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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Bin ich ein ungeduldiger Mensch?

N 22°46’01.0’’ E 126°52’32.4’’
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    Tag: 114 Etappe Zwei

    Sonnenaufgang:
    05:07

    Sonnenuntergang:
    17:33

    Temperatur - Tag (Maximum):
    35 Grad

    Breitengrad:
    22°46’01.0’’

    Längengrad:
    126°52’32.4’’

Gewitterfront-Camp — 07.10.2001

Nach einem 13 Stunden langen Aufenthalt in unserer Luxusbehausung treten wir einen neuen Tag entgegen. Der erste Blick fällt auf die dunkle Horizontlinie deren Zacken aussehen wie die Reißzähne eines wilden brunftigen Kamelbullen. Das ferne Grollen des Donners hört sich mit etwas Fantasie an als würde dieser Bulle mich warnen nicht zu nahe zu kommen oder sagen: „Wo immer ihr seid ich werde euch erwischen.“ Mit ungutem Gefühl wende ich mich von dem düsteren Anblick ab. „Es ist noch nicht vorbei,“ sage ich zu Tanja die noch im Zelt liegt und sich gerade fertig macht, um unsere Kamele zu hüten. Um 8 Uhr 10 rufe ich Jo über Funk an. „Wir hatten eine furchtbare Nacht mit ungeheuer viel Regen. Ich weiß nicht ob Carl uns auf dem kleinen, jetzt aufgeweichtem Track, die Ausrüstung nachbringen kann die wir so dringend benötigen. Hast du etwas von ihm gehört?“ „Nein Denis. Ich glaube er ist immer noch in Port Hedland. Als ich vor kurzem sein Mobiltelefon angerufen habe war es erreichbar. Das heißt er ist mit Sicherheit noch nicht in Kunawarritji denn dort gibt es keine Verbindung zum Mobilnetz.“ „Das ist schlecht. Eigentlich sollte und wollte er letzten Freitag mit den Sätteln und unseren Lebensmitteln bei uns sein. Wir sitzen hier jetzt also fest. Ohne die Lebensmittel können wir unseren Marsch nicht fortsetzen. Ich habe einfach Bedenken das es weiter regnet und wenn dies geschieht kommt hier der beste Jeep nicht rein. Das würde für uns bedeuten wir müssen umkehren und unsere Ausrüstung selbst holen. Oh Gott, daran möchte ich erst gar nicht denken. Abgesehen davon kann ich mir vorstellen, dass diese gewaltigen Regenfälle wieder das gesamte Gebiet um Kiwirrkurra unter Wasser gesetzt haben. Wie sollen wir da bloß durchkommen? Wenn wir keinen Weg um die Seenlandschaft finden stößt die Expedition wiedereinmal an ihre Grenzen.“ „Es wird schon klappen Denis. Vielleicht kann Ray Ronchi etwas für euch tun. Vielleicht gibt es die Möglichkeit, dass er die Verpflegung und die Sättel von Kunawarritji abholt und euch raus bringt?“ „Ja das wäre eventuell eine Lösung. Wir sollten darüber nachdenken wenn Carl wieder in Kunawarriji ist und uns sagen kann wann und ob er kommt.“ „Ja, okay Denis. Ich versuche ihn gleich noch mal anzurufen.“ „Vielen Dank Jo.“

