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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Gefahren hinter jeder Biegung, unter jedem Stein

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    Tag: 54 Etappe Zwei

    Sonnenaufgang:
    06:20

    Sonnenuntergang:
    17:38

    Luftlinie:
    16,6

    Tageskilometer:
    17

    Temperatur - Tag (Maximum):
    32 Grad

Endlich wieder Unterwegs-Camp — 08.08.2001

„Auf geht’s, lass uns diesen Ort verlassen,“ sage ich immer noch euphorisch obwohl ich unter Schlafmangel leide. Trotz des vier Wochen langen Aufenthaltes haben wir nichts vergessen. Alles verläuft routinemäßig und jeder Handgriff sitzt. Wie die flinken Wiesel eilen wir herum und tragen die letzen Ausrüstungsgegenstände zu den Sätteln. Um unser Lager haben sich kleine Pfade durch das Spinifexgras gebildet und jeder Quadratmeter dieses Ortes ist mir wie die eigene Westentasche vertraut. An dem Flecken an dem das Funkgerät stand bleibe ich kurz stehen, um beim Tragen der Zelttasche zu verschnaufen. Den Tod von Goola ausgenommen war es hier gar nicht so schlecht. Zumindest haben wir ungeheuer viel erlebt und viel gelernt. Mit einem weinenden und einem lachenden Auge lasse ich meinen Blick über dieses Lager schweifen. An dem Platz an dem noch gestern Abend das Buschbüro stand ziehen sich jetzt die verweißten Wassergräben und erinnern an das fürchterliche Unwetter. Die Gräben die den Fluten so lange stand gehalten haben führen überall um das Lager. Ich blick auf den noch feuchten Boden wo bis vor 10 Minuten die Küchenboxen standen und ihren Abdruck neben die Feuerstelle in den roten Sand gepresst haben. Nie werde ich den schattigen Platz unter dem Feigenbaum vergessen unter dem wir uns vor den steigenden Fluten gerettet haben. Wie auch immer, das ist schon wieder Vergangenheit und es ist gut so. Jetzt beginnt hoffentlich eine andere Ära und vielleicht wird es in Zukunft etwas einfacher. Ich stelle die Zelttasche bei Jaspers Sattel ab. Er wird ab heute das Erbe von Goola antreten und seinen Sattel plus Ladung tragen. Dann befestige ich noch die Marlin an Sebastians Sattel und schon heben wir ihn auf das wohl genährte Leittier. Es macht auf mich den Eindruck als habe Goola seine Kraft und Stärke an seine Kameraden verteilt so gut sehen sie aus. Bis auf Istan besitzen sie alle rundgefressene Bäuche und sehen so aus als wären sie bereit bis zum Ende dieser Welt zu marschieren. Als wir dann Edgar und Jasper absetzen lassen und beladen können wir ihr Benehmen kaum glauben. Ohne nur den Versuch zu unternehmen sich auf die Seite zu werfen oder während des Ladens wie eine explodierende Handgranate nach oben zu springen lassen sie uns gewähren. „Das machst du sehr gut. Bist ein tolles Kamel,“ lobt ihn Tanja und reicht ihm eine der rar gewordenen Orangen. Um 10 Uhr ist die Karawane fertig beladen und zum Aufbruch bereit. Lass uns bitte gehen. Bitte keinen weiteren Zwischenfall, denke ich und gebe den Kamelen den Befehl zum Loslaufen. Langsam bewegen wir uns an dem Lagerplatz vorbei und lassen den kleinen Hügel mit seinem Feigenbaum hinter uns. Als wir dann den Track betreten fühle ich mich regelrecht befreit. Mit weiten Schritten marschieren wir auf der roten Erde einem unbestimmten Ziel entgegen. Ich sehen mich noch mal um und erhasche einen Blick auf den wilden Feigenbaum der von hier so unscheinbar und klein aussieht.

