Ihr seid gute Menschen – Weitere Reiseplanung
N 51°33'336'' E 099°15'341''Tag: 213-228
Sonnenaufgang:
08:24/07:52
Sonnenuntergang:
18:48/19:15
Gesamtkilometer:
1281
Bodenbeschaffenheit:
Eis, Schnee
Temperatur – Tag (Maximum):
minus 5°C
Temperatur – Tag (Minimum):
minus 15°C
Temperatur – Nacht:
minus 31°C
Breitengrad:
51°33’336“
Längengrad:
099°15’341“
Maximale Höhe:
1981 m über dem Meer
Am heutigen Morgen ist kein Laut zu vernehmen. Alle Bewohner des Camps scheinen sich auszuschlafen. Die Ruhe ist wohltuend. „Ob die Feiertage vorbei sind?“, fragt Tanja. „Wer weiß“, antworte ich. Wir gehen unserer Routinearbeit nach. Während Tanja Schnee holt tippe ich unsere Erlebnisse der letzten Tage in den Laptop. Gegen Mittag kommt unsere treuste Besucherin Saintsetseg auf einen Kaffee vorbei. Wir erfahren von ihr das Gamba, Purvee, Monkoo, und einige anderen noch gestern Nacht mit einem Jeep nach Tsagaan Nuur gefahren sind. „Gamba möchte bei der Beerdigung seines Freundes anwesend sein und die anderen nutzten die Mitfahrgelegenheit, um während der Feiertage Verwandte in Tsagaan Nuur zu besuchen“, verstehen wir.
Am Abend hören wir wieder Motorengeräusche. Wie immer rasen die Hunde des Camps den verschneiten Waldweg entlang, um das Fahrzeug mit lautem Gekläffe zu empfangen. Als der Jeep vor dem Blockhaus Nummer eins anhält purzeln wie immer viele Menschen heraus. „Hallo Tsaya! Hallo Ultsan! Schön euch wiederzusehen. Wir hoffen ihr hattet eine gute Fahrt“, begrüßen wir sie. Unsere beiden Nachbarn sind gut gelaunt und laden uns für den heutigen Abend zu einer Feier ein. „Wir dachten das Fest ist vorbei?“, frage ich verwundert. „Wegen meiner Krankheit konnten wir das Tsagaan Sar nicht zelebrieren. Wir müssen es unbedingt nachholen“, antworten sie.
Um 20:00 Uhr sitzen wir im Blockhaus von Tsaya. Nach den Regeln des Brauchs werden wir von unseren Gastgebern empfangen, essen Kekse und trinken Milchtee. Dann gibt es die obligatorischen Buuz auf denen der Wodka folgt. Diesmal ist es Ultsan der unaufhörlich das Becherchen kreisen lässt und uns zum Trinken auffordert. „Wir haben gestern schon reichlich tief in die Flasche geschaut. Ich kann nicht mehr“, sage ich. „Es ist Tsagaan Sar Denis. Da musst du schon mit uns feiern“, entgegnet Ultsan.
Im Verlauf des Abends erfahren wir von Tsaya über ihre Behandlung. „Die letzten vier Tage bekam ich alle acht Stunden eine Spritze. Weil im Krankenhaus kein Bett frei war mussten wir jeden Tag zweimal dorthin gehen.“ „Mit deiner Erkrankung müsstest du eigentlich im Bett liegen. Es ist bestimmt keine gute Idee bei den Minusgraden und dem kalten Wind lange Strecken zu gehen“, entgegne ich. „Das stimmt. Aber was soll ich tun wenn kein Bett frei ist? Abgesehen davon waren die Ärzte während des Tsagaan Sar nicht anwesend. Ultsan und ich haben einen von ihnen Zuhause aufgesucht. Gott sei Dank hat er mich trotzdem behandelt.“ „Sind es gute Ärzte?“ „Ha, ha, ha. In Tsagaan Nuur gibt es keine guten Ärzte. Soweit ich weiß haben die meisten nicht einmal studiert sondern eine dreijährige Kurzausbildung bekommen“, erklärt uns Tsaya. „Und die dürfen dann im Krankenhaus behandeln?“, frage ich bestürzt. „Ja.“ „Wäre es dann nicht besser du hättest dich in Mörön oder in Ulan Bator untersuchen lassen?“ „Schon aber die Fahrt nach Mörön dauert mindestens zehn Stunden. Nach Ulan Bator sogar drei Tage. Abgesehen von der Anstrengung kostet es viel Geld welches wir nicht besitzen.“ „Hm, verstehe. Und wie geht es dir jetzt?“ „Ganz gut. Ich glaube das Antibiotikum wirkt. Ich muss mich jetzt noch zwei Tage selbst spritzen. Danach sollte meine Kurzatmigkeit und der noch anhaltende Husten vergehen. Die Ärzte versprachen mir eine baldige Genesung.“ „Das hört sich gut an“, freuen wir uns.