Nur 10 Minuten danach krächzt es wieder aus dem kleinen Lautsprecher. „Denis bist du auf Empfang?“ „Ja Jo.“ „Ich habe Cathy erreicht. Sie kommen erst nächsten Samstag zu euch.“ Ich kann es nicht fassen was Jo da eben gesagt hat. Wie gelähmt sitze ich einige Schrecksekunden vor dem Funkgerät, bis ich wieder meine Sprache gefunden habe. „Erst nächsten Samstag? Das bedeutet ja das wir hier eine gesamte Woche ausharren müssen. Jo, das ist unmöglich. Mit jedem Tag den wir hier herumwarten nähern wir uns der Regenzeit, wenn sie nicht jetzt schon begonnen hat. Es wird für uns einfach zu knapp. Wie gesagt, sollte es weiter regnen ist unsere Expedition gefährdet. Wir müssten hier den Winter verbringen und das schaffen wir nicht. Wir würden im Regen ohne Nahrung glatt eingehen. Wir müssen versuchen so bald als nur möglich Kiwirrkurra zu umgehen.“ „Ich verstehe Denis. Ich rufe Ray an. Vielleicht wird er euch helfen.“ Ja Jo vielen Dank. Übrigens Jo?“ „Ja Denis.“ „Ich kann nicht verstehen warum wir eine Superlative nach der anderen erleben. Ist doch eigenartig oder nicht? Ich weiß wir müssen noch viel in unserem Leben lernen aber das was wir hier erleben ist doch in der kurzen Zeit etwas viel. Ich fühle mich wie in einer Waschmaschine, einmal unten einmal oben.“ „Es ist das Gleiche wie die Goldgewinnung. Um reines Gold zu haben wird es so lange erhitzt bis sich all das andere Gestein und anderen Metalle davon lösen. Gott lässt euch einfach etwas kochen bis ihr wie reines Gold seid.“ „Das ist eine schöne Erklärung Jo. Vielen Dank. Ich hoffe nur Gott dreht den Regler nicht zu hoch und wir verkochen in dieser Suppe.“ „Gott weiß genau wie weit er gehen kann Denis.“ „Klar davon bin ich auch überzeugt. Es ist ja auch ein wunderschönes Leben hier draußen, doch manchmal ein bisschen hart.“ „Ich weiß Denis.“ Im weiteren Verlauf des Gespräches erzähle ich ihr wie unglücklich ich darüber bin auf einige meiner Emails keine Antwort bekommen zu haben. „Ich mache mir Gedanken Jo ob ich mit meinem letzten Update nicht einige Leute verkrault habe. Aber ich musste es schreiben. Es war nichts als mein Gefühl und die reine Wahrheit. Kannst du bitte mal in Deutschland anrufen und nachfragen ob meine Emails angekommen sind? Vielleicht klappt ja was mit der Übertragung nicht. Es ist wichtig. Es wäre für mich sehr schmerzhaft zu wissen, dass man uns den Rücken zugekehrt hat. Wir brauchen die moralische Unterstützung von draußen, um das hier durchzustehen. Ich kann es fertig bringen die Expedition zu meistern aber ich würde unter der jetzigen Situation an einem Konflikt oder den Verlust von den uns liebenden Menschen schrecklich leiden.“ „Kann ich verstehen Denis. Ich weiß wie wichtig es ist auf solch einer Expedition Familie und Freunde im Hintergrund zu wissen. Ich rufe sofort an.“ Wieder 10 Minuten später höre ich Jos Stimme am Funkgerät. „Denis ich habe mit ihm gesprochen. Er entschuldigt sich für die Verspätung nicht auf eure Email geantwortet zu haben. Er war die letzten Tage unterwegs, sendet euch aber seine Liebe. Es ist alles in Ordnung. Der Aufruf für den freiwilligen Beitrag wird noch heute in die Webseite gesetzt und er wird sofort auf eure Email antworten.“ „Vielen Dank Jo. Das ist eine wunderbare Nachricht. Ich bin total erleichtert,“ sage ich und beende nach einem weiteren längeren Gespräche den Kontakt. Gerührt sitze ich in diesem Augenblick in meinem Stuhl unter der Silberfolie und muss mich über mich selbst wundern. Erst vor wenigen Tagen hat sich eine Radiostation nicht pünktlich zur vereinbarten Zeit am Satellitentelefon gemeldet. Ich war sofort beunruhigt und wollte über die teure Satellitenverbindung den Sender anrufen. „Gebe ihnen doch noch 20 Minuten Denis. Du hast doch nichts zu verlieren oder?“ ,riet Tanja. Schon Minuten danach hat das Telefon geklingelt und die Radiostation war dran. An dem gleichen Tag bekam ich das letzte Update zurück welches ich erst vor wenigen Tagen in die Webseite gesendet hatte. Der Computer konnte es aus irgendwelchen Gründen nicht verschicken. Sofort wollte ich eine Email an unseren Freund schreiben der die Webseite für uns gemacht hat, um nachzufragen was da wohl schief laufen könnte. Eine innere Stimme hielt mich diesmal davor ab und ich lies Jo überprüfen ob das Update in der Webseite ist. Stunden später erzählte sie mir über Funk, dass die Webseite aktualisiert ist. Diesmal dachte ich von einem Familienmitglied verlassen worden zu sein nur um zu hören, dass er noch nicht dazugekommen ist sich zu melden. Ich mache mir also oft Gedanken um nichts und verderbe mir selbst damit den Tag oder den Augenblick. Ich grüble über mich selbst und stelle entsetzt fest, dass ich manchmal ein ungeduldiger Mensch bin. Ich bin jetzt 41 Jahre alt und bemerke erst jetzt diese unangenehme Charakterschwäche. Ist es die Wüste die es fertig bringt mich selbst besser kennen zu lernen? Ohne Zweifel ist es diese endlose Wüste und diese ewige Einsamkeit die das Innere eines Menschen nach außen kehrt. Was steckt noch in mir? Welche lästigen Eigenschaften haben sich da im Laufe der Jahre eingeschlichen? Hätte mir vor wenigen Wochen jemand gesagt: „Denis du bist ein ungeduldiger Mensch,“ hätte ich ihm glatt den Vogel gezeigt. Ich blicke von meinem kleinen Schattenplatz über das Dünenmeer und bin über meine soeben festgestellte Ungeduld fassungslos. Wie bekomme ich das bloß wieder los? Sofort stehe ich auf um Tanja zu fragen die unter einen anderem Busch sitzt und an einem wunderschönen Bild malt. „Sag mal Tanja, glaubst du ich bin ein ungeduldiger Mensch?“ Sie sieht mich lachend an und antwortet: „Ja mein Liebling, manchmal schon. Ich habe dich schon oft darauf hingewiesen aber du hast nie zugehört.“ „So ein Mist. Da muss ich dran arbeiten. Ich werde es ändern. Ich will es sofort wieder los haben. Am besten in diesem Augenblick,“ sage ich worauf wir beide herzhaft lachen.

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