Halong-Bucht – Land der Drachenlegenden
N 20°51’16.8’’ E 107°05’14.0’’Datum:
24.09.2016
Tag: 456
Land:
Vietnam
Provinz:
Quảng Ninh
Ort:
Halong Bay
Breitengrad N:
20°51’16.8’’
Längengrad E:
107°05’14.0’’
Tageskilometer:
185 km mit dem Auto und Boot zurückgelegt
Gesamtkilometer:
18.831 km
Bodenbeschaffenheit:
Asphalt
Gesamthöhenmeter:
54.661 m
Sonnenaufgang:
05:40
Sonnenuntergang:
17:47 Uhr
Temperatur Tag max:
37°C
Temperatur Tag min:
24°C
(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)
„Euren Hund können wir leider nicht mitnehmen“, sagt der Reiseleiter am frühen Morgen als er uns von der Homestay abholt. „Was? Aber das war doch mit Ihrem Boss so ausgemacht?“, entgegnet Tanja. „Wir haben zwei Frauen im Bus die unter einer Hundeallergie leiden. Vielleicht kann ich sie und ihren Hund in einem anderen Bus unterbringen.“ „Ich habe auch eine Allergie auf viele Hunderassen aber unser Ajaci ist sozusagen allergiefrei“, kontert Tanja. Der Reiseleiter überlegt einen Augenblick. „Na wenn das so ist können sie mit“, entscheidet er. In dem Touristenbus sitzen nur vier Personen. Die zwei jungen allergischen Engländerinnen, von denen eine mächtig übergewichtig ist und grantig dreinschaut und die andere derart Holz vor der Hütte hat, dass man sich sofort fragt ob ihr Chirurg nicht ein wenig zu zuviel Silikon verwendete, heben die Augenbrauen als wir mit Ajaci einsteigen. Schnell stellt sich heraus, dass sie nicht an einer Allergie erkrankt sind sondern schlichtweg nicht mit einem Hund reisen wollen. Ajaci macht sich an unseren Füßen klein und gibt die gesamte Fahrt keinen Laut von sich.
Wir queren den roten Fluss, der in etwa 100 Kilometer im Golf von Tonkin mündet. Wie auch schon gestern Abend ist der Berufsverkehr dieser Stadt entsetzlich. Unser Bus kämpft sich bei Temperaturen von ca. 38 Grad im Schatten durch das unüberschaubare Gewimmel. „Können sie die Klimaanlage nicht kälter machen?“, ruft die Frau mit dem Silikonvorbau dem Fahrer vorwurfsvoll zu. „Sorry, die ist ausgefallen“, antwortet es von vorne. „Ausgefallen!?“, stöhnt die junge Frau verächtlich, sich gerade in einem kleinen Taschenspiegel betrachtend, um ihre künstlichen Wimpern zu pinseln. Tanja und ich sehen uns an. „Ich vermisse mein E-Bike“, sage ich leise. „Und ich erst“, antwortet Tanja.
Schwitzend blicke ich aus dem Fenster auf die Deiche, Brücken und die weitläufigen Reis- und Gemüsefelder am Stadtrand von Hanoi. Der Verkehr der Hauptstadt liegt hinter uns, jedoch bleibt es auf diesen Straßen unentwegt quirlig und hektisch. Der Busfahrer überholt in irrwitziger Geschwindigkeit, egal ob jemand entgegenkommt oder nicht, egal ob er dabei in eine Kurve einsehen kann oder nicht. Immer wieder weicht er in allerletzter Sekunde einem Fahrzeug aus oder zwingt den Gegenverkehr einfach in die Defensive. Während der Kamikazefahrt sausen beeindruckende, schroffe Kalksteinberge vorbei, die uns einen Vorgeschmack auf die berühmte Halong-Bucht geben.
