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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 3

Glaubst du das Feuer kann uns gefährlich werden?

N 23°18’48.6“ E 148°44’20.2“
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    Tag: 234 Etappe Drei / Expeditionstage gesamt 625

    Sonnenaufgang:
    05:24

    Sonnenuntergang:
    18:55

    Luftlinie:
    20,6

    Tageskilometer:
    33

    Gesamtkilometer:
    6587 km

    Temperatur - Tag (Maximum):
    37° Grad, Sonne ca. 57°

    Temperatur - Nacht:
    22° Grad

    Breitengrad:
    23°18’48.6“

    Längengrad:
    148°44’20.2“

     

Buschfeuer-Camp — 05.01.2003

Schon 100 Meter nach dem Aufbruch versperrt uns wie so oft ein Zaun den Weg. „Das Gatter ist abgeschlossen!“ ,ruft Tanja. Enttäuscht führen wir die Karawane an dem Zaun entlang, um eventuell einen Durchgang zu finden. Leider bleibt unsere Suche vergebens. Es dauert über 20 Minuten bis ich die Zaundrähte gelöst und die Kamele auf die andere Seite geführt habe. Dann versetze ich das Drahtgeflecht wieder in seinen ursprünglichen Zustand und wir können weiterlaufen. Nach einer groben Rechnung mussten wir bisher ca. 450 Zäune überwinden, wovon ich ca. 50 umlegen und wieder aufstellen musste. Alleine diese Hindernisse können einem auf Dauer graue Haare wachsen lassen, jedoch haben wir uns im Laufe der Jahre damit abgefunden und nehmen sie als kleine Herausforderungen und Hürden dieser Expedition. Dadurch, dass die Farmen jetzt immer kleiner werden und wir uns auf einmal wieder weit weg von Straßen und Zivilisation befinden, gibt es auch immer mehr von diesen Dingern die sich uns in den Weg stellen. Mit viel Geduld öffnen wir also ein Gatter nach dem anderen und wenn es nötig ist legen wir das Hindernis aufs Kreuz.

Plötzlich gabelt sich der Track. Einer führt leicht nach links, um dann parallel neben dem anderen herzulaufen. Sofort stoppe ich Sebastian, um in der Karte nachzusehen. „Hier gibt es nur einen Weg,“ sage ich überlegend. „Zur Sicherheit sollte ich ein paar Koordinatenpunkte aus der Karte messen,“ füge ich noch hinzu und lasse Sebastian und Hardie abhuschen, weil alles was ich dazu benötige in Hardies Satteltasche geladen ist.

„Wir nehmen den linken Weg,“ entscheide ich und weiter geht unser Marsch. Es dauert nicht lange, bis auch dieser Track sich im Nichts verliert. Der Untergrund ist plötzlich feucht. Vorsichtig gehen wir im Zickzack an Wassertümpel vorbei. Gefällte Bäume liegen kreuz und quer auf dem Boden. Alle paar hundert Meter sind wir gezwungen eine dünne Wasserader zu überschreiten. Sie münden in den nahen Red Rock Creek, in dessen Bett an manchen Stellen Wasser schimmert. Zweifelsohne hat es hier vor nicht all zu langer Zeit kräftig geregnet. Saftiges Gras und grüne Bäume und Büsche wachsen wie in einem tropischen Urwald. Sebastian verdreht regelrecht seine Augen und möchte ständig seinen Kopf senken, um das leckere Gras zu fressen. „Meinst du wir sind hier richtig?“ ,fragt Tanja. „Das ist mit Sicherheit keine Stockroute. Lass und noch ein paar Minuten weitergehen. Wenn wir dann auf keinen Track stoßen müssen wir umkehren.“

Wir marschieren noch zwei Kilometern bis wir uns entscheiden umzukehren. „Vielleicht hätten wir doch dem anderen Weg folgen sollen?“ ,meine ich, ziehe Sebastian in einen Bogen und laufe wieder in die gleiche Richtung aus der wir gekommen sind. Da uns das steile Ufer des Red Rock Creek keine Überquerung erlaubt sind wir gezwungen weiter und weiter zu gehen bis wir wieder da sind wo wir vor einer Stunde waren. Jetzt biegen wir nach Süden ab und nur 50 Meter später treffen wir auf die alte Stockroute. „Unglaublich wie nahe wir ihr die ganze Zeit waren,“ äußere ich mich jetzt erleichtert, denn obwohl es bis Rockhampton nur noch ca. 250 Kilometer sind und wir uns hier in Farmland befinden, ist es immer noch leicht möglich sich zu verirren.

