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E-Bike-Expedition Teil 3 China - Online-Tagebuch 2015-2016

Im Zentrum der Verkehrshölle

N 30°40’51.0’’ E 104°03’23.2’’
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    Datum:
    27.02.2016

    Tag: 243

    Land:
    China

    Provinz:
    Sichuan

    Ort:
    Chengdu

    Breitengrad N:
    30°40’51.0’’

    Längengrad E:
    104°03’23.2’’

    Tageskilometer:
    84 km

    Gesamtkilometer:
    12.819 km

    Luftlinie:
    81.47 km

    Durchschnitts Geschwindigkeit:
    19.9 km/h

    Maximale Geschwindigkeit:
    42.9 km/h

    Fahrzeit:
    4:13 Std.

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Maximale Höhe:
    500 m

    Gesamthöhenmeter:
    25.392 m

    Höhenmeter für den Tag:
    280 m

    Sonnenaufgang:
    07:34 Uhr

    Sonnenuntergang:
    18:59 Uhr

    Temperatur Tag max:
    19°C

    Temperatur Tag min:
    12°C

    Aufbruch:
    11:00 Uhr

    Ankunftszeit:
    15:00 Uhr

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

Heute geht es endlich in die Provinzhauptstadt Chengdu, eine Metropole die mit ihrem weiten Umland 14 Millionen Einwohner besitzt. Das Wetter wird zusehend wärmer. Gestern waren es bereits 15 Grad und heute soll das Thermometer sogar auf 19 bis 21 Grad klettern. In der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator hat es zurzeit minus 19 Grad und in der Stadt Erenhot, an der mongolischen, chinesischen Grenze, liegen die augenblicklichen Temperaturen bei minus 17 Grad. Obwohl es in den letzten Monaten oft recht kalt war, haben wir es bis auf wenige Ausnahmen geschafft, dem wirklichen Winter von Temperaturen unter minus 20 Grad davonzufahren. Trotz des zunehmenden Verkehrs genießen wir die heutige angenehme Wärme. Als wir den zweiten, von drei Stadtringen, erreichen, wird der Verkehr zur Hölle. Wir fahren im reißenden Strom der Räder und hunderten von Fußgängern. Hatte ich schon bei der Einfahrt in die Großstadt Xi’an vom überlebensnotwendigen Flowmodus gesprochen, ist er hier erneut gefragt. Das Problem ist nur, dass man den Flowmodus nicht unbedingt zu jeder Zeit abrufen kann. Er kommt oder er kommt nicht. Das hängt von der augenblicklichen inneren Ruhe und Einstellung zur Situation ab. Irgendwie habe ich das Gefühl nicht in meiner Mitte zu Ruhen. Der Stresslevel ist unbeschreiblich und scheint sich noch weiter, Kilometer für Kilometer, zu steigern. Ich habe den Eindruck mich mitten im Chaos eines Ameisenhaufens zu befinden, nur dass ich keine Ameise bin. Es fällt mir schwer mich dem Wabern und Pulsieren der durcheinander rauschenden Elektroroller, Fahrräder und Rikschas anzupassen. Irgendwie weiß ich heute nicht wohin ich zu erst blicken soll. Mein Gehirn, zur äußersten Konzentration auffordernd, geht es dahin. Es fühlt sich so an, als befänden wir uns in einem reißenden Fluss, dessen gnadenloser Sog uns nicht die geringste Chance lässt und uns einfach fortspült. Die Hupkonzerte klingen in unseren Ohren, betäuben uns nahezu. Unser Fahrstreifen ist für Fahrräder und Mopeds gedacht, wird aber genauso von Fußgängern genutzt. Sie laufen da, als handelt es sich um einen Promenadenweg auf dem man am Sonntagnachmittag mit seinem Hund Gassi geht. Die Menschen scheinen derart abgestumpft zu sein, dass sie trotz des unaufhörlichen Hupkonzerts nicht nach links oder rechts schauen. Sie gehen einfach zwischen den lautlos dahin surrenden Mopeds hindurch, die mit hoher Geschwindigkeit dahinsausen. Lautlos deswegen, weil die Meisten mit Elektromotoren ausgerüstet sind. Immer wieder werden wir überholt. An einer roten Ampel kracht einer von ihnen in Tanjas Anhänger. „Nichts passiert!“, ruft sie mir zu. Vor mir stoßen zwei Mopeds zusammen, weil einer von ihnen so wahnsinnig ist, gegen diesen reißenden Strom zu fahren. Keiner von beiden ist gestürzt. Sie schreien sich wild gestikulierend an und rasen weiter. Plötzlich landen wir inmitten großer Menschenmassen, die mit ihren Koffern unterwegs sind. So wie es aussieht befinden wir uns an einem zentralen Busbahnhof. Ein Reisender läuft vor mir und versperrt uns den Weg. Ich werde so langsam, dass ich ins Schwanken gerade und vom Rad stolpere. Nichts passiert. Der Mann dreht sich nicht einmal um, läuft einfach weiter und hindert nun eine ganze Armada, von teils schwer beladenen Zweirädern, am Weiterkommen. Unzählige von menschlichen Wesen tummeln sich nun mit ihren Koffern auf der Fahrbahn bis alles, auch der Straßenverkehr kurzfristig zum erliegen kommt, so dass man meinen könnte jetzt hat der Verkehr einen Infarkt erlitten. Polizisten pfeifen wie wild, versuchen Ordnung in das Knäuel zu bekommen, von dem wir ein winziger Teil sind. Ich sende ein Stoßgebet in den Himmel. „Lieber Gott lass uns da bitte, bitte, heile herauskommen.“ Dann geht es weiter, in der gleichen Hektik, mit dem gleichen Stress. Nie hätte ich gedacht einmal in meinem Leben in so einen Irrsinn hineinzugeraten, noch dazu mit einem schwer beladen Fahrrad und Anhänger. „Suuschscht“, höre ich nur, als einer der Elektroroller dicht vor meinem Vorderreifen die Spur quert. Er kam von rechts aus einer Einfahrt und ist nach links in den Verkehrsstrom geschossen. Es ging so schnell, dass mein Körper nicht mal zu einer Reaktion in der Lage war. Nichts geschehen, weiter geht’s. An einer Kreuzung sagt mein GPS nach links abzubiegen. Als ich mich umdrehe ist von Tanja nichts mehr zu sehen. „So ein Mist. Hoffentlich hat sie keiner der Irren vom Rad geholt“, geht es mir durch den Kopf. Nun auf der anderen Seite der großen Kreuzung stehend, blicke ich nervös hinüber und hoffe Tanja zu erhaschen. Sie kommt nicht. Busse und Lastwägen nehmen mir die Sicht. Autos hupen und zwingen mich ein Stück weiterzufahren. „Oh Gott, lass nichts passiert sein“, bete ich zum zweiten Mal in kurzer Zeit, und dies ist tatsächlich ein Moment an dem einen das Beten nicht schwer fällt. Auf einmal sehe ich einen Helm, dann eine lilafarbene Jacke. Yes! Tanja sitzt auf dem Rad und hat die Kreuzung erreicht. „Vielen Dank“, pruste ich und spüre mein Herz vor Aufregung rasen. „Tanja! Hier bin ich! Hier!“, brülle ich über die Kreuzung. Sie kann mich nicht hören. Bleibt stehen und blickt in die falsche Richtung. Klar, woher soll sie wissen, dass ich abgebogen bin. Sie hat kein GPS am Lenker. „Hier bin ich! Hier!“, brülle ich weiter und habe Bedenken sie könnte weiterfahren oder in eine andere Straße abbiegen. Aber sie bleibt stehen und sieht in alle Richtungen, nur nicht in meine. Ich sehe wie sie zum Smartphone greift und mich anruft. Es klingelt. Schnell hole ich mein Telefon aus der Lenkertasche. Wegen meinen Handschuhen habe ich Probleme den Anruf entgegen zu nehmen. Immer wieder versuche ich mit dem Zeigefinger über das Display zu streifen aber es reagiert nicht. Plötzlich hört es zu klingen auf. Ich bin gerade im Begriff ihre Nummer zu wählen, als sie zu mir hinüber blickt. Ein paar Chinesen habe sie auf mich aufmerksam gemacht. „Ein hilfsbereites Volk“, denke ich. Nach weiteren fünf Minuten hat es Tanja, gemeinsam mit mehreren hundert Fußgängern geschafft, die Straße zu überqueren. „Ein Auto hat mich geschnitten und vor mir angehalten. Er hat mich einfach ausgebremst und dann warst du schon weg“, erklärt sie. „Egal, Hauptsache dir ist nichts geschehen“, antworte ich, worauf wir unseren Höllenritt fortsetzen. Fünf Kilometer weiter halten wir schnaufend am Seitenstreifen an. Der Verkehr ist hier ruhiger. Anscheinend haben wir das Schlimmste hinter uns. „Nach den Koordinaten müsste hier irgendwo das Hostel sein“, sage ich. Tanja fragt ein paar junge Studentinnen. Sofort helfen sie und rufen bei der Unterkunft an. Dann zeigen sie uns die Richtung in der sie liegen soll. „Euch wird jemand entgegen kommen“, erklären sie sich verabschiedend.

