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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Ich bin glücklich in die unermessliche Endlosigkeit schreiten zu

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    Tag: 66 Etappe Zwei

    Sonnenaufgang:
    06:08

    Sonnenuntergang:
    17:37

    Luftlinie:
    26

    Tageskilometer:
    27

    Temperatur - Tag (Maximum):
    30 Grad

Max-Schatten-Camp — 20.08.2001

Wieder bleiben wir von den Kamelangriffen verschont und haben gut und tief geschlafen. Mir ist es ein Rätsel warum wir erst jede zweite Nacht angegriffen werden und plötzlich hören diese nächtlichen Attacken schlagartig auf. Jo erklärt mir am Funkgerät, dass Kamele in Herden auftreten und wahrscheinlich nicht in diesem Gebiet sind in dem wir uns gerade aufhalten. Wie auch immer, es ist eine Wohltat wieder durchschlafen zu können und nicht in der ständigen Angst leben zu müssen von brunftigen Bullen überfallen zu werden. Dabei geht es nicht um die halbe Stunde oder Stunde Schlafverlust, sondern um die ständige Alarmbereitschaft in der sich der Körper befindet. Nie hätte ich gedacht, dass einen das so fertig machen kann und obwohl ich persönlich Gott sei Dank nie einen Krieg mitgemacht habe muss ich die Situation damit vergleichen. Mittlerweile jedoch sind wir wieder zur Ruhe gekommen und schrecken nur noch selten hoch. Klar, ganz vergessen werden wir diese schaurige Zeit nicht und noch besteht für ein paar Wochen die Möglichkeit ihrer Rückkehr.

Um vier Uhr beginnt für uns ein weiterer Marschtag und um 8 Uhr 25 setzt sich die Karawane wieder in Bewegung. Max hat immer noch Schulterschmerzen. Wir haben ihn deshalb nur noch mit sechzig Liter Wasser beladen und die restlichen vierzig Liter auf die anderen verteilt. Da er sich gestern als Schlussmann hervorragend schlug hat er heute wieder die Position inne. Wir kommen gut voran, nur dass sich Jasper, der jetzt als Vorletzter läuft, fürchterlich an seiner Nasenleine ziehen lässt. Es sieht wirklich schlimm aus wenn sich das elastische Nasenleinenband wie ein Kaugummi in die Länge zieht doch wissen wir nicht warum er nicht laufen möchte. Ob auch ihm etwas schmerzt? Mit sieben Kamelen unterwegs zu sein ist eine ständige Herausforderung. Jeder von unseren Jungs ist anders, hat andere Charaktereigenschaften, Veranlagungen, Stärken und Schwächen. Für uns gilt es für ihr tägliches Wohl zu sorgen und ihre Problem oder Beschwerdepunkte herauszufinden bevor sie unter einer ernstzunehmenden Verletzung leiden. Obwohl ich dachte dies während der ersten Etappe herausgefunden zu haben glaube ich heute, dass wir weiterhin damit rechnen müssen. Tanja und ich wissen in der Zwischenzeit, dass der Erfolg unserer Durchquerung von dem Zustand unserer Kamele abhängt und da wir bisher es immer noch nicht gelernt haben Kamelisch zu lernen müssen wir mit unserer Intuition, Einfühlungsvermögen und Erfahrungswerten arbeiten.

