Inferno der Naturgewalten
N 22°46’01.0’’ E 126°52’32.4’’Tag: 113 Etappe Zwei
Sonnenaufgang:
05:08
Sonnenuntergang:
17:32
Luftlinie:
12,4
Tageskilometer:
15
Gesamtkilometer:
22°46’01.0’’
Bodenbeschaffenheit:
126°52’32.4’’
Temperatur - Tag (Maximum):
35 Grad
Gewitterfront-Camp — 06.10.2001
Um 1 Uhr 30 am Morgen fallen Regentropfen auf unser Moskitozelt. Sie treffen mich ins Gesicht und reißen mich aus dem Schlaf. Ich lasse Tanja weiterschlafen und begebe mich sofort in die Moskitohölle und lege alles was nicht nass werden darf unter die Satteltaschen. Dann hole ich das Außenzelt aus einer Ortliebtasche und ziehe es über unser Moskitozelt. Als alles wasserfest verstaut ist lege ich mich wieder schlafen. Es ist Zwei Uhr am Morgen. Mich juckt es an den Beinen, Armen und Händen derart, dass an Schlaf nicht zu denken ist. Um 2 Uhr 30 flüchte ich mich endlich in das Land der Träume doch als um drei Uhr unsere Armbanduhren uns auffordern den nächsten Lauftag zu beginnen würde ich am liebsten eine Revolte starten. Tanja steht auf und verlässt das Zelt. „Was machen die Moskitos?“ „Schlimmer als gestern Abend,“ trifft mich ihre Antwort wie ein Schlag in den Magen. Ich höre sie laut summen und es klingt so als würden sie alle zusammen rufen: „Hi, hi, hiii, komm Denis mach dich da raus. Hi, hi, hiii, wir wollen an dir saugen. Komm schon schneller wir haben Hunger. Wie lange du auch bleiben magst wir kriegen dich doch, hi, hi, hiii.“ Angewidert von dem ewigen Summen mache ich meine Rückengymnastik und packe die Schlafutensilien zusammen. Dann halte ich einen Moment inne und grüble wie ich diese gefräßigen kleinen Monster überlisten könnte. Ich öffne ganz schnell den Reißverschluss, hole mir mein Hemd und Hose ins Zelt und ziehe mich hier drinnen an. Gute Idee! Dann werde ich rausrasen, das Moskitomittel greifen und mich von oben bis unten einsprühen. Ha, ha, haaa, ein genialer Plan um diese Scheißdinger auszutricksen. Sofort setze ich meine Idee in die Realität um, öffne blitzschnell den Reißverschluss und ziehe die vor dem Zelt liegende Kleidung hinein. Sofort überprüfe ich mit der Taschenlampe ob sich ein Moskito mit hinein geschmuggelt hat. Kein einziger hat es geschafft, ha, ha, haaa. Ich ziehe mich dann wie nach Plan an, renne zu unserer Küche und sprühe mich von oben bis unten ein. Erst jetzt begebe ich mich an meine Arbeit. Lauernd summen Tausende von Stechmücken um mich herum aber nur wenige wagen es ihren Stachel in meinen mit Moskitomittel verseuchten Körper zu jagen.
Als das Tageslicht mehr und mehr die Nach verdrängt sehen wir die finsteren Gewitterwolken die sich über unseren Köpfen zusammengebraut haben. Die nächtlichen Regentropfen haben sich zwar zu keinem Schauer ausgeweidet aber jetzt sieht es so aus als würde es jeden Augenblick losgehen. „Die Wolken liegen tief und kommen aus Nordosten,“ sage ich skeptisch. „Hat Don nicht gesagt das Wolken aus dem Nordosten mit Vorwarnungen heranziehen bevor sie so tief über dem Land liegen?“ ,fragt Tanja. „Ja das hat er gesagt und ich hoffe, dass sich das Wetter auch diesmal an die Regeln hält. Sollten wir starken Regen bekommen bevor wir das Seenland durchquert haben kann es für uns richtig heikel werden,“ antworte ich einen prüfenden Blick nach oben werfend.
Von gleißenden Energieströmen ausgelöscht?
