Gefängniscamp und Bilgee ändert seine Meinung
N 49°38'671'' E 100°11'496''Tag: 85
Sonnenaufgang:
07:42
Sonnenuntergang:
18:26
Gesamtkilometer:
777
Bodenbeschaffenheit:
Staub/Schotter
Temperatur – Tag (Maximum):
20°C
Temperatur – Tag (Minimum):
15°C
Temperatur – Nacht:
minus 4°
Breitengrad:
49°38’671“
Längengrad:
100°11’496“
Maximale Höhe:
1220 m über dem Meer
In der Nacht wälze ich mich von der einen auf die andere Seite. Mir geht nicht aus dem Kopf wie und ob wir unsere Pferde im Gefängnis von Mörön unterstellen dürfen? Plötzlich habe ich eine blendende Idee die mich kaum noch einschlafen lässt. Als Saraa am Morgen in die Jurte kommt, um die weiteren Schritte mit uns abzustimmen, schildere ich ihr meinen Gedankenkonstrukt. „Was hältst du davon wenn wir dem Gefängnis 1 Millionen Tugrik (571,- €) spenden. Der Gefängnisdirektor sprach von 17 isolierverglasten Fenstern die er für das Gebäude benötigt. Wenn ein Fenster 80.000 Tugrik kostet bekommt er für unsere Spende 12 ½ Fenster. Das wären 1 ½ Stockwerke die er noch vor dem kommenden Winter ausstatten könnte. Das Ganze wickeln wir über deine NGO ab. Im Gegenzug hütet das Militär unsere sechs Pferde. Wir hätten somit eine fantastische Win-Win-Situation. Der Gefängnisdirektor hat nach drei Jahren Suchen endlich einen Großteil seiner Fenster. Zusätzlich kann er bei seinen Vorgesetzten In Ulan Batar einen Erfolg verbuchen, was sicherlich auch seiner Karriere dienlich ist. Die Gefangenen müssen in den schrecklich kalten Wintern nicht mehr frieren. Deine NGO könnte ihren Mitgliedern einen richtigen Erfolg nachweisen was auch denn Sinn erklären würde warum du uns in die Mongolei eingeladen hast. Wir würden unsere Pferde unterbringen und sie müssten anstatt 700 km nur 300 Km laufen, um nach dem anstrengenden Trip in die Winterpause gehen zu dürfen. Was hältst du davon?“, frage ich aufgeregt ihre Antwort erwartend. Es dauert eine Weile bis Saraa den ganzen Umfang meiner Worte begreift. Dann spiegelt sich ein Lächeln auf ihren Lippen. „Denis! Das ist eine geniale Idee. Hinzu kommt noch, dass ihr als Deutsche den Anfang gemacht habt. Das wird einige meiner NGO Mitglieder motivieren weitere Fenster zu spenden oder zumindest den Restbetrag aufzutreiben. Ich rufe sogleich den Gefängnisdirektor Major Batjargal an. Vielleicht hat er ja Zeit gleich heute Morgen uns einen Besuch abzustatten. Somit würden wir keine Zeit verlieren und könnten über weitere Details sprechen.
1 ½ Stunde später sitz Major Batjargal mit einem weiteren hohen Offizier, dem Finanzchef der Region, in unserer Jurte. Wir unterbreiten unser Angebot welches sofort auf offene Ohren trifft. „Wir werden ihnen schon morgen 500.000 Tugrik (286,- €) anbezahlen. Den Rest bekommen sie wenn wir unsere Pferde im Mai des kommenden Jahres wieder abholen. So wie wir gehört haben besitzt das Militär über eigene Pferde und Rinder. Wenn sie unsere Tiere in ihre Herde aufnehmen haben sie nicht mal zusätzliche Personalkosten“, schließe ich. Beide Offiziere nicken bekräftigend und können, zumindest wirkt er auf uns so, kaum glauben was ich ihnen gerade vorgeschlagen habe. „Wenn sie möchten dürfen sie noch heute Nachmittag den Ort ansehen, an dem wir unsere Tiere halten“, schlägt Major Batjargal vor. „Gerne“, antworten Tanja und ich. Nachdem die Offiziere uns wieder verlassen haben organisiert Saraa sofort ein Taxi welches uns zum Jurtenlager des Gefängnisses fahren wird.
