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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Ich vermisse die Höhepunkte einer Gastfreundschaft

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    Tag: 103 Etappe Zwei

    Sonnenaufgang:
    05:20

    Sonnenuntergang:
    17:32

    Luftlinie:
    33,1

    Tageskilometer:
    37

    Temperatur - Tag (Maximum):
    37 Grad

Etappe-Zwei-Halbzeit-Camp — 26.09.2001

Mit zunehmenden Tageslicht verändert sich das Aussehen der Feuerfront. Die ersten Sonnenstrahlen scheinen das gelbrote Flammenmeer regelrecht auszustechen und kaum hat sich der glühende Sonnenball über die Horizontlinie erhoben erkennen wir nur noch die schweren Rauchwolken die sich mit dem frühen Blau des Himmels vereinen und wie ein Schkeier über die Gibson Desert legen.

Schon früh wird es heute heiß und das Laufen ist anstrengend. Mit den nur langsam verstreichenden Stunden schwinden unsere Kraftreserven. Wieder liegen mindestens 35 Kilometer vor uns und wieder habe ich das Gefühl den Tag nicht zu überstehen. Wie hypnotisiert halte ich meine Augen auf den vor mir vorbeiziehenden Boden gerichtet. Mittlerweile brennt die Sonne in unsere Rücken und unsere Körper werfen einen Schatten auf die rote Erde. Tausende, ja Millionen von kleinen Steinen ziehen durch den dunklen Fleck der sich gleichbleibend vor mich her bewegt. Die unzähligen Sandkörner und Steinchen kommen und gehen im immer gleich währenden Rhythmus. Für Ewigkeiten änderst sich nichts an diesem Bild. Ich versuche meine Gedanken auf diesen Anblick zu konzentrieren. Ich versuche mich vor der Hitze in das Kommen und Gehen, das Fließen des Bodens und dem Unveränderlichen zu flüchten. Es fällt mir nicht schwer meinen müden Geist in die Monotonie des Gehens fallen zu lassen bis mich irgend etwas Unbestimmtes wieder und wieder daraus erweckt. Um mir die Zeit der Endlosigkeit kurzweiliger zu gestalten ziehe ich dann mein GPS aus der Brusttasche. „Noch 15 Kilometer,“ sage ich mit monotoner Stimme damit auch Tanja sich auf die noch vor uns liegenden Strecke einstellen kann. Um 13 Uhr 30 halte ich die Karawane an. Tanja holt ein paar Traubenzuckertabletten aus einer kleinen Tasche die um Sebastians Nacken baumelt. Nur wenige Minuten nach dem Kauen geht der Zucker ins Blut und spendet uns kurzfristig Energie. Obwohl wir jetzt genügend Wasser besitzen wollen wir trotzdem in den angestrebten fünf Tagen Jupiter Well erreichen. Unsere Kamele machen einen sehr durstigen Eindruck. Seit Tagen setzen wir sie ihrer Höchstleistung aus und wir wollen uns keinen Rasttag erlauben bis sie ihren Durst stillen können. Jupiter Well bleibt also das Wochenziel. „Es wäre schön wenn es dort eine Station mit lieben Menschen geben würde,“ breche ich das Schweigen. „Ja, das wäre wirklich wunderschön.“ „Kannst du dich noch daran erinnern wie angenehm es war Mount Vernen zu erreichen? Lorrain und Brian Rieck hatten uns wie königliche Gäste behandelt. Die Tage dort waren so erholsam und haben uns viel Energie gegeben. Obwohl ich die Einsamkeit liebe vermisse ich solche Höhepunkte der Gastfreundschaft hier draußen.“ „Ach ja du hast recht. Was feines zu Essen wäre schon toll. Ein Bier, einen Braten, frischen Salat, Obst, eine Dusche mit viel Wasser und tiefen langen Schlaf ohne Buschfeuer und wilde Kamelbullen,“ schwärmt Tanja. Noch geraume Zeit nennen wir uns gegenseitig unsere Wünsche und Gelüste bis die Wirkung des Traubenzuckers nachlässt und sich wieder das Tuch des Schweigens über uns legt. „Noch zwei Kilometer,“ gebe ich durch, um uns für den Endspurt des Tages zu motivieren. Zwanzig Minuten später sind es immer noch 1 ½ Kilometer. Eine langgezogenen Kurve im Track bringt uns weit vom Zielkurs ab. „Hörst du das? Da kommt doch ein Auto,“ sagt Tanja. „Ja, das muss ein Fahrzeug der Straßenarbeiter sein die hier irgendwo ihr Camp haben,“ meine ich. Tatsächlich hält eine Jeep neben uns an. Zwei Männer steigen aus, begrüßen uns und schießen einige Fotos. „Na so etwas haben wir hier draußen noch nie gesehen. Wo kommt ihr denn her?“ ,fragt ein bärtiger Mann der sich mit dem Namen Don vorstellt. Wir berichten wie immer woher wir kommen und wohin die Reise geht. „Wollt ihr ein Bier?“ ,wirft mich Dons Frage fast aus den Schuhen. „Aber klar,“ antworten Tanja und ich wie aus einem Mund. „Habt ihr einen Behälter für Eis?“ ,möchte er wissen. „Nein leider nicht aber uns schmecken die Bier auch so,“ antworte ich und nehme zwei eisgekühlte Büchsen entgegen. Da wir in unserem ermatteten Zustand das Bier unmöglich sofort trinken können packe ich es bei Sebastian in die Satteltasche. „Ich würde vor Müdigkeit glatt umfallen wenn ich es gleich trinke. Wir nehmen es zu uns wenn wir unser Abendessen verspeisen,“ erklärt Tanja. „Wenn ihr wollt könnt ihr gerne zu uns ins Camp kommen. Es liegt etwa 10 Kilometer vor Jupiter Well. Es wäre schön sich mal mit anderen Menschen als mit Straßenbauern zu unterhalten,“ sagt Don lachend. „Unsere Tiere sind sehr durstig. Gibt es bei euch Wasser?“ ,möchte ich wissen. „Mehr als genug. Wir holen alle zwei Tage 1500 Liter von Jupiter Well.“ „Wie viele seid ihr denn im Camp?“ „Neun,“ antwortet Don und ich bin überrascht das neun Menschen 1500 Liter Wasser in nur zwei Tagen verbrauchen können. „Ihr seid herzlich eingeladen. Und wenn ihr kommt haben wir auch mehr kaltes Bier für euch. Außerdem gibt es bei uns köstliches Essen. Meine Frau ist der Campkoch. Sie ist eine gute Köchin,“ lacht er worauf unsere Herzen vor Glück fast zerspringen möchten. Erst vor Stunden haben wir uns nichts sehnlicher gewünscht als liebenswerte, gastfreundliche Menschen und plötzlich tauchen sie im Zentrum der Wüste aus dem Nichts auf. Wir verabschieden uns gut gelaunt und versprechen morgen das Camp aufzusuchen. Nachdem der Jeep dann am Horizont verschwunden ist finden wir kurz vor 15 Uhr, nach 7 ½ Stunden Laufzeit und 37 Kilometern einen Lagerplatz. Mit letzter Kraft entladen wir unsere Jungs. Als ich dann wieder meinen Freund die Schaufel packe, um meinen persönlichen Feind das Spinifexgras für unser Zelt zu beseitigen, beaufsichtigt Tanja unsere Lasttiere die sich ausgehungert über die herumstehen Büsche machen. Wie immer schabe ich mit kräftigen Stößen die Wurzeln des Grases ab als ich plötzlich einer kleinen Schlange gegenüber stehe der ich offensichtlich ganz unerwartet das Dach über dem Kopf weggerissen habe. Sie sieht mich verdutzt an während ich eher fürchterlich erschrecke. Gebannt stehe ich da und warte was der etwa 20 Zentimeter kleine Frischling tut, doch er rührt sich nicht von der Stelle. Vorsichtig führe ich die Schaufel unter ihren Körper und werfe sie mit einer ausholenden Bewegung weit weg. Dann setzt ich meine Arbeit fort.