Vor der zweiten Flasche Wodka verlassen wir um 23:00 Uhr die Feierlichkeit und ziehen uns in unsere Jurte zurück. Als ich mich morgens um 2:00 Uhr zum Austreten unter den klaren Sternenhimmel begebe, ist das Fest noch immer im vollen Gange.
Am kommenden Morgen ist es wieder ruhig. Allerdings nicht lange und die ersten Campbewohner finden sich bei Tsaya und Ultsan ein. Es hat sich herumgesprochen, dass sich bei ihnen eine weitere Wodkaquelle aufgetan hat. Grund genug das Neujahrsfest zu verlängern.
Es ist 15:00 Uhr als unser Frieden gestört wird. Nyam Dalai und Ovogdorj stolpern in unsere Behausung. „Hallo Denis! Wie geht es dir?“, fragt Ovogdorj bestens gelaunt mich nach der Sitte begrüßend. „Schön dich zu sehen. Wie war es bei den Rentieren?“, frage ich und beuge mich zu ihm, um nach dem Brauch an seinen Wangen zu schnuppern. „Hujten“, („Kalt“) sagt er, drückt seine feuchten Lippen an meine Backe und zieht die Luft durch seine Nase als wäre er ein Staubsauger. Dabei lacht Ovogdorj herzhaft während Nyam Dalai sich langsam, schwankend und unverständlich lallend auf den Jurtenboden niederlässt. Im Augenwinkel fange ich Tanjas Blick auf. Da müssen wir jetzt durch gebe ich ihr mit einer Geste zu verstehen worauf Tanja wissend lächelt. „Wollt ihr Tee oder Kaffee?“, bietet sie freundlich an. „Wodka. Habt ihr ein bisschen Wodka?“, fragt Ovogdorj lachend. „Sorry, wir haben keinen“, antworte ich. Als Ovogdorj die Tragweite meine Aussage begreift scheint sich sein Lachen für einen Bruchteil eines Augenblicks zu verkrampfen. „Macht nichts“, überrascht uns seine lockere Antwort. Er tippt den schwer betrunkenen Nyam Dalai an die Schulter und sagt ihm. „Komm packe ihn aus.“ „Ooooohhhhuuuu, oookaaayyy“, lallt er, was so viel heißen soll wie „okay“. Dann greift er in seine Jackentasche und zaubert eine noch volle Flasche heraus. „Oh nein“, flüstere ich. Tanjas Augen sprechen Bände. „Dann musst du mit uns von unserem Wodka trinken. Aber bitte sage Darimaa nicht das ich getrunken habe“, meint Ovogdorj die Flasche sogleich öffnend.
