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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Gespräche mit einem Stammesoberhaupt / Grenzübergang

N 23°09’51.8’’ E 129°02’29.7’’
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    Tag: 143 Etappe Zwei

    Sonnenaufgang:
    04:35

    Sonnenuntergang:
    17:39

    Temperatur - Tag (Maximum):
    40 Grad

    Breitengrad:
    23°09’51.8’’

    Längengrad:
    129°02’29.7’’

Schnell-Camp — 05.11.2001

Ich bin gerade beim Schreiben der letzten Zeilen als ich plötzlich Motorengeräusche höre. „Da kommt jemand!“ ,rufe ich. „Ja ich sehe einen Jeep in unsere Richtung fahren,“ antwortet Tanja, worauf ich das Toughbook zuklappe und das Buschbüro verlasse. Ein Toyota hält neben dem Camp an. Die Fahrertür geht langsam auf und ein wohl beleibter Aborigine steigt aus. Er lacht und kommt auf mich zu. „Du bist bestimmt Bobby?“ ,frage ich ihn die Hand schüttelnd und ebenfalls lachend. „Ja und dein Name ist Denis?“ ,antwortet er fragend. „Ich habe von Mike Harper gehört, dass ihr hier in der Gegend seid. „Wie hast du denn unser Camp gefunden?“ ,möchte ich wissen, denn wir sind weit entfernt vom Track. „Ah, ich habe die Silberfolie in der Sonne aufblitzen sehen,“ antwortet er auf das Sonnendach blickend. „Das ist übrigens meine Frau und die Jungs da sind meine Kinder,“ sagt er und deutet auf eine Aborigine und die Kinder die gerade den Jeep verlassen. „Sein Vater hat sich vor wenigen Wochen zu tote gesoffen,“ sagt er verhalten auf einen Jungen zeigend der als letzter aus dem Fahrzeug steigt. „Was? Wie ist denn das geschehen?“ frage ich erschrocken. Ach, nachdem die Flutkatastrophe unser Dorf Kiwirrkurra überschwemmte, hat uns die Regierung in alle Himmelsrichtungen auf das gesamte Land verteilt. Viele von uns haben es nicht verkraftet von ihrer Familie und ihren Freunden getrennt zu sein und zum Alkohol gegriffen als sie wieder in der Zivilisation waren. Sein Vater hat mit dem Trinken nicht mehr aufgehört, bis ihm die Nieren versagten.“ „Das ist ja schrecklich.“ „Ja, das stimmt. Meine Familie und mich selbst haben sie nach Kalgoorlie gebracht. Dort hat es uns überhaupt nicht gefallen. Ich bin dann mit meiner Frau und meinen Kindern hierher gefahren. Jetzt leben wir in Kintore. Du weißt schon die Aboriginegemeinschaft nur ca. 100 Kilometer von hier. „Ja ich habe von diesem Dorf gehört. Allerdings nicht viel Gutes.“ „Es ist kein guter Ort. Fast jeder schnüffelt dort Benzin und es wird sehr viel getrunken. Mein Vater hat damals schon erkannt wie es mit Kintore enden wird. Er selbst hat zuviel gesoffen, sich mit anderen geschlagen, bis er die Nase voll hatte und eine neue, weit abgelegene Aboriginegemeinschaft errichtete. Er war es der Kiwirrkurra gründete. Es ist ein schöner Ort weit weg vom Grog. (Bezeichnung für Alkohol) Weißt du, wir sind eine Alkoholfreie Gemeinschaft dort. Wenn jemand dagegen verstößt wird er bestraft.“ „Wie denn?“ „Er bekommt den Speer in den Oberschenkel gestoßen.“ „Warum bekommt denn keiner das Benzinschnüffeln und den Alkohol in Kintore unter Kotrolle?“ „Keine Ahnung. Zu viele Menschen haben zu viel zu sagen.“ Während sich Tanja mit Bobbys Frau in unsere Campküche setzt und die etwa acht bis zehn jährigen Jungs im Camp herumtollen, macht es sich Bobby auf dem Boden des Buschbüros bequem. Ich lasse meinen Stuhl außer acht und setze mich zu ihm. Bei einer Tasse Tee führen wir unsere Unterhaltung fort als würden wir uns schon Jahre lang kennen. „Erzähl mal Bobby? Gehören die Steine nördlich von der großen Sanddüne auf der wir gelaufen sind zu euren Traumpfaden?“ „Ja,“ sagt er und beginnt mir eine Geschichte über Verwandte verschiedenen Grades zu erzählen, dass mir am Ende ganz wirr im Kopf ist. Nachdem ich nur die Hälfte verstanden habe möchte ich wissen ob es nun wahr ist, dass die kleinen Steine Buben sind die zu früh mit Mädchen sexuellen Kontakt hatten und ob die größeren Steine ältere Frauen sind die auf die Jungs aufpassen sollen. „Genau so ist es,“ bestätigt er Mike Harpers Version. „Mike hat mir erzählt, dass sie Kiwirrkurra wieder aufbauen werden. Bist du sehr froh darüber?“ Ja, sehr froh. Ich bin nur traurig meine Hunde verloren zu haben.“ „Wieso hast du denn deine Hunde verloren?“ „Als wir im März von Kiwirrkurra evakuiert wurden durften wir nichts außer einer kleinen Handtasche mitnehmen. Manche von uns haben ihre Babyhunde da hinein gepackt und mitgeschmuggelt. Die Meisten sind aber erstickt. Ich musste meine besten Mates zurücklassen. Ich weiß nicht was geschehen ist aber sie sind alle tot. Ich glaube, dass der Aufpasser, der Mike während seiner kurzen Abwesenheit vertrat, alle erschossen hat. Ich bin über dies Situation gar nicht glücklich.“ „Kann ich verstehen.“ „Du Denis, wenn du hier draußen lebst, warum ziehst du denn nicht dein Hemd aus?“ ,wechselt er abrupt das Thema und zupft daran. „Du weißt, dass es hier Millionen von Moskitos gibt. Ich bin froh mich mit Hemd und Hose gegen ihre Stiche schützen zu können.“ „Hm, ja, kann ich verstehen.“ „Wie haben sich denn deine Vorfahren gegen Moskitos gewehrt?“ „Sie haben sich dick mit Schlamm eingeschmiert.“ „War bestimmt auch ein gutes Mittel. Vielleicht besser als Hemd und Hose,“ sage ich worauf wir beide herzhaft lachen.