Auf dem Weg vom Camp müssen wir an dem toten Kamelbullen vorbei. Als Sebastian seinen in der Sonne verwesenden Artgenossen bemerkt scheut er und geht durch. „Sebastian! Sebastian udu,“ versuche ich ihn zu beruhigen als die gesamte Karawane in Bocksprüngen auf und ab springt. „Udu, udu, brülle ich und bringe es fertig unsere Jungs wieder zu beruhigen. Wir biegen auf den Weg ein der an der kleinen, verlassenen Aboriginegemeinschaft vorbeiführt als Sebastian wieder ausflippt. Diesmal hat er vor den Wellblechhütten Angst. Wieder geht der gesamte Zug im wilden Galopp durch. Sie springen wie die Böcke hoch und nieder, rasen über ein am Boden liegendes Ölfass und beruhigen sich erst wieder nachdem ich sie in einen Kreis geführt habe. „Hat nicht gut ausgesehen,“ sagt Tanja. „Ja, leicht hätten sie sich an dem Ölfass verletzten können,“ antworte ich und führe unseren Zug auf einen schmalen Track der bisher von Yogis Planierraupe noch völlig verschont geblieben ist. Der kleine Weg schlängelt sich durch ein fruchtbares Dünental. Wir sind verblüfft wie saftig die Vegetation hier ist. Die Sonne der vergangenen Wochen hat den Pflanzen nicht geschadet. Ganz im Gegenteil blüht es hier wie in einem Garten Eden. Ohne Zweifel betreten wir hier den Bereich der Seenlandschaft und Sümpfe die sich mit der letzten Regenzeit gebildet haben. Die dunkle Wolkenfront die uns gerade noch bedroht hat verflüchtigt sich und vor uns lässt die Sonne den hellblauen Himmel erstrahlen. Wir kommen gut voran und freuen uns über die Landschaftsveränderung. Die Wüsteneichen sind zwar leider wieder verschwunden aber saftiges Buschwerk und blühende Blumen sind auch wunderschöne Begleiter unserer Wanderung. Immer wieder beobachte ich den Himmel und bekomme das komische Gefühl nicht los, dass der Schein trügt. Im Nordosten ist es immer noch unbewölkt doch sieht es so aus als hätte sich ein dunstiger Schleier über das Blau gelegt. Tiefschwarze Gewitterwolken verziehen sich nach Südosten und hinter uns im Nordwesten drehen sie ebenfalls ab. Ich bin von dem Schauspiel was uns heute der Himmel bietet fasziniert, doch plötzlich glaube ich meinen Augen nicht trauen zu können. Das friedliche, schöne Blau vor uns verändert seine Farbe und wie aus dem Nichts, als wäre es ein Zauber, erscheinen dunkelschwarze, gefährlich aussehende Wolkentürme. „Das sieht nicht gut aus,“ sage ich nach oben deutend. „Meinst du da braut sich etwas zusammen?“ „Ganz sicher. Es fragt sich nur wie viel Zeit wir noch haben,“ antworte ich besorgt. Ich ziehe die Karawane auf einen schmalen, vielleicht drei Meter breiten Weg entlang der links und rechts von etwa 10 Meter hohen, saftig bewachsenen Dünen begrenzt ist als ich den ersten heftigen Blitz durch die Wolken zucken sehe. „Wir müssen sofort ein Notlager auf eine der Dünen aufbauen,“ sage ich bestimmend und blicke während des Laufens auf die Dünenrücken. Wieder werden die Wolkentürme vor uns von grellen Blitzen zerrissen. Tiefes Donnern grollt über unseren Köpfen durch den jetzt aufgewühlten Himmel. Ich bitte Tanja die Karawane zu übernehmen und haste eine Düne neben uns hoch. Sie ist ungefähr 10 Meter hoch und sieht einladend aus. „Da oben bleiben wir!