In diesem Augenblick betritt Tsaya unser Heim. „Oh super. Gut dich zu sehen. Wir brauchen dich als Übersetzer“, sage ich. Kannst du den beiden bitte so vorsichtig wie möglich erklären, dass ich wegen meinem Magen keinen Wodka mehr trinken kann?“ „Ist nicht gut so etwas zu übersetzen. Spuke ihn einfach in ein Glas“, sagt sie . „Wie soll das gehen? Die Männer sitzen direkt vor mir und werden es bemerken?“ „Sie sind so blau, da bemerken sie nicht mehr viel“, antwortet sie uns wieder verlassend. „Ich komme in 20 Minuten wieder. Muss bloß etwas aus der Baishin (Blockhaus) holen“, erklärt sie schnell und ist verschwunden. „Sie lässt uns mit den beiden hier sitzen“, stelle ich fest. „So wie es aussieht. Aber ich kann Tsaya verstehen. Sie ist noch immer krank und hat seit gestern Abend ihr Haus mit Gästen voll. Mit Sicherheit verspürt sie keine Lust auch noch den heutigen Nachmittag mit Betrunkenen zu verbringen“, meint Tanja. „Na ich auch nicht“, sage ich und lache so gut es nur geht als mir Ovogdorj das erste Becherchen reicht.
„Tanja und Denis, ihr seid fantastisch. Ihr seid gute Menschen. Ich mag euch. Ihr seid mittlerweile echte Tuwa. Wegen mir könnt ihr so lange bleiben wie ihr wollt“, lässt er eine wahre Lobeshymne verlauten. „Oh vielen Dank“, antworten Tanja und ich zeitgleich. „Betrunkene und Kinder sagen die Wahrheit“, sage ich zu Tanja. „Na dann nehmen wir seine Aussage als ernsthaftes Kompliment.“ „Ja“, antworte ich und reiche Ovogdorj den Becher zurück. „Wir sind Tuwa ohne Rentiere“, meint Tanja plötzlich. „Tijmee, (Ja) Rentiernomaden ohne Rentiere. Ha, ha, ha. Genau. Das ist sehr lustig“, kringelt er sich förmlich vor lachen. „Darauf müssen wir trinken!“, ruft er. Nayam Dalai und er stürzen sich je ein Stamperl in den Rachen, schütten den Edelstahlbecher wieder halbvoll Stoff und reichen ihn an mich weiter. „Wie war es bei den Rentieren? Sind sie in Ordnung?“, frage ich erneut, um ein wenig Konversation zu betreiben. „Die Rentiere? Nein, ihnen geht es nicht gut. Wir haben fünf Hirsche durch Wolfsangriffe verloren. Ich konnte zwei erschießen aber dort treibt sich ein ganzes Rudel herum. Der Zaun, den wir gebaut haben, hat nicht stand gehalten. Wir werden sie in wenigen Tagen allesamt zum Camp treiben. Hier gibt es zwar nicht mehr ausreichend Flechten aber die Rentiere sind zumindest sicher“, erklärt er. Mittlerweile habe ich einen kräftigen Schluck Wodka genommen, ihn für einen Moment in meinen Backen gespeichert und in einem passenden Augenblick in meinen Teebecher gespuckt. Da ich so tue als würde ich zwischendurch Tee trinken hat es keiner bemerkt. Tanja, die ebenfalls ständig aufgefordert wir mitzutrinken, spukt ihr Getränk gleichfalls unbemerkt in ihren Kaffeebecher
Jetzt beginnen unsere selbsteingeladenen Gäste zu singen. Der Gesang ist schlechthin schräg und klingt eher so als hätte ein Elefant Husten. Mit unkoordinierten Handbewegung dirigiert Nyam Dalai das eigenwillige Konzert. Es wird nur unterbrochen vom Kreisen des Bechers. „Tanja und Denis, ihr seid gute Menschen! Ich mag euch! Sain, sain, sain! (Gut, gut, gut!) Ihr solltet für immer bleiben“, wiederholt sich Ovogdorj. „Wir sind Tuwa ohne Rentiere“, antwortet Tanja erneut. „Ahhh, ha, ha, ha. Genau. Tuwa ohne Rentiere“, bekrümelt er sich wieder vor Lachen als hätte er den Witz nicht vor wenigen Minuten gehört. „Gamba ist muu“, (schlecht) sagt er plötzlich recht ärgerlich. „Tanja und Denis sain. (gut) Gamba muu“, wiederholt er, ballt seine Fäuste und lässt sie durch die Luft wirbeln. Wir versuchen nicht darauf einzugehen und auch nicht zu fragen warum er den Schamanen offensichtlich nicht leiden mag. „Saintsetseg ist sain. Gamba muu“, sagt nun, worauf wieder seine Fäuste wie bei einem Schattenkampf durch die Luft wirbeln. Kurzerhand erhebt er sich von seinem Stuhl und beugt sich zu mir herüber. Da es in unserer Jurte sehr warm ist und er noch immer seinen Winterdeel trägt, schwitzt er recht stark. Sein Gesicht ist von Schweiß triefnass und seine Poren dünsten den Wodka aus. Ungeniert schiebt er seine Lippen, Nase und Wange an meiner Backe entlang, um mich regelrecht zu inhalieren. Dieses Begrüßungsritual wiederholt er ca. alle fünf Minuten, während sich Nyam Dalai jedes Mal aufrafft, um Tanja die Hand zu schütteln. „Aua, du tust mit weh“, beschwert sie sich, weil er ihre Hand wie in einem Schraubstock zusammenpresst. „Uutschlal“, („Entschuldigung“) entschuldigt er sich nur um wenig später erneut fest zuzudrücken.