Wie die letzten ursprünglich lebenden Aborigines gefunden wurden

„Bobby, ich habe davon gehört das erst 1984 eine Gruppe Aborigines in der Wüste entdeckt wurden und nach Kiwirrkurra kamen. Kennst du die Geschichte?“ „Klar, es waren Verwandte von uns.“ „Willst du sie mir erzählen?“ „Gerne,“ sagt er und beginnt ohne Übergang von Verwandten verschiedenen Grades zu sprechen. Geduldig lausche ich seinen Worten und versuche mir einen Reim daraus zu machen, bis er endlich konkreter wird. Ich weiß nicht ob ich wegen den verwirrenden Verwandtschaftsgraden alles genau verstehe aber er erzählt: „Eine ältere Frau der Gruppe die in der Wüste lebte, sagte zu ihren Söhnen immer, dass die Verwandten von bösen Männern im Busch aufgefressen worden sind. Sie wiederholte die Geschichte immer und immer wieder und sendete ihre Söhne eines Tages trotzdem los, um die verlorenen Verwandten zu suchen. Sie machten sich dann eines Tages auf und wanderten eine große Strecke durch die Wüste bis sie Mount Webb erreichten. Sie bestiegen den Berg und beobachteten von ihrem Versteck den Track im Tal auf dem von Zeit zu Zeit ein Auto vorbeifuhr. Plötzlich hielt eines der Fahrzeuge an. Da sie beide sehr durstig waren schlichen sie sich vom Berg ins Tal und beobachteten einen alten Aborigne der irgend etwas an seinem Fahrzeug machte. Die Sonne war bereits am untergehen als sich einer der Brüder einen Ruck gab, um den alten Mann nach Wasser zu bitten. „Ich bin sehr durstig und habe in dem Land unserer Väter kein Wasser gefunden. Kannst du mir Wasser geben?“ ,flüsterte er. Der alte Mann ist so derart erschrocken, dass er fast tote umgefallen wäre. Er dachte einen Federfußmann auch Kadeischi genannt gegenüber zu stehen, die in unseren Gesetzen die Strafen vollziehen und auch Menschen die gegen das Gesetz verstoßen haben zu töten. Der alte Mann versuchte krampfhaft zu lachen und sagte er hole Wasser aus dem Auto. Ganz langsam griff er nach seiner Schrottflinte und als er sie sicher in den Händen hielt schoss er über den Kopf des Mannes der unbekleidet war und nur einen Speer in der Hand hielt…“ „Er hat ihn doch hoffentlich nicht verletzt?“ ,frage ich erschrocken. „Nein, nein aber der Krieger ist mit seinem Bruder ohne nur einen Tropfen Wasser bekommen zu haben ausgerissen. Der alte Mann ist daraufhin sofort nach Kiwirrkurra zurückgefahren und hat meinem Vater von der Begegnung mit dem Federfußmann berichtet. „Das war einer unserer Verwandten,“ hat mein Vater gesagt. „Du hast einen unserer Verwandten vertrieben,“ wiederholte er sich und ist in seinen Motorwagen eingestiegen, um zum Mount Webb zu fahren. Er untersuchte die Fußabdrücke und erkannte sofort, dass die Abdrücke tatsächlich zu seinen Verwandten gehörten.“ „Konnte er anhand der Fußabdrücke feststellen wer es wahr?