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E-Bike-Expedition Teil 4 Vietnam - Online Tagebuch 2016-2017

Im Schlund der Felswand – Zum Wohlsein

N 20°13’01.7’’ E 105°55’58.9’’
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    Datum:
    08.10.2016

    Tag: 470

    Land:
    Vietnam

    Provinz:
    Ninh Bình

    Ort:
    Ninh Binh

    Breitengrad N:
    20°13’01.7’’

    Längengrad E:
    105°55’58.9’’

    Tageskilometer:
    26 km

    Gesamtkilometer:
    19.352 km

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Gesamthöhenmeter:
    54.661 m

    Sonnenaufgang:
    05:48

    Sonnenuntergang:
    17:39 Uhr

    Temperatur Tag max:
    37°C

    Temperatur Tag min:
    24°C

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

„Huuuaa“, gähne ich, mich kräftig streckend und blicke auf die vergilbte Decke unseres heruntergekommenen Zimmerchens. „Ich würde gerne diese Bruchbude verlassen und in das kleine Bungalow unten am Fluss umziehen“, sage ich verschlafen. „Meinst du das rentiert sich für die paar Tage?“, antwortet Tanja ebenfalls gähnend. „Absolut. Die zwei europäischen Touristen, die gestern Abend an der Flusstreppe saßen und uns zu gewunken haben, als wir mit dem Ruderboot vorbeifuhren, sahen echt glücklich aus. Ich gehe gleich mal hin und frage ob dort noch ein Zimmer frei ist.

Eine Stunde später packen wir unsere paar Taschen und ziehen um. „Wow, ein wunderschönes Bungalow. So groß, so sauber und noch dazu echt gemütlich“, schwärmt Tanja. „Ein Ort um ein paar Tage länger zu verweilen“, stimme ich zu. Der junge Inhaber, der zwei erst gestern eröffneten nagelneuen Bungalows, stellt sich uns vor. „Weil mein Name für Ausländer schwer auszusprechen ist, nennt mich einfach nur Johnny“, grinst er und möchte uns sogleich ein Frühstück servieren. Tanja und ich sehen uns an. „Ja, gerne“, antworten wir bestens gelaunt, lassen uns auf den bequemen Holzstühlen direkt am Ufer des Ngo-Dong Flusses nieder und genießen den frühen Morgen. Von den gemütlich vorbei gleitenden Ruderbooten, mit seinen lachenden Touristeninsassen motiviert, entscheiden wir uns noch heute Nachmittag die Grotten von Trang An zu besuchen, um dort eine zweite Ruderboottour zu unternehmen. „Ihr könnt gerne unsere Fahrräder nutzen“, schlägt Johnny vor. Am Nachmittag checke ich die Bikes von Johnnys Homestay. Sie sind schlechthin in einem katastrophalen Zustand und wie viele Leihräder in Vietnam ist die Rahmengröße für uns Europäer viel zu klein. Trotzdem schwingen wir uns in den Sattel. Auf den ersten Metern habe ich das Gefühl bei jeder Pedalumdrehung in meine eigenen Knie beißen zu müssen. Schon nach wenigen Kilometern beginnen unsere Hintern zu schmerzen. Obwohl wir ohne jegliche Ladung dahinstrampeln und die Verkehrsader keine Höhenmeter aufweist, ist es anstrengender als unsere schwer beladenen E-Bikes auf eine Passhöhe zu bringen. „Da merkt man erst wieder was wir für fantastische Räder besitzen!“, rufe ich. „Schade, dass wir sie in Mai Chau gelassen haben“, antwortet Tanja. „Du weißt ja warum, aber wenn wir zurück sind, und unsere neuen Visa im Pass gestempelt sind, darfst du mit unseren Superbikes den 2.000 kilometerlangen Ho Chi Minh Highway bis nach Südvietnam erkunden.“ „Kann es kaum erwarten“, fliegen Tanjas enthusiastischen Worte durch die heiße Nachmittagsluft.

Bei ca. 38 Grad im Schatten plagen wir uns über die staubige Landstraße und erreichen nach einer knappen Stunde den nur 13 Kilometer entfernten Anlegesteg von Trang An. „Verdammt touristisch hier“, stelle ich etwas enttäuscht fest. Für den Massentourismus ausgelegte Kassengebäude erheben sich vor uns. Weil wir uns noch in der Nebensaison befinden, müssen wir nicht anstehen und dürfen mit zwei vietnamesischen Touristen augenblicklich in einem der Ruderboote Platz nehmen. „Meinst du die würden hier Ajaci akzeptieren?“ fragt Tanja. „Glaube ich nicht, und wenn dann hätten wir sicherlich zwei extra Tickets für je 150.000,- Dong (6,20 €) lösen müssen.“ „Na gut dass wir ihn gestern dabei hatten.“