Als es dunkel wird und uns die Motten und Insekten das Essen schwer machen feiern wir einen besonderen Anlass. Mit einem höchst angenehmen Zischlaut öffnen wir unsere Bierbüchsen und stoßen auf unseren großen Erfolg an. Hier in diesem Camp haben wir rein rechnerisch die Hälfte der Etappe Zwei zurückgelegt. Obwohl wir für die 964 Laufkilometer von Anna Plains bis hierher über 3 ½ Monate benötigten sind wir überglücklich die bisherigen Herausforderungen gemeistert zu haben. „Wie viel Kilometer haben wir jetzt seit Expeditionsbeginn von Wundowie bis in dieses Camp zurückgelegt?“ ,fragt Tanja müde aber zufrieden lächelnd. „3203 Kilometer,“ antworte ich ebenfalls zufrieden. „Das ist eine ganze Menge. Wenn ich mir vorstelle, dass wir davon jeden Meter zu Fuß gelaufen sind wird mir ganz schwindelig.“ „Stimmt, es war zwar eine harte Zeit aber ich möchte sie für nichts in der Welt missen.“ „Ich auch nicht. Wir jammern zwar ganz schön viel aber ich könnte mir kein intensiveres und interessantere Leben vorstellen.“ „Ich auch nicht,“ antworte ich gähnend und nehme einen großen Schluck aus der Bierdose.

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