Die Tagestemperaturen sind seit geraumer Zeit gesunken und bleiben um die 29 bis 30 Grad. Es ist eine Wohltat unter solchen Bedingungen laufen zu dürfen. Leichter Wüstenwind schmeichelt mir um den Bart. Von Zeit zu Zeit werfe ich einen Blick über das weite Land und fühle mich von allen Zwängen einer westlichen Welt befreit. Soweit ich nur sehen kann erkenne ich 360 Grad um uns herum die Unendlichkeit. Es ist eine Unendlichkeit die uns lockt, immer weiter lockt bis wir mit ihr verschmelzen. Ich habe das Gefühl von ihr aufgesogen, eingeatmet ja einverleibt zu werden. Wir laufen auf der Haut unserer Mutter Erde in eine unermessliche Endlosigkeit, geht es mir durch den Kopf. Empfinde ich Angst bei dieser Tatsache? Nein, ganz im Gegenteil, ich fühle mich gut. Ich fühle mich beschützt und sicher, viel sicherer als in einer der von Menschen bewohnten hektischen Großstädte auf dem Gehweg zu gehen. Alleine der Gedanke daran lässt mich erschaudern. Es schüttelt mich wie lebensfeindlich solche Metropolen sind. Wie gefährlich sie sind und ich frage mich warum meine Artgenossen soviel Angst vor einer unberührten Natur haben wo sie doch allen Grund dazu besitzen in solchen Massenansammlungsorten an Depressionen einzugehen oder von einem gestressten oder angetrunkenen Menschen überfahren zu werden oder, oder, oder… Ich unterbreche meine negativen Gedankenflut und sehe auf meine Füße die mich in eine Welt tragen die mit all dem da draußen absolut nichts zu tun hat. In eine Welt die bis heute zum Großteil davon verschont geblieben ist. Ich danke meinen Füßen für diese großartige Leistung und bin aus dem tiefsten Inneren meines Herzens froh darüber in die unermessliche Endlosigkeit schreiten zu dürfen. Ich bin froh darüber bald jeden Tag neue Dinge zu erfahren und ein Leben leben zu dürfen welches manchmal so spannend und ausgefüllt ist, dass es kaum zu verdauen ist. Kein Tag, keine Stunde, keine Minute und kein Augenblick meines bisherigen Seins war eine Verschwendung. Wenn ich an all die Geschehnisse, Glücksmomente, Ereignisse, Einmaligkeiten und unzähligen Geschichten denke glaube ich manchmal über hundert Jahre alt zu sein. Trotzdem fühle ich mich bereit für weitere hundert Jahre neuen Abenteuern entgegenzumarschieren. Natürlich versuche ich während solchen Momenten zu analysieren warum der innere Drang nach weiteren Erlebnissen nicht abreißen mag und immer öfter komme ich zu einer plausiblen Erklärungen. Darüber zu schreiben wäre aber zu früh und so forsche ich weiter nach der perfekten Erklärung.

Öhäää, jammert Sebastian plötzlich und verlangsamt seine Laufgeschwindigkeit. Ärgerlich aus meinen Gedanken gerissen zu werden zupfe ich etwas an seiner Nasenleine worauf er wieder die normale Laufgeschwindigkeit von ca. 5,2 Stundenkilometer aufnimmt. Minuten später lässt er sich jedoch wieder zurückfallen und ich muss ihn ziehen. „Jetzt lässt sich nicht nur Jasper ziehen sondern auch Sebastian,“ beklage ich mich. „Wenn ich dich beim führen der Karawane ablösen soll sage mir bescheid,“ bietet mir Tanja an. „Danke, ich halte noch eine Weile durch aber dann gebe ich ihn dir gern.“ Um 14 Uhr erreichen wir müde aber zufrieden einen weiteren wunderschönen Lagerplatz. Kaum haben wir Max entladen und von der Karawane losgebunden läuft er wieder zielstrebig auf einen Baum zu. „Den kenne ich, er ist nicht giftig,“ meint Tanja. „Er frisst gar nicht an ihm. Ob er keinen Hunger hat?“ „Max hat immer Hunger aber es sieht so aus als ob er den Schatten sucht.“ „Ich glaube du hast recht. Dem armen Kerl ist es mit seinem Winterfell zu warm,“ lache ich obwohl ich ihn bedaure. Dadurch, dass es in Perth viel kälter ist als hier in Nordwestaustralien hat Max ein weit dichteres Fell als seine Kameraden. Jo und Tom haben darüber gesprochen als sie uns Max brachten. Sie meinten er wird sich davon früh entledigen.

Nachdem die Kamele entladen sind beginne ich die Strohfüllung seiner Sattelpolster mit dem Hammer zu bearbeiten. Ich versuche sie auf diese Weise, da wo sich die Druckstellen entwickelt haben, dünner zu klopfen damit sie nicht mehr so eng anliegen. Auch Jaspers Afghanpacksattel muss repariert werden denn einige tragende Hölzer haben sich gelockert. Obwohl wir hier auf einem traumhaften Fleckchen Erde campieren habe ich kaum Zeit die Natur zu genießen. Die Sonne wird bald untergehen, doch vorher will ich unser Lager aufgebaut haben. Tanja kann mich in diesem Fall nicht unterstützen. Sie muss sich voll und ganz darauf konzentrieren sieben hungrige Kameljungs zu hüten und unter anderem darauf achten, dass sie keine giftigen Büsche erwischen. Als Tanja unsere Jungs an leckeren Fressbüschen festgebunden hat und ins Camp zurückkommt bin ich immer noch mit den Sätteln beschäftigt. Die Sonne versinkt wie jeden Abend in einem Farbeninferno und als es langsam dunkel wird bin ich mit den Sätteln fertig. Während Tanja dann unser Abendessen zubereitet baue ich das Moskitozelt auf und arbeite an der Navigation. Gleich nach dem Essen begibt Tanja sich in den Kosmetiksalon und macht sich bettfertig. Schnell schnappe auch ich mir meinen Toilettenbeutel, putze mir die Zähne, wasche mir mit einem Waschlappen flüchtig das Gesicht, creme es ein, als Tanja mich wieder um Längen schlägt und sich in unser Zelt begibt. „Mist du hast es wieder geschafft. Woher du nur die Energie nimmst so konsequent und schnell zu sein?“ ,sage ich lachend. Ich höre wie sie den Reißverschluss ihres Schlafsack schließt. „Und wie ist es?“ ,frage ich wie jeden Tag. „Ah wunderbar und du hast wieder die Isomatte so toll aufgeblasen,“ vernehme ich ihre sich wiederholende Antwort die mich wie immer zum Schmunzeln bringt. „Vergiss nicht das Gewehr vors Zelt zu legen und die Schusslampe mitzubringen,“ erinnert sie mich wie ebenfalls täglich. „Ja, ja ich vergesse es nicht,“ antworte ich, schnalle das Gewehr von Sebastians Sattel und hole unsere Ersatztaschenlampe aus meinem kleinen Rucksack.