Nach einer Stunde liegen meine Nerven blank und nach 1 ½ Stunden bin ich dem Zusammenbruch nahe. Der unaufhörliche Gesang, die feuchten Bschnupperungen, die sich endlos wiederholenden Witze und Lobeshymnen auf unsere Person, hauen den stärksten Mann um. Gott sei Dank ist die Flasche nach 1 ¾ Stunden leer und da es keinen Nachschub mehr gibt werden die Männer unruhig. „Wir sollten zu meinem Tipi gehen. Dort können wir weiterfeiern“, lädt uns Ovogdorj zu sich ein. Wir versuchen so zu tun als verstünden wir nicht und lachen. „Ha, ha, ha, Rentiernomaden ohne Rentiere“, grölt er plötzlich los, sich an den Witz erinnernd. Dann steht er leicht schwankend auf und verlässt unser Heim. „Ihr seid gute Menschen“, sagt er noch vor sich hinkichernd und wankt zu Tsayas und Ultsans Blockhaus, um die Party dort fortzusetzen. Nyam Dalai liegt indes in unserer Jurte und schaut immer wieder verlegen zu Tanja. „Oh nein, er hat sich in seinem Suff doch nicht etwa in dich verguckt?“, sage ich mit einem Gesichtsausdruck den Nyam Dalai nicht zu deuten vermag. „Du hättest ihm nicht so oft die Hand schütteln sollen“, meine ich. „Ich habe nicht seine Hand geschüttelt sondern er meine. Was hätte ich denn tun sollen?“, verteidigt sich Tanja. „Und wie bekommen wir ihn jetzt wieder los?“, fügt sie fragend hinzu. „Keine Ahnung“, antworte ich. „Ich gehe raus“, vielleicht folgt er mir“, überlegt sie. „Gute Idee.“ Tanja erhebt sich vom Hocker und verlässt unser Filzzelt. Kaum ist sie draußen rappelt sich Nyam Dalai in die Höhe und folgt ihr. Ich bin verblüfft. Tanja hat genau das Richtige getan. Als Nyam Dalai im Freien ist läuft Tanja einen kleinen Bogen und betritt wieder unser Heim. Nyam Dalai im Schlepptau. Tanja dreht sich um 180 Grad, verlässt erneut die Jurte und begibt sich zu Tsayas Blockhaus. „Was will der denn von dir?“, fragt Tsaya auf Nyam Dalai deutend. „Keine Ahnung. Er folgt mir einfach“, antwortet Tanja. „Geh nach Hause in dein Tipi“, fordert Tsaya den Betrunkenen mit fester Stimme auf. „Und du solltest sofort in eure Jurte gehen und hinter dir absperren“, empfiehlt sie Tanja. „Okay“, antwortet sie. Kaum ist sie wieder in unserem Heim verriegeln wir die Tür. Nur wenige Minuten später rüttelt es am Eingang. Nyam Dalai versucht hineinzukommen. Vergebens. Fünf Minuten später unternimmt er einen neuen Anlauf. Sicherheitshalber halte ich die Tür von innen zu. Es dauert eine Weile und der Mann gibt auf.
