und sehe wie eine Kamellawine auf mich zukommt. Sie versuchen sich gegenseitig zu überholen, veranstalten wilde Bocksprünge, die Ladung rutscht und die ersten Ausrüstungsgegenstände fliegen in hohem Bogen durch die Luft, um sich Sekundenbruchteile später im Gras zu verstecken. „Udu, udu, udu, rufe ich und bringe es fertig unsere Gefährden zu beruhigen. Irgend etwas hat sie erschreckt. Wahrscheinlich war es wieder Jasper der den Laden von hinten nach vorne aufgemischt hat. Tanja kommt zu mir und übernimmt Sebastians Führungsleine während ich im hohen Gras nach den Ausrüstungsgegenständen suche. Gabel, Messer, Löffel und Knoblauchknollen spitzen aus dem Gestrüpp hervor. Auch Tanja findet dann noch weitere Kleinigkeiten die wir wie alles auf diesem Trip ungern verloren hätten. Wir lassen die Kamele absetzen und verstauen das Zeugs wieder in der Küchenbox die sich bei der wilden Springerei geöffnet hat und auf Jafar geladen ist.

Um 16 Uhr finden wir einen Platz im hohen Gras an dem auch einige Büsche wachsen. Wir benötigen diese Gewächse dringend, denn wir brauchen etwas woran wir unsere Kamele übernacht anbinden können.

Wie am Morgen lassen wir alle Kamele absetzen. Normaler Weise würde ich bei Sebastian mit dem Entladen beginnen, doch weil Edgar und Jasper es noch nicht gewohnt sind lange zu sitzen beginnen wir mit ihnen. Edgar bereitet wieder Schwierigkeiten. Er möchte sich einfach nicht absetzen. „Husch down Edgar, husch down,“ befehle ich mich ständig wiederholend, aber er wehrt sich und versucht sich den Befehlen zu widersetzen. Tanja zeigt ihm das Beinseil worauf er sich dann in einem 45 Grad Winkel zu Istan setzt und Jasper hinter sich herzieht. Ich lasse ihn wieder aufstehen, denn bei dieser Sitzweise kommen wir nicht richtig an seine Vorderbeine um sie festzubinden. Es dauert ewig bis Edgar endlich einigermaßen richtig niederhuscht. Unsere Energie ist auf den Nullpunkt und wir fühlen uns völlig ausgepumpt. Ich versuche gerade Edgar das Beinseil, welches während des Marsches um seinen Hals geschlungen ist, von seinem Nacken zu wickeln, als er wie von einer Kugel getroffen nach oben explodiert. Zu meinem Entsetzen hat sich die andere Hälfte des Beinseils, das bereits am Boden liegt, um meine Füße gewickelt und während Edgar nach oben springt reißt er meinen rechten Fuß mit. Das ist einer der gefährlichsten Momente auf einer Kamelexpedition oder dem Kameltraining denn das Kamel würde alles tun um sich von dem lästigen Ballast an seinem Körper zu befreien. Tanja springt zur Seite und reißt Edgar an seinem Nackenseil nach vorne damit sich das Beinseil entspannen kann während ich um mein Gleichgewicht ringe und es irgendwie fertig bringe meinen Fuß aus der hinterlistigen Falle zu befreien. „Huuuh, Glück gehabt. Danke, du hast wieder einmal sehr gut reagiert,“ meine ich mit klopfenden Herzen. Nachdem wir Jasper und Edgar entladen haben entlassen wir sie sofort in das Grasland zum fressen. Während Tanja die Seilverbindungen löst und die Hoppeln öffnet beginne ich mit dem Abladen von Sebastian, Goola, Hardie, Jafar und Istan. Schnell heben wir dann die Sättel ab, stellen sie neben die Kamele und lassen die Jungs ebenfalls von hinten nach vorne zum Fressen gehen. Tanja folgt ihnen und hütet sie. Ich nutze ihre Abwesenheit um das Lager aufzubauen. Die Sonne verabschiedet sich wie bald jeden Tag mit einem prächtigen Farbenspiel nur das wir heute endlich wieder im Busch sind. Müde lasse ich mich in meinen Klappstuhl sinken und hole das GPS aus meiner Beintasche. Nur kurz nachdem ich das Navigationsgerät eingeschaltet habe zeigt es mir die Koordinaten an die ich in die Karte übertrage und somit unsere exakte Position bestimme. Dann lese ich die Zeit des Sonnenauf- und Unterganges ab und welche Distanz wir heute zurückgelegt haben. Für den ersten Tag bin ich mit uns absolut zufrieden, denn am ersten Tag der Etappe Eins legten wir gerade mal drei oder vier Kilometer zurück. Tanja kommt vom Kamelhüten und fragt: „Und, wie viel haben wir geschafft?“ „10,3 Kilometer Luftlinie und ca. 13 Laufkilometer.“ „Oh, das ist ja besser als wir es uns je erträumt haben.“ „ja, ich bin wirklich zufrieden.“

Nachdem die Sonne untergegangen ist wird es unangenehm kalt. Moskitos kriechen aus ihren Löchern und laben sich an unserem Blut. Tanja und ich suchen noch mal die Kamele auf, um zu überprüfen ob sich die Knoten an den Beinseilen und an den Sträuchern nicht geöffnet haben. Nach dem Hüten hat Tanja für jedes Kamel einen Busch gesucht an dem sie es mit dem Hüterseil angebunden hat. Hierzu benutzen wir das Nacken oder auch Hüterseil. Es wird am Abend an einem Mittelglied der Hoppel geknotet und mit dem anderen Ende an einen Baum, Busch oder Wurzel. Die Kamele haben so die Möglichkeit selbst in der Nacht noch ein wenig zu grasen, können sich aber nicht aus dem Staub machen. Um sicher zu gehen das jeder unserer Jungs sich nicht in dem Seil verheddert hat und ob alle Knoten noch in Ordnung sind müssen wir jeden Abend vor dem Schlafen noch mal die Kamele aufsuchen und überprüfen.

Wegen des vielen Grases um uns herum ist es zu gefährlich ein Feuer zu entfachen. Wir essen Brot, Butter, Käse, Oliven und eine Dose Fisch, alles Dinge die wir noch aus dem Kühlschrank von unserem Buschpalast mitgebracht haben. Nach dem anstrengenden Tag schmeckt es geradezu göttlich. Natürlich werden wir nur noch ein paar Tage Käse und Butter besitzenm, denn in Zukunft wird es keinen Kühlschrank in der Nähe geben. Um 19 Uhr hat sich die Dunkelheit über uns gewölbt und gibt die Sicht zu einem fantastischen Sternenhimmel frei. Sternschnuppen scheinen sich am Firmament zu jagen und plötzlich fällt mein Blick auf einige Lichter unweit von uns. „Das ist Anna Plains,“ sage ich. „Und dort ist unser Buschpalast,“ meint Tanja etwas wehmütig. „Ja, es war eine tolle Zeit. Ist schon eigenartig das dieser Abschnitt schon wieder der Vergangenheit angehört. Die Zeit kommt mir manchmal vor wie ein unbeschreiblich schnelles Fahrzeug das nie anhält und uns durch die verschiedensten Lebensabschnitte schießt. In manchen schönen Momenten würde ich dieses Fahrzeug gerne kurz anhalten, doch anscheinend gibt es darin keine Bremse,“ sage ich meinen Blick wieder auf das unendliche Sternenmeer gerichtet.

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