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E-Bike-Expedition Teil 4 Vietnam - Online Tagebuch 2016-2017

Im Delirium

N 20°13’01.7’’ E 105°55’58.9’’
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    Datum:
    09.10.2016

    Tag: 471

    Land:
    Vietnam

    Provinz:
    Ninh Bình

    Ort:
    Ninh Binh

    Breitengrad N:
    20°13’01.7’’

    Längengrad E:
    105°55’58.9’’

    Tageskilometer:
    65 km mit Moped zurückgelegt

    Gesamtkilometer:
    19.417 km

    Gesamthöhenmeter:
    54.661 m

    Sonnenaufgang:
    06:19

    Sonnenuntergang:
    17:16 Uhr

    Temperatur Tag max:
    37°C

    Temperatur Tag min:
    24°C

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

wie befürchtet zeigt der Reisschnaps seine verspätete Wirkung. Kopfschmerzen und ein leichter Schwindel sind der Preis für das viele Chúc sức khỏe (Auf die Gesundheit) des gestrigen Abends. Diese Trinksprüche sind schon eigenartig, denn mit Gesundheit hat das Reisschnapssaufen nichts zu tun. Oder muss man sich gerade deswegen bei jedem Gläschen eine extra Portion Gesundheit wünschen, um die unangenehmen Folgen zu lindern? Wie auch immer. Wir lassen es heute erstmal langsam angehen. „Good morning!“, hallt Jonnys energetische Begrüßung schmerzhaft in meinem Gehirn. „So wie es aussieht hast du den Reisschnaps gut weggesteckt?“ „Ich bin Vietnamese. Der Reisschnaps macht mir nichts aus“, antwortet er lachend.

Weil wir den ca. 35 Kilometer entfernten Bai Dinh Tempel besuchen möchten, leihen wir uns gegen Mittag ein Moped. „Bist du wirklich wieder fit?“, fragt Tanja. „Müde aber fit genug, um uns sicher zum Tempel zu fahren“, entgegne ich zuversichtlich.

Es ist 13:00 Uhr als wir das Moped an einem bewachten Parkplatz des größten Buddhakomplexes von gesamt Vietnam gegen eine Gebühr abstellen. „Am liebsten würde ich mich hier irgendwo unter einem schattigen Baum legen und eine Runde schlafen“, sage ich, weil es mich irgendwie davor graust bei dieser Affenhitze eine riesige, noch dazu erst im Jahre 2010 fertig gestellte moderne Tempelanlage zu besichtigen. „Lass dich nicht hängen. Viele gläubige Vietnamesen kommen von weit her um dieses kulturelle und spirituelle Zentrum zu besuchen. Du hättest dich gestern einfach ein wenig beherrschen, und ein paar Schnäpse weniger trinken sollen“, sagt Tanja. „Na als ob ich da was dafür kann. Du hast doch gesehen wie sie mich alle nötigten ihr Reisgebräu zu trinken“, erwidere ich eingeschnappt. „Ist schon gut. Schau, da vorne gibt es ein Elektroauto. Das bringt uns sicherlich zum Eingang der Anlage.“ „Hm, okay“, protzle ich vor mich hin und folge Tanja. Tatsächlich schippert dieses Touristenvehikel die Besucher zum Tempeleingang. Auch wenn ich nicht unbedingt der geborene Massentourist bin, freue ich mich in diesem Fall über die dekadente, bequeme Fortbewegungsart.

Im wohltuenden Schatten ewig langer überdachter Gänge geht es an 500 bis zu 2,5 Meter großen und 2,5 Tonnen schweren Buddhastatuen den Berg nach oben. Trotz meiner zunehmenden Müdigkeit wecken die zahlreichen, künstlerisch hochwertigen Figuren, deren Gesichter alle einen eigenen Ausdruck zeigen, mein Interesse. „Faszinierend“, höre ich meine eigenen Worte und hebe unter leichtem Ächzen immer wieder die Kamera an mein Auge. „Hier steht, dass diese 1700 Meter langen Gänge der längste Arhat-Weg in Südostasien ist“, liest Tanja aus einer Informationsbroschüre vor. „Kommt mir auch verdammt lang vor. Hoffe wir sind bald oben“, stöhne ich. „Diese Arhat-Statuen symbolisieren den Weg zum Buddhismus“, rezitiert Tanja weiter. „Ahrat, Ahrat, ich höre immer wieder Ahrat. Was heißt das denn?“, frage ich ein wenig genervt, da ich mich zu diesem Zeitpunkt ganz massiv nach einer Bank sehne auf der ich mich niederlegen kann, um ein wenig zu ruhen. „Arhat ist der Begriff für einen gläubigen Buddhisten der Gier, Hass und Verblendung vollständig abgelegt hat. Das Wort stammt aus dem Sanskrit und bedeutet: „Der Würdige“. „Aha“, entgegne ich lapidar. „Haben wir eigentlich Wasser dabei?“, frage ich, weil mir mittlerweile die Zunge am Gaumen klebt und ich vor lauter Durst kaum noch schlucken kann. „Habe ich vergessen mitzunehmen aber wir werden schon einen Verkaufsstand finden.“ „Hm, hoffe dass ich bis dahin nicht zusammengebrochen bin.“

