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E-Bike-Expedition Teil 5 Kambodscha - Online Tagebuch 2017

Gehäutete Hunde

N 12°01’48.4’’ E 104°58’24.4’’
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    Datum:
    11.06.2017

    Tag: 712

    Land:
    Kambodscha

    Ort:
    Soben laor Guesthouse

    Breitengrad N:
    12°01’48.4’’

    Längengrad E:
    104°58’24.4’’

    Tageskilometer:
    71 km

    Gesamtkilometer:
    24.008 km

    Luftlinie:
    54 km

    Durchschnitts Geschwindigkeit:
    24.6 km/h

    Maximale Geschwindigkeit:
    27.8 km/h

    Fahrzeit:
    2:56 Std.

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Maximale Höhe:
    30 m

    Gesamthöhenmeter:
    71.212 m

    Höhenmeter für den Tag:
    35 m

    Sonnenaufgang:
    05:34 Uhr

    Sonnenuntergang:
    18:24 Uhr

    Temperatur Tag max:
    33°C

    Aufbruch:
    07:25 Uhr

    Ankunftszeit:
    10:30 Uhr

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

Schon um 6:00 Uhr feuert der Sonnenball seine Strahlen durch die Lücken der überreifen Monsunwolken hernieder. Die Hauptstadt beginnt langsam zu dampfen. Tuuuhhht! Tuuuhhht! Tuuuhhht!, dröhnt das Hupen des erwachenden Verkehrs zu uns nach oben. Wir sitzen auf der Hochterrasse unserer Wohnung und verspeisen mit großem Genuss eine reife Papaya. „Freust du dich, dass es weitergeht?“, frage ich Tanja. „Ja, bin echt gespannt ob die alten Tempelanlagen von Angkor Wat so faszinierend sind wie jeder sagt.“

“Achtung Kante“, warne ich Tanja, damit der schwere Radanhänger nicht gegen die frisch getünchte Wand des schmalen Treppenhauses knallt. Es ist 7:00 Uhr. Die Hitze hat zugenommen. Schwitzend und stöhnend vor Anstrengung bugsieren wir die schweren Radanhänger aus dem dritten Stock ins Parterre. Unten angekommen mache ich unsere Räder vor dem kleinen Hotelchen mit seinen acht Zimmern fertig, während Tanja noch ein paar Mal nach oben steigt, um die Ortliebtaschen zu holen. In den vergangenen knapp zwei Jahren ein anstrengendes Prozedere an welches wir uns nie richtig gewöhnt haben.

Um 7:25 Uhr sitzen wir wieder auf unseren Böcken, um sie aus Phnom Penh zu treten. Es geht vorbei am Königspalast, der gerade im Begriff ist aus seiner nächtlichen Ruhe zu erwachen. Einige Kilometer weiter saugt uns der morgendliche Berufsverkehr in seinen Sog. Als wir das hektische Treiben Phnom Penhs hinter uns lassen, werden die dunklen Gewitterwolken von der zunehmenden Hitze verdunstet. Ein neugezogener, schwarzer, recht breiter Asphaltstreifen trennt die saftig grünen Reisfelder in zwei Teile und lässt uns gut vorankommen. „Hast du die Katze gesehen?“, fliegt Tanjas Frage zu mir nach vorne. Ich ziehe die Bremsen und halte an. „Was hast du gesagt?“, frage ich sie, nicht richtig verstanden zu haben. „An der Verkaufsbude dort hinten hängt eine gehäutete Katze an einem Stock. Ich glaube die verkaufen hier Katzen an die Vorbeifahrenden.“ „Katzen? Hm, dachte der Verzehr von Katzen und Hunden ist in Kambodscha mittlerweile verboten?“ „Meinst du in diesem Land hält sich irgendjemand an Verbote? Ich sage dir, da hängt eine Katze. Bin mir ganz sicher“, erwidert Tanja. Ich schnappe mir meine Kamera und laufe zu der Verkaufsbude zurück. „Hier hängt nur getrockneter Fisch!“, rufe ich zu Tanja, die an der Straße stehengeblieben ist, um auf die Räder aufzupassen. Als ich die Kamera ans Auge hebe, um ein Bilder von der verrosteten Wellblechhütte zu schießen, zetert mich eine junge Frau an. Sofort nehme ich die Kamera herunter, drehe auf den Absatz und lasse den unfreundlichen Ort hinter mir. „Da hängt keine gehäutete Katze am Pfahl“, wiederhole ich mich, wieder bei Tanja angekommen. „Seltsam. Vielleicht hat die Frau sie schnell weggeschafft als sie dich kommen hat sehen?“ „Vielleicht“, meine ich mich wieder in den Sattel schwingend.