“ rufe ich zu Tanja hinunter. „Bring die Karawane in einen ausladenden Bogen hier rauf,“ sage ich noch und untersuche den Rücken des Sandberges auf einen geeigneten Zeltplatz. Als Tanja die Tiere oben hat übernehme ich wieder Sebastian und ziehe ihn bis kurz vor einem Busch der mitten auf der Erhebung wächst. Dann lasse ich die Kamele absetzen als es auch schon zu tröpfeln beginnt. Tanja reicht mir schnell die Regenhaut die für alle Fälle griffbereit in einer Tasche an Sebastians Sattel befestigt ist. Eilige streife ich sie mir über und sehe in den Himmel. Das Blau was vor wenigen Minuten noch so friedlich ausgesehen hat ist völlig verschwunden. Eine riesige Gewitterwolkenfront hat es einfach in sich hineingezogen. Ferne Donner rollen wie Sturmwellen heran und entladen sich. Von Sekunde zu Sekunde steigert sich das Schauspiel welches uns die Fassung raubt. „Schnell, du bindest die Kamele runter und ich hole das Zelt. Wir benötigen dringend einen trockenen Platz,“ rufe ich und hetze zu Jasper in dessen rechten vorderen Satteltasche der Zeltsack verstaut ist. Wir arbeiten Hand in Hand. Wuuummm, erbebt eine der Dünen in etwa zwei bis drei Kilometer Entfernung von uns. Mir bleibt fast das Herz stehen als ich wieder einen Blick nach oben werfe. Es sieht aus als wären wir im Zentrum einer Arena. Als wären wir die Gladiatoren die mit rauschenden Beifall beklatscht werden nur das der rauschende Beifall sich in entladende Blitze steigert. Wir haben auf unserer bisherigen Australiendurchquerung schon viele Wettersituationen der Superlative erlebt und jetzt bekommen wir ein Inferno geboten welches mit Worten kaum zu beschreiben ist. Hinter einem Busch schaufle ich wie ein Besessener eine grade Fläche für unser Zelt in den Sand. Starke Windböen reißen mir dann den Stoff aus der Hand. Ich stecke das Zeltgestänge durch die Ösen und bringe es fertig unsere Behausung aufzustellen. Tanja arbeitet wie ein Wiesel an den Kamelen die sich zu unserer Überraschung trotz der gewaltigen Entladungen ruhig verhalten. Der Regen hat wieder aufgehört obwohl die Welt um uns herum unterzugehen droht. Ich beobachte fassungslos, dass in einem 360 Grad Vollkreis Blitze um uns herum einschlagen. Auch ist ganz klar zu sehen wie sich auf den anderen Dünen um uns herum, in etwa einem Kilometer Entfernung, die Schleusen des Himmels geöffnet haben und das Wasser in Sturzbächen auf die Erde schießt. „Das Unwetter gibt uns genügend Zeit die Kamele abzuladen,“ rufe ich Tanja gegen den Wind zu. Beide rasen wir von Satteltasche zu Satteltasche und heben die Ausrüstung heraus. Dann hieven wir den Sattel von Max und lassen ihn gehen. Als wir alle entladen haben fällt kein Tropfen mehr vom Himmel und der starke Wind hat sich gelegt. Auch die bösen Wolken ziehen in Richtung Südwesten ab. „Meinst du es ist vorbei?“ ,fragt Tanja. „Keine Ahnung. Kann ich mir zwar nicht vorstellen aber so wie es aussieht ist es glatt um uns herumgezogen und hat uns verschont. Es kommt mir irgendwie so vor als wäre es eine Übung für den Ernstfall gewesen,“ antworte ich und hoffe den Ernstfall nicht wirklich erleben zu müssen. Es ist erst 12 Uhr mittags als sich wieder alles beruhigt hat. Die Blitze zucken in weiter Entfernung über den Dünen und ihre polternden Entladungen klingen nicht mehr bedrohlich. Ich ebne den Dünenhöhepunkt mit der Schaufel für unsere Küche und habe von hier oben einen fantastischen Rundblick. Nun wieder schwitzend ziehe ich meine dünne Regenjacke aus und hänge sie in den nahen Busch. Tanja befindet sich mit unseren Wüstentieren auf der Nachbardüne links neben mir. Unsere Jungs fressen gierig an den Büschen während Rufus seiner Lieblingsbeschäftigung nach geht und Echsen jagt. In den Atempausen richte ich