Karpaten
N 44°41'853'' E 021°40'118''Tag: 79
Sonnenaufgang:
06:41 Uhr
Sonnenuntergang:
17:58 Uhr
Luftlinie:
30,82 Km
Tageskilometer:
50,14 Km
Gesamtkilometer:
2334,49 Km
Bodenbeschaffenheit:
Asphalt
Temperatur – Tag (Maximum):
22,7 °C
Temperatur – Tag (Minimum):
14,1 °C
Temperatur – Nacht:
4,8 °C
Breitengrad:
44°41’853“
Längengrad:
021°40’118“
Maximale Höhe:
499 m über dem Meer
Aufbruchzeit:
09:35 Uhr
Ankunftszeit:
16:15 Uhr
Durchschnittsgeschwindigkeit:
12,65 Km/h
Durch den Schnaps und das Bier hat mein Magen für Stunden rebelliert, weshalb ich kaum ein Auge zu gemacht habe. “Rocky hat Frühstück fertig”, begrüßt uns der einzige Bewohner des Zeltplatzes als wir aus unserer Behausung kriechen. “Wir packen schnell zusammen und kommen dann!”, rufe ich freundlich. Ungeduldig schleicht Rocky herum und wartet bis wir endlich bei ihm sind. Dann, als es soweit ist bekommen wir eine Portion in Öl gebackenem Rührei mit im Öl gebratenen Champions. “Das ist mein Spezial. Nimm dir aus dem Topf”, bietet er an und deutet auf eine braune, ölige Masse die sich auf dem Boden des Topfes zu ducken scheint. Lachend lasse ich meinen Löffel in das Spezial fahren und gebe es auf meinen Teller. “Mit dem Rührei vermischen”, weist Rocky an. “Und unbedingt Schnaps trinken”, führt er seine Erklärung fort. “Nein danke, keinen Schnaps vor dem Radfahren”, lehne ich mehrfach ab bis Rocky beleidigt die Flasche wegpackt und sein Glas alleine leert. Vorsichtig probiere ich und frage noch mal was es ist. “Innereien vom Schein”, erklärt er mit stolz geschwellter Brust. Da ich ja kein Schwein mehr esse und vor allem keine Innereien wird mir ein wenig übel. Vorsichtig nippe ich herum und versuche meine Gedanken auf etwas anderes zu lenken. Zum Glück mag Rocky sein Spezial selber so gerne, dass ich mit einer kleinen Portion davonkomme.
Dann kommt ein Freund unseres Gastgebers mit einem klapprigen Rad angefahren, lehnt es gegen den Baum und gesellt sich zu uns. Sie diskutieren über unsere Reiseroute. “Ihr könnt auf keinen Fall an der Donau entlang fahren. Die Karpaten ziehen sich bis an ihre Ufer. Da kommt ihr mit dem Fahrrad nie drüber”, fährt mir die Antwort wie ein Schock in die Glieder. “Wie meint ihr das? Die Donau ist doch flach und Wasser fließt immer den Berg hinab”, gebe ich zu bedenken, worauf sie sich die Karte schnappen und mir die braunen Flächen zeigen. “Ich glaube es nicht. Die sind mir vorher gar nicht aufgefallen”, äußere mich mit ungutem Gefühl im Magen. Ich weiß plötzlich nicht ob mir von Rockys Spezial, den gestrigen Schnäpsen oder der kommenden Herausforderung schlecht ist. “Du musst eine andere Route nehmen”, erklärt Rocky mit seinem lauten Organ und lässt seinen dicken Zeigefinger in einem irrwitzig großen Bogen über die Karte gleiten. “Aber das ist ja ein gigantischer Umweg”, stelle ich fest und nachdem ich mir den Vorschlag genauer ansehe bemerke ich, dass sein Finger über 1500 Meter hohe Berge gezogen ist. “Ihr könnt nicht an der Donau entlang. Ich bin oft in Rumänien. Spiele dort als Musiker und kenne die Gegend. In die Richtung in die ihr wollt gibt es sehr hohe Berge. Die schafft ihr mit dem Fahrrad nicht”, bestätigt jetzt der Freund und lässt meine Zuversicht Bukarest rechtzeitig zu erreichen regelrecht zusammenbrechen.