PLÖTZLICH BRENNT MIR DER RAUCH IN AUGEN UND LUFTÖHRE

Ohne Schwierigkeiten folgen wir nun dem selten benutzen Weg in Richtung Osten und schlagen nach knappen sieben Stunden Laufzeit unser Lager auf. Die Kamele finden auf der Lichtung vor uns grünes Gras. Kaum haben wir uns erschöpft in die Campstühle niedergelassen hören wir Motorengeräusche hinter uns. Tanja dreht sich um. „Was ist denn das? Es wird doch kein Buschfeuer sein?“ ,fragt sie nervös auf große in den Himmel steigende Wolken deutend. „Glaube ich nicht. Vielleicht sind da ein paar junge Jackeroos die mit ihren Jeeps durchs Gelände brechen. Rauchwolken müssten viel dunkler sein,“ antworte ich beruhigend, drehe mich wieder um und setze meine Navigationsarbeit fort. „Ich weiß nicht Denis was ist wenn es doch ein Buschfeuer ist?“ „Dann sind wir hier auf diesem Platz auch nicht gefährdet. Schau doch, wir befinden uns direkt neben einer Lichtung. Das grüne Gras brennt gewiss nicht. Im Notfall müssten wir unsere Ausrüstung 50 Meter auf die Rodung tragen aber ich glaube nicht das es nötig ist,“ sage ich und trage die Koordinaten des zweihundertsechsundfünfzigsten Lagers in mein Logbuch ein.

„Wir haben in den letzten sechs Tagen 185 Kilometer zurückgelegt,“ sage ich als mir der Geruch von Rauch in die Nase steigt. Sofort drehe ich mich in meinem Stuhl wieder nach hinten, um den immer größer werdenden Wolken einen Blick zuzuwerfen. „Du hast recht. Das ist zweifelsohne ein Buschfeuer. So wie es aussieht hat es jemand angesteckt. Wahrscheinlich brennen sie dort das Land nieder.“ „Und du glaubst wirklich nicht, dass wir hier gefährdet sind?“ „Nein glaube ich nicht,“ antworte ich. Wieder kümmere ich mich um meine Eintragungen, jedoch entgeht mir nicht das Tanja immer nervöser wird. „Jetzt regnet es schon Asche!“ schreckt mich ihre Feststellung aus meinen Gedanken. „Wir sind trotzdem nicht in Gefahr aber wenn es dich beruhigt gehe ich gleich mal los, um mir die Sache genauer anzusehen.“ „Das wäre sehr nett,“ antwortet sie unruhig. 33 Laufkilometer rechne ich gerade aus als mich Tanja wieder unterbricht. „Hörst du das? Es rauscht wie die Brandung eines Meeres.“ „Okay, ich sehe sofort nach,“ sage ich, schnappe mir das Walkie Talkie, setze meinen Hut auf und nehme die Kameras mit. „Kanal 14. Hast du auch Kanal 14 eingestellt?“ ,frage ich. „Ja.“ Mit einer kurzen Sprechprobe überprüfen wir den Funkkontakt, dann verlasse ich unseren Platz in Richtung Rauch. „Pass auf dich auf!“ ,ruft mir Tanja hinterher. „Keine Sorge. Klar passe ich auf!“ ,höre ich mich selbst antworten.

Vor mir steigen mittlerweile gigantische Rauchwolken in den Himmel. Die Sonne ist verdeckt und wirft ihr fahles, gedämpftes Licht auf einen dunstverhangenen Wald. Ich schreite gerade in die Senke, durch die sich der Cooroorah Creek schlängelt, als ich glaube ein gelbrotes Flackern erkannt zu haben. Kann es sein das dort unten bereits das Feuer wütet? Das wäre sehr nahe, denke ich mir. Erleichtert stelle ich fest, dass sich zwischen dem Buschfeuer und unserem Camp ein Track befindet. Wenn das Flammenmeer wirklich hier herauf kommen sollte kann ich mir nicht vorstellen, dass es diesen Track überspringen wird.