“ ,frage ich erstaunt. „Oh ja, für einen guten Spurenleser ist das keine Schwierigkeit, aber lass dir weiter erzählen,“ sagt er und führt seine Geschichte fort: „Nachdem er die Spuren also erkannte nahm er kurz entschlossen die Verfolgung auf. Die zwei Brüder die nun auf der Flucht waren sind von Blatt zu Blatt, von Ast zu Ast, von Stein zu Stein gesprungen, um ihre Spuren zu verwischen. Man konnte nicht erkennen, dass da jemand gelaufen ist, doch mein Vater war wie gesagt ein gute Spurenleser und fand sie. Um sich mit den Kriegern zu verständigen zündete er ein Buschfeuer an.“ „Warum zündete er zur Verständigung ein Buschfeuer an?“ ,unterbreche ich ihn wieder. „Wir nutzen die Buschfeuer aus mehreren Gründen. Es ist für uns eine Verständigungsmöglichkeit, um zu sagen, hallo hier bin ich. Dann nutzen wir es um Bangaras zu jagen. Um uns zu wärmen. Um die bösen Geister in der Nacht zu vertreiben. Um nachts besser sehen zu können und vielen anderen Gründen,“ erklärt er mir und ich beginne zu verstehen warum im Aborigineland soviel Buschfeuer hausen und die unendlichen Weiten oftmals total abgebrannt sind.“ Lass dir weiter erzählen,“ sagt er und greift mich freundschaftlich am Oberschenkel: „Die zwei Brüder haben auf ihrer Flucht das Buschfeuer hinter sich nicht gesehen, jedoch die anderen sieben Familienmitglieder des Mobs entdeckten den Rauch des Signalfeuers und entzündeten als Antwort ebenfalls das Spinifex, nicht ahnend, dass es von meinem Vater kam. Kurz bevor die zwei Brüder ihren Mob erreichten holte sie mein Vater ein. Sie waren so ärgerlich, dass sie ihre Speere nach ihm warfen. „Mein Vater rief ihnen ihre eigenen Namen zu und die Verwandtschaftsgrade. „Ah, du bist es nach dem wir gesucht haben,“ riefen sie und begrüßten ihn. Sie haben meinen Vater dann mit zur Gruppe genommen. Mein Vater hat den Männern Frauen angeboten und so geschah es, dass sie aus der Wüste nach Kiwirrkurra kamen.“ „Eine irre Geschichte. Sind sie denn glücklich geworden?“ Die meisten schon. Allerdings ist einer von ihnen nach einigen Jahren wieder ausgerissen. Ihm hat es in unserem Dorf nicht gefallen. Ich habe ihn lange verfolgt bis ich seine Spuren auf den Felsen verlor. Wir haben ihn seit dem nicht mehr gesehen.“ „Glaubst du er lebt hier in der Wüste noch so wie eure Großväter?“ „Ganz bestimmt.“ „Denkst du es gibt noch mehr von euch die so leben?“ „Bestimmt. Ich bin mir da ganz sicher.“ „Wie viele?“ „Ich weiß es nicht aber es ist ein riesiges Land. Vielleicht in Gruppen mit sieben oder neun Leuten.“ „Ich denke du könntest damit recht haben. Es ist in der Tat ein gewaltiges Land. Und vor allem sind viele Bereiche immer noch unberührt. Nur wenige Meter von einem Track hat wahrscheinlich noch nie ein Weißer Mann seinen Fuß darauf gesetzt und sogar die vielen kleinen Tracks die dieses Land wie Adern miteinander verbindet sind sehr selten benutzt. Es wäre für mich kein Wunder wenn noch Menschen deines Volkes so leben wie vor tausend Jahren. Für mich wäre es ein Geschenk mit solch einer kleinen Truppe zusammenzutreffen. Auch wenn ich über alles schreibe was wir erleben, in diesem Fall würde ich es verschweigen, um sie zu schützen,“ sage ich worauf Bobby mich ansieht und ein Hauch von Lächeln über sein Gesicht huscht.

