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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Erster Testlauf mit Ladung geht fast in die Hose

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    Temperatur - Tag (Maximum):
    ca. 29-32 Grad

Anna Plains — 14.06.2001

Um fünf Uhr quäle ich mich aus dem Bett. Heute wollen wir den größten Teil unsere Ausrüstung zu den Kamelgehegen fahren, sie neben den Sättel verstauen und auf die Tiere laden. Um 10 Uhr befindet sich die Ausrüstung bei den Gehegen. Ich hole Sebastian aus der Einzäunung, lasse ihn absetzen, binde ihm die Vorderbeine zusammen und wir setzen ihm seinen Sattel auf den Rücken. Während ich Sebastian belade bringt Tanja Goola, um ihm der gleichen Prozedur zu unterziehen. Da ich seit vielen Monaten die Kamele wieder zum ersten Mal belade fällt es mir nicht leicht. Es dauert seine Zeit das Gewehr, das Solarpaddel, Die Gehstöcke, Wassersäcke und all das andere Kleinzeug an ihm festzuschnallen. Die Sonne brennt heute wieder vom Firmament und es ist gelinde gesagt verdammt warm. Gedanken kommen in mir hoch die ich bekämpfe. Doch immer wieder sind sie da und erinnern mich an die teilweise qualvolle und höchst anstrengende Etappe Eins unserer Red Earth Expedition. Ob wir es wieder schaffen werden? Können wir wirklich wieder genug Energie aufbringen um all die Strapazen und Herausforderungen zu meistern? Wieder versuche ich mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Der Schweiß rinnt mir in Strömen den Körper hinab und meine Laune ist auf ein unangenehmes Tief gesunken.