Kaum 500 Meter weiter schockt uns ein kahl rasierter Hund. Ein buntes Plastikband um den Hals, hängt er, mit einigen gerupften Enten, an einem Holzpflock. „Ich glaub’s nicht!“, rufe ich, ziehe erneut die Bremsen, um mir das aus der Nähe anzusehen. Der vierbeinige Freund des Menschen hat hier ein schreckliches Ende gefunden. Seine Peiniger haben ihm den Unterkiefer abgetrennt und am verbleibenden Oberkiefer mit der Plastikschnur an den Pflock gebunden. Sein Bauch wurde, wie bei einer Ziege, geöffnet, um die Innereien herauszunehmen. Bei dem Anblick muss ich mich beherrschen nicht auf den heißen Asphalt zu kotzen. Ajaci, der in seinem Anhänger sitzt, winselt. Ob er begreift, dass man hier seinen Artgenossen aufgehängt hat? Ich werfe einen Blick zu der nahen Hütte. Eine Frau sieht mir freundlich entgegen. Zwei Kinder stehen scheu kichernd auf der einfachen, aus Bambushölzern errichteten kleinen Terrasse, und betrachten unsere E-Bikes. Zweifelsohne sind die hier lebenden Menschen bettelarm und zweifelsohne verdient sich die Familie mit dem geschlachteten Hund etwas Geld, um zu überleben. Wie könnte man sie anklagen? Wir, die aus einem reichen Land kommen und jeden Tag soviel essen können bis wir übergewichtig werden und auf Grund unseres Wohlstandes an Zivilisationskrankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes, Alkoholsucht usw. eingehen, während die Familie hier am Existenzminimum lebt. ‚Ob der Vater gerade eben auf der lukrativen Jagd nach Hunden ist’, geht es mir durch den Kopf. Meine Gedanken fliegen nach Phnom Penh zurück. Bei einer unserer abendlichen Spaziergänge durch die Stadt kamen wir an einem der vielen Imbissstände vorbei. Rauch erhob sich aus der Feuerstelle und verzog sich in die wenig beleuchtete Gasse. Ein paar Männer saßen um einen wackeligen Tisch und verzehrten für uns Undefinierbares. Wir erfuhren, dass sie die Innereien eines Hundes genossen. „Schmeckt lecker!“, rief uns einer von ihnen lachend zu. „Wollt ihr auch was davon haben? Kommt, setzt euch zu uns und trinkt ein Bier mit uns“, forderte uns sein Kumpane auf. Wir erfuhren, dass sie Hundefänger waren und den heutigen erfolgreichen Jagdtag mit ein paar Bier feierten. „Ist gut für deine Potenz!“, ruft der Koch den Kiefer eines Hundes nach oben streckend. Tanja und ich sahen uns an und um mehr zu hören überspielten wir unser Entsetzen. Im weiteren Verlauf unseres Gespräches erfuhren wir, dass die Nachfrage nach Hundefleisch trotz Verbot immer weiter steigt. Aus diesem Grund hat sich in Kambodscha ein regelrechter Schwarzmarkt für gestohlene Hunde entwickelt.

“Jeden Tag bekomme ich von meinen Hundefängern Tiere angeboten. Wenn sie gesund aussehen zahle ich ihnen je nach Größe 30,- US$. Ihr seht, bei mir bekommt ihr gute Qualität und ich verspreche euch, dass meine Ware frisch ist. Und ich sage euch, es schmeckt fantastisch. Ihr müsst nur ein bisschen Chilisauce drüber träufeln und ihr merkt nicht mal dass es Hundefleisch ist. Ist wirklich zart, zergeht regelrecht auf der Zunge. Kommt versucht ein Stück“, ließ er nicht locker uns einladen zu wollen. Als wir uns nicht von der Stelle bewegten, meinte er: „Ist doch egal ob es Hund, Ziege, Schwein oder Kuh ist. Fleisch ist Fleisch. Findet ihr nicht auch?“ fragte der Mann am Grill, der offensichtlich in bester Laune schwelgte. „Sicherlich“, antwortete ich und dachte mir, dass es wirklich nur eine Anschauung der unterschiedlichen Kulturen ist. Allerdings hält man im Regelfall keine Ziege, Schwein oder Kuh als Haustier, und Fakt ist auch, dass man mit Schweinen und Ziegen im Regelfall nicht das Familienleben teilt. Demnach sind sie nie wirklich Familienmitglieder die am Ende auf dem Grill landen. Noch dazu kommt, dass diese Tiere im Regelfall nicht gestohlen werden, dass sie vor ihrem Tod nicht furchtbar gequält werden wie so manch bedauernswerter kambodschanischer Hund. Denn, um den Geschmack zu verbessern, werden sie nicht selten todgeprügelt. Auf diese Weise soll Adrenalin in das Fleisch gepumpt werden, worauf der Hundefeinschmecker großen Wert legt.