Wir verabschieden uns von unserem freundlichen Gastgeber und sind nicht gerade motiviert der Rumänischen Grenze entgegen zu radeln. Im hübschen Örtchen Bela Crkva kaufen wir noch Wasser und ein paar Tafeln Schokolade als Wegzehrung. Dann geht es weiter in Richtung Osten. Schon wenige hundert Meter nach Bela Crkva bläst uns wieder starker Wind ins Gesicht. Um auf der brettergeraden Straße überhaupt vorwärts zu kommen müssen wir wie die Ochsen in die Pedale treten. Dann zieht sich die kerzengerade Straße über einen ausladenden Hügel und endet dort oben irgendwo am Horizont. 8 % Steigung steht auf einem Verkehrsschild, worauf der Rest meiner bereits schon angeschlagenen Moral wie ein zu Boden gefallenes Glas zerbricht. Was auch immer vorher geschehen ist. Wie viel Gespräche mit Mutter Erde gelaufen sind, alles ist in diesem Augenblick hinfällig. Mit starrem Blick kleben meine Augen kurz vor meinem Vorderreifen auf dem Asphalt. Die Steigung wird langsam stärker, unsere Lungen beginnen zu rasseln und wir schalten die zuverlässige Rohloff Gang für Gang nach unten. Zum Schluss lasse ich den Zahnkranz im ersten Gang wie eine Sichel tanzen. Das Blut in meinen Oberschenkeln schießt in die Adern und versorgt die mittlerweile gut trainierten Muskeln. Die Strecke fordert jeden Millimeter unseres Willens bis aufs Äußerste heraus. Obwohl auch Tanja schwer zu treten hat ist durch die schwindenden Vorräte ihr Anhänger leichter geworden. Meiner jedoch hat nach wie vor seine 58 Kilogramm. Mit großer Konzentration arbeite ich mich Meter für Meter die Steigung hoch, dicht gefolgt von meiner Frau. Nur nicht aufgeben, rede ich mir selbst zu, doch ich schaffe es nicht mehr mich zu motivieren. Unweigerlich spüre ich wie meine Psyche gerade im Begriff ist in ein tiefes Loch zu stürzen. Was ist wenn Rocky und sein Freund wirklich Recht behalten und wir auf die nächsten 700 Kilometer über die Karpaten müssen? Selbst ihre vorgeschlagene Route ist in der Zeit die uns noch zu Verfügung steht nicht zu schaffen. Um dieses, für unsere schwer beladenen Räder unüberwindbare Hindernis zu umgehen, sind wir der Donau bis hierher gefolgt und jetzt sieht alles danach aus als würden sich die Karpaten uns einfach in den Weg stellen. Mit 1300 Kilometer Länge und 50 bis 150 Kilometer Breite erstrecken sich die Karpaten in Form eines Bogens. Sie ziehen sich von Bratislava in der Slowakei bis zum Eisernen Tor hinunter, dem Durchbruchstal der Donau in der Nähe von Or?ova in Rumänien.
Wie konnte ich nur denken dieser gewaltigen Barriere zu entrinnen? Ich muss doch völlig blauäugig gewesen sein zu glauben solch ein Gebirge, welches den Weg nach Osten wie eine unüberwindbare Mauer begrenzt, umradeln zu können, werfe ich mir vor und schnaufe wie ein Walross. Plötzlich erreichen wir das Ende der Steigung. Der Blick von hier oben auf das lieblich wirkende Tiefland von Serbien lässt mich zu diesem Zeitpunkt unbeeindruckt. Erschöpft halte ich an und trinke einen kräftigen Schluck. Ohne Zweifel schmeckt Wasser nach so einer Anstrengung wie ein Getränk der Götter. Ich bin wirklich froh keinen Schnaps trinken zu müssen”, versuche ich einen müden Scherz. Tanjas Mund hängt ebenfalls saugend an ihrer Wasserflasche. Der Wind bläst kalt über den Hügelrücken und lässt uns frieren. Bevor wir auskühlen strampeln wir den Berg wieder hinunter. Der Gegenwind ist so stark, dass wir selbst beim Bergabfahren treten müssen um Strecke zu machen. Die sich windende, staubige steile Straße führt uns direkt durch den Grenzort Kaluderovo. Als der trostlose Anblick der Grenzgebäude erscheint bin ich bereit unsere Tour genau hier abzubrechen. Nicht oft in meinem Leben habe ich einen Rückzieher gemacht. Nie habe ich aufgegeben, doch jetzt bin ich durch die Anstrengungen, die Aussicht auf unendliche Passüberquerungen, den Gesprächen mit Rocky, seinem Schnaps und seinem schrecklichen Spezial absolut weich gekocht und völlig demoralisiert.