Lasst mich sterben und rettet euer eigenes Leben

„Sag mal Bobby, ich habe schon oft gehört das Aborigines mit ihrem Auto in der Wüste stehen bleiben und aufgrund von Wassermangel umgekommen sind. Ist es einem deiner Verwandten auch schon mal geschehen?“ „Mir selbst ist es vor gar nicht all zu langer Zeit passiert. Ich war mit zwei jüngeren Stammesmitgliedern auf dem Weg nach Kintore unterwegs als der Motor meiner Autos nicht mehr wollte. Es war letztes Jahr nach dem großen Regen. Wir haben das Auto stehen gelassen und sind losgelaufen. Ich wusste eine Abkürzung, worauf wir den Weg verließen. Plötzlich war das ganze Land sumpfig. Wir sind erst bis zu den Knöcheln eingesunken und dann bis zu den Knie. Ich bin mit meinem dicken Bauch so untrainiert, dass ich schon bald nicht mehr konnte. Dann habe ich mir überlegt auf den Bauch zu robben, um über den matschigen Untergrund zu kommen. Ich bin bestimmt einen ganzen Kilometer über den Morast gerobbt bis ich völlig erledigt war. Ich hatte schrecklich Hunger, Kopfweh und Durst. „Ich kann nicht mehr. Lasst mich hier sterben und rettet euer eigenes Leben,“ habe ich zu meinen jungen Begleitern gesagt. „Nein, wir lassen dich hier nicht zurück. Such nach Buschtucker damit wir etwas zu essen haben,“ schlugen sie vor. Ich sammelte noch mal all meine restliche Energie und suchte bis ich ein paar essbare Pflanzen gefunden habe. Sofort nachdem ich sie heißhungrig in mich hineinschlang ging es mir besser. Ich spürte neue Energie in mir. Danach bin ich gelaufen. Tag und Nacht, Tag und Nacht bis wir in Kintore angekommen sind. Ich nahm sogar ab. Mein Bauch war danach viel dünner,“ erzählt er lachend eine seiner dicken Bauchfalten in die Hände nehmend. „Wenn du mal wieder vorbeikommst dann gehen wir zusammen auf einen Walk About. Ich zeig dir dann mein Land.“ „Vielen Dank, aber das kann lange dauern. Erst mal müssen wir die Ostküste erreichen und dafür benötigen wir noch mindestens ein Jahr,“ antworte ich mich über sein Angebot freuend.

Während ich mit Bobby eine angenehme Zeit verbringe ergeht es Tanja nicht ganz so gut. „Hast du Bonbons? Hast du andere Süßigkeiten? Hast du Wasser? Ich habe Hunger. Hast du Eiskreme? Hast du Mahriuana? Die Tasche gefällt mir. Kann ich sie haben? Ich könnte da gut meine Bangaras reinstecken,“ waren die einzigen Gesprächsansätze der Frau.