Wie auch auf unserer gestrigen Bootstour in Tam Coc zieht uns das Karstgebirge in seinen Bann. Seerosen säumen das Ufer. Fische flitzen durch die grüne Unterwasserwelt. Weil wir auch am heutigen Nachmittag als eines der letzten Ruderboote abgelegt haben, befinden sich nicht mehr all zu viele Besucher auf dem Wasser. Wir gleiten an einem Bötchen vorbei in dem sich zwei frisch Vermählte von einem Fotografen verewigen lassen. Die traumhafte Landschaftskulisse ist für solche Aufnahmen perfekt. Vor uns türmt sich eine vom Urwald bewachsene Felswand in den Himmel. An ihrem unteren Ende, dicht über dem Wasserspiegel, erscheint ein schwarzer Schlitz, der mit etwas Fantasie wie die Öffnung eines Mundes aussieht. Dort verschwindet der Fluss in der Finsternis. „Die erste Höhle“, sage ich. Dann verschwinden wir auch schon im Rachen des rauen Karstfelsens. Ein paar wenige Deckenlampen lassen die Flusshöhle im diffusen Licht erscheinen. „Pass auf!“, warnt mich Tanja in letzter Sekunde als ich gerade durch den Sucher meiner Kamera blicke. Blitzschnell ziehe ich den Kopf ein. „Puh, das war knapp“, entfährt es mir. „Langt schon wenn du mit dem Rad von einer Bambusbrücke fällst, da musst du dir nicht auch noch den Kopf an einem Tropfstein anschlagen“, echot Tanjas Warnung von den nassen Höhlenwänden. „Sehr witzig“, antworte ich etwas säuerlich, weil mich bei jedem Heben der Kamera die noch immer stark schmerzende Schulter an den völlig überflüssigen Unfall erinnert. Plötzlich taucht wieder ein massiver Tropfstein auf. Um nicht mit meiner verletzten Schulter dagegen zu knallen drücke ich mich zum Entsetzen unserer Kapitänin mit der rechten Hand daran ab. Ein Fehler den ich nur Sekundenbruchteile später einsehe als unser Khan gegen die dunkle Felswand scheppert. „Entschuldigung“, sage ich kleinlaut. „Hi, hi, hi“, ist die Antwort der Frau, die anscheinend nicht nachtragend ist. Manche der Höhlendecken sind derart niedrig, dass wir uns nahezu flach aufs Boot legen müssen um uns nicht zu verletzen. „Wer unter Platzangst leidet stirbt hier drin“, raune ich Tanja zu. Dann spuckt uns die Flusshöhle wieder in eine malerische, ja fast verzaubert wirkende, vom Tropenwald überwucherte mystische Berglandschaft aus. Zwischen den dichten Dschungelbewuchs spitzen immer wieder Tempel und Pagodendächer hervor. Alte Tempelglocken, Bogenbrückchen, Stein und Bronzefiguren schimmern im Abendlicht. Was für eine sagenhaft schöne Facette unserer Mutter Erde die vom Welterbekomitee in Doha im Jahre 2014 nicht umsonst zum Natur- und Kultur-Denkmal des UNESCO-Welterbes ernannt wurde. Als wir in die nächste dampfende Flusshöhle einfahren, und an einem unterirdischen Uferrand unzählige große Tongefäße entdecken, die teils im flachen Wasser oder auf groben Steinen stehen, fällt es nicht schwer sich vorzustellen, dass in Vietnam die frühesten Spuren menschlichen Lebens sich vor 300.000 bis 500.000 Jahren zurückdatieren lassen. „Faszinierend“, vernehme ich Tanja. „Ja, absolut. Würde hier gerne mal eine Zeitreise in die Vergangenheit antreten, denn in dieser Region gab es schon vor 30.000 Jahren die Dieu-Kultur oder 16.000 v. Chr. die Hoa-Binh-Kultur, deren Steinzeitmenschen in Höhlen oder unter Felsüberhängen lebten. Was würde ich dafür geben mit diesen damals noch ursprünglichen Menschen für einige Zeit auf die Jagd gehen zu dürfen oder zu sehen wie sie Steinwerkzeuge anfertigten und benutzten“, schwelge ich in meinen Gedanken. „Wusste gar nicht dass Vietnam so eine uralte Geschichte hat.“ „Hm, die Wurzeln vieler Völker sind uralt, wobei es damals natürlich kein Vietnam gegeben hat wie es heute aussieht. Das bildete sich erst durch viele Kriege und war z. B. noch 111 v. Chr. eine Präfektur der Chinesen.“ „Zu jener Zeit war es also noch ein Teil Chinas?“ „Ja, der erste vietnamesische Staat entstand im Jahre 938. Danach versuchten die Chinesen immer wieder das Nachbarland unter Kontrolle zu bringen. So z. B. im Jahre 1400 als die chinesische Hồ-Dynastie die vietnamesische Trần Dynastie (1225 bis 1400) ablöste und es zu einer erneuten kurzzeitigen chinesischen Herrschaft unter den Ming gab. Sicherlich sind dies Gründe warum die Vietnamesen ihren großen machthungrigen Nachbarn nicht besonders mögen.“