Nachdem Sebastian, Goola, Hardie, Jafar und Istan endlich beladen sind, sind wir gespannt wie sich unser wilder Edgar verhalten wird. Vorsichtig und ruhig auf ihn einredend führe ich ihn aus seiner vertrauten Einzäunung und versuche ihn hinter Istan absetzen zu lassen. Edgar reißt den Kopf in die Höhe, spuckt mir sein stinkendes Wiedergekäutes auf das Hemd und zerrt mir das Nackenseil aus der Hand. Wieder führe ich ihn langsam an Istan. „Husch Edgar, husch down“ ,rufe ich, doch er weigert sich. Tanja kommt jetzt mit dem Beinseil und schlägt es Edgar leicht gegen die Oberschenkel während ich ihm die Befehle husch down gebe. Endlich setzt er sich in einem viel zu großen Abstand zu Istan auf das Gras. Wir lassen ihn gewähren. Während ihm Tanja die Vorderbeine zusammenbindet halte ich ihn am Nackenseil und achte darauf das er sie nicht in den Kopf oder Rücken beißt. Dann knotet Tanja das Seil an Istans Nacken und die Verbindung zwischen den beiden Kamelen ist somit hergestellt. Edgar zerrt aus Angst an dem Seil, so dass es ständig gestrafft ist. Ich streichle ihm wie im Training vorsichtig und behutsam an seinem Hals, lasse meine Hand höher und höher gleiten bis sie auf seinem kräftigen Schädel liegt. Dort verharre ich einen Augenblick um sie wenig später auf den Nasenrücken zu führen. Edgar schnaubt und brüllt, doch er beruhigt sich nach wenigen Minuten. Dann, nachdem ich mit beiden Händen den Nasenrücken halte, befestigt Tanja die Nasenleine an seinem Nasenpflock und dessen Ende an Istans Sattel. Jetzt ist Edgar erst richtig mit seinem Vorläufer verbunden denn die Nasenleine wird ihn dazu zwingen sich nicht von Istan ziehen zu lassen. Gleich nach dieser Aktion schnüren wir seine Hinterbeine fest damit er uns nicht treten kann wenn wir den Sattel auf seinem Rücken schnallen. Damit auch er ein Gewicht trägt laden wir ihm je 20 Liter Wasser in die Satteltaschen und holen Jasper. Edgar sieht uns mit nervösen Augen nach. Wir hoffen, dass er sich in unserer kurzen Abwesenheit nicht auf die Seite wirft und versucht aufzustehen. Ohne Zwischenfälle sind wir wenig später mit Jasper zurück. Während wir versuchen ihn unter seinen brüllenden Protest an Edgar zu binden geschieht das was nicht geschehen sollte. Edgar bäumt sich plötzlich auf und wirft sich trotz seiner zusammengebundenen Vorder- und Hinterfüße auf die Seite. „Edgar spinnst du,“ rufe ich und sprinte in Sekundenbruchteilen zu ihm. Ich nutz die Gelegenheit und drücke ihn mit dem Sattel auf den Boden. Edgar hat so keine Möglichkeit aufzustehen. „Bist ein böser Junge, ein wirklich böser Junge,“ rufe ich und klopfe ihn mit meiner flachen Hand auf den Bauch. Wie ich schon mal erklärt habe ist das der verwundbare Bereich eines Kamels den sie ihren Gegnern nie entblößen. Durch die schmerzlosen Schläge auf seinem Bauch zeige ich ihm das wir ihn durch seine Aktion an der verwundbaren Stelle zu fassen bekommen. Wir hoffen ihm durch diese Trainingsmethode, die wir von unserer Freundin Jo Kitchen gelernt haben, eine Lektion zu erteilen, so dass er sich in Zukunft nicht mehr auf die Seite wirft. Nachdem ich ihm einige Male auf den Bauch geklopft habe lasse ich Edgar los, doch er schafft es durch den Sattelinhalt nicht von alleine aufzustehen. Mit äußerster Kraftanstrengung hebe und zerre ich am Sattel bis Edgar wieder sitzt. Meinem Rücken tut dieser Kraftakt überhaupt nicht gut, denn ich verspüre schlagartig unangenehme Schmerzen. Endlich bringen wir es fertig auch Jasper an Edgar zu befestigen. Dann öffnen wir Edgars Beinseile und lassen ihn aufstehen. Das Gleiche geschieht mit Istan und all den anderen die geschlagene vier Stunden vorbildlich gesessen sind. „Kamele Walke up,“ rufe ich und die Karawane setzt sich langsam in Bewegung. Um ein wildes Bockspringen zu vermeiden sind alle noch gehoppelt. Wie in den Testläufen vorher verhalten sich die Kamele den Umständen entsprechend gut. Keiner von ihnen bekommt Panik, will seinen Kollegen vor ihm überholen oder wirft mit wilden Bockspringen die Ladung ab. Zufrieden führe ich die Jungs ganz gemächlich an einigen Büschen vorbei. „Stop! Denis Stooop!“ ,höre ich Tanja brüllen. Sofort halte ich Sebastian an, doch bevor auch das letzte Kamel zum stehen kommt dauert es ewig. „Was ist denn los?“ ,will ich wissen. „Jasper hat sich mit seinen Hoppeln in einem Busch verfangen.“ Sofort lasse ich Sebastian absetzen. Tanja kommt herum gerannt und hilft mir ihn runterzubinden. Schnell rase ich zum Ende der Karawane und sehe das Desaster. Jasper versucht sich mit seinem gesamten Gewicht gegen das ziehende Nackenseil zu wehren. Es ist bis zum bersten gespannt und zerrt mit der gleichen Macht an Edgars Hals der verzweifelt aufschreit. Seine Nasenleine und die von Edgar ist gerissen. Jasper steht mit seinen Vorderbeinen vor einem drei Meter hohen Busch und wagt es nicht nur einen Zentimeter weiterzugehen. Die Kraft des Seiles und das herumtänzeln der anderen Kamele zieht ihn jedoch Stück für Stück in den Busch. Ein Gebrüll besonderer Art lässt uns die Haare zu Berge stehen. Machtlos erfasse ich das Chaos und weiß im ersten Augenblick nicht wie ich eingreifen soll. Plötzlich läuft Hardie ein paar Schritte nach vorne, zieht Istan und Edgar mit sich und Jasper ist im Begriff mit seinem gesamten Gewicht über den Busch zu fallen weil sich die Hoppeln mittlerweile darin verheddert haben. Explosionsartig rase ich zu Hardie. „Back up! (zurück) Verdammt noch mal Hardie, back up!” ,brülle ich und patsche ihn mit der flachen Hand gegen die Schulter. Hardie jammert gehorcht aber und geht einige Schritte rückwärts. Die Situation entspannt sich etwas. Ohne lange zu überlegen bücke ich mich jetzt und öffne Jaspers Hoppeln. Mir ist bewusst in einer äußerst gefährlichen Position zu sein, denn ich befinde mich direkt neben Edgars Hinterfüßen. Ein einziger Kick und mir würden die Lichter ausgehen, doch habe ich keine andere Chance. Nachdem die Hoppeln von Jasper offen sind breche ich die meisten Zweige des Busches ab und bringe es auf diese Weise fertig Jasper aus seiner misslichen Lage zu befreien. „Walke up Jasper,“ befehle ich und ziehe ihn an seinem Nackenseil ein Stück nach vorne. Aus Angst über den Busch zu fallen weigert er sich. Noch hat er nicht verstanden, dass seine Hoppel geöffnet ist. „Walke up Jasper, komm schon,“ befehle ich wieder und wieder bis er endliche einen vorsichtigen Schritt wagt und durch den Busch steigt. „Puh, das war ganz schön knapp,“ meine ich ausatmend. „Er hätte sich leicht den Hals brechen können,“ entgegnet Tanja worauf ich nur nachdenklich nicke. Ohne lange zu überlegen lassen wir nun alle Kamele absetzen und öffnen ihre Hoppel. Jaspers Situation war uns eine Lehre und hat uns an den Unfall mit Goola erinnert als er zu Beginn der ersten Etappe über einen Busch namens black boy gefallen ist. Goola hatte sich damals auch mit den Hoppel in diesem Busch verheddert und fiel um wie ein geschlagener Baum.

