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E-Bike-Expedition Teil 4 Vietnam - Online Tagebuch 2016-2017

Im Tal der Wolken und Erinnerung an den Vietnamkrieg

N 22°20’11.0’’ E 103°50’32.4’’
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    Datum:
    27.06.2016 bis 02.07.2016

    Tag: 366 – 371

    Land:
    Vietnam

    Ort:
    Sa Pa

    Breitengrad N:
    22°20’11.0’’

    Längengrad E:
    103°50’32.4’’

    Gesamtkilometer:
    17.382 km

    Maximale Höhe:
    1.550 m

    Gesamthöhenmeter:
    43.793 m

    Sonnenaufgang:
    05:22 Uhr bis 05:24 Uhr

    Sonnenuntergang:
    18:52 Uhr

    Temperatur Tag max:
    30°C

    Temperatur Tag min:
    23°C


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Faszinierende Wolkenformationen schweben an der dunkelgrünen, steilen Bergflanke entlang, die sich über 3.000 Meter in den Himmel streckt. Eine starke Böe lässt sie zerreißen, nur um sich Sekunden später erneut zu vereinen. Als würden unzählige Geistwesen die Macht ergreifen, jagen die Nebel wabernd, pulsierend und sich ständig verändern über die Berge, stürzen in die Täler, verschlingen die saftig grünen Reisterrassen, geben sie wieder frei, verschlucken das Städtchen Sa Pa, saugen jedes Haus, jede Hütte in sich ein und lassen es völlig von der Welt verschwinden. Dann gleißt ein heller Sonnenstrahl durch eine Ritze der weißgrauen Wand, trennt sie mit gnadenloser Kraft auseinander und öffnet den kurzen Blick auf bewirtschaftete Felder, durch die sich gelbbraune Pfade schlängeln. Neugierig folgen meine Augen, einer der sich aus dem Grün abhebenden Linien, die sich nach oben windet, um sich dann im dichten tropischen Urwald zu verlieren. Im tiefen Blau des Himmels, erstrecken sich die runden, mächtigen, nahtlos bewachsenen Erhebungen. Nur für Sekunden, dann legt sich das undurchsichtige Wolkentuch erneut über die nordvietnamesischen Berge. Das Schauspiel der dahinrasenden zornigen Wolken, die hier oben die absolute Macht besitzen, ist eine einmalige, ergreifende Aufführung die weltweit ihres Gleichen sucht. Gebannt blicke ich aus den großen Fenstern unseres Adlernestes, so nennen wir unser schönes Zimmer, welches über der Stadt thront und uns mit einem uneingeschränkten Blick über das vor uns liegende Tal und die dahinter aufragenden Gipfel beschenkt.

„Wir sind in Vietnam. Haben es doch tatsächlich mit unseren Rädern bis nach Südostasien geschafft“, geht es mir durch den Kopf. Die dahin ziehende Wolkenwand reißt wiederkehrend auf und gibt den dunklen Tropenwald frei. Meine Gedanken schweifen in die Vergangenheit. Zurück zu den furchtbaren Kriegen die fremde Mächte in dieses Land getragen haben.

Unter dem Vorwand christliche Missionen zu schützen griffen im Jahre 1858 französische Kanonenboote den Hafen von Danang und das Mekongdelta an. Weitere, für den Kolonialdienst eingesetzte Kriegsschiffe, befuhren den Parfüm-Fluss der durch die damalige Hauptstadt Hue fließt. Als Folge daraus musste Vietnam vier Jahre später Gebiete an die Franzosen abtreten und Vietnam wurde französische Kolonie. Im Zweiten Weltkrieg geriet 1941 ganz Indochina, und damit auch Vietnam, unter den Einfluss von Japan, die dann im März 1945 Indochina besetzten und der französischen Herrschaft ein Ende bereiteten. Noch im gleichen Jahr erklärten sich die Vietnamesen als unabhängige Republik, jedoch ging das Machtgerangel um das Südostasiatische Land weiter. Chinesen, Japaner, Briten und Franzosen, alle wollten ihren Einfluss geltend machen.

