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Russland/Kujtun Link zum Tagebuch TRANS-OST-EXPEDITION - Etappe 4

Gewitterflucht

N 54°21'12.5'' E 101°31'20.9''
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    Tag: 36

    Sonnenaufgang:
    06:06 Uhr

    Sonnenuntergang:
    22:34 Uhr

    Luftlinie:
    65.16 Km

    Tageskilometer:
    73.09 Km

    Gesamtkilometer:
    11629.52 Km

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt / Schotter

    Temperatur – Tag (Maximum):
    32 °C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    16 °C

    Temperatur – Nacht:
    18 °C

    Breitengrad:
    54°21’12.5“

    Längengrad:
    101°31’20.9“

    Maximale Höhe:
    570 m über dem Meer

    Maximale Tiefe:
    637 m über dem Meer

    Aufbruchzeit:
    11:50 Uhr

    Ankunftszeit:
    18:15 Uhr

    Durchschnittsgeschwindigkeit:
    15,23 Km/h

Als ich aus dem Fenster sehe, erblicke ich dichten, tief liegenden Nebel. Noch vorgestern wurden wir bei 61 Grad in der Sonne und 33 Grad im Schatten regerecht gebrutzelt und jetzt steht das Thermometer bei 21 Grad. Welch ein Wetterumschwung. So etwas hat man uns eigentlich erst für den August vorhergesagt. Ob sich hiermit der Sibirische Sommer verabschiedet hat? “Das kann doch nicht sein?”, denke ich und bete dafür nicht jetzt schon jeden Tag durch eine Regen- und Nebelsuppe radeln zu müssen. Zum Glück dringt um 10:00 Uhr die stärker werdende Sonne durch die Nebelwand und es dauert nicht lange bis der graue Schleier völlig verschwunden ist.

Beim Nachpumpen aller acht Reifen unserer Räder und Anhänger stelle ich fest, dass mein Hinterreifen überraschend viel Luft gelassen hat. “Sieht nach einem Platten aus”, meine ich. “Musst du den jetzt flicken?”, fragt Tanja. “Wenn da ein Loch drin ist dann ein ganz kleines. Das kann ich auch an einem anderen Tag reparieren”, antworte ich. Bei leicht bewölktem Himmel verlassen wir Tulun. Wir arbeiten uns einen Höhenzug nach dem anderen hinauf und freuen uns von angenehmen Talfahrten entlohnt zu werden. Mit jeder Stunde, die der Tag älter wird, ziehen mehr und mehr Gewitterwolken auf. Tiefes Donnern und grelle Blitze hinter uns veranlassen uns die Tretkurbeln schneller kreisen zu lassen. “Vielleicht schaffen wir es dem Gewitter zu entrinnen!”, rufe ich Tanja zu. Immer wieder zurückblickend fahren wir jetzt mit 15 bis 18 Km/h durch eine ebenflächige Senke. Zwei verschiedene Gewitterfronten nehmen uns jetzt von hinten in die Zange. Die eine kommt von links und die andere von rechts. Sie rücken uns immer schneller auf dem Pelz und schieben sich wie Pfeilspitzen gen Südosten, um uns den Weg abzuschneiden. Als die ersten Tropfen fallen, stoppen wir, um unsere Regenjacken auszupacken. “Schau dir das mal an. Da kommt eine massive Regenfront auf uns zu gejagt. Schnell, beeil dich, sonst erwischt sie uns mit voller Wucht!”, rufe ich und erschrecke vor dem Anblick der rasant heraneilenden Wasserwalze. Schon biegen sich die Bäume im aufkommenden Wind. “Jetzt mach schon!”, rufe ich Tanja erneut zu, die in der Eile Schwierigkeiten hat die Gläser der Radbrille zu wechseln. Zu spät. Die ersten Windböen treffen uns mit ca. 50km/h bis 60 Km/h in den Rücken und noch bevor wir wieder im Sattel sitzen walzt sich die kalte Regenwand über uns. Innerhalb weniger Sekunden befinden wir uns mitten in einer schrecklichen Waschküche. Wieder auf den Böcken treiben uns die Sturmböen mit 30 km/h über den kaum noch zu sehenden Asphalt. Die Straße hat sich zu einem Fluss verwandelt. Autos kommen uns im Schritttempo und mit eingeschalteten Lichtern entgegen. Und plötzlich, als wäre das gesamte Szenario nur ein Spuk gewesen, hört es wieder auf. Ich drehe mich um und traue meinen Augen kaum. Nur wenige Meter hinter unseren dahinfliegenden Rädern rauscht das Wasser weiterhin vom Himmel, als falle es von einer hohen Klippe. Immer wieder wende ich mich im Sattel, um das bisher noch nie gesehenen Schauspiel zu beobachten. Langsam aber stetig blasen uns die Gewitterböen der dahinrollenden Wolken aus dessen Geschehen. Der uns folgende Wasserfall kommt durch unsere Geschwindigkeit nicht mehr hinterher und kann uns solange wir treten, und der Wind in unseren Rücken bläst, nichts mehr anhaben. Noch immer rasen wir mit 27 bis 30 km/h dahin und freuen uns über den immer größer werdenden Abstand. “Fantastisch! Wir sind dem Regen einfach davongefahren!”, rufe ich und fühle wie mir das kalte Wasser aus den Schuhen rinnt.

Im Örtchen Kujtun berichtet man uns von einer Gastiniza. Wir freuen uns darauf die nassen Sachen vom Leib zu bekommen und eine heiße Dusche zu genießen, doch als wir vor dem ehrwürdigen lilafarbenen Holzhaus unsere Räder abstellen, wissen wir, dass zumindest aus einer heißen Dusche nichts werden kann. Im ersten Stock bekommen wir für 600,- Rubel (13,60 Euro) eine kleine Kammer in der geradeso ein Tisch und zwei Betten Platz finden. Im Erdgeschoss gibt es eine Möglichkeit sich an einem Becken zu waschen. Das Plumpsklo befindet sich im Hof. Das Besondere daran sind die zwei Löcher nebeneinander. In Zeiten des Hochbetriebes können sich also zwei Personen zur gleichen Zeit über je ein Loch hocken und, wie wir es in China schon erlebt haben, sich während ihres Geschäftes über die neuesten Ereignisse des Tages austauschen.

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