An einer Brücke über einen Kanal, in dem stinkendes Abwasser dahinblubbert, steht Momo, eine junge Studentin die in dem Hostel arbeitet. Sie begrüßt uns freundlich und führt uns durch schmale Gassen in das Gewirr vieler alter Häuser. „Hier sind wir“, sagt sie auf Englisch auf das Haus deutend, in dem wir die nächsten Wochen wohnen werden, um unsere Ausreise nach Vietnam und Weiterreise durch China vorzubereiten. Schuschu, die Inhaberin und Linda, eine weitere junge Mitarbeiterin des Hauses, begrüßen uns äußerst freundlich. Ajaci springt aus seinem Wohnwagen und freundet sich mit den jungen Frauen sofort an. Schnell sind unsere Räder in den Innenhof gefahren und unser Gepäck in einem einfachen aber sauberen Zimmer mit Balkon untergebracht. „Puh, das war eine Fahrt“, schnaufe ich erleichtert. „Ja, war es und wir können danken sagen hier gut und noch dazu rechtzeitig angekommen zu sein“, antwortet Tanja befreit auflachend…

Wer mehr über unsere Abenteuer erfahren möchte, findet unsere Bücher unter diesem Link.

Die Live-Berichterstattung wird unterstützt durch die Firmen Gesat GmbH: www.gesat.com und roda computer GmbH http://roda-computer.com/ Das Sattelitentelefon Explorer 300 von Gesat und das rugged Notebook Pegasus RP9 von Roda sind die Stützsäulen der Übertragung.

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