mich auf um wieder und wieder den traumhaften Rundblick zu genießen als ich plötzlich auf eine neue Wolkenfront aufmerksam werde die sich uns in rasender Geschwindigkeit nähert. Der Wind bläst jetzt aus Nordöstlicher Richtung während die Wolkenfront genau aus der entgegengesetzten Himmelsrichtung heraneilen. Gebannt verharre ich in meiner Bewegung und versuche abzuschätzen ob es das Wetter diesmal ernst meint. Wieder durchzucken grelle Lichtpfeile den Horizont, doch nur Augenblicke später setzen sie sich vom Horizont ab und rasen in irrem Tempo auf uns zu. Der Wind bläst plötzlich seine kräftigen Böen über den Dünenrücken, so dass mir das vom Schwitzen durchnässte Hemd eiskalt auf der Haut klebt. Sand fliegt durch die Luft und unsere Klappstühle fallen um. Wie elektrisiert fallen meine Blicke auf Tanja die immer noch auf der anderen Düne unsere Kamele hütet. „Tanja! Tanja!“ ,brülle ich meine Hände wie einen Trichter vor den Mund nehmend. Durch den wiedereinsetzenden Regen, dem Wind und den tiefen, bösen Grollen des lauterwerdenden Donners kann sie mich nicht hören. Gut wäre es jetzt die Funkgeräte zu besitzen. Ich könnte ihr sagen sie soll die Kamele so schnell als möglich festbinden und ins Lager kommen bevor uns der Himmel auf den Kopf fällt. Wie wild winke und rufe ich bis sie zufälliger Weise in meine Richtung blickt. Ich ziehe mit meiner Hand einen imaginären Kreis in die Luft, deute danach sieben Mal in verschieden Richtungen und winke zum Schluss meiner Zeichensprache zu meiner Düne. Tanja scheint tatsächlich zu verstehen. Da der Wind aus ihrer Richtung kommt höre ich die Wortfetzen: „Ich schaffe es nicht alleine,“ worauf ich augenblicklich alles stehen und liegen lasse, um ihr zur Hilfe zu stürmen. Als ich den Dünenhang auf der anderen Seite hoch renne haben die tieffliegenden Wolkentürme ihre Schleusen geöffnet und ich bin trotz meines Regenanzuges bis auf die Haut durchnässt. Die Temperaturen sind drastisch gefallen und ich friere plötzlich derart, dass jede Bewegung schwer fällt. Tanja kommt mir mit Sebastian, Hardie und Jasper entgegen die sie provisorisch aneinandergebunden hat. „Die anderen sind auf der anderen Seite der Düne,“ ruft sie mir zu. Ich eile zu Jafar der am schwersten zu führen ist, schnappe mir sein Führungsseil und zerre ihn hinter mir her. Istan und Edgar fressen an einem Baum etwa 20 Meter weg von mir. Da Istan einen ausgeprägten Herdeninstinkt besitzt rechne ich damit das er und dann auch Edgar mir folgen. „Wuuummm erbebt der Boden von einem Blitzeinschlag gefährlich nahe getroffen. Wuuummm! Wuuummm! Wuuummmmm, entlädt sich die Urkraft der Erde über uns das wir nur noch beten können nicht von einem der gleißenden Energieströme ausgelöscht zu werden. In dem Moment in dem wir den Dünenhang zu unserem Camp hoch stapfen bemerkt Istan das seine Mates nicht mehr da sind. Wie in Panik galoppiert er uns hinterher. Edgar der auch nicht alleine bleiben möchte folgt ihm in rasendem Tempo worauf wir es uns sparen können auch noch die zwei Nachzügler zu unserem Lager holen zu müssen. „Wo soll ich die Drei anbinden?