Um 14:00 Uhr verlassen wir bereits Mörön. Wir befinden uns eingepfercht im Fahrgastraum des PKW’s der über unzählige Schlaglöcher, Mulden und groben Steine donnert. Saraa sitzt mit ihrem Baby Erkhenbayar auf dem völlig durchgesessenen Beifahrersitz. Ihr Mann Gonchig hat sich auf der Rückbank links neben mich gequetscht. Sein vierjähriger hyperaktiver Sohn Ontsgoibayar zappelt auf seinem Schoß auf und ab. Tanja versucht rechts neben mir dagegen anzukämpfen nicht ständig auf mich zu fallen. Der an den Armen und Händen tätowierte 53 Jahre alte Freund von Saraa und Gonchig, Ringhineazar, bewegt wild das Lenkrad hin und her. Durch seine Brille starrt er auf die völlig verdreckte Windschutzscheibe. Der vertrocknete Gummi des Scheibenwischblattes verschmiert ab und an den Staub auf der gebrochenen Scheibe. Ein großer Tropfen hängt an der Nasespitze des Tätowierten und versucht unaufhörlich auf dem Lenkrad zu landen. Plötzlich fängt es furchtbar zu stinken an. Aus der Motorhaube quillt heller Rauch. Die Maschine wird langsamer, stottert noch mehr als vorher, bis sie ihren Geist aufgibt. „Oh no. Dachte wir sind in einer Stunde wieder zurück und jetzt haben wir wohl eine Panne“, stöhne ich. Wir steigen alle aus und genießen die wunderbare Landschaft während der Fahrer frisches Wasser in den Kühler kippt. Dann geht der Höllentrip weiter. Um abzukürzen verlässt der Tätowierte die Piste und lenkt seinen betagten, unaufhörlich scheppernden und klappernden PKW über die völlig vertrocknete Wiese. „Und hier sollen unsere Pferde etwas zu Fressen finden? Da ist ja jeder Quadratmeter abgestorben“, fragt Tanja laut. „Umso weiter wir rauskommen desto besser wird es“, bin ich überzeugt. Grobe Steine schlagen gegen das Bodenblech. Jetzt weiß ich was Saraa gemeint hat als sie sagte: „Es gibt nur wenig Taxifahrer die für eine Fahrt außerhalb von Mörön zu buchen sind. Die Wege und Pisten sind zu schlecht und keiner möchte sein Auto zerstören.“ Zweifelsohne ist ein normales Auto für solch einen Untergrund nicht gebaut. Mich wundert es wie diese alte Kiste überhaupt noch vorankommt. Wir queren einen Fluss. Das Wasser schwappt durch einen Spalt der Fahrertür. Dann schnauft der Blechhaufen hechelnd einen Berg hoch, nur um oben wieder wie aus dem letzten Loch zu qualmen. Wieder stoppen wir. Wieder wird Wasser in den Kühler geschüttet. Nach ungefähr einer Stunde und ca. 30 Km erreichen wir zwei völlig normal aussehende Jurten. „Hier ist das Gefängniscamp“, meint der Offizier Gonchig, die Tür aufreißend und mit seinem Sohn aus der Blechkiste springend. Wegen dem Qualm im Fahrgastraum husten wir ein wenig. Während sich der Fahrer an dem rauchenden Motor zu schaffen macht werden wir in die Jurte eingeladen. „Und das ist eine Gefängnisjurte?“, wundere ich mich. „Ja, hier draußen befinden sich Gefangene die sich gut geführt haben und kurz vor der Entlassung stehen. Sie helfen beim Hüten der Herde, beim Melken der Stuten, beim Schlachten der Tiere und allen Arbeiten die hier draußen anfallen“, erklärt Saraa. „Na das habe ich mir anders vorgestellt. Dachte wir kommen zu einem großen Gefängnis mit Mauer außen herum und jetzt sind wir in einer ganz normalen Jurte“, entgegnet Tanja. In der Jurte werden wir von einem Mann und seiner Frau empfangen. Der Hirte ist ein angestellter des Gefängnisses. Wir erfahren von seinem Offiziersrang und davon, dass auch er hier draußen