Vier Stunden später erreichen wir den Hafen der Halong-Bucht. „Phuu, und ich dachte Radfahren sei gefährlich und anstrengend“, stöhne ich den überhitzten Blechkasten lebend und in einem Stück verlassend. Während wir auf unser Boot warten, gehe ich mit Ajaci eine letzte Gassirunde. „Jetzt mach schon deinen Pipi. Auf dem Boot geht das nicht mehr“, fordere ich ihn auf weil er durchwegs mit Schnüffeln beschäftigt ist und nicht daran denkt sein Bein zu heben. „Und hat er seinen Wissi gemacht?“, fragt Tanja. „Nö, er ist trocken wie die Wüste Gobi.“ „Na bin gespannt wie das auf dem Boot geht?“ „Hm, da gibt es die nächsten 24 Stunden kein Fleckchen Gras oder einen Baum an dem er sein Geschäft machen kann“, antworte ich ebenfalls sehr erwartungsvoll wie wir das hinbekommen ohne vom Käpt’n hochkant von Bord geworfen zu werden wenn Ajaci auf das Vordeck kackt.
Als uns das kleine Zubringerboot abholt hüpft unser Hund ohne Angst zu zeigen zum ersten Mal in seinem jungen Leben auf die regennassen Planken eines schwankenden Untergrunds. „Gut gemacht“, lobe ich Ajaci, der meine Worte mit freudigem Jaulen erwidert. Mit uns tuckern nun neun Touristen aus England, Frankreich, Vietnam und Deutschland zu dem Ausflugdampfer auf dem wir die kommenden 24 Stunden verbringen werden. „Sieht ganz schön heruntergekommen aus“, sage ich das betagte Schiff betretend. „Hoffe es säuft nicht gerade in den kommenden Tagen ab“, scherzt Tanja. „Eigentlich sollten wir darüber keine Scherze machen. In den letzten Jahren sind solche Kähne auf Grund ihres Alters schon öfter untergegangen. Dabei sind schon einige Touristen ertrunken.“ „Na du kannst einem ja die Freude verderben.“ „Es gibt tausende von solchen Booten und hunderttausende von Touristen. Die Chance, dass es gerade uns erwischt ist verschwindend gering“, antworte ich mit zuversichtlicher Stimme. „Ist okay. Mit solchen Horrostorys lasse ich mir doch keine Laune verderben“, antwortet Tanja lächelnd. Kaum befinden wir uns an Board bekommen wir eine kleine Kajüte zugewiesen. Ein altersschwacher Ventilator quirlt laut scheppernd die schwüle Luft durcheinander. Wir verstauen unser weniges Gepäck und begeben uns mit Ajaci auf das Dach des Schiffes. Es dauert nicht lange und wir legen ab. Vorbei geht es an unzähligen kleineren und größeren Schiffen. Es sind derart viele, dass man während der Hauptsaison die Halong-Bucht sicherlich von einem Boot zum anderen springend überqueren kann, ohne nass zu werden. Zu dieser Jahreszeit hingegen sind nicht all zu viele Kähne auf dem Wasser und wir dürfen das Weltnaturerbe trotz schwerer Regenwollen genießen.
„Unglaublich“, staunt Tanja auf die vor uns liegenden, bis zu mehrere hundert Meter aus dem Wasser ragende Kalkfelsen deutend. „Ein atemberaubend schöner Anblick“, antworte ich ebenfalls fasziniert. Knapp 2.000 solcher vom Dschungel bewachsener Hügel und zumeist unbewohnte Inselchen ragen ihre runden Köpfe aus dem Golf von Tonkin. „Jetzt weiß ich warum die Übersetzung für Ha Long, ‚die Bucht des untertauchenden Drachen’ bedeutet“, sage ich. „Ja, man könnte sich in dieser sagenhaften Landschaft wirklich Drachen ausmalen“, antwortet Tanja ihren Kopf an meine Schulter lehnend. „Stell dir einen riesigen Drachen vor der in den Bergen an der Küste gelebt hat. Eines Tages ist er aufgebracht und wütende zum Meer gestapft, um mit seinem hin und her peitschenden Schwanz die bösen Feinde aus dem Norden zu zerschmettern. Dabei riss er tiefe Spalten und Kerben in die Landschaft. Als das Fabelwesen dann ins Meer sprang und abtauchte verdrängte sein massiger Körper soviel Wasser, dass die Täler und Schluchten überflutet wurden. Somit entstand die von Schönheit kaum zu übertreffende Halong-Bucht. Zumindest erzählt das die Legende über die Entstehung dieser traumhaften und einmaligen Landschaftsform.“ „Eine schöne Legende“, sagt Tanja leise. „Hm, wer weiß, vielleicht ist ja etwas Wahres dran“, antworte ich schmunzelnd.