“ ,frage ich schlotternd vor Kälte. „Auf der anderen Seite der Düne, da befindet sich eine Baumgruppe. Ich denke das ist ein guter Platz,“ antwortet Tanja die versucht ihr Gesicht vor dem peitschenden Regen zu schützen. Mit steifen Gliedern krabble ich in das nasse Unterholz und binde einen nach dem anderen fest. Dann renne ich wieder zu Tanja die gerade Hardie an einem Bum anknotet. „Das Regenzeugs ist anscheinend völlig im Eimer. Es hält überhaupt nicht mehr trocken,“ fluche ich laut. „Ich bin auch klatsch nass,“ sagt Tanja zitternd. „Schnell ins Zelt,“ rufe ich als wieder ein Blitzstrahl durch den Himmel saust und mit erschütterndem Lärm in eine der vielen Nachbardünen Dünen donnert. Tanja zieht sich im peitschenden Regen nackt aus und schlüpft in unser kleines Zelt. „Kannst du mir den Ortliebbeutel mit den Schlafsäcken und Isomatten in die Apside reichen?“ ,ruft sie. „Ja,“ antworte ich und hole den Seesack. Blitzschnell öffnet sich der Reißverschluss und ihre Hand greift nach dem wasserdichten Sack. Während Tanja im Zelt die Isomatten ausbreitet und die Schlafsäcke auslegt hämmere ich die Sturmverspannungen unseres Heimes in den weichen Sand. Dann ziehe auch ich mich aus und schlüpfe nass wie ich bin ins Zelt. Ich muss über den mit Sand verklebten, schlotternden Rufus steigen der ängstlich dreinblicken auf seinem Schlafsack liegt und nicht weiß was um ihn geschieht. „Wir wissen auch nicht was da auf uns zukommt mein Freund,“ sage ich und tätschle sein Fell als ich über ihn klettere. Tanja reibt mir mit einem Handtuch sofort mein tropfendes Haupt trocken. Wieder zerreißt eine Explosion die Atmosphäre worauf wir uns am liebsten tief im Sand vergraben würden. „Gut das wir und die Kamele auf einer Düne sitzen. Auf diese Weise können wir wenigstens nicht ertrinken,“ meint Tanja. Wir liegen beide auf dem Rücken und haben unsere Augen auf den Zelthimmel geheftet. Grelle Blitze erscheinen hier drinnen als eine gedämpftes Aufflackern. „Ob uns einer der Blitze hier auf der Düne erwischen kann?“ ,fragt Tanja leise. „Ich weiß nicht. Die Dünentäler liegen nur 10 Meter tiefer. Außerdem gibt es hier unzählige von Dünenkämmen und Rücken das es ein schlechter Zufall sein muss von einem der Blitze getroffen zu werden. Aber auf der anderen Seite sterben in Australien weit mehr Menschen im Jahr durch Blitzschlag als durch Schlangenbisse. Sollte uns allerdings einer der Energieströme treffen werden wir davon nichts mehr mitbekommen,“ antworte ich worauf das Unwetter mit einem tiefen, langgezogenen Grollen antwortet.
Lebst du noch?
„Hast du das gehört?“ ,fragt Tanja. „Ja.“ „Was war denn das?“ „Keine Ahnung.“ „Klang als ob eines der Kamele die Düne abgestürzt wäre.“ „Hm.“ Minuten später vernehmen wir wieder das seltsame Trommeln und rumpeln auf dem nassen Dünenboden und können uns nicht erklären woher dieses fremdartige Geräusch herrührt. Es ist 14 Uhr am Nachmittag und das Unwetter hat in seiner Heftigkeit um nichts nachgelassen. Wir liegen Arm in Arm auf unseren Schlafsäcken und sind den Urgewalten wehrlos ausgeliefert. In unserer Angst den morgigen Tag vielleicht nicht mehr zu erleben kuscheln wir uns aneinander und verlieren uns in einer anderen Welt. Um 15 Uhr hört es zu regnen auf. Wir krabbeln aus unserer schützenden kleinen Burg und atmen die reingewaschene Luft. Wolkenbänder zieren sich wie ein überdimensional großer Kranz über uns. Blitze jagen durch eine entfernte, massiv aussehende Wolkenfront die sich wie eine unaufhaltsame Lawine weiter und weiter ins Land hineinbewegt und endlose Energie zu Verfügung hat. Ich stehe im nassen Sand und filme die vom Regen gepeitschte Natur. „Denis! Oh Gott Denis! Hardie ist tatsächlich abgestürzt!“ ,erschreckt mich Tanjas Hilferuf. Tatsächlich hängt der arme Kerl mit dem Kopf nach unten die Sanddüne hinunter. „Hardie. Oh weh Hardie. Lebst du noch?