meist eine Uniform trägt. Gonchig arbeitet mit ihm zusammen und stellt uns vor. Er erklärt unser Anliegen. „Wenn unser Chef das für gut befindet und es so befohlen hat ist es mir eine Freude mich mit meinen Leuten um eure Pferde zu kümmern. Macht euch keine Sorgen. Wir werden sie gut füttern. In wenigen Wochen ziehen wir in unser Winterlager um. Dort gibt es viel Gras auf den Weiden“, erklärt er. Seine außerordentliche gastfreundschaftliche Frau, eine studierte Ärztin, bietet uns sofort frischen Milchtee, selbst zubereiteten Käse und Boortsog (In Öl gebratene Hefeteigbällchen) an. Saraa erklärt uns das es wichtig ist hier draußen einen Doktor zu haben. Deswegen ist die Kombination zwischen dem Hirtenoffizier und seiner Frau ideal. „Kommt doch mit. Wir zeigen euch wie wir unsere Stuten melken“, fordert uns der Hirte auf die Jurte zu verlassen. Draußen zeigt er uns seine Tiere und wie er mit seiner Frau die Stuten melkt. Dafür bindet er immer das Fohlen der Stute von einem am Boden entlang gespannten Seil und führt es zu seiner Mutter. Es darf ein wenig an den Zitzen saugen, um diese zu stimulieren. Dann wird es sofort weggenommen und die Frau des Hirten melkt das bisschen Milch in einen Eimer. Es ist eine mühsame Arbeit auf diese Weise die kostbare Milch zu gewinnen. „Wir machen das alle paar Stunden. Also kein Problem genügend Milch zu bekommen“, erklärt der Aufseher. Einer der Gefangenen steht neben uns. Auch für ihn ist der Besuch von Europäern etwas Außergewöhnliches. Freundlich reicht er uns die Hand. Dann verschwindet er in der zweiten Jurte, um für uns, also die Gäste, zu kochen. Wieder in der Jurte bringt der Gefangene einen großen Wog mit Nudeln und Schaffleisch. Unsere Schüsseln werden bis zum Rand gefüllt. „Hm goja“, („Hm gut“) loben wir.
Ringhineazar hat mittlerweile seinen fauchenden Motor unter Kontrolle gebracht und sitzt ebenfalls mit in der Jurte. Er lächelt in die Runde und beginnt ganz offen und ungeschminkt von seiner Jugend zu erzählen. „Ich war erst 14 als mein Vater starb. Es war ein strenger Mann der immer wollte dass ich ein aufrichtiges Leben führe. Nach seinem Tod hielt mich nichts mehr. Selbst meine Mutter hatte jegliche Macht über mich verloren weshalb ich mich aufmachte die große weite Welt zu erforschen. Freilich kam ich nicht weit. In einer der ersten Dörfer blieb ich hängen. Ich hatte keine Arbeit und keine Ahnung wie man eine bekam. Schlich viel auf dem Markt herum und stahl mal da mal dort. Mein ganzer Stolz war ein Messer welches ich offen zur Schau trug, um jeden zu zeigen wie gefährlich und stark ich war. Mein Gott was war ich für ein Junge. Wenn mein Vater das gesehen hätte. Dann wurde ich erwischt und verwarnt. Aber darauf gab ich nichts. Ich stahl mich weiter durchs Leben bis ich erneut erwischt wurde und glatt im Gefängnis landete. Was für eine Karriere. Als Unverbesserlicher und offensichtlich nicht guter Dieb hat man mich dann im Laufe der Zeit öfter auf frischer Tat ertappt und wiederholt ins Gefängnis geworfen. Ich kenne solche Plätze wie diesen hier zu gut“, lacht er. „Heute bin ich glücklich verheiratet und habe selber zwei Kinder. Schon lange führe ich ein ehrliches Leben. Gott sei Dank. Jetzt ist es an meiner Reihe den Job meines Vaters fortzusetzen, um meinen Kindern eine bessere Zukunft zu gewähren“, ergänzt er in gutmütigen Tonfall unterbrochen vom Kauen der servierten Speise.