Entkräftet von den Anstrengungen des Tages strecke ich mich dann auf der Isomatte aus.„Lass uns beten das auch heute Nacht keine Kamelbullen ins Camp kommen,“ flüstert Tanja im Halbschlaf. „Mach dir keine Sorgen. Du weißt doch, dass sie wissen uns besser nicht mehr anzugreifen. Es hat sich anscheinend herumgesprochen uns in Ruhe zu lassen. Träum was schönes,“ flüstere ich wie jeden Abend und beobachte noch eine Weile die Sterne bis auch mich die Müdigkeit hinwegrafft.

Rrrooorrr, reißt es mich aus dem Tiefschlaf. „Was ist das?“, fragt Tanja erschrocken. „Ich weiß nicht,“ antworte ich aufrecht sitzend. Ich lausche konzentriert in die Nacht um herauszubekommen was das für ein eigenartiges Geräusch war. Rrrooorrr, knurrt es wieder und in dem Moment in dem ich das Knurren von Rufus erkenne schieße ich aus dem Zelt und leuchte die Gegend mit meiner Stirnlampe ab. „Sind es Dingos die unser Camp umschleichen?“ ,frage ich unseren Hund der in die Dunkelheit sieht und seine Ohren spitzt. Erst vor wenigen Tagen sind wir von einigen Jeepfahrern vor Dingos gewarnt worden. „Nicht weit von hier haben wir viele von ihnen gesehen. Ihr müsst auf eure Schuhe aufpassen. Sie stehlen alles was aus Leder ist. Einer Bekannten von mir sind über Nacht ihre Wanderschuhe weggekommen. Das wäre für euch ja eine wirkliche Katastrophe,“ erzählte der Mann. Langsam lasse ich den Lichtstrahl der Stirnlampe über die Ebene gleiten bis ich plötzlich zwei Augen aufblitzen sehe. „Es ist eine Katze,“ wispere ich zu Tanja die im Zelt liegt. Lautlos schleicht sie in etwa 20 Meter Entfernung um unser Lager. Sie ist mindestens halb so groß wie Rufus und ist deswegen kaum mit einer normalen Hauskatze zu vergleichen. Da ich seine Jagdqualitäten bereits kenne mache ich mir keine Sorgen um Rufus und lasse ihn von der Leine. Wie ein Pfeil schießt er los um seinem Erzfeind den Gar auszumachen. Die Katze sieht die Gefahr auf sich zukommen und läuft im Zeitlupentempo um einen Busch. Rufus bekommt in seinem Jagdwahn nichts mit von dem taktischen Manöver seiner Gegnerin und rast mit der Schnauze am Boden geheftet in einem Abstand von fünf Meter an ihr vorbei. In seinem Wahn hetzt er im Zickzack immer tiefer in das Buschland bis ich ihn aus den Augen verliere. Die Katze scheint das alles überhaupt nicht zu interessieren, betrachtet unser Camp für einige Zeit, um sich dann mit der Schwärze der Nacht zu vereinen. „Rufus, Rufus komm zurück rufe ich den größten Echsenjäger aller Zeiten. Von weitem höre ich seine Halskette klimpern und Minuten später steht er laut hechelnd und schwanzwedelnd vor mir. „Bist ein guter Hund. Hast uns wiedereinmal erfolgreich verteidigt. Dich wenn wir nicht hätten sehe es ganz schön schlecht um uns aus,“ sage ich, kette ihn wieder an das Funkgerät und schlüpfe in unser Zelt.

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