Auf dem weiteren Weg nach oben kommen wir an einem dreistöckigen Turm vorbei in dem eine 36 Tonnen schwere Glocke hängt. Darunter befindet sich eine 70 Tonnen schwere Bronzetrommel, welche ich mit allerletzter Kraft fotografiere. „Lang halte ich nicht mehr durch“, stöhne ich und denke an unseren 7.000 Kilometer langen Fußmarsch durchs australische Outback, als wir mit letzten Wasserreserven ein ausgetrocknetes Wasserloch erreichten. „Wo sind denn nun die verdammten Wasserverkäufer?“, schimpfe ich, mich weiter nach oben schleppend. Wir besuchen die Bronzestatue der Göttin der Barmherzigkeit, den größten Bronze-Buddha Vietnams. Wie eine Fata Morgana erhebt sich die 34 Meter hohe und 59 Meter lange Phap-Chu-Pagode gen Himmel, in der ein 10 Meter hoher, 100 Tonnen schwerer Bronzebuddha wohnt. Er ist von zwei Buddhakollegen flankiert. Zusammen symbolisieren sie die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Unter normalen Umständen würde ich diese, von grellen Lichtern beleuchteten Megabuddhas schwer bewundern, jedoch befinde ich mich mittlerweile schon im Delirium. „Wasser“, höre ich mich krächzen. Dann entdecke ich das schönste Hinweisschild der letzten Monate, wenn nicht Jahre. „Cafe“. Mit letzter Willenskraft steige ich, Tanja folgend, weitere Stufen nach oben. Als wir an dem Restaurant ankommen erschrecke ich im ersten Moment, denn außer uns ist kein einziger Gast zu entdecken. Dann erspähe ich mit getrübtem Blick den Barmann hinter einem großen Tresen. „Wasser bitte“, bringe ich noch heraus. Der junge Mann schlendert in asiatischer Langsamkeit zum Kühlschrank, holt lässig zwei Flaschen Wasser heraus und stellt sie auf die Theke. „Du zahlst, ich trinke“, sage ich zu Tanja, schraube den Verschluss auf und stürze mir die rettende Flüssigkeit in den Rachen. Erst nach der zweiten Flasche ist der Brand gelöscht. Wir setzen uns auf eine Steinbank und genießen den Blick in das unter uns liegende Tal. „Ich lege mich mal kurz lang“, sage ich und strecke meinen gepeinigten Körper aus. Eine Stunde später habe ich mich soweit erholt. Wir greifen die letzten Höhenmeter zu einer dicken bronzenen Buddhastatue an, die uns von ganz, ganz oben entgegenlächelt. Und weil noch nicht genug ist, besuchen wir zum Abschluss noch die 13-stöckige Aussichtspagode, von der wir einen fantastischen Rundblick über die atemberaubend schöne Landschaft genießen. Erst dann laufen wir zu unserem Moped zurück, um uns auf dem Heimweg zu begeben…

Wer mehr über unsere Abenteuer erfahren möchte, findet unsere Bücher unter diesem Link.

Die Live-Berichterstattung wird unterstützt durch die Firmen Gesat GmbH: www.gesat.com und roda computer GmbH http://roda-computer.com/ Das Sattelitentelefon Explorer 300 von Gesat und das rugged Notebook Pegasus RP9 von Roda sind die Stützsäulen der Übertragung. Pegasus RP9 von Roda sind die Stützsäulen der Übertragung.

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