“ ,rufe ich und haste die Düne herab. „Er atmet noch,“ sage ich erleichtert. Sofort springe ich zu seinen Füßen die mit den Hoppeln zusammengebunden sind. An den Hoppeln ist das Hüterseil geknotet dessen anderes Ende an einem Eukalyptusbaum hängt. Hardie muss aus irgendwelchen Gründen gestolpert sein und ist kopfüber die Düne hinuntergepurzelt. Das am Baum und seinen Hoppel befestigte Seil hat seinen Sturz gebremst und nun hängt er daran wie ein Fisch zum trockenen an der Leine. Er hat nicht die geringste Chance sich aus dieser misslichen Situation selbst zu befreien. „Du musst das Seil abschneiden,“ meint Tanja. „Ich versuche erst mal seine Hoppeln zu öffnen.“ „Aber dann ist er frei und kann davonlaufen.“ „Haben wir noch ein Ersatzseil?“ „Ja, komm mach schnell und schneide es ab.“ Vergeblich versuche ich die Hoppeln zu öffnen. Zu stark ist das Gewicht was daran hängt. Eilig laufe ich die Düne hoch und hole mein Taschenmesser. Es hängt an der klitschnassen Hose die im Vorzelt liegt. Kaum halte ich es in den Händen schneide ich das wertvolle Seil direkt am Knoten ab. Hardie bleibt trotzdem stocksteif liegen und jagt uns einen fürchterlichen Schrecken ein. „Er wird sich doch nichts gebrochen haben?“ ,meine ich ängstlich und greife die an seinem Halfter befestigte Führungsleine. „Epna Hardie. Komm du bist wieder frei. Epna,“ befehle ich worauf er zu strampeln beginnt und wider auf die Beine kommt. Uns fällt wie so oft in den letzten Monaten ein Stein vom Herzen. Langsam führe ich Hardie die Düne hinauf und binde ihn an einen anderen Eukalyptusbaum der nicht so knapp an einem abfallenden Dünenhang wächst. Ich streichle seinen Kopf und sehe seine rot unterlaufenen Augen. Kein Wunder das ihm das Blut in den Kopf geschossen ist, denn er lag mindestens 1 ½ Stunden mit dem Haupt nach unten auf dem nassen Sand.
Kaum haben wir Hardies Leben gerettet zieht sich der Wolkenkreis wieder über uns zusammen. Wir stehen auf dem Sandberg und fühlen uns als Besucher eines Imax Kinos. Überall blitzen die grellen Lichtlinien durch eine heranrasende, hungrige und hochaggressive Wolkenwand. Die nächste Woge des Unwetters rollt über unsere Häupter. Wie ein wildgewordener Dämon schleudert es sein Feuerpfeile, die direkt vor unseren Augen die Luft zerreißen. Urgebrüll aus den Tiefen des Universums bebt über den Dünen. Sterbende, zu tote getroffene Monsterwesen bäumen sich mit ohrenbetäubendem Krach noch einmal auf. Mit letzter Kraft schwingen sie ihre Schwerter durch die Wolkentürme und zerteilen den Horizont. Feuer speit und zuckt aus den Rachen der Aggression. Tödliche Rache erschüttert den Boden und scheint ihn zu spalten. Fassungslos, mit verwirrten Sinnen stehen wir da und werden Zeugen einer in sich explodierenden Gewalt. Einer Gewalt die grausam und schrecklich wirkt. Einer Gewalt die aber auch faszinierend und ungeheuerlich anzusehen ist. Als die sich bekämpfenden übermenschlichen Urwesen beginnen ihre Wunden mit Sturzbächen und Sintfluten zu lindern flüchten wir ohne gegessen zu haben in unsere lächerliche Stoffbehausung und beten inbrünstig nicht von einem der vernichtenden Schläge getroffen zu werden.
Eine Stunde später weht wieder kein Lüftchen bis die nächste Welle der Vernichtung, der Urgewalt die im Herzen von Australiens Outback zu Hause ist über uns hernieder prasselt. Bis am Morgen rasen etwa 20 bis 25 Gewitterwellen über die Wüste, über unser Camp und über unser kleines Zelt.