Nur 20 Minuten später kommen wir an einer vielleicht 15 Meter langen und einer halben Meter breiten Pfütze vorbei. „Ich denke wir sollten den Kamele gleich hier etwas zu saufen geben,“ unterbricht Tanja meine Gedanken in denen ich mich fragte ob dies ein guter Ort wäre um unsere Tiere zu tränken. Wir lassen alle wieder absetzen und binden ihre Vorderbeine zusammen. Eimer für Eimer schöpfe ich die kakaofarbene Flüssigkeit aus der Lache und trage sie zu unseren Jungs. Insgesamt trinken sie 25 Eimer, also 250 Liter. Ich bin verwundert wie viel Wasser in so einer Pfütze ist, denn der Wasserpegel hat sich nur um fünf Zentimeter gesenkt. „Ich denke da sind noch mal 800 Liter drin,“ stelle ich fest als wir mit vollauf befriedigten Kamelen weiterlaufen. Ein paar Kilometer weiter sehe ich vor uns wieder so eine mit Wasser gefüllte Spurrinne die von den wenigen hier vorbeikommenden Jeepsafaris in die Erde gezogen wurde. Vorsichtig ziehe ich die Karawane auf dem trockenen Stück rechts neben dem matschigen Untergrund entlang. Da Edgar bisher aber nie hinter Istan, sonder aus Angst er könnte etwas vor ihm verpassen links neben ihm geht, läuft er direkt in die langgezogene Pfütze. Es kommt wie es kommen muss und Edgar und der ihm folgende Jasper rutschen auf dem schmierseifenglatten Lehm aus wie dreijährige Kinder die man das erste Mal auf Schlittschuhe stellt. Dadurch das Kamele keine Hufe sondern wie Elefanten weiche Fußsohlen haben können sie sich auf glatten Untergrund nicht halten. „Achtung,“ warnt mich Tanja die hinter der Karawane läuft und das Drama mitverfolgt. Sofort führe ich Sebastian direkt in das Buschland, um die Zwei aus dem haltlosen Untergrund zu ziehen. Während es Edgar managet gerade noch rechtzeitig trockenen Boden unter seine Füße zu bekommen, grätscht Jasper wie ein Ballett-Tänzer durch das gefährlich rutschige Loch. Mit seinem Vordermann durch das Nackenseil verbunden wird er weitergezerrt. Der für ihn noch ungewohnte Sattel wirft ihn beinahe auf die Seite. Ich halte den Atem an als er in letzter Sekunde einen seiner Füße auf festen Boden stellt und unverletzt weiterläuft. Wir atmen auf, denn leicht kann sich ein Kamel bei solchen Eskapaden verzerren oder noch schlimmer einen Muskel oder Sehnenriss zuziehen.