Letztendlich erzwangen die Franzosen am 23. September 1945, trotz eines Friedensvertrages mit den Viet Minh (Liga für die Unabhängigkeit Vietnams), die erneute Errichtung ihrer Kolonie, worauf die Chinesen und Briten sich zurückzogen und keine zwei Wochen danach französische Truppen in Saigon einmarschierten. Damit war der Indochinakrieg geboren, der von 1946 bis 1954 tobte und rund eine halbe Millionen Menschen das Leben kostete. Die weitere Folge daraus war das Vietnam in Nord und Süd geteilt wurde. Der Norden war kommunistisch und der Süden westlich orientiert.

Das Land und die Bevölkerung konnten sich nicht von dem Krieg erholen, da bereits 1955 bis 1964 der Bürgerkrieg zwischen Nordvietnam und Südvietnam ausbrach.

Südchinesisches Meer an der Küste von Nordvietnam. Patrouillenfahrt der USS Maddox: Übereifrige Soldaten sitzen am Sonargerät des Kriegsschiffes und verwechseln ein Wetterleuchten mit einem Angriff vietnamesischer Schnellboote die mit Torpedos auf ihre 115 Meter lange, 12 Meter breite, mit U-Boot-Abwehr, Maschinenkanonen und Torpedorohren schwer bewaffnete schwimmende Festung schossen. Der Kapitän gibt diesen Zwischenfall umgehend ans amerikanische Hauptquartier weiter. Der damalige US-Präsident Lyndon B. Johnson reagiert sofort und lässt Bomber vom Flugzeugträger Ticonderoga aufsteigen, um dem Zerstörer zur Hilfe zu eilen. Nur kurz nach dem Funkspruch meldete Kapitän Herrick: „Verrückte Wetterphänomene und übereifrige Jungs an den Sonargeräten machen Feindberührungen mehr als fraglich. Schlage genaue Untersuchung vor.“ Herricks Telegramme aber ändern nichts am Kurs des amerikanischen Präsidenten. Amerika, die Weltmacht, die sich auf die Fahne schreibt die Unschuldigen zu beschützen und die Hilfesuchend zu retten, befand sich auf Grund einer Fehlmeldung im schlimmsten und schmutzigsten Krieg nach dem zweiten Weltkrieg.

Nachdem Amerika den Krieg bewusst provozierte, hatte man sicher nicht damit gerechnet, dass er sich elf Jahre hinziehen und Amerika und die Welt verändern würde. Zweifelsohne hätte der damalige Präsident Johnson diesen Albtraum und die folgende Traumatisierung einer Weltmacht verhindert und das Problem auf friedlichen, diplomatischen Weg gelöst.

Die Grausamkeit, Sinnlosigkeit und der Irrsinn eines Krieges zeigt sich in den Folgen eines solchen menschlichen Versagens. Da ich mit meiner Recherche auf umfangreiche, bald endlos erscheinende Fakten und Daten stieß, anbei nur ein kleiner Auszug daraus:

Er forderte über drei Millionen Todesopfer, davon waren zwei Millionen Zivilpersonen, 58.220 US-Soldaten, 5.264 Soldaten ihrer Verbündeten und ca. 1,3 Millionen Soldaten des kommunistischen Nordens. 3 Millionen Menschen wurden verwundet und viele für immer verstümmelt. 12 Millionen Menschen verloren ihre Heimat, 3,3 Millionen Hektar Wald, und 3.000 vietnamesische Dörfer wurden mit hochgiftigen Entlaubungsmittel Agent Orange aus der Luft besprüht. Geschätzte 24.000 Quadratkilometer sind dauerhaft vergiftet. Weil das Dioxin Erbgutschäden verursacht, sterben und erkranken auch noch kommende Generationen daran.

Nach Schätzungen von Wissenschaftlern wurden während 1965 bis 1971 bis zu sieben Millionen Tonnen Bomben auf Vietnam abgeworfen. Das entspricht der zwei- bis dreifache Menge des gesamten zweiten Weltkrieges. Geschätzte 21 Millionen Bombenkrater wurden dadurch in die Erde gerissen, die während der Zeit mit der Landschaft auf dem Mond vergleichbar war. Insgesamt wurden 3,5 Millionen Landminen verlegt, wovon noch heute 300.000 Tonnen hochexplosives Material im Boden Vietnams vor sich hinschlummert und immer wieder Bauern und ihre Kinder Beine oder Arme abreißt oder tötet.

