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E-Bike-Expedition Teil 3 China - Online-Tagebuch 2015-2016

In den Höhlen der Machtgründung

N 36°35’0.79’’ E 109°29’28.0’’
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    Datum:
    24.11.2015 bis 25.11.2015

    Tag: 149-150

    Land:
    China

    Provinz:
    Shaanxi

    Ort:
    Yanan

    Breitengrad N:
    36°37’31.1’’

    Längengrad E:
    109°25’20.0’’

    Gesamtkilometer:
    11.010 km

    Maximale Höhe:
    1.100 m

    Gesamthöhenmeter:
    10.983 m

    Sonnenaufgang:
    07:27 Uhr bis 07:28 Uhr

    Sonnenuntergang:
    17:29 Uhr

    Temperatur Tag max:
    7 °C

    Temperatur Tag min:
    minus 4 °C

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

Es ist ein eigenartiges Gefühl in der Höhlenwohnung zu stehen, in die sich Mao Zedong, der spätere Staatspräsident der Volksrepublik China, nach seinem langen Marsch flüchtete. Das von Kleinkriegen gebeutelte China war der Nährboten für den großen chinesischen Bürgerkrieg der 1927 begann und 1949 endete. Während dieses chinesischen Bürgerkrieges zog sich 1934 das bedrohte Heer der Kommunistischen Partei Chinas unter der Führung von Mao Zedong, vor der 500.000 Mann starken Streitkraft Chian Kai-Sheks zurück. Durch diese Flucht, die später als der lange Marsch in die chinesische Geschichte einging, rettete sich Mao, seine Offiziere und Soldaten vor der unweigerlichen Einkesselung die kurz bevorstand. Innerhalb von 370 Tagen und 12.500 Kilometer überquerten Maos Truppen unwegsames Gelände. Auf ihren Weg raubten sie den Besitz und die Waffen lokaler Kriegsherren. Sie zogen Kleinbauern und arme, mittellose Bürger ein, mit denen sie versuchten die durch Erschöpfung, Krankheit, Unterernährung, Fahnenflucht und durch militärische Verluste unaufhörlich wegsterbenden Soldaten zu ersetzen.

Trotzdem erreichten von einst 90.000 Soldaten nur 7.000 das Ziel Yan’an. Laut Überlieferung ließ sich der starke Mao Zedong nahezu die gesamte Strecke in einer eigens für ihn konstruierten Sänfte tragen. Wer weiß wie viele seiner Träger dabei ihr Leben lassen mussten.

In den abgelegenen, schwer zugänglichen Bergen um Yan’an, war der kleine Haufen einer einstigen Armee vor seinen Verfolgern einigermaßen sicher. Mao, der spätere Staatspräsident der Volksrepublik China, seine rechte Hand Zhou Enlai, Premierminister der Volksrepublik China von 1949 bis 1976, Zhu De, Oberkommandierender der chinesischen Volksbefreiungsarmee, und die damalige gesamte kommunistische Führung nutzten diesen Ort zwischen 1935 und 1948 als ihr Hauptquartier in dem sie sich neu organisierten und erstarkten.

Der in den Löss gegrabene Raum wirkt nüchtern und einfach. Ich stehe vor einem simplen Holzschreibtisch, an dem der Mann bewusst oder unbewusst daran arbeitet die absolute Macht Chinas an sich zu reißen. Sicherlich hatte damals keiner nur im Traum daran gedacht, dass hier ein Mensch saß der im Laufe seines Lebens durch entsetzliche Fehlentscheidungen und Machthunger den Tod von bis zu 76 Millionen Landsleuten hauptsächlich mit zu verantworteten hatte. Keiner hätte geglaubt, dass er alle, die ihn einmal einen Diktator nennen werden, mit den Worte verspottet: „Der vor 2000 Jahren lebende gelbe Kaiser Qinshihuang hat 406 konfuzianische Gelehrte lebend begraben lassen. Wir haben einige Hunderttausend Konterrevolutionäre unter die Erde gebracht. Mehr als 46 000 Intellektuelle waren darunter. Wer mich als Qinshihuang beschimpft, hat Recht. Nur – ich bin hundert Mal schlimmer.“

Li Rui war 67-Jahre Parteimitglied, Ex-Vizeminister und ZK-Mitglied und für kurze Zeit Sekretär von Mao Zedong. Laut seiner Aussage habe sich Mao mit den Worten gebrüstet: „Ich bin der Gelbe Kaiser und Marx in einer Person.“

Wer hätte damals daran gedacht dass, die Kommunistische Partei Chinas, die KPCh, die 1929 gegründet wurde 86 Jahre später noch immer die absolute Macht ausüben würde. Das diese Partei im Jahre 2015 über 78 Millionen Mitglieder haben würde und so die mit Abstand mitgliedstärkste kommunistische Partei des 21. Jahrhunderts und die zweitgrößte politische Partei der Welt sein würde.

Wen interessiert es heute noch, dass laut Maos eigenen Aussagen die Finanzierung der Partei zu 40 Prozent aus dem großangelegten Mohnanbau und somit aus dem Drogenhandel kam.