„Ihr müsst unbedingt mongolischen Wodka probieren“, sagt Gonchig. „Gerne“, antworte ich worauf mir die Ärztin einen Becher voll reicht. Vorsichtig koste ich und bin von dem milden und doch starken Geschmack überrascht. Saraa erklärt das mongolischer Wodka aus vergorener Stutenmilch bereitet wird. Es ist eine Art Milchschnaps (nermel arkhil). Bevor wir uns wieder verabschieden vereinbaren wir mit dem Aufseher unsere Pferde über dem Winter zusätzlich zwei Lastwagenladungen voller Heu zu füttern. Eine Ladung kostet 150.000 Tugrik (86,- €) erklärt der Aufseher. Wir geben später Saraa das Geld die uns verspricht die Heufütterung mit zu überwachen. Mit vollen Bäuchen und glücklich über die gute Übereinkunft holpern wir die 30 Km nach Mörön zurück.
Bilgee ändert seine Meinung
Es ist bereits 18:00 Uhr als wir unsere Jurte erreichen. Bilgee ist schon da oder noch nicht mit den Pferden auf der Weide. Ich wecke ihn freundlich. Zum ersten Mal seit wir ihn kennen wacht er übel gelaunt auf. Kommentarlos verlässt er die Jurte und sattelt sein Pferd. „Möchtest du auch heute die Nacht draußen verbringen?“, frage ich verwundert. „Die Pferde brauchen zu fressen“, brummt er. Ich wundere mich über sein Verhalten. Was ist geschehen? Die Stimmung ist ernsthaft unangenehm. Eigentlich wollten wir ihm die freudige Nachricht übermitteln für unsere Pferde einen fantastischen Überwinterungsort gefunden zu haben. „Bilgee, ist alles okay?“, frage ich besorgt. „Ja, ja“, antwortet er. „So wie es aussieht haben wir es wirklich geschafft alles zu organisieren. Wir besitzen die Genehmigung der Grenztruppen, um dort bleiben zu dürfen. Wir haben ein Empfehlungsschreiben des Bürgermeisters. Unsere Umsiedelung in die Osttaiga ist schriftlich bestätigt. Wir haben alle Lebensmittel und Ausrüstung zusammen und das aller Beste, unsere Pferde besitzen einen fantastischen Überwinterungsplatz“, erzähle ich mit Zeichensprache, dem bisschen Mongolisch und der Hilfe unseres Sprachführers. „Gut“, sagt er ohne zu lächeln oder sich wie sonst zu freuen. „Irgend etwas ist im Busch“, flüstere ich zu Tanja als Bilgee die Satteltaschen auf Tengers Rücken spannt. „Meinst du?“ „Absolut. Da kommt was“, flüstere ich weiter und spüre wie mich die unangenehme Stimmung regelrecht würgt. „Am besten ich hole Saraa hinzu. Sie soll meine Worte noch mal übersetzen. Wer weiß vielleicht hat er ja etwas falsch verstanden?“, sage ich und laufe zur Blockhütte. Wenig später ist Saraa auf dem Hof und übersetzt Satz für Satz das eben Erzählte und von der positiven Neuigkeit morgen endlich aufbrechen zu können. Bilgee hört sich alles geduldig an. Er überlegt eine Weile. Dann kommt der Hammer. „Ich werde eure Pferde nicht von Tsagaan Nuur nach Mörön reiten“, hören wir seine Worte durch Saraas Mund. Als hätte uns gerade eben der Blitz getroffen stehen wir da und starren unseren sonst so liebenswerten Pferdemann an. Ich schnappe nach Luft und versuche meine Sprache wieder zu finden. „Warum?