Jedes Mal wenn der damalige Präsident weitere Militäreinsätze befahl, berief er sich auf dem Vorfall der fehlerhaften Funkmeldung der USS Maddox. Da sich der Zerstörer im Golf von Tonkin aufhielt, beschloss man daraufhin die Tonkin Resolution, eine Resolution die das Repräsentantenhaus mit 416 zu 0, im Senat mit 88 gegen zwei Stimmen angenommen hatte. Somit war der Krieg ohne Kriegserklärung ausgesprochen. Mit diesem Krieg wollte man unter anderem der Gefahr entgegen wirken das der Kommunismus sich zu einem Flächenbrand ausweitet.

Als der Krieg verloren war verzeichnete die US Army 8.612 zerstörte Flugzeuge und 4.868 zerstörte Helikopter im Wert von etwa damaligen 12 Milliarden Dollar. Die verbrauchte Munition belief sich auf bis zu 42 Milliarden Dollar. Eine Million Barrel Öl und Gas verbrauchte das Heer an einem einzigen Tag, wodurch letztendlich die Ölkrise von 1973 ausgelöst wurde. Zu Beginn des Krieges 1966 gab die US-Regierung doppelt so viel für den Vietnamkrieg aus wie für soziale Reformprogramme. Bis 1968 stiegen die Kriegskosten auf 80,5 Milliarden Dollar (heutiger Wert 548 Mrd. USD) und verursachten einen Anstieg der Inflation von 2,7 auf 4 %. Im März 1968 kam es zu einer Krise des Goldmarkts.

Gesamtkosten des Krieges mit Folgekosten ca. 500 Milliarden US Dollar. Heutiger Wert ca. 2.3 Billionen US Dollar. Das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands liegt bei ca. 3,8 Billionen US Dollar im Jahr.

In seinem Buch: „Vietnam – Das Trauma einer Weltmacht“, gesteht Robert Strange McNamara, der während 1961 bis 1968 Verteidigungsminister der vereinigten Staaten von Amerika war, folgendes ein:
„Der Vietnamkrieg war ein furchtbarer Irrtum. Wir haben uns schrecklich geirrt. Amerikanische Sprühaktionen haben zu keiner Zeit zu irgendeiner tatsächlichen und dauerhaften Sicherheit Südvietnams geführt. Die damalige gefühlte nordvietnamesische Gefahr wurde während des Kalten Krieges vollkommen überbewertet.“

Das Unfassbare ist, dass die USA bis heute jegliche Reparationen oder Entschädigung an das vietnamesische Volk verweigert. Im Jahre 2007 bewilligten die USA erstmals lächerliche 400.000 Dollar zur Beseitigung von Dioxinrückständen in der Großstadt Danang. Der US-Präsident Barack Obama verdoppelte die Hilfe von drei auf sechs Millionen Dollar. Entschädigungsklagen von krebserkrankten Vietnamesen wiesen US-Gerichte jedoch zurück. Zweifelsohne schon deswegen, weil Amerika, wenn es seine Schuld begleichen müsste, wahrscheinlich einen Staatsbankrott hinlegen würde.

Ich habe lange überlegt ob ich in meinen Aufzeichnungen überhaupt etwas über diesen traurigen Teil der Landesgeschichte schreiben soll. Allerdings ist meine Generation unmittelbar mit dem Vietnamkrieg verbunden und immer wenn ich von diesem südostasiatischen Land gehört habe, dachte ich an diesen furchtbaren Krieg. Wenn ich jetzt aus dem Fenster unseres Adlernestes sehe, blicke ich auf eine friedliche, wunderschöne Bergwelt, die von Touristen aus aller Herren Länder bereist wird. Oberflächlich betrachtet erinnert nichts mehr an die Gräueltaten und viele der Besucher sind nach dem Krieg geboren. Und trotzdem erachte ich es als wichtig daran zu erinnern wozu wir Menschen in der Lage sind. Und wenn es nur zu einem minimalen Bruchteil dazu beiträgt daran zu erinnern wie wichtig es ist aufkommende Konflikte im Keim zu ersticken. Im Augenblick finden 22 Kriege und 424 politische Konflikte auf unserer Erde statt. Wir dürfen nie vergessen, dass zu Beginn alles klein anfängt und bei Unbesonnenheit in einem großen Krieg enden kann. Das hat uns zumindest die Geschichte der Menschen bewiesen…

Quelle: WIKIPEDIA

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