Am Abend verzichten wir auf Kerzenlicht und Taschenlampe und verhalten uns ruhig. Nur so erregen wir keine Aufmerksamkeit. Wir legen uns auf das Wandan und lauschen der rauschenden Feier in Tsayas und Ultsans Holzhaus. Um 21:00 Uhr hören wir im Schnee knirschende Schritte die sich nähern und vor unserem Eingang zum Stillstand kommen. Ein leichtes Ziehen an der Tür verrät das jemand versucht uns zu besuchen. Wir halten den Atem an. Wenige Augenblicke später entfernen sich die Schritte wieder. „Ob er das war?“, fragt Tanja. „Wer weiß. Vielleicht war es aber auch nur Saintsetseg um ihren abendlichen Kaffee zu trinken“, antworte ich.
Nach insgesamt neun Tagen kommt das Tsagaan Sar zum Ende. Die Tuwa haben nahezu die gesamte Zeit durchgehend gefeiert. Tagsüber bekamen wir immer wieder Besuch der sich aber äußerst friedlich und freundlich verhielt. Nach drei Monaten ist festzustellen, dass wir von den Rentiernomaden in ihre Gemeinschaft aufgenommen wurden. Wir sind akzeptiert und manche sprechen in der Tat davon das wir ein Teil des Stammes geworden sind.
Weitere Reiseplanung
Da es nicht gerne gesehen wird wenn man während der Festtage arbeitet haben wir in diesen Tagen kein Holz aus dem Wald geholt oder gehackt. Unsere Holzvorräte sind dementsprechend niedrig. So nutzen wir die sonnigen Tage, um unsere Feuerholzvorräte aufzustocken. Obwohl es nun Frühling ist sinken die nächtlichen Temperaturen im Monat März noch immer auf minus 31° C. Wenn die Sonnen scheint, was meistens der Fall ist, steigt das Thermometer über die Nullgradgrenze. Das Wetter ist auch hier in der Taiga ein tägliches Gesprächsthema. So kommt es, dass sich die Tuwa immer öfter über das Datum der Abreise ins Frühjahrscamp unterhalten. „Wann wird das sein?“, fragen wir Saintsetseg. „Ich weiß nicht. Wenn die Tage noch wärmer werden und der Schnee schmilzt haben wir hier kein Trinkwasser mehr. Dann sind wir gezwungen umzuziehen. „Es kann also sein, dass ihr in zwei bis drei Wochen die Zelte abbrecht?“, frage ich. „Tijmee. Allerdings ist es gut möglich im April von heftigen Schneefällen oder sogar von einem Blizzard heimgesucht zu werden. In diesem Falle hätten wir genügend Schnee und wir werden erst am 20. April aufbrechen. Das ist auch die Zeit in der unsere Rentiere Kinder bekommen. Kurzum, zu diesem Datum müssen wir im Frühjahrslager sein“, erklärt sie. Tanja und ich sehen uns an. „Das bedeutet wir müssen dringend Bilgee verständigen“, stellt Tanja fest.
