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Mongolei/Mörön Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Millionen für Pferdefutter und Gespräche mit Mutter Erde

N 49°38'671'' E 100°11'496''
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    Tag: 84

    Sonnenaufgang:
    07:41

    Sonnenuntergang:
    18:28

    Gesamtkilometer:
    777

    Bodenbeschaffenheit:
    Staub/Schotter

    Temperatur – Tag (Maximum):
    20°C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    15°C

    Temperatur – Nacht:
    minus 4°

    Breitengrad:
    49°38’671“

    Längengrad:
    100°11’496“

    Maximale Höhe:
    1220 m über dem Meer

Wie jeden Morgen lege ich Holz in unseren Kanonenofen und entzünde ein wärmendes Feuer. Bilgee kam gestern erst um 23:00 Uhr mit den Pferden zurück und liegt noch schlafend und zumsammengekauert unter seinem Deel. Um 8:30 Uhr kommt Saraa wie gestern vereinbart in die Jurte um das Gespräch zwischen Bilgee und uns zu übersetzen. „Oglooniimend“, („Guten Morgen“) begrüßt sie uns als sie sich durch den niedrigen Jurteneingang bückt und ihre Füße über die Schwelle hebt. „Sachen ama Sno?“ (Hast du gut geschlafen?“, fragen wir sie. „Sachen ama la“, „Habe gut geschlafen“, antwortet sie lächelnd. „Bilgee ist gestern wohl spät gekommen?“, fragt sie auf ihn deutend. „Ja“, meine ich unseren fleißigen Helfer mit freundlichen Worten weckend. Müde und gähnend rappelt er sich hoch. „Sachen ama sno“, „Habt ihr gut geschlafen?“, „Sachen ama la“, (wir haben gut geschlafen) antworten wir ihm. „Hast du schon eine Idee ob du die Pferde nach Erdenet oder nach Mörön bringen möchtest?“, frage ich ihn etwas später bei einer Tasse heißen Tee. „Das kann ich erst dort entscheiden. Hängt vom Wetter ab“, antwortet er seine Stirn in Falten legend. „Vielleicht sollten wir die Pferde in Mörön unterbringen. Das ist nur die Hälfte der Strecke und für dich viel leichter. Was meinst du?“ „Vielleicht“, antwortet er sich nicht wirklich entscheidend. „Wenn die Pferde in die Obhut des Gefängnisses kommen, müssten wir die Entscheidung heute treffen, da es dann noch einiges zu organisieren gibt. Aber gehen wir mal davon aus du bringst die Pferde nach Erdenet. Das dürfte eine Strecke zwischen 700 und 800 Kilometer sein. Da der Winter vor der Tür steht ist das sehr weit und nicht risikolos“, übersetzt Saraa meine Worte. „Kein Problem für mich“, antwortet er zuversichtlich. „Gut, dann sollten wir noch mal über dein Gehalt sprechen“, wechsle ich das Thema und erkläre erneut, wie schon vor Tagen, dass er von uns volles Gehalt bekommt bis die Pferde in Mörön oder Erdenet sind. „Solltest du sie nur bis Mörön bringen bekommst du das Busticket bis nach Erdenet bezahlt und die Zeit der Fahrtdauer. Nächstes Jahr verdienst du wieder vollen Lohn ab dem Tag an dem du die Pferde zu uns reitest“, erkläre ich. Bilgee überlegt einige Zeit und gibt uns zu verstehen damit gerechnet zu haben auch während der Monate des Pferdehütens komplette Bezahlung zu erhalten. „Das war sicherlich ein Übersetzungsfehler Bilgee. Das wollen wir uns nicht leisten. In diesem Fall könnten wir uns glatt sechs neue Pferde kaufen“, lasse ich mit freundlichen Worten übersetzen. „Verstehe“, nickt er ohne weiter zu verhandeln. „Natürlich könnten wir uns vorstellen dich für die Aufsicht der Pferde mit einem kleineren Salär zu entschädigen. Tanja und ich dachten dabei an 100.000 Tugrik (57,- €) im Monat. Das heißt du bekommst von November bis Mai 700.000 Tugrik (400,- €). Somit hast du also weiterhin ein geregeltes Einkommen.“ Da das Durchschnittseinkommen in diesem Land bei ca. 188.000 Tugrik (107,- €)im Monat liegt und der Zeitaufwand sich um die Pferde zu kümmern täglich auf maximal zwei Stunden beschränkt, ist unser Angebot großzügig. „Das ist in Ordnung für mich“, antwortet er, worauf wir erleichtert sind. „Gut, dann sollte wir noch klären was die Pferde zu fressen benötigen und wie viel Geld wir dafür investieren müssen“, führe ich unsere Unterhaltung weiter. Bilgee rechnet lange herum und kommt auf einen Gesamtpreis von einer Million Tugrik (571,- €). „Puh. Das wäre dann mit deinem Gehalt ca. 1,7 Millionen (971,- €). Dafür kann man sich bald vier Pferde kaufen“, stöhne ich weil ich dachte die Pferde kommen auf eine Weide und werden mit anderen Tieren zusammen gehütet. Nach Bilgees Idee aber wird er die Pferde zu sich nach Hause bringen. Dort einen Unterstand bauen und sie mit Heu, Hafer und Reis füttern. Diese Variante ist entschieden sicherer als sie bei seinen nomadischen Verwandten auf dem Land abzugeben. Saraa warnte uns sogar davor da die Pferde dann im Winter meist als Arbeitstiere eingesetzt werden und somit stark abmagern. „Für eine Expedition sind sie im Frühjahr nicht zu gebrauchen. Außerdem kommt es nicht selten vor, dass die Nomaden eines oder mehrere Pferde schlachten und euch erzählen werden sie seien krank geworden und gestorben oder man hat sie gestohlen“, waren ihren Worte. Da wir Bilgee zu hundert Prozent vertrauen ist es uns deshalb entschieden lieber sie in seinem Heim zu wissen. „Ich habe mich verrechnet“, unterbricht Bilgee meine Gedanken. „Wie verrechnet?“, fragen Tanja und ich. Das Pferdefutter kostet nicht 1 Millionen sondern 5 Millionen Tugrik (2.857,- €)“, sagt er als würde es sich bei dieser Summe um den Preis einer Flasche Bier handeln. Es dauert einige Sekunden bis ich die Tragweite der eben geäußerten Summe realisiere. „5 Millionen!?“ „Ja. Ein Pferd benötigt für ca. 4.000 Tugrik (2,28 €) Futter am Tag. Das sind 120.000 Tugrik (69,- €) im Monat. Für sechs Pferde wären das 720.000 Tugrik (411,- €) im Monat. Wenn wir die Pferde ab Anfang November bis Ende Mai bei mir einstellen