Bevor sich Bobby und seine Familie verabschieden zeigen sie uns noch ein paar Bangaras die sie auf der Fahrt zu unserem Camp gejagt haben. Sie halten sie stolz aus dem Fenster des Toyotas und lachen. „Sie mal der hat noch Eier in sich. Sehr gut,“ meint Bobby. Dann legt er die Echsen zu seinen Kindern auf den Rücksitz, verabschiedet sich von uns und fährt davon. Als der Geländewagen verschwunden ist bauen wir das Camp ab in dem es uns sehr gut gefällt. Gerne würde ich hier länger bleiben aber da die Zyklonenzeit vor der Tür steht sind wir gezwungen weiter zu laufen. Als es dunkel ist werfe ich ein paar Kartoffeln in die Glut die wir noch vom Straßenbauarbeitercamp haben. Dann backen wir Brot für die Lauftage im Bedourie. Die Flammen des Lagerfeuers flackern und lassen das Geäst der Nadelbäume in ihrem warmen Licht erzucken. Die Sterne wölben sich funkelnd über uns und der abnehmende Mond kommt hinter der Bergflanke hervor und wirft sein weißes Licht auf die abgebrannte Ebene.

Der Grenzübergang

Nach einer angenehmen Nacht stehen wir wie immer um drei Uhr auf. Die Buschtrommeln der Moskitos funktionieren tadellos, denn kaum verlassen wir das Zelt stürzen sie sich auf uns. Ich entfache ein Feuer, um sie zu vertreiben und esse mein Müsli.

„Kamele walk up!“ ,rufe ich das Kommando zum Aufbruch, worauf sich unsere Karawane wieder in Bewegung setzt. Es ist ein heißer Tag mit über 40 Grad im Schatten. Wir finden einige Wassermelonen am Wegrand die ich sofort aufschneide. Das saftig, süße Fruchtfleisch ist bei diesen Temperaturen wie ein Geschenk Gottes. Auch unsere Boys freuen sich über die Schalen. Mit jedem Kilometer weiter in Richtung Osten wird der Track besser. Am Wegrand entdecken wir ein großes Wasserauffangbecken welches von einer Baumaschine hier erst vor wenigen Monaten angelegt wurde. Wir lassen unsere braven Wüstentiere absetzen und nutzen die seltene Gelegenheit, um sie zu tränken. Obwohl sie erst vor fünf Tagen reichlich gesoffen haben schlürfen sie durchschnittlich 40 Liter in ihre durstigen Kehlen. Nachdem wir 280 Liter Wasser in den Eimern zu unseren Tieren getragen haben führen wir unseren Marsch fort. Sebastian beginnt trotz der Rasttage wieder zu humpeln. Er jammert und brüllt mir ins Ohr das meine Nerven im Dreieck springen. „Wir müssen die Dosis des Medikaments auf dreimal am Tag erhöhen,“ sage ich müde. „Wenn du meinst,“ antwortet Tanja der es heute gar nicht gut geht. So wie es aussieht wechseln wir uns mit der jeweiligen körperlichen Verfassung ab. Einmal bin ich am Boden zerstört und wenn ich mich einigermaßen erholt habe geht es Tanja nicht gut. Manchmal aber sind wir beide am Hund und leiden vor uns hin. Immer öfter sprechen wir mittlerweile von Zuhause, von einer Dusche, einem kalten Getränk, ausgiebigen Schlaf und vor allem vom wohligen Gefühl unter einem sicheren Dach ruhen zu können. „Ahhh, kannst du dir vorstellen jetzt in diesem Augenblick eine kalte Apfelsaftschorle in der Hand zu halten,“ sagt Tanja ganz unvermittelt. „Ich würde lieber einen ganzen Liter unverdünnte, Saftmischung aus Mango und Apfel in mich hineinschütten. Gluck, gluck, gluck, rinnt es meine Kehle hinunter. Ahhh, nur der Gedanke daran lässt mir das Geschmackswasser im Gaumen zusammenrinnen. Gluck, gluck, gluck,“ wiederhole ich immer wieder die angenehm klingenden Geräusche. „Gluck, gluck, gluck,“ sage ich, hebe meine Hand und schütte mir unaufhörlich den Inhalt des imaginären Glases in den trockenen Rachen. „Mir wäre eine Apfelsaftschorle lieber,“ entgegnet Tanja hebt ihre rechte Hand und schüttet sich ebenfalls ihr Wunschgetränk in die Kehle. Auf diese Weise verbringen wir viele Kilometer, doch unser Verlangen nach all den leckeren Getränken wird dadurch nicht befriedigt. Nur wenig später überschreiten wir die Grenze von West Australien nach Northern Territory. Ein Pfosten von Len Beadell, der 1960 viele der Tracks hier gebaut hat, ist das einzige Merkmal welches uns den Grenzwechsel in einen anderen Staat zeigt. Ein Jahr und sechs Monate hat es gedauert bis wir die 3585 Kilometer hinter uns gebracht haben, um jetzt die vom weißen Mann gezogene Grenze zu überqueren. „Wie fühlst du dich?“ ,fragt Tanja. „Ich weiß nicht. Auch nicht anders als vorher. Und wie fühlst du dich?“ „Sehr gut. Der Grenzübergang lässt mich daran denken was wir in den letzten 1 ½ Jahren leisteten und welche Abenteuer wir bisher überstanden haben. Ich fühle mich richtig gut dabei dieses neue Land zu betreten.“ „Hm, du hast recht,“ sage ich nach wenigen Denkminuten und beschließe mich mindestens genauso gut zu fühlen.