“Was machen sie mit den Solarpanelen?”, fragt der serbische Beamte. “Wir laden damit die Batterien”, antworte ich und warte darauf, dass er mir einen Grund gibt die Grenze nicht überschreiten zu müssen. Nur die kleinste Kleinigkeit, das unnötige Untersuchen unserer Ausrüstung oder andere aufkommende Grenzschwierigkeiten würden mir sofort einen Grund geben umkehren zu können. Jämmerlich frierend stehen wir nun da und warten bis die Serben unsere Pässe durch den Computer jagen. Wir ziehen uns zwischenzeitlich die Regenjacken über, um unsere Körper vor dem starken Wind zu schützen. Dann bekommen wir unsere Pässe ohne weitere Fragen zurück. “Äh, wissen sie wie es auf der rumänischen Seite aussieht? Ich meine, sind dort hohe Berge oder haben wir eine Chance sie zu umgehen?”, frage ich den desinteressierten Beamten mit dem Finger auf die Karte deutend. “Wo es grün ist ist es auch flach und wo es braun ist gibt es Berge”, antwortet er, worauf ich mich dann doch besser verabschiede.
Wir lassen die Räder noch weiter den Berg hinunter rollen und bleiben an der Rumänischen Grenze stehen. Die Gebäude scheinen hier noch trostloser und ärmlicher zu sein. Ein gut beleibter Beamter lässt sich blicken. Ich warte darauf hier nicht weiter zu können weil die Grenze nur für den lokalen Verkehr offen ist, doch ich werde enttäuscht. Der Beamte gibt uns ohne Schwierigkeiten zu machen die gestempelten Pässe zurück. “Kommen ab sofort die Karpaten?”, will ich wissen. “Ja”, verstehe ich. “Was halten sie von dieser Route?”, frage ich gestikulierend weiter und zeige dem Beamten die Karte. “Nicht gut”, glauben wir zu verstehen. Völlig gebrochen stehe ich über der Zwischenstange meines Rades und würde am liebsten weinen. “Sollen wir umkehren?”, frage ich Tanja die mich etwas erschrocken ansieht. “Wie meinst du das?” “Na wenn wir weiterfahren und die Berge höher werden schaffen wir es nie bis nach Bukarest. Wir werden nie rechtzeitig in Deutschland zurück sein. Wenn wir umkehren finde ich bestimmt eine gute Route zurück nach Belgrad und wir fahren dann mit dem Zug Nachhause. Wir können ja dann nächstes Jahr unsere Reise hier fortsetzen”, schlage ich vor. “So schnell lassen wir uns doch nicht ins Boxhorn jagen”, höre ich und bin irgendwie erleichtert meinen letzten Umkehrversuch vereitelt zu wissen. Nur ein kleines Wort der Bestätigung von ihr und ich hätte den Grund gehabt meiner Schwäche nachzugeben. “Wir sehen uns die Sache mal an. Wenn es die nächsten zwei Tage gut geht fahren wir weiter, wenn die Steigungen zu schlimm werden haben wir immer noch die Möglichkeit umzukehren”, entscheide ich.