Während einer Revolution sind offenbar alle Mittel recht auch wenn dabei unzählige Menschen durch Drogen sterben, denke ich mir und betrachte das Bild von Mao wie er am Schreibtisch sitzt und sich in Kalligraphie übt. Ich bleibe davor stehen und kann einfach nicht begreifen warum in China noch immer so viele Menschen einen Mann verehren der sein ganzes Volk quälte, einen beachtlichen Teil davon umbrachte und auf Grund seiner unbeschreiblichen Verbrechen viele Familien bis heute traumatisiert sind. Nur wenige trauen sich darüber zu sprechen. Nur wenige Überlebende der damaligen Verfolgungen gehen mit ihrem Wissen an die Öffentlichkeit.

Für mich ist es ein Rätsel warum sich noch heute hunderttausende von chinesischen Touristen vor den Bilder und Statuen eines geschichtsträchtigen Massenmörders fotografieren lassen. Haben sie vergessen wie die Generationen des 20. Jahrhunderts unter diesem Mann gelitten haben? Haben sie vergessen welches unbeschreibliche Leid dieser Mann über das Land und sein Volk gebracht hat?

  • Nach dem US-amerikanischen Politikwissenschaftler Rudolph Joseph Rummel sind in den Jahren von 1949 bis 1953, in der Zeit der Machtfestigung und von der Partei durchgeführten Enteignungen, 8.427.000 Todesopfer zu beklagen.
  • Der Großer Sprung nach vorne (1958–1961) war eine weitere Kampagne Maos mit der er sein Land auf schnellsten Weg zu einer industriellen Großmacht katapultieren wollte. Das Resultat dieser unüberlegten Aktion löste die größte Hungersnot der Menschheitsgeschichte aus die nach Schätzungen bis zu 45 Millionen Todesopfer forderte.
  • 1966 startete Mao die große Proletarische Kulturrevolution in der er Kinder und Jugendliche aufforderte ihre Eltern als Konterrevolutionäre und Rechtsabweichler zu denunzieren. Daraufhin schwänzten sie die Schulen und Universitäten. Sie zerstörten über zehn Jahre hinweg Kulturdenkmäler, Tempel, Bibliotheken und Museen. Die jungen Menschen erhoben sich über Leben und Tod und misshandelten massenhaft Menschen und brachten viele um. Dabei schreckten sie auch nicht zurück ihre eigenen Eltern zu verraten, die dann geschlagen, gefoltert, verbannt und manchmal sogar getötet wurden. Vor allem Lehrer, Ärzte, Künstler, Mönche und Politiker wurden teils bis in den Tod verfolgt. Das Resultat war die nachhaltige Zerstörung Chinas alter Kultur und ca. 7.731.000 Tote.
  • Wissenschaftler schätzen die Zahl der Opfer unter Mao Zedongs Führung auf insgesamt bis zu 76 Mio. Toten.

Das Verblüffende für mich ist, dass erst nach Maos Tod, im Jahre 1976, diese schreckliche Kulturrevolution offiziell beendet wurde. Auch ist schwer zu verstehen, dass so ein Mensch, laut dem Time Magazin, es schafft, als einer der 100 wichtigsten Personen des 20. Jahrhundert bezeichnet zu werden, oder das der Kommunist Mao, der Geld gerne abgeschafft hätte, heute als Gott des Geldes gilt und sein Konterfei uns vom Ein-Yuan-Schein bis zur höchsten 100 Yuannote anblickt.

Ich stehe in dieser feuchten Felsenhöhle, blicke auf Maos Bücherregal, auf die Thermoskanne, Schüsseln und die einfache Glühbirne, die diesen Raum erhellt und spüre wie sich mir die Haare aufstellen. Das alles ist nicht lange her. Ein Zeitalter in dem Diktatoren die Menschheit in unglaublicher Weise geißelten und ihr Volk umbrachten. Diese furchtbare Liste von Diktatoren wird von Mao Zedong angeführt der laut dieser Liste für den Tod von 77.692.000 Menschen verantwortlich gemacht wird, gefolgt wird er von Josef Stalin, der 42.672.000 Menschen auf dem Gewissen hat, weiter geht es mit Adolf Hitler auf dessen Konto 20.946.000 Todesopfer gehen. Dann kommt Maos Widersacher Tschiang Kai-Shek mit 10.214.000 Toten, Wladimir Lenin mit 4.017.000 Toten, Hideki Tojo mit 3.990.000 Toten, der ehemalige Mönch Pol Pot mit 3.000.000 Toten usw.

Verwirrt, nachdenklich und durcheinander verlassen wir das einstige Hauptquartier der KPCh, der Kommunistische Partei Chinas. Auf dem Rückweg zu unserer Unterkunft sprechen wir kaum und hängen unseren Gedanken nach…

(Einige der Opfer der Kulturrevolution wurden später von der KPCh entschädigt und rehabilitiert. Sicherlich ist dieses Thema noch lange nicht abgeschlossen. Wie auch in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg viel aufzuarbeiten war und bis heute noch ist, trifft die Vergangenheitsbewältigung viele Staaten in denen Unrecht geschah.)

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