Nach dem Mittagessen in der Messe des Schiffes steuern wir auf die Hang Sung Sot Höhle, auf der kleinen Insel Bo Hon, zu. Schon von unserer Dschunke sehen wir das gähnend schwarze Loch im Fels. Saftiggrüne Urwaldpflanzen hängen wie Haarsträhnen über der länglichen, dunklen Höhlenöffnung. „Hobby“, fordere ich Ajaci auf in das Beiboot zu springen. Er lässt sich das nicht zweimal sagen und hüpft mit einem kraftvollen Satz hinein. Die beiden selbsternannten Allergikerinnen sehen uns ausdruckslos an. Das kleine Boot tuckert los, worauf Ajaci vor Vergnügen laut losheult. Wieder trifft mich ein vielsagender Blick der Fülligen, die wohl nicht glauben kann, dass ein Vierbeiner auf diesem Ausflug zu ihrer dauerhaften Begleitung gehört. Alle anderen, inklusive der Bootsbesatzung, haben Ajaci von der ersten Sekunde ins Herz geschlossen. Seit dem wir auf der Dschunke sind wird Ajaci ständig gebeten in die Smarphones zu hecheln. Da er weiß was sich gehört lässt er keine Photosession aus. Selbst beim Kapitän hat er sich eingeschmeichelt.
Kaum haben wir den Ticketschalter an der Höhle erreicht wird uns ein entschiedenes „Không!“, (Nein) entgegengerufen. „Hunde sind in der Höhle nicht erlaubt“, übersetzt uns ein Vietnamese. „Warum nicht?“, fragt Tanja, worauf wir nur ein Schulterzucken ernten. „Okay Denis, ich bleibe mit Ajaci auf dem Beiboot, während du die Höhle besichtigst“, schlägt Tanja vor. „Ach was. Irgendwie bringen wir ihn schon rein“, versuche ich mich durchzusetzen, weil ich weiß, dass im Land der Korruption fast alles möglich ist. „Lass gut sein. Ist zuviel verschwendete Energie. Ich habe in China viele schöne Tropftsteinhöhlen gesehen. Da kommt es jetzt auf eine mehr oder weniger nicht an. Ich werde mit Ajaci die Ruhe auf dem Beiboot genießen“, sagt sie, weswegen ich alleine die Stufen zur Grotte hochsteige. Weil meine kleine Gruppe unserem Guide folgt, und ich wegen dem Fotografieren zurückbleibe, wandle ich alleine durch die Welt der Finsternis, die einst von den Franzosen entdeckt wurde. Bizarr anmutende Stalaktiten hängen von der mit bunten Schweinwerfern beleuchteten Höhlendecke, während ihnen vom Boden Stalagmiten entgegenwachsen. Ein ähnliches Bild in vielen Tropfsteinhöhlen der Welt und obwohl wir in der Tat schon viele Höhlen in unserem Reiseleben besucht haben, fasziniert es mich immer wieder von neuem welche kunstvollen Formen unterschiedlichster Art Mutter Natur modelliert. Abgesehen davon ist jede Grotte eine eigene andere Welt mit eigenen Charakter und Ausstrahlung. Die Haupthöhle hier ist mindestens 30 Meter hoch und vielleicht 500 Meter lang. Mir kommt es so vor als befände ich mich in einer unterirdischen Stadt in der die Bewohner der Dunkelheit von den vielen Scheinwerfern vertrieben wurden. Bedacht laufe ich auf den teils nassen und rutschigen Wegen. Schade, dass Tanja diese faszinierende Welt nicht sehen kann, geht es mir durch den Kopf. „Und wie war’s?“, fragt sie als ich wieder auf dem Beiboot bin und mich Ajaci stürmisch begrüßt als wäre ich Monate weggewesen. „Sehr sehenswert.“ „Bei mir war’s auch toll. Habe den Blick auf diese Fantasiewelt genossen“, antwortet sie bestens gelaunt.