“Fahren sie gleich nach dem Grenzgebäude nach rechts in Richtung Moldova. Sie müssen nur ca. fünf Kilometer über einen Pass ab dann geht es relativ flach an der Donau weiter”, rät uns der Beamte mit Zeichensprache und Rumänisch. “Unglaublich, das ist genau die Route die ich ursprünglich geplant hatte”, sage ich zu Tanja. “So wie es aussieht hätten uns danach Rocky und sein Freund mitten in die Katastrophe geschickt”, füge ich noch hinzu und studiere im Detail das Kartenblatt. “Auf wieder sehen!”, rufen wir dann erleichtert, winken dem Beamten und lassen unsere Roadtrains nach Rumänien rollen. Sofort nach den Gebäuden biegen wir nach rechts auf die völlig leere Landstraße. Ein paar verfallene Gebäude erscheinen am Straßenrand. Eine verlassene Tankstelle welkt in rostigen Farben vor sich hin. Auf einem Schild steht Internationales Telefon und zeugt von einst besseren Zeiten. Hunde bellen und in der Entfernung entdecken wir einige ärmliche Holzhütten auf dem Berghang. Es dauert allerdings nicht lange bis wir nach einigen Kurven das für uns abscheuliche Schild 8 % Steigung erkennen. Uns dem Schicksal ergebend beginnen wir den Anstieg und strampeln was das Zeug hält. Unermüdlich schrauben wir uns im Schritttempo Biegung für Biegung nach oben. Immer wieder legen wir Trinkstopps ein, essen eine Handvoll unserer Kraftnahrung und machen weiter. Wir lassen Serpentine für Serpentine, Windung für Windung, Kehre für Kehre hinter uns und nähern uns in unermüdlicher, stundenlanger Schwerarbeit dem Höhepunkt des Passes. Nur selten kommen uns Autos entgegen und noch weniger begegnen uns Lastwägen. Alle Fahrer verhalten sich uns gegenüber sehr rücksichtsvoll und überholen mit großem Sicherheitsabstand. Dann, auf einmal haben wir es geschafft. Wir befinden uns auf der Passhöhe. Obwohl mein GPS nur 500 Höhenmeter anzeigt kommt es uns so vor als hätten wir einen hohen Gipfel bezwungen. Es ist kalt da oben. Ein handgemaltes Schild erklärt in fremder Sprache etwas über einen Nationalpark. Wir lesen Okulul Silvic. “Ob das hier etwas mit Transsilvanien zu tun hat?”, möchte Tanja wissen. “Keine Ahnung. Soweit ich weiß liegt Transsilvanien in den Südkarpaten. Na ja, wer weiß? Vielleicht gehören diese Bergwälder auch zu dem Gebiet von Graf Dracula”, scherze ich.
Tanja nutzt die Zeit unserer Verschnaufpause um austreten zu gehen. Als sie zurückkommt leidet sie unter starken Schmerzen am Oberschenkel. “Es wird der überbeanspruchte Muskel sein”, grüble ich. “Weiß nicht. Es fühlt sich anders an. Ich kann nicht mal mehr den Oberschenkel berühren und es tut schon weh.” “Hm, seltsam”, meine ich mir ein wenig Sorgen machend. “Schau dir das an! Das darf doch nicht war sein! Mich hat eine Zecke gebissen. Die verursacht den Schmerz”, stellt Tanja fest und zeigt auf einen kleinen Schlitz in der Radhose aus der das kleine hässliche Hinterteil des Waldbewohners ragt. Tatsächlich hat in der kurzen Zeit eine Zecke die Gelegenheit war genommen Tanja am einzigen aufgerissenen Teil der Radhose zu attackieren, um sich an ihrem Blut zu laben. Tanja dreht das gefährliche Insekt sofort heraus und wirft es in den Wald zurück. Die Bissstelle bildet innerhalb weniger Minuten einen roten Hof. “Hoffentlich ist das kein Zeichen für Borreliose”, erschrecke ich. “Na das kann ich jetzt aber überhaupt nicht gebrauchen”, antwortet sie. “Du bist also nicht von Dracula gebissen worden, sondern von einem seiner niedrigen Untertanen”, scherze ich. “Hi, hi, weiß nicht was schlimmer ist. Ich hoffe dass unsere homöopathische Impfung wirkt”, antwortet Tanja zuversichtlich und schwingt sich in den Sattel. Dann geht es auf die schnellste und schönste Abfahrt unseres gesamten bisherigen Trips. Sieben Kilometer rauschen wir jubelnd und oft jauchzend dem Tal entgegen. Bewusst jeden Höhenmeter schwer erkämpft und froh den vielleicht höchsten Pass unserer jetzigen Etappe bezwungen zu haben. Unten angekommen belohnt uns die mächtige Donau mit einem atemberaubenden Anblick. Pferdekutschen fahren an uns vorbei und die Menschen grüßen und rufen uns freundlich zu. Der Schwermut Serbiens ist nicht mehr spürbar. Tracktoren tuckern langsam vorbei. Menschen arbeiten in den Feldern und ernten noch mit der Hand jeden Maisstängel. Bündelweise wird er dann auf die Pferdefuhrwerke geladen. Ohne Zweifel befinden wir uns auf einmal im Mittelalter. Der Schritt über die Grenze hat uns einen Zeitschritt zurücktreten lassen, einen Schritt der so bezaubernd wirkt das uns bald der Unterkiefer vor Staunen nach unten fällt. Ein Bauer führt seine Kuh an einem Strick gebunden vorbei. Hier ist anscheinend noch jedes einzelne Tier ein Vermögen wert. Schon jetzt werden wir für unsere Strapazen belohnt, sind glücklich nicht umgekehrt zu sein. Wieder einmal hat sich bewiesen, dass sich Durchhalten lohnt. Klar ist mir bewusst, ohne Tanjas Zutun wäre ich nicht hier. Umso mehr genieße ich den Augenblick und versuche jede Sekunde davon regelrecht zu inhalieren.