“, presst sich das Wort durch meine Lippen. „Ihr habt eine Vereinbarung mit dem Militär getroffen. Sollen die sich um die Rückführung der Pferde kümmern“, antwortet er sichtlich beleidigt. „Was? Das Militär? Die stellen uns doch keinen Soldaten um unsere Pferde zurück zu reiten. Das ist ein Unding. Und was hat das eigentlich mit unserer Vereinbarung zu tun? Du hast doch versprochen die Pferde zurück zu bringen. Morgen geht’s los. Alles ist bis ins Detail vorbereitet“, erkläre ich worauf Saraa mit dem Übersetzen kaum hinterherkommt. „Ich bringe die Pferde nicht zurück“, ist seine entschlossene Antwort. „Bilgee. Was hätten wir denn tun sollen? Wir mussten eine Alternative finden und sind sehr glücklich diese in der kurzen Zeit unter Dach und Fach zu haben. Wir können doch keine 5,7 Millionen Tugrik nur dafür bezahlen um Pferde in einem Wert von 2,8 Millionen durch den Winter zu bringen! Das haben wir dir gesagt und du hast es verstanden. Und jetzt änderst du deine Meinung?“, sage ich so beherrscht wie es in so einer Situation überhaupt noch möglich ist. „Ja“, antwortet er trocken. „Wenn das Militär die Pferde nicht herbringen kann solltet ihr sie dort oben verkaufen“, schlägt er vor. „Ich möchte meine Naraa nicht hergeben“, antwortet Tanja. Da auch ich nicht mein hervorragendes Reitpferd Sar verkaufen möchte und die gesamte Pferdecrew lieb gewonnen habe ist mir der Gedanke sie zu verkaufen äußerst unangenehm. „Wir können nächstes Jahr neue Pferde kaufen. Das wäre sowieso die günstigste Lösung“, schlägt Bilgee vor. „Das geht leider nicht“, meldet sich nun Saraa wieder zu Wort. „Warum?“, wundere ich mich. „Weil dort oben kein Mensch eure Pferde kaufen wird. Dort hat kaum jemand Geld. Vor allem braucht dort Keiner Pferde. Ich hatte mal meinem Cousin Ayush einen Touristen geschickt der in der Region um Tsagaan Nuur einige Wochen mit seinen eigenen Pferden herumgeritten ist. Am Ende wollte er sie verkaufen. Jedoch war es für ihn unmöglich die Pferde an den Mann zu bringen. Er war so verzweifelt, dass er sein Messer schärfte. Als Ayush sah was er machte wollte er wissen warum er stundelang das Messer schärft. „Wenn hier keiner meine Pferde kaufen möchte dann bringe ich sie eben um“, antwortet der Mann. Ayush war daraufhin so geschockt, dass er dem Ausländer 100.000 Tugrik gab und den Restbetrag mit Souvenirs und Decken entschädigte. Obwohl die Pferde entschieden mehr wert waren gab sich der Amerikaner damit zufrieden. Ayush hat mir die Geschichte später erzählt und mich gebeten ihm nie mehr so einen verrückten Amerikaner zu schicken. „Ha,ha,ha“, lachen wir trotz der schlechten Stimmung.
Es ist bereits dunkel als Bilgee sich mit unseren Pferden aufmacht, um die Weidegründe außerhalb der Stadt aufzusuchen. „Wartet nicht auf mich. Ich werde erst morgen wieder kommen“, sagt er und verschwindet in der Dunkelheit. Tanja und ich sind richtig angefressen. „Am liebsten würde ich ihm unsere Zusammenarbeit kündigen“, meine ich nicht zum wiederholten Male nicht wissend wie es weitergehen soll. „Ich auch“, meint Tanja. „Nur was machen wir dann?“ „Keine Ahnung.“ „Dir ist doch klar dass mit Bilgees Entscheidung unser Pferdetrip in Mörön endet?“ „Na was denkst du denn? Klar ist mir das klar. Aber es wird schon einen Grund haben. Bilgee ist im Land der Pferde nicht der einzige Mann der unsere Tiere zurück reiten kann.“, sagt Tanja. „Stimmt. Aber wir hinken jetzt schon unserem Zeitplan hinterher. Wir brauchen eine Lösung und zwar am besten jetzt“, überlege ich.