„Und wie fangt ihr die Hunde?“, wollte ich von den Männern am Tisch wissen, die uns, so wie es schien, wohlgesonnen waren. „Tagsüber verdienen wir unser Geld indem wir Leute wie euch mit unseren Rikschas durch die Gegend schippern und nachts gehen wir auf die Jagd.“ „Hundejagd?“ „Na klar, doch nicht auf Menschenjagd, ha, ha, ha“, antwortete einer von ihnen prustend vor lachen. „Und wie läuft das ab?“, fragte ich. „Wir haben da so eine selbst gebastelte Schlinge an einem Stock. Mein Kumpel hier fährt das Moped, während ich mit der Schlinge bewaffnet auf der Rückbank sitze. Sobald wir so einen Köder ausgemacht haben, düsen wir hin. Mittlerweile bin ich richtig gut damit geworden. Schwupps die wupps stülpe ich ihm die Schlinge über den Kopf und dann düsen wir los. Dabei schleifen wir den Hund solange hinter uns her bis wir in Sicherheit sind. Der Köder ist dann meist bewusstlos oder tot. Der gibt keinen Laut mehr von sich.“ „Wie meinst du das mit der Sicherheit?“, interessierte es mich. „Na, wir müssen schon aufpassen. Die Hunde gehören ja jemanden. Wenn der Besitzer uns erwischt kommt es vielleicht zum Kampf.“ „Ja, ich habe gehört, dass in Vietnam mittlerweile schon so mancher Hundefänger von den Dorfbewohnern getötet wurde“, gab ich ihm recht. „Nicht nur in Vietnam“, antwortete er seine Stirn in Falten legend. „Habt ihr kein schlechtes Gewissen wenn ihr die Familienmitglieder eurer Mitmenschen so brutal tötet?“, fragte Tanja. „Ja, haben wir schon, aber wie sollen wir unsere Familie ernähren? Das Hundefangen ist eine super, noch dazu sehr gute, Möglichkeit zu überleben.“ „Außerdem macht es auch ein wenig Spaß“, warf einer der Männer lachend ein, trinkt seine Bierflasche aus, um Sekunden später eine weitere zu öffnen. „Stimmt, in einer guten Nacht fangen wir mehrere Tiere. Um den Erfolg zu feiern geht’s in die Bar. Wir gönnen uns ein paar Bier und manchmal auch eine hübsche Frau.“ „Und was sagen eure Frauen dazu?“, wollte ich wissen. „Ummmppfff“, lachte er. „Unsere Frauen? Na die müssen doch nicht alles wissen.“ „Lass uns gehen“, forderte mich Tanja auf, worauf wir uns freundlich verabschiedeten und den Imbisstand mit den gut gelaunten Hundefängern verließen.

Auch der Vater dieser Familie gehört zu den skrupellosen Hundefängern. Nur mit dem einen Unterschied, er verkauft seine Beute nicht an eine Imbissbude oder Restaurant, sondern tötet sie selbst, nimmt sie aus, um sie hier an der Straße an vorbeifahrende Kunden zu verkaufen.

Wir steigen wieder in die Sättel und radeln weiter. Alle paar hundert Meter fahren wir jetzt an kleinen Verkaufständen vorbei, deren ganz spezielle Ware frisch geschlachtete Hunde sind. So wie es aussieht ist die Ausfallstraße von Phnom Penh in diesem Abschnitt bekannt für diese makabere Delikatesse.

Schon um 10:30 Uhr erreichen wir am Rande einer kleinen Ortschaft nach 71 Tageskilometern eine Unterkunft die für uns von außen im ersten Moment nicht so zu erkennen ist. Nur unsere Intuition lässt uns anhalten und fragen ob es hier ein Bett für die Nacht gibt. Die Besitzer des Hauses sind sehr freundlich. Obwohl hier keiner Englisch spricht verstehen wir uns auf Anhieb. Während ich unsere Räder im ebenerdigen Wohnzimmer parken darf, wird Tanja geholfen die Ausrüstung in den ersten Stock zu befördern. Danach überzieht die Tochter des Hauses die Betten mit frischen Laken. „Puh, gut wieder eine Bleibe für die Nacht gefunden zu haben“, stöhne ich mich in meinem Campstuhl niederlassend. Wuuuummmm!, donnert es heftig und brutal, als ich die ersten Zeilen in den Laptop tippe. „Was war das denn?“, fragt Tanja zutiefst erschrocken. „Ein Erdbeben?“, frage ich verunsichert. Wir springen auf und schauen aus dem Fenster. „Nicht zu fassen!“, sage ich. Da wo wir vor kurzem noch standen und uns fragten ob das Haus hier Zimmer vermietet, ist ein Lastwagen in den Graben geschossen. „Glück gehabt“, meint Tanja…

Wer mehr über unsere Abenteuer erfahren möchte, findet unsere Bücher unter diesem Link.

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