Eine Stunde weiter führe ich die Karawane links an solch einer Stelle vorbei. Es geht alles gut bis Sebastian sich überlegt einen weiteren Schluck aus der Brühe zu nehmen, unerwartet seinen Kopf nach unten reißt und dabei auf den glitschigen Teil der Spurrinne tritt. Ohne nur die Chance zu haben reagieren zu können rutscht er aus und knallt mir mit seinem Kopf auf die rechte Schulte. „Ahhh!“ ,brülle ich vor Schmerz und strauchle durch den Aufprall, dass ich fast zu Boden gehe. „Hast du dich verletzt,“ ruft Tanja erschrocken. „Nein, es tut nur weh,“ antworte ich und reibe mir den Schulterknochen. „So schnell kann es einen erwischen,“ sage ich noch und führe Sebastian in das Dickgicht neben dem Track, um einen weiteren Zwischenfall dieser Art zu vermeiden. Langsam leite ich den Kamelzug durch das Unterholz. Edgar und Jasper sind es bis jetzt noch nicht gewohnt dicht an Büsche, Bäume und anderen Hindernissen vorbeigezogen zu werden. Das ist der Grund warum ich sie ungern durch solches Gelände laufen lassen möchte aber der rutschige Untergrund auf dem Track lässt uns keine andere Wahl. Hundert Meter danach streben wir unserem neuen Lager entgegen. „Man benötigt schon ungeheuer viele Schutzengel auf solch einem Trip,“ beginne ich ein Gespräch über die vielen Gefahrenmomente die hinter jeder Biegung, unter jedem Stein und selbst neben jeder Pfütze auf einen warten kann. „Ja, wir müssen immer auf der Hut sein,“ antwortet Tanja nachdenklich. Im Laufe der Unterhaltung kommen wir zu der Übereinstimmung das uns dieses Land nur dann weiterkommen lässt wenn wir dafür fertig sind. Das letzte Camp hat uns gelehrt wie lange man an einem völlig unscheinbaren und oberflächlich betrachtet uninteressanten Ort zum Bleiben verdonnert ist. Zeit spielt in diesem Fall keine Rolle und ist anscheinend nur für uns Menschen aus der westlichen Industriewelt so wichtig. Hier draußen zählen die Gesetze der Natur. Die Gesetze die wir in unseren unnatürlichen Lebensräumen, den sogenannten Städten, nicht mehr beachten wollen, obwohl sich diese Naturgesetze durch keine menschlich gebaute Grenze auf oder abhalten lässt. An Goolas dahinsiechen und Tod haben wir gelernt welche unwichtige Rolle Zeit spielt wenn man sie nicht beeinflussen kann. Selbst wenn wir uns noch so beeilt und gestresst hätten wäre er gestorben. In der einen oder anderen Lebenssituation macht es also definitiv Sinn Dinge die geschehen geschehen zu lassen bevor man sich einen völlig überflüssigen Herzinfarkt holt oder sonstige gesundheitliche Herausforderungen.

Um 15 Uhr erreichen wir unser erstes Camp nach langer Marschpause. Alle zusammen sind wir geschafft und müde. Die Kamele setzen sich ab und rühren sich mit keinem Mucks bis wir sie entladen haben. Ich baue wie an jedem Lauftag unser Moskitozelt auf, richte es für die Nacht her, grabe eine Feuerstelle, sammle Holz, übertrage die Navigationsdaten vom GPS in das Logbuch und mache mir Notizen über die Geschehnisse des Tages während sich Tanja um das Wohl der Kamele kümmert. Als sich die Sonne in einem geradezu riesig großen runden Ball am Horizont der Wüste verabschiedet sitzen wir mit schmerzenden Körpern in unseren Stühlen und jammern uns gegenseitig unsere Wehwehchen vor. „Ah, mir schmerzt meine Sehne im Fußspann. Hoffentlich entzündet sich der Knoten der sich da die letzten 2 ½ tausend Kilometer gebildet hat nicht weiter,“ beginne ich zu stöhnen. „Ich glaube das meine Schuhe während des Dauerregens eingegangen sind. Meine Fußnägel fühlen sich wiedereinmal an als würden sie abfallen,“ entgegnet Tanja. „Ich glaube du hast recht obwohl ich noch nie davon gehört habe das Schuhe eingehen können. Mir reibt die kleine Zehe plötzlich so stark am Schuh das es nicht mehr lange dauern kann bis sich da ein Hühnerauge bildet.“ „Hast du eigentlich auch solche Kreuzschmerzen. Ich habe das Gefühl in der Mitte auseinander zu brechen.“ „Ja mir geht es genauso. Außerdem habe ich Kopfweh.“ „Habe ich auch etwas obwohl ich genügend getrunken habe,“ kontert Tanja bis wir beide herzhaft zu lachen beginnen. „Wir sind vielleicht zwei Weicheier, jammern da wie die alten Omas und das schon nach 17 Kilometer laufen. Wie sollen wir da denn die Ostküste erreichen?“ „Frage ich mich auch,…“

Der Mond ist noch nicht aufgegangen. Es ist eine stockdunkle Nacht, so finster das nicht einmal die Milchstraße ein Quäntchen Licht abwirft. Wir nehmen unser Abendessen im Strahl unserer Stirnlampen ein. Schon um 20 Uhr verziehen wir uns todmüde und geschafft von den Ereignissen des Tages ins Zelt mit der Hoffnung auf eine Nacht mit mehr Schlaf.

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