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E-Bike-Expedition Teil 5 Kambodscha - Online Tagebuch 2017

Killing Fields

N 11°35’03.4’’ E 104°55’52.1’’
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    Datum:
    31.05.2017 bis 02.06.2017

    Tag: 701 – 703

    Land:
    Kambodscha

    Ort:
    Phnom Penh

    Breitengrad N:
    11°34’03.4’’

    Längengrad E:
    104°55’52.1’’

    Tageskilometer:
    40 km

    Gesamtkilometer:
    23.937 km

    Maximale Höhe:
    10 m

    Gesamthöhenmeter:
    71.177 m

    Sonnenaufgang:
    05:35 Uhr

    Sonnenuntergang:
    18:20 Uhr

    Temperatur Tag max:
    35°C

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

Tränen laufen mir über die Wangen und nur unter Anstrengung kann ich ein lautes Schluchzen unterdrücken. Tanja und ich sitzen im Schatten eines Baumes, blicken über Massengräber aus denen Knochen und Kleidungstücke ragen, die der Monsunregen freigespült hat und alle paar Monate von den Angestellten der Gedenkstätte eingesammelt werden. „Mindestens 300 solcher Killing Fields gab es während der Roten Khmerherrschaft, die in Kambodscha zwischen 1975 bis 1979 hauste. Sie wurde von Pol Pot (richtiger Name Soloth Sar) angeführt, der sich am Ende seines Lebens unter die zehn schlimmsten Massenmörder der Menschheitsgeschichte einreihte“, fährt die nüchterne Stimme unseres Audioführers fort. „Der politisch motivierte Massenmord, unter der Führung und Anweisung von Pol Pot, kostete mindestens 200.000 Menschen das Leben. Mit insgesamt zwei bis drei Millionen Kambodschanern, vielen fast ein Drittel der Bevölkerung dem barbarischen Regime zum Opfer. Hier in Choeung Ek wurden alleine 17.000 Menschen auf brutalste Weise getötete. Um wertvolle Munition zu sparen, wurden sie mit Eisenstangen, Äxten, Knüppeln und anderen Gegenständen erschlagen oder erstochen. Damit sich niemand von den Angehörigen jemals an den Schlächtern rächen konnte, wurde die gesamte Familie ausgelöscht. Auch Kinder hatten keine Überlebenschance, selbst Babys schlug man so lange gegen einen Baumstamm, bis sie tot waren.“ Tanja und ich stehen in diesem Moment vor dem Baum an dessen Rinde noch Jahre nach dem Massaker die Haare und Reste der Schädel von Babys klebten. „Mir ist schlecht“, sage ich leise zu Tanja sehend, die mit versteinertem Blick auf den betagten Baum starrt, der, könnte er sprechen, von dem unendlichen menschlichen Leid erzählen würde.

Die Audiostimme fordert uns auf weiterzugehen und erklärt, dass in dem Geäst eines weiteren Baumes Lautsprecher angebracht waren, aus denen von früh bis Nacht Revolutionslieder plärrten, um somit die Schreie der Sterbenden zu übertönen, damit die vielen, in einer einfachen Holzhütte Wartenden, nichts von ihrem nahem Tod mitbekamen.

„Das Pol Pot Regime legitimierte den Massenmord an der eigenen Bevölkerung, um die bestehende Gesellschaftsstruktur zu zerschlagen. Somit wollte man die Voraussetzungen schaffen, um eine egalitäre Gesellschaft nach maoistischem Muster zu gründen. Dieses Regime wurde in der westlichen Welt als Steinzeitkommunismus bezeichnet.“ Wir erfahren, dass zu Beginn vor allem Beamte, Intellektuelle und buddhistische Nonnen und Mönche in hunderten von Vernichtungslagern gefoltert und abgeschlachtet wurden, weil sie angeblich Widerstand leisteten, von irgendjemanden angeschwärzt wurden, oder einfach nur dem Bürgertum angehörten. Dabei genügte es schon wenn man eine Brille trug, eine Fremdsprache sprach, oder im Ausland studierte. Letztendlich reichte die geringste Bildung aus, um hingerichtet zu werden.