Plötzlich bläst mir heißer Wind entgegen. Er wird immer stärker, bis ich meinen Körper regelrecht hineinlegen muss, um nicht einfach rückwärts umzufallen. Dichte Rauchwolken schweben über dem Creek, doch als der Wind hineinfährt, zerreißt er sie, mischt sie wie ein Mixer durcheinander und nimmt sie mit sich. Das Rauschen wird immer lauter. Es ist regelrecht beängstigend. Etwa 200 Meter vor mir schlagen plötzlich Flammen in die Luft. Sie rasen an einem Baumstamm in die Höhe und verschlingen unter lautem Prasseln sämtliche Blätter und dünnen Äste. Fasziniert bleibe ich wie angewurzelt stehen. Noch nie in meinem Leben war ich einem Buschfeuer so nahe. Wir waren zwar auf der Etappe Eins und auch auf der Etappe Zwei von Buschfeuern bedroht aber jetzt bekomme ich die vernichtende Macht eines ausgewachsenen Feuers hautnah mit. (Tagebuchgesamtübersicht vom 12.10.00, Tag 154 Etappe Eins) Gleich hinter dem jetzt verkohlten Baum brennen einige Büsche. Vorsichtig nähere ich mich noch ein wenig und sehe das Ausmaß des Feuers. So weit ich blicken kann steigt beißender, fast weißer Rauch aus der brennenden Buschlandschaft. Wie von einem Magneten angezogen nähere ich mich noch ein paar Meter. Ich fühle mich hier sicher, denn das Creekbett liegt wie eine Barriere zwischen mir und den Flammen. Um noch bessere Filmaufnahmen in den Kasten zu bekommen verlasse ich den Weg und schreite in das Gebüsch zu meiner Rechten. Kakteen und ein paar Blumen erheben sich wie eine Ironie gegen die Flammen der Vernichtung. Beeindruckt, ja wie verhext beobachte ich das Schauspiel und lausche dem gefährlichen Grollen des Feuers. Heißer Wind weht mir ständig ins Gesicht. Es regnet unaufhörlich Asche und Rauchwolken schießen in die Unendlichkeit des Himmels. Ab und zu legt sich eine der Wolken über mich und nimmt mir für wenige Augenblicke den Atem. Doch der starke, sturmähnliche Wind zerfetzt sie Sekundenbruchteile später wieder in Stücke. Um noch bessere Aufnahmen zu bekommen bin ich versucht mich noch weiter vom Weg zu entfernen. „Bleib vernünftig Denis. Bleib in der Nähe des Tracks. Du weißt nicht was ein Buschfeuer macht,“ flüstere ich mir selbst zu. Plötzlich entsinne ich mich wieder an das Sprechfunkgerät. Mein Gott, wie lange bin ich hier schon? Tanja wird sich Sorgen machen. Sofort nehme ich das Walkie Talkie von meinem Gürtel. „Tanja?“ „Ja?“ „Wir brauchen keine Angst zu haben. Zwischen unserem Camp und dem Feuer liegt ein Track und ein Creekbett. So wie es im Augenblick aussieht glaube ich nicht, dass die Flammen den Creek überspringen…“ Weil ich keine Antwort bekomme gehe ich davon aus, dass die Batterien ihres Walkie Talkies am Ende sind. Da wir in den letzten Wochen die Sprechfunkgeräte sehr wenig genutzt haben ist so etwas leicht möglich. Wahrscheinlich aber hat sie meine Nachricht verstanden und das Walkie Talkie hat nur nicht genügend Energie um zu senden.

Ich schieße gerade ein paar Aufnahmen von einer hübschen, weißblühenden Blume, die von Rauchschwaden umnebelt ist, als sich schlagartig die Windrichtung ändert. Ohne viel Zeit zum Überlegen zu besitzen befinde ich mich augenblicklich in dichtem Rauch. Sofort beginnen meine Augen zu brennen. Die Sicht ist eingeschränkt und ein entsetzlicher Hustenreiz quält meine Bronchien. Nichts wie raus hier, schießt es mir durchs Gehirn. Der Track ist nur noch schwer zu erkennen. Eilig schreite ich in seine Richtung. Sekunden später ist mir die Sicht völlig genommen. Hustend stolpere ich weiter. Eine große Flamme, direkt auf der anderen Uferseite des etwa drei Meter schmalen Creeks, schießt in einen Busch. Es prasselt ohrenbetäubend. Schemenhaft erkennen ich den Track. Um besser atmen zu können, reiße ich mir mein Tuch vom Hals und halte es vors Gesicht. Doch es bringt keine Erleichterung. Ich versuche zu rennen aber der Sauerstoffmangel lähmt meine Füße. So geschieht es also das Menschen im Busch verbrennen. Es sind nicht die Flammen direkt, sondern der Rauch. Erst bricht man durch eine Rauchvergiftung zusammen und dann fressen einem die Flammen auf, geht es mir durch die umnebelten Gehirnwindungen. Als ich den Weg erreiche, fällt mir die Flucht leichter. Jedoch liegt auch er in einer dichten Ruchwolke. So schnell es meine brennenden Lungen zulassen, hetze ich die Senke hinauf. Von einem Hustenanfall zum anderen geschüttelt setzen sich meine fliehenden Fußabdrücke in den Sand, bis die Luft endlich wieder etwas besser wird.