Du bist was du isst

Am frühen Nachmittag entdecke ich einen wunderschönen, saftig grünen Platz auf dem kein Spinifexgras wächst. „Hier ist ein idealer Ort für unser Nachtlager,“ sage ich und lasse die Kamele absetzen. Schnell sind sie entladen und ohne das lästige Stachelgras mit der Schaufel beseitigen zu müssen bauen wir unsere Campküche auf. Die Kamele schlagen sich an dem saftigen Grün die Bäuche voll ohne gleich in allen Richtungen davon zu laufen und wir sitzen im Schatten eines Busches und löschen unseren Durst. Seitdem ich nicht mehr das Magnesiumgetränk mit Süßstoff zu mir nehme sind meine Schwindelanfälle wie weggeblasen. Ich bin mir nicht sicher ob es wirklich vom Süßstoff kam aber so wie es im Augenblick aussieht war es dieser chemische Zusatz der mich so krank gemacht hat. Es hat eine Weile gedauert, um die Ursache einzukreisen. Jo hat mich darauf gebracht, als sie mir erzählte, selbst durch die Einnahme von Süßstoff unter starken Blutdruckabfall gelitten zu haben. Auch ihr war es sehr schwindelig. Noch vor acht Tagen dachte ich vor Schwindel nicht mehr weiter zu können und jetzt fühle ich mich trotz schwerer Ermüdungserscheinungen und den verschiedensten Schmerzen stark wie ein Fels in der Brandung. Ich sitze da und denke über all die chemischen Zusätze nach die sich heute in unseren Nahrungsmitteln verstecken. 451, 501, 500, 412, 101, 621, 635, 627, 631, 150, 100 sind die vermeintlichen harmlosen Nummern die auf einer einzigen Suppenverpackung einer bekannten Marke stehen. Sie weisen in kleinen Buchstaben auf Farbstoffe, Geschmacksverstärker, Salze und andere chemische Zusätze hin mit denen wir alle, ohne nur darüber nachzudenken, unseren Körper vergiften. Angeblich sind sie harmlos, doch kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass das nicht stimmt. Kaum jemand macht sich darüber Gedanken und doch wirken diese Zusätze in verschiedener Weise auf uns ein. Blutdruckabfall durch Süßstoff ist anscheinend keine Seltenheit. Wenn man bedenkt, dass ein Mensch unter plötzlichen Schwindelanfällen leidet, zum Arzt geht und dann ein Blutdruckförderndes Medikament bekommt wundert es mich nicht warum Menschen mehr und mehr erkranken und nicht wissen warum. „Wir müssen in Zukunft unheimlich darauf achten was wir zu uns nehmen. Du bist was du isst, heißt dieser Spruch so schön und jetzt beginne ich zu verstehen was damit gemeint ist,“ sage ich. Wir unterhalten uns noch eine ganze Weile über unsere Ernährung und was wir in Zukunft ändern werden als sich die Kamele dann doch entscheiden auf große Wanderung zu gehen. Während Tanja sie wieder zurücktreibt studiere ich die Karten und die weitere Route. Unsere Tätigkeiten gehen reibungslos und schnell vonstatten. Die Sonne steht schon tief als ich unser kleines Moskitozelt aufbaue und einräume. Da wir es geschafft haben heute schon bei Tageslicht unser Abendessen einzunehmen schlüpfen wir bald in unsere Behausung und fallen rasch in einen tiefen Schlaf.

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