„Schau“, sage ich mit zittriger Stimme auf ein paar Knochen deutend, die direkt vor uns aus der Erde ragen. Daneben erkennen wir ein Hosenbein und einen Stoffgürtel, den die Angestellten der Gedenkstätte noch nicht weggeräumt haben. Unaufhörlich spricht die Stimme in unserem Kopfhörer weiter, oder es werden furchtbar traurige Geschichten von den wenigen Überlebenden des gruseligen Platzes eingespielt. Der Kloß in unserem Hals wird größer und obwohl dieses furchtbare Gemetzel bereits 38 Jahre zurückliegt, glaube ich das unaussprechliche Leid regelrecht körperlich zu spüren. Meine Gedanken überschlagen sich und mir wird in diesem Moment bewusst, dass dieser Massenmord zu meiner Lebzeit geschah. Also nur kurz vor meiner ersten Reise nach Asien. Wie gelähmt laufen wir schweigend neben ausgehobenen Massengräbern vorbei, in die man die teils noch Lebenden mit D.D.T. überschüttet, um eventuell ausbrechenden Seuchen vorzubeugen oder die noch zuckenden Leiber endgültig zu töten.

Plötzlich stehen wir vor dem Gedächtnisstupa. Die Audiostimme bietet uns an in sein Inneres zu treten, warnt uns aber vor dem kommenden Anblick. Tanja und ich sehen uns an und sind uns einig rein zu gehen. Hunderte oder tausende von Babby-, Kinder-, Frauen- und Männertotenschädel sind hier auf viele Stockwerke übereinandergeschlichtet und scheinen jeden Besucher aus den leeren Augenhöhlen entgegenzuschreien. Mein Gehirn hat schon vor einer ganzen Weile abgeschaltet, ansonsten wäre ich spätestens hier zusammengebrochen. Zum Glück weiß ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht das es an diesem Tag noch schlimmer kommen wird. Für uns ist es nicht vorstellbar wie man die Erlebnisse dieses Vormittages noch steigern kann und lassen uns von einer Rikscha zum berüchtigten S21 fahren, eine ehemalige Schule, die während der Roten Khmerzeiten als Folterzentrum missbraucht wurde. Während mir der heißschwüle, staubige Fahrtwind um die Ohren bläst, frage ich mich warum wir uns das überhaupt antun? Meine Gedanken kreisen, scheinen sich unter dem gerade Erlebten zu überschlagen. Ist es richtig die Vergangenheit eines Landes zu ignorieren? Sollte man sich nur die schönen Dinge ansehen, um sich nicht mit negativen Ereignissen zu belasten? Aber bekommt man in diesem Fall wirklich mit wie ein Land tickt? Wie es atmet? Weiß man dann warum Menschen so leben wie sie gerade leben? Prägt nicht auch gerade die Vergangenheit die Gegenwart? Absolut, und da wir ein Land erspüren wollen, es riechen und schmecken wollen, die Bevölkerung verstehen wollen, ist es mehr als sinnvoll sich auch zumindest ein paar der unangenehmen historischen Begebenheiten anzusehen und anzuhören. Vielleicht auch schon deshalb, um darüber zu berichten, um dazu beizutragen, dass sich solch ein Superverbrechen nicht wiederholt, denn die Vogelstraußpolitik hat noch keinem geholfen…

Wer mehr über unsere Abenteuer erfahren möchte, findet unsere Bücher unter diesem Link.

Die Live-Berichterstattung wird unterstützt durch die Firmen Gesat GmbH: www.gesat.com und roda computer GmbH http://roda-computer.com/ Das Sattelitentelefon Explorer 300 von Gesat und das rugged Notebook Pegasus RP9 von Roda sind die Stützsäulen der Übertragung.

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