In dem Städtchen Moldova Noua finden wir keine Bank. Brauchen aber dringend Geld. Eine Frau möchte uns irgendwo hin schicken. Ein paar Meter weiter erklärt uns ein Mann etwas von einem Automaten. In der Hoffnung es könnte ein Geldautomat sein lassen wir unsere Untersätze langsam durch den fremdartigen Ort gleiten. Uns kommt es so vor als wären wir Akteure in einem Film, nur das uns hier keine Kulissen falsche Tatsachen vorspielen. “Hallo!”, rufen die Menschen oder sehen uns nur staunend nach. An der Polizeistation finden wir den besagten Automaten. Da ich nicht weiß welchen Wert der Lei besitzt wechsle ich erstmal nur 2,5 Millionen. An einem kleinen Laden frage ich nach dem Kurs. Das Mädchen spricht etwas englisch. Nach ihrer Erklärung bekommt man hier für einen Euro 10 Tafeln Schokolade oder14 Flaschen Bier. Wir können nicht glauben das Rumänien so billig sein kann. Völlig erschöpft sitzen wir vor dem Geschäft und beratschlagen die nächsten Schritte. Es soll ein Hotel geben. Allerdings müssten wir sieben Kilometer zurückradeln was kein Problem wäre, nur das wir wieder ein gutes Stück bergauf müssten. Im Ort selbst gibt es keine Übernachtungsmöglichkeit. “Was sollen wir nun tun? Wir müssen unbedingt etwas essen. Ich hatte neben ein bisschen Müsli nur das schreckliche Spezial von Rocky. Mir fällt vor Hunger fast der Magen heraus”, lamentiere ich. “Was glaubst du wie es mir geht? Könnte einen ganzen Bären auffressen”, antwortet Tanja. Etwa fünf Kilometer weiter soll es ein Restaurant geben. Wir entscheiden uns dorthin zu fahren und dann mit vollem Magen einen Campplatz zu suchen.
Seit vielen Kilometern schmerzt mir eine Sehne am rechten Knie. Sie steigern sich ständig und ich habe ernsthafte Bedenken mir etwas Chronisches einzufangen. Tanjas Zeckenbiss hat sich noch mehr gerötet. Sie kann ihren Oberschenkel kaum noch bewegen. Wirklich angeschlagen zuckeln wir die Piste entlang und halten Ausschau nach dem Restaurant. “Da ist es!”, ruft Tanja 20 Minuten später, worauf wir unsere Räder an das Gebäude lehnen. Erleichtert betreten wir die völlig leere Gaststätte. Zwei Frauen sitzen an einem Tisch. “Gibt es bei ihnen etwas zu Essen?”, frage ich mit Zeichensprache in dem ich meine Hand zum Mund führe und mir den Bauch reibe. “Da, da, sagen sie was soviel wie ja, ja, heißt. Wir setzen uns in den windgeschützten Raum, trinken erstmal ein Bier. Der Blick auf die Donau ist von hier oben überwältigend. Große Frachter fahren im schweren Abendrot vorbei. Ab und zu trägt der Wind das tiefe Tuten eines Schiffes zu uns herüber. Dann kommt unser schmackhaftes Essen welches wir mit Heißhunger verschlingen. Mit jedem Bissen mehr lähmt uns eine bleierne Müdigkeit. “Du könntest doch mal nachsehen ob es hier einen Ort gibt der für unser Zelt geeignet ist?”, bittet mich Tanja. Ohne Zeit verstreichen zu lassen setze ich ihren Vorschlag in die Tat um und finde hinterm Haus ein geeignetes Fleckchen Wiese. “Gerne dürfen sie dort ihr Zelt aufstellen”, bietet die Wirtin uns eine Bleibe an, worauf uns ein Stein vom Herzen fällt nicht noch zu fortgeschrittener Stunde und bei mittlerweile sechs Grad Kälte einen Zeltplatz suchen zu müssen.