Am späten Nachmittag ankert unsere Dschunke in einer von Karsthügeln umgebenen Bucht. Das Beiboot bringt uns zu einem Badestrand dessen Sand angeblich künstlich hierher geschippert wurde. „Mal sehen wie Ajaci das Salzwasser gefällt“, sage ich und locke ihn ins Meer. Da er Wasser liebt, überlegt er nicht lange und folgt mir. „Nicht saufen“, schimpfe ich ihn als er die salzige Brühe in sich hineinschlappert als wäre es ein wohlschmeckende Suppe. Während er hustend das suspekt schmeckende Wasser verlässt wage ich nach meiner frischen Schulterverletzung die ersten Schwimmversuche. Jedoch muss ich enttäuscht feststellen, dass mir die Bewegungen nicht gut tun. Etwas geknickt folge ich meinen Hund, der eine abgelegene Ecke des Strandes für seine Notdurft nutzt und uns somit Ärger an Bord erspart. Ich trockne mich ab und setze mich mit Tanja und Ajaci in den Sand, um den spektakulären Sonnenuntergang zu beobachten. „Langsam wird es Zeit unsere Radreise fortzusetzen. Die Räder sind soweit fit. Der Rahmen meines Rades ist geschweißt aber nach meinen ersten behutsamen Schwimmversuchen bin ich mir nicht sicher ob ich in der Lage bin ein schweres Rad zu lenken“, sage ich etwas betrübt. „Das wird schon wieder. Wir bleiben solange bis du wirklich wieder stark genug bist“, tröstet mich Tanja.
Wieder an Bord unseres Ausflugdampfers genießen wir das Restlicht, welches die Sonne bereits von der anderen Erdseite noch zu uns herüberschimmern lässt. Die eigenwilligen Berge mit ihren Rundspitzen vergehen regerecht im blasslila, pink und zartrosanem Zwielicht. Dann ist es plötzlich schlagartig finster. In der Schwärze der angehenden Nacht leuchten die Lichter anderer Dschunken. Die gelb, weiß, blauen Strahlen werden von der dunklen Meeresoberfläche reflektiert. Gelächter und Musik wird von einer leichten Brise zu uns herübergetragen. Der Barmann stellt ein Tablett mit Coca Cola und Rum auf einen kleinen Tisch. „Freie Drinks für euch“, sagt er freundlich lachend. Wir lassen uns in die Liegestühle an Deck nieder, trinken unseren Rum und blicken in die mit Regen geschwängerten Wolken, die sich nur schemenhaft vom dunklen Tropenhimmel absetzen und im Begriff sind sich am Bootsmast zu teilen. „Ein schöner Ausflug“, sage ich verträumt, die Wirkung des Rums spürend.
Um 20 Uhr sind die wenigen Tische in der kleinen Schiffsmesse fürs Abendessen gedeckt. Wir sitzen mit einem französischen Elitesoldaten, einem Engländer und seiner vietnamesischen Freundin an einem Tisch, während die zwei Pseudoallergikerinnen, eine weitere junge Engländerin und Engländer am anderen Tisch speisen. Das Essen ist ausgezeichnet und die Stimmung ausgelassen, weswegen viel getrunken wird. Vor allem Ajacis und meine beiden Freundinnen lassen es richtig krachen. Sie kippen sich einen Cocktail nach dem anderen hinter die Binte. „Der morgige Tag wird für euch echt hart“, sage ich, als wir uns frühzeitig verabschieden und unsere Koje aufsuchen. „Wir sind hart im Nehmen“, antworten sie hysterisch gackernd…
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