Später als wir in unserer Jurte sitzen und versuchen die verschiedensten Varianten durchzuspielen kommt Gonchig herein. „Saraa möchte mit euch sprechen. Kommt ihr bitte in unser Blockhaus?“, fragt er höflich. „Gerne“, sage ich und folge ihm während Tanja den Eintopf auf dem Kanonenofen überwacht. „Wir haben eine neue Idee“, beginnt Saraa das Gespräch. „Eine neue Idee?“ „Ja.“ „Und die wäre?“, bin ich gespannt. „Gonschig meint Bilgee hat das Gerüst eures Vertrauens eingerissen. Er ist der Ansicht ihr solltet ihm kündigen. Man kann nie wissen wann und zu welchem Zeitpunkt er erneut seine Meinung ändert. Das er es hier getan hat und nicht während ihr unterwegs seid ist gut. Gonchig hat sich gleich auf dem Weg gemacht um einen Verwandten zu fragen ob er euch bis nach Tsagaan Nuur begleitet und von dort die Pferde wieder zurück bringt. Was hältst du davon?“ „Klingt gut. Das würde bedeuten unsere Expedition kann weitergehen. Wäre für uns viel schöner mit den Pferden dort oben im Norden anzukommen als mit einem Allradfahrzeug“, antworte ich. „Das können wir voll verstehen. Deshalb eben die Überlegung ob ihr mit einem anderen Pferdemann weitermachen wollt.“ „Ist er zuverlässig?“ „Bisher war er es zumindest. Er hat schon so mache Touristengruppe als Pferdemann begleitet. Es gab nie Klagen.“ „Hm, wir müssten mit ihm mal sprechen. Kann er hier vorbeikommen?“ „Aber klar. Er ist einer unserer Arbeiter. Er baut mit meinen Brüdern die Blockhäuser“, berichtet Saraa.
Um 21:00 Uhr sitzt der 27 jährige Tulgaa in Saraas Küche. Sein Gesicht wirkt ernst. Kein Lächeln huscht über seine Lippen. „Und du würdest uns bis nach Tsagaan Nuur begleiten?“, fragt Tanja, worauf er nickt. „Es ist dir klar das der Winter vor der Tür steht und es sehr kalt werden kann?“, fragt Tanja weiter. „Ha, ha, ha“, lächelt er nun zum ersten Mal. „Das Macht mir nichts aus“, ist die zu erwartende mongolische Antwort. „Ohne dir zu nahe treten zu wollen. Das haben mittlerweile schon einige gesagt und dann wurde es ihnen doch zu kalt“, werfe ich ein. „Mir nicht.“ „Hast du einen Winterdeel?“, möchte Tanja wissen. „Einen Winterdeel brauche ich Mitte Oktober noch nicht. Wenn es mir zu kalt wird kann ich mir einen Deel in Khatgal besorgen. Dort oben wohne ich“, sagt er mit einer unumstößlichen Sicherheit. „Und was gedenkst du gegen den Pferdediebstahl zu tun?“, fragt Tanja und erzählt von unseren Wachschichten. „Ha, ha, ha. Keiner stiehlt Pferde von Tulgaa. Jeder kennt mich in dieser Region. Pferdediebstahl gibt es bei mir nicht“, antwortet er erneut derart selbstsicher, dass ich mich fragen muss ob hier jemand sitzt der ein wenig zu überheblich ist? „Okay, wir denken darüber nach und sagen dir morgen bescheid“, antworte ich nachdem Tanja und ich uns beraten haben. Wir bedanken uns bei Saraa und Gonchig für die schnelle Vermittlung eines Ersatzmannes und Bei Tulgaa für sein Interesse und Kommen.
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