Auf der Ebene angekommen, drehe ich mich wieder um. Der gesamte Horizont ist mit Rauchwolken verhangen. Als würden gigantische Flaschengeister mit einander um die Vorherrschaft ringen, verwinden sich die Rauchsäulen ineinander. Der sturmartige Wind fährt immer wieder dazwischen und treibt das Feuer in rasender Geschwindigkeit nach Süden. Gebannt und völlig außer Atem sehe ich der vernichtenden Macht zu. Dann gehe ich zum Camp zurück, um Tanja zu berichten.

„Der Wind treibt das Feuer jetzt nach Süden. Wir sind hier nicht in Gefahr aber ich weiß jetzt wie schnell und warum man in so einem Buschfeuer umkommen kann,“ sage ich und erzähle von meinem Erlebnis.

Als die Sonne schon lange untergegangen ist mache ich mich noch mal auf, um das Feuer zu beobachten. Nur unweit von unserem Camp stelle ich mich auf den Track und sehe in die Talsenke. Als hätte jeder Einwohner einer großen Stadt ein Feuer im Garten, beleuchten unzählige Flammenherde die Ebene. Es ist ein beeindruckendes Bild. Der Mond schwebt als helle Sichel in der von Sternen übersäten Nacht. Die Sturmböen haben sich gelegt. Nur eine leichte, warme Brise säuselt in den Ästen eines Baumes neben mir. Meine Gedanken verselbständigen sich und ich frage mich was gewesen wäre, wenn wir heute Morgen nicht zufällig einen einstündigen Umweg gelaufen wären? Wenn ich den richtigen Track gewählt hätte? Wir hätten mit Sicherheit nicht an der Lichtung unser Lager aufgeschlagen, sondern irgendwo dort unten, wo jetzt die Flammen alles vernichten. Durch die Sturmböen hatte das Flammenmeer eine beachtliche Geschwindigkeit erreicht. Hätten wir es geschafft ihnen rechtzeitig zu entkommen? Hätten wir die starke Rauchentwicklung überlebt? Mein Gott, wiedereinmal beweist diese Situation wie dicht Leben und Tod nebeneinander liegen. Wie nahe sich Freude und Trauer kommen. Auch wenn wir uns schon so fühlen als wären wir fast an der Ostküste müssen wir achtsam bleiben. Wir dürfen die letzten Wochen unter keinen Umständen nachlassen. Nie hätte ich damit gerechnet noch mal so nahe an ein Buschfeuer zu kommen welches in der Lage ist uns Angst einzujagen. Aber trotz allem was noch vor uns liegt und all die Erlebnisse die wir bereits bewältigt haben ist es wichtig diesen Augenblick zu genießen. Es ist wichtig den Moment zu leben. Nur wenn das funktioniert ist ein Leben ausgeglichen und glücklich. Ohne Zweifel ist jedes Leben ein Balanceakt zwischen Zukunft und Vergangenheit.

Wenn wir es in unserem Leben schaffen, dass der Augenblick das Zentrum von Zukunft und Vergangenheit bildet, dass er den Mittelpunkt einer Waage bildet auf deren einen Seite das Gewicht Zukunft und auf der anderen Seite das Gewicht Vergangenheit hängt, leben wir in Frieden und Harmonie mit uns und dem Rest der Welt. Lange stehe ich da und lasse meine Gedanken tief in mich hineinsinken. Meine Blicke gleiten über das Feuermeer, welches ich in dieser Form nie mehr in meinem Leben sehen werde. Es ist ein einmaliger Augenblick, ein Moment der sich in meine Erinnerung einkerben wird und schon morgen der Vergangenheit angehört. Vor ein paar Stunden allerdings gab es dieses Feuer noch nicht und hatte nichts mit meinem Leben zu tun. Genau dieses Beispiel, dieses Feuer erklärt mir wie wichtig es ist das „Jetzt“ zu genießen. Es nicht zu missachten, sondern es zu leben und aufzusaugen. Wir leben immer im Jetzt, immer im Augenblick, ob wir es wahr haben wollen oder nicht. Nur unsere Gedanken können uns davon wegbringen, können uns aus der Balance des Lebens werfen, was zur Folge hat, dass wir den Augenblick verpassen und somit an unserem augenblicklichen Leben vorbeileben…

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