Jähes Ende und großes Geschenk
N 24°46’19.7’’ E 103°17’02.9’’Datum:
18.05.2016
Tag: 326
Land:
China
Provinz:
Yunnan
Ort:
Shilin
Breitengrad N:
24°46’19.7’’
Längengrad E:
103°17’02.9’’
Tageskilometer:
38 km
Gesamtkilometer:
16.981 km
Luftlinie:
21.60 km
Durchschnitts Geschwindigkeit:
17.6 km/h
Maximale Geschwindigkeit:
43.4 km/h
Fahrzeit:
02:10 Std.
Bodenbeschaffenheit:
Schotter / Asphalt
Maximale Höhe:
1.900
Gesamthöhenmeter:
39.015 m
Höhenmeter für den Tag:
539 m
Sonnenaufgang:
06:21 Uhr
Sonnenuntergang:
19:45 Uhr
Temperatur Tag max:
27°C
Temperatur Tag min:
17°C
Aufbruch:
09:30 Uhr
Ankunftszeit:
17:00 Uhr
(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)
Weil es nur noch 38 km bis zum berühmten Steinwald von Shilin sind, freuen wir uns heute über einen kurzen und angenehmen Tag. Das Wetter ist gut und die Straßen wie immer in den letzten Wochen teils schlecht. Wir kommen gut voran und sind bestens gelaunt. So wie es aussieht haben wir in den letzten Tagen viele Kilometer gut gemacht, was für uns bedeutet, keinen Zeitdruck mehr zu spüren, um die vietnamesische Grenze zu erreichen.
„Schau mal, dort drüben können wir ein gutes Cover-Foto für unser kommendes E-Bike-Buch schießen!“, rufe ich motiviert. Wir stellen unser Stativ auf und bringen uns davor in Position. Als wir in die Kamera lächeln, kommen ein paar Bäuerinnen vorbei. Sie begrüßen uns freundlich und schenken uns ein paar kleine Pfirsiche, die sie anscheinend gerade geerntet haben. In ihrer Aufregung, hier auf Fremdländer zu treffe, schnattern die Bäuerinnen begeistert miteinander. Eine von ihnen scheint dabei unser Stativ mit der darauf befestigten Kamera nicht zu bemerken und läuft zielstrebig darauf zu. Das geht so schnell, dass wir nicht in der Lage sind einen Warnruf von uns zu geben. Nur um wenige Zentimeter verfehlt die Frau unsere teure Technik. „Puhhh, das war knapp“, stöhne ich erleichtert auf, als die Kamera noch steht.
Auf dem weiteren Weg in die Stadt sehen wir die ersten bizarren Felsen des berühmten Steinwaldes. „Wow, da können wir uns morgen auf eine außergewöhnliche Landschaft freuen“, sagt Tanja, weil wir vorhaben hier einen Tag zu bleiben, um das Welterbe der UNESO zu besuchen.
Schon am späten Mittag erreichen wir unser heutiges Ziel, das Städtchen Shilin. Während Tanja einige Passanten fragt, wo sich unsere Unterkunft befindet, gleitet mein Blick routinegemäß über unsere Räder. Als ich einen schwarzen Strich auf dem Haltewinkel an Tanjas Rad entdecke, an dem der Anhänger montiert ist, fährt mir ein Schreck durch den Körper. „Wahrscheinlich nur Schmutz“, beruhige ich mich, steige von meinem Rad und nehme den Winkel unter die Lupe. „Bitte nicht“, flüstere ich, als Tanja gerade zurückkommt. „Was?“, fragt sie. „Der Haltewinkel an deinem Rad hat einen Haarriss.“ „Verstehe ich nicht.“ „Die Verbindung zwischen Anhänger und deinem Fahrrad wird bald brechen“, erkläre ich. „Ach du machst doch Scherze?“ „Nein, keine Scherze.“ „Haben wir so einen Winkel als Ersatzteil dabei?“ „Ich könnte mich ohrfeigen. Um Gewicht zu sparen habe ich die Ersatzwinkel Zuhause gelassen“, gebe ich genickt zu. „Und was bedeutet das?“, fragt Tanja nun ebenfalls aufgeregt. „Das war’s mal wieder. Wir können nicht weiter. Ist zu gefährlich. Vor allem im Gebirge. „Wie weit ist es noch bis zur Grenze?“ „350 Kilometer.“ „Wenn wir uns so ein Teil von Deutschland schicken lassen, könnte es in sieben Tagen hier sein. Dann hätten wir noch immer drei Tage Zeit, um nach Vietnam zu gelangen“, überlegt sie. „Hm, glaube nicht dass wir das Teil rechtzeitig bekommen. Vielleicht könnte man es schweißen lassen?“, überlege ich, jedoch fällt mir ein, dass in so einem kleinen Städtchen sicherlich keiner in der Lage ist Aluminium zu schweißen. „Ich glaube es einfach nicht. Wie konnte ich nur so ein Teil Zuhause lassen? Damals, in Kasachstan, ist uns auch schon mal so ein Winkel gebrochen. Allerdings hatte ich ihn zu jener Zeit kleiner gefeilt, um Gewicht an den Rädern zu sparen. War eine verrückte Idee an allen Ecken und Enden Gewicht sparen zu wollen. Das ging auf Kosten der Stabilität“, erkläre ich. „Und diesmal hast du nicht dran rumgefeilt?“ „Nein, aber so ein Winkel ist bei diesen schlechten Straßenverhältnissen wie ein Verschleißteil zu sehen. So was muss man genauso wie Bremsbeläge oder Schläuche als Ersatzteil dabei haben. Ich könnte aus der Haut fahren“, fluche ich vor mich hin.