Weil wir mit ihm seit seiner Abreise von Tsagaan Nuur ständig per SMS in Kontakt stehen, wissen wir, dass er seit einigen Wochen in einem Lebensmittelladen arbeitet. Es ist also wichtig ihn rechtzeitig zu verständigen wann unsere Expeditionsreise weitergeht. Auch mit Saraa müssen wir sprechen. Es gilt nun unsere Pferde, die den Winter in einem Gefängniscamp etwa 100 Kilometer außerhalb von Mörön hoffentlich heile überstanden haben, nach Mörön bringen zu lassen. Von dort soll sie Bilgee nach Tsagaan Nuur reiten wo wir uns mit ihm treffen werden. Nach unserem Plan bringen wir mit einem Allradbus einen Teil der Jurteneinrichtung nach Tsagaan Nuur, um sie im Blockhaus vom alten Geizkragen Ayush einzulagern. Dort werden wir auch die kommenden Monate der Reise ausrüsten und vorbereiten. Sobald das geschafft ist reiten wir mit den Pferden zum Wintercamp der Tuwa zurück und warten in unserer Jurte auf den Tag des Aufbruchs. Wenn es soweit ist werden wir uns mit Bilgee und unseren Freunden ins Frühjahrscamp der Tuwa begeben, um dort bis Anfang Mai in einem Tipi zu leben. Nachdem Väterchen Frost eine mehrmonatige Ruhepause einlegt, um Kräfte für den nächsten Winter zu sammeln, brechen wir auf, um ca. 1.500 Kilometer durch den Nordosten der Mongolei zu reiten. Auf diesem zweiten Abschnitt unserer Reise wollen wir dieses wunderbare, abenteuerliche und in seiner Art einmalige Land für uns weiter erschließen.
„Ist immer wieder verblüffend wie schnell die Zeit vergeht“, meint Tanja nachdenklich. „Ja in der Tat erstaunlich. Jetzt verweilen wir bereits seit über sieben Monate in diesem Bereich unserer Mutter Erde“, überlege ich. „Wir haben Halbzeit“, stellt Tanja fest. „Halbzeit?“, frage ich. „Na rechne nach. Wir sind seit Ende Juli 2011 hier und bleiben voraussichtlich bis Oktober 2012. Gesetzen Falle unsere Visaverlängerung geht in Ordnung“, erklärt sie. Da wir nach längeren Überlegen feststellen mussten, dass uns ein Jahr nicht ausreichen wird, um unsere Reise so durchzuführen wie wir geplant haben, sendeten wir unsere Pässe mit einem Allradbus für eine Verlängerung zu Saraa nach Mörön. Sie kümmert sich gerade darum die Dokumente zur Ausländerbehörde nach Ulan Bator weiterzuleiten. Ihrer Aussage zu Folge sind die Chancen auf die dreimonatige Verlängerung nicht schlecht. Nach dem Leben hier in der Taiga ist es für uns mittlerweile fremd geworden sich um solch einen Behördenkram kümmern zu müssen. Jedoch können wir nicht den Rest unseres Lebens in der Abgeschiedenheit der Welt verbringen. Aber noch ist es nicht soweit. Noch dürfen wir unser Leben mit den Tuwa teilen die uns ans Herz gewachsen sind. Wir sind gespannt was wir die nächsten Wochen erleben und wie der Umzug ins Frühjahrscamp vonstatten geht.
Tsayas Zustand scheint sich von Tag zu Tag weiter zu verschlechtern. Nur eine Wochen nach ihrem Aufenthalt in Tsagaan Nuur beschließen Ultsan und sie erneut die Basis in der Taiga für geraume Zeit zu verlassen, um den beschwerlichen Weg nach Mörön auf sich zunehmen. „Ich werde mich dort untersuchen lassen. Wenn ich Pech habe schicken mich die Ärzte nach Ulan Bator. Mal sehen. Könnt ihr wieder unsere Hunde versorgen und auf die Baishin achten?“, fragt sie kleinlaut und sichtlich geknickt. „Sehr gerne. Mach dir keine Sorgen. Das Wichtigste ist deine Gesundheit“,beruhigt sie Tanja.
Wenige Tage nach dem Fest treiben einige Männer die gesamte Rentierherde zur Basis. Es ist ein beeindruckender Anblick. Hunderte von leichtfüßigen Beinen traben über den harten Schnee. Eines von ihnen hat eine grobe Bisswunde am Hintern. Offensichtlich von einem Wolf. Die Tuwa sind erleichtert ihre Tiere wieder im Camp zu wissen. Das Treiben ist geschäftig. Jeder ist draußen und fängt seinen Besitzt ein, um ihn über Nacht an die Bäume zu binden.
Wir freuen uns über Kommentare!