Tock, tock, tock, schlagen die Ruder der Vietnamesin gegen die blecherne Außenwand unseres Bootes. Das verschwindende Tageslicht wird zunehmend diffuser. Die Wasseroberfläche des Flusses liegt wie ein Spiegel vor uns indem sich die Bambuswälder und Baumriesen reflektieren. Ein Fisch springt vorwitzig aus seinem Element, nur um schnell wieder im rettenden Nass einzutauchen. Das Quaken einiger Frösche, die auf den nahen, schwimmenden Seerosenblättern sitzen, dringt zu uns herüber. Tock, tock, tock, schlagen die Ruder leise gegen die blecherne Außenwand als sich die Finsternis über das Karstgebirge und uns legt. Schweigend lauschen wir den Geräuschen und sind froh diesen weiteren Rudertrip in die Anderswelt unternommen zu haben.

Wieder bei unseren klapprigen Drahteseln wagen wir bei völliger Dunkelheit die Rückfahrt. Gut, dass wir eine Stirnlampe eingepackt haben. „Am besten du fährst voraus. Dann bewegst du dich im Strahl der Stirnlampe. Die Lastwägen und Autos werden dich auf diese Weise auf jeden Fall sehen“, schlage ich vor. „Und was ist mit dir? Wer leuchtet dich an?“ „Kein Problem. Ich bleibe dicht an deinem Hinterreifen. So bilden wir eine Einheit. Du darfst nur nicht unverhofft bremsen.“

Unversehrt und müde erreichen wir Johnny’s Bungalows. „Oh, schön dass ihr wieder da seid. Wir feiern heute die Einweihung unserer zwei Bungalows und würden euch sehr gerne einladen. Kommt ihr?“ „Gerne“, antworten wir, stellen die Räder ab, duschen und lassen uns, so wie es in Vietnam üblich ist, im Schneidersitz zu Johnny’s Familie auf den Boden nieder. Neben uns begrüßen wir das Pärchen Ursula und Jevin aus Holland, die mit uns die ersten Gäste dieser winzigen Anlage sind. Unsere Gastgeber haben eine Bastmatte auf den frisch gefegten Boden ausgebreitet die sozusagen als Decke dient. Die verschiedensten vietnamesischen Speisen sind darauf drapiert. In der Mitte befindet sich ein Topf auf einer heißen Platte, indem Undefinierbares vor sich hin brodelt. „Lasst es euch schmecken“, eröffnet Johnny das vietnamesische Festmahl. Es fließt viel Bier und Reiswein. „Chúc sức khỏe!“, (Auf die Gesundheit) ruft John’s Vater, füllt mein Gläschen mit Reiswein und fordert mich zum trinken auf. „Chúc sức khỏe!“, rufe ich wie es der Brauch verlangt und stürze mir das Zeug in den Rachen. Kaum brennt die klare Flüssigkeit die Kehle hinunter, ruft Johnny’s Onkel: „Chúc sức khỏe!“ „Chúc sức khỏe!“, erwidere ich und hebe das erneut gefüllte Gläschen an die Lippen. „Chúc sức khỏe!“, fordert mich jetzt Johnny’s Bruder auf mit ihm die Gastfreundschaft zu teilen. „Chúc sức khỏe!“, lasse ich mich darauf ein. „Chúc sức khỏe!“, klingt es nun aus Johnny’s Kehle. „Sorry, aber ich möchte mir morgen noch was von der Gegend ansehen“, versuche ich abzulehnen. „Morgen ist morgen und heute ist heute. Chúc sức khỏe!“, wiederholt Johnny. „Chúc sức khỏe!“, lalle ich etwas und weiß, dass ich spätestens morgen dieses Trinkgelage bereue…

Wer mehr über unsere Abenteuer erfahren möchte, findet unsere Bücher unter diesem Link.

Die Live-Berichterstattung wird unterstützt durch die Firmen Gesat GmbH: www.gesat.com und roda computer GmbH http://roda-computer.com/ Das Sattelitentelefon Explorer 300 von Gesat und das rugged Notebook Pegasus RP9 von Roda sind die Stützsäulen der Übertragung. Pegasus RP9 von Roda sind die Stützsäulen der Übertragung.

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