Klein Paris – verrücktes Haus – Beim Künstler Duc
N 11°56’29.9’’ E 108°25’58.1’’Datum:
26.02.2017 bis 05.03.2017
Tag: 607 – 614
Land:
Vietnam
Provinz:
Lâm Đồng
Ort:
Da Lat
Breitengrad N:
11°56’29.9’’
Längengrad E:
108°25’58.1’’
Gesamtkilometer:
22.487 km
Maximale Höhe:
1.500 m
Gesamthöhenmeter:
67.529 m
Sonnenaufgang:
06:03 Uhr – 05:59 Uhr
Sonnenuntergang:
17:55 Uhr – 17:56 Uhr
Temperatur Tag max:
25°C
(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)
Seit einigen Tagen befinden wir uns jetzt schon in der schönen Stadt Da Lat, die erst im Jahre 1912 offiziell durch französische Kolonialherren gegründet wurde, und den Vietnamkrieg nahezu ohne Schaden überstanden hat. Umgeben von Seen, Wasserfällen und Wäldern und wegen ihrer Höhenlage ist das Klima mild. Ein Grund für nationale und internationale Touristen klein Paris, wie Da Lat ebenfalls genannt wird, für ein paar Tage zu besuchen.
Neben dem Niederschreiben und archivieren unserer Bilder, besuchen wir die wenigen Sehenswürdigkeiten der nahen Umgebung, wie das bekannte, verrückte Haus. Ein Gebäude, welches in dieser Form nur einmal auf unserem Planeten zu finden ist. „Irgendwie fühlt man sich hier wie Alice im Wunderland“, meint Tanja. Tropisch grüne Pflanzen ranken sich um aus Beton geformte Höhlen, knorrige Bäume und aus Draht geflochtenen riesigen Spinnennetzen. Bunte Blütenteppiche vereinen sich mit aus Stein und Mörtel geformte Wurzeln, die sich um Erker und Gebäude schlingen, an denen es keine einzige gerade Fläche oder Kante gibt. Die vietnamesische Architektin, die sich mit diesem verrückten Haus ohne gerade Linien einen Namen gemacht hat, verwirklichte mit diesem Gebäudekomplex offensichtlich ihre grenzenlose Fantasie. Wir laufen über verschlungene Pfade, enge Stege und steigen über schmale Treppen immer weiter nach oben, so dass wir am Ende in schwindelnder Höhe über die Dächer der Anlage kraxeln und einen fantastischen Blick auf die Stadt genießen. „Pass bloß auf“, warnt mich Tanja, da die Treppengeländer und Handläufe extrem niedrig sind. Nur eine kleine Unaufmerksamkeit und man kann die Balance verlieren und 20, 30 Meter in die Tiefe stürzen. Einen Sicherheitsstandard scheint es nicht zu geben. Aber vielleicht liegt es auch daran, dass die Vietnamesen im Schnitt recht klein, und für sie die Handläufe und Brüstungen hoch genug sind, um nicht einfach darüber zu stürzen. Die teils turmähnlichen Bauwerke sind nicht nur in ihrer äußeren Erscheinung märchenhaft, sondern auch innen. Kein Fenster scheint gleich zu sein und kein Raum. Kein Einrichtungsgegenstand wiederholt sich. Zimmer, in denen skurrile Möbel stehen, oder eine riesige Vogelstatue aus der Urzeit ein Ei ausbrütet, welches wiederum die Funktion eines offenen, funktionstüchtigen Kamin besitzt, sind für Gäste buchbar. Eine Welt der Hobbits und Zwerge, in der man sich als Mensch vor der teils harten Außenwelt flüchten kann. Wir erfreuen uns an dem grotesken Minikosmos, der wie in der Sonne zerlaufene Schokolade aussieht, und in einer kalten Winternacht plötzlich erstarrte.
Am Nachmittag suchen wir das kleine Cafe eines jungen Musikers auf. Alte Schreibmaschinen, Radios, Tonbandgeräte, Telefone, Nähmaschinen, Lampen, Wecker, Tassen, Schüsseln und Fläschchen hängen und stehen überall herum. Das geordnete Chaos eines wahren Künstlers lässt den kleinen Raum gemütlich erscheinen. Kaum haben wir uns auf einer massiven Holzbank niedergelassen, springt eine weiße Katze auf die Sitzfläche und maunzt uns an. Kleine Zwergpinscher preschen laut bellend um die Ecke, um uns klar zu machen wer hier der Herr im Haus ist. Duc, der gutaussehende junge Mann mit seinen langen, glänzenden schwarzen Haaren, lacht, drückt mir eine alte Kaffeemühle in die Hand und zeigt mir wie ich mit diesem Ding meinen eigenen Kaffee mahlen kann. Er steckt sich einen Joint an und fragt ob ich auch einen haben möchte. „Danke, ich muss heute noch eine Story in den Laptop hacken“, lehne ich ab.
Wir sind gerade am Gehen, als ein Motorradfahrer das Cafe betritt. In perfektem Englisch fragt er uns woher wir kommen und wohin wir gehen. Wir berichten von unserer Radreise von Deutschland bis nach Vietnam. Bald fassungslos sieht er uns an. „Unglaublich. Fantastisch. Ein Traum“, sagt er. Wir bestellen noch einen vietnamesischen Kaffee, dessen frische Bohnen uns Duc erneut mahlen lässt. Der Motorradfahrer, der namentlich nicht genannt werden möchte, berichtet uns über den Unterschied zwischen Süd- und Nordvietnam. „Weil die Südvietnamesen mit den Amerikanern kooperierten und Feinde des Nordens waren darf keiner von uns Südvietnamesen in der Regierung arbeiten oder bekommt einen Job bei den Behörden. Das heißt, dass wir bis heute gebrandmarkt sind. Wir dürfen weder Beamte oder Polizist werden. Selbst Nordvietnamesen, die mit einem Südvietnamesen verheiratet sind, bekommen keinen Job beim Staat. Das ist eine furchtbare Diskriminierung und der Grund warum ich hier als Motorradguide arbeite. Einen anderen Job habe ich nicht bekommen. Mein Problem ist, dass mein Vater für die Amerikaner gekämpft hatte. Nachdem die Nordvietnamesen den Krieg gewannen hat man alle südvietnamesischen Soldaten in Umerziehungscamps gesteckt. 10 Jahre haben die meinen Vater dort gefangen gehalten, schlecht behandelt und eine Woche bevor er starb nachhause geschickt. Ich sage euch, das werde ich nie mehr vergessen und der Regierung nie verzeihen. Ich liebte meinen Vater über alles und die haben ihn auf ganz grausame Weise umgebracht. Wie soll man so etwas vergessen? Auch wenn ich mein Land liebe, die Staatsmacht sicherlich nicht.“
Wir unterhalten uns noch lange mit dem Mann und hören weitere traurige Geschichten, bis wir uns verabschieden, weil wir nicht in der Lage sind all das Traurige in uns aufzunehmen…
Wer mehr über unsere Abenteuer erfahren möchte, findet unsere Bücher unter diesem Link.
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