Zwei Kilometer weiter erreichen wir unsere Bleibe. Die junge korpulente Frau am Empfang des einfachen Hotels ist in keiner Weise kooperativ. Nach längerem Hin und Her stellt sich heraus, dass dieses Hotelchen keine Ausländer aufnehmen darf. Obwohl wir vorher telefonisch vorgebucht und alle Informationen durchgegeben hatten.
Wir sind gerade im Begriff wieder aufzubrechen, als zwei Polizisten heraneilen. Offensichtlich hat das Mädchen auch noch die Gesetzeshüter verständigt. Zum Glück sind die beiden Männer äußerst freundlich und deuten auf ein Hotel, welches nur 200 Meter weiter die Straße rauf liegt. Dort angekommen, erfahren wir, dass das billigste Zimmer inklusiver Ermäßigung 360 Yuan (48.13 €) kostet. Zu teuer für uns. Um die nächsten Schritte zu beraten setzen wir uns vor dem Luxusschuppen auf eine Bank. „Und jetzt?“, frage ich, als der Streifenwagen der beiden Polizisten vor uns hält. Wir erklären den Beamten hier aus Kostengründen nicht bleiben zu können. „Kein Problem“, sagen sie und schreiten zur Rezeption, um für uns noch mal nachzufragen. Jedoch ohne positives Ergebnis. „Schau mal“, sagt Tanja zu dem Jüngeren von beiden und zeigt ihm den Haarriss am Haltewinkel. Der Mann klopft sich mit dem Zeigefinger ans Hirn und überlegt. Dann erhellen sich seine Gesichtszüge. „Kommen sie mit“, verstehen wir, weshalb wir dem uns vorausfahrenden Polizeiwagen folgen. An einer Werkstatt halten wir an. Zwei Mechaniker begutachten den Winkel und bevor ich meinen Mund öffnen kann schrauben sie das Teil ab. Einer der beiden schwingt sich damit auf einen Elektroroller und düst davon. 15 Minuten später ist er wieder da und drückt mir den geschweißten, noch heißen Winkel, in die Hand. „Die Schweißnaht sieht super aus“, sage ich zu Tanja, meinen Daumen anerkennend hebend. Der Mann lächelt, nimmt mir den Winkel aus der Hand und beginnt ihn wieder einzubauen. „Geht viel besser wenn wir dazu das Hinterrad ausbauen“, erkläre ich. Die zwei Polizisten, die mittlerweile fleißig mitschrauben, ein Mechaniker und der Chef der Werkstatt, wollen davon nichts wissen. Ein paar Befehle werden gerufen, worauf ein Lehrling verschiedene Werkzeuge anbringt, um die Kontermuttern irgendwie zu befestigen. Es dauert nicht lange und die Männer sind erfolgreich. Der Winkel sitzt wieder an seinem Platz und so wie es aussieht wird er nie mehr brechen. „Was kostet die Reparatur?“, frage ich erleichtert. „Bili“, (Nichts) sagt der Chef der Werkstatt. „Bili?“, wiederhole ich ungläubig. Der Mann klopft mir auf die Schulter, lacht, umarmt mich und möchte, dass seine Angestellten ein Foto von ihm und mir schießen. Beide strecken wir die erhobenen Daumen in die Kamera. Er, aus Freude einen Fremdländer geholfen zu haben, und ich aus tiefer Dankbarkeit über solch unglaubliche Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit. Nach einigen Gruppenfotos und hin und her fliegenden Worten der Dankbarkeit, begleiten uns unsere Polizistenfreunde zu einem finanzierbaren Hotel, die unsere Räder und unseren lieben Hund akzeptieren. Noch vor einer Stunde hatten wir gedacht, dass hier unsere Chinareise ein jähes Ende findet und jetzt, nachdem uns die Chinesen ein für uns großes Geschenk gemacht haben, blicken wir wieder zuversichtlich und voller Lebensfreude in die Zukunft…
Wer mehr über unsere Abenteuer erfahren möchte, findet unsere Bücher unter diesem Link.
Die Live-Berichterstattung wird unterstützt durch die Firmen Gesat GmbH: www.gesat.com und roda computer GmbH http://roda-computer.com/ Das Sattelitentelefon Explorer 300 von Gesat und das rugged Notebook Pegasus RP9 von Roda sind die Stützsäulen der Übertragung.