„Kamele walke up!“ ,rufe ich und die Karawane setzt sich wieder in Bewegung. Langsam führe ich die Tiere jetzt in einem großen Bogen um die Büsche herum. Wir laufen nun auf einen Stationtrack. Tanja ist hinter der Karawane und gibt mir ständig die Situation durch. Wir haben das schon oft auf der letzten Etappe geübt und es funktioniert hervorragend. „Achtung Jasper versucht Edgar zu überholen! Edgar lässt sich ziehen! Der Sattel von Goola sitzt gut! Die Ladung von Edgar stößt an seine Oberschenkel! Er ist sehr nervös!“ Durch ihre Informationen weiß ich was hinten geschieht und ich kann dementsprechend darauf reagieren. Mittlerweile ist es schon wieder 16 Uhr. Wir haben für heute definitiv genug und führen die Kamele zur Einzäunung zurück. Es dauert eine weitere Stunde um sie zu entladen und eine Stunde um sie zu füttern. Als wir unseren Buschpalast betreten ist die Sonne schon längst untergegangen und die Dunkelheit hat sich wie ein Tuch über das Farmland gelegt. Schnell nehmen wir eine Dusche, ziehen uns frische, nicht vom Kamel bekotzte Kleider an und gehen zu John Stoats Haus der uns heute zu einem Abschiedessen eingeladen hat. Es ist ein wunderbarer Abend mit interessanten Gesprächen. Johns Freund Keith und seine Frau Anne sind neben Sandy eine angenehme Gesellschaft. Wir trinken Sekt und edlen Wein zu einem schmackhaften von Sandy zubereiteten Braten, genießen Johns selbstgemachte Eiskrem und Annes Apfelkuchen. Es ist ein Mal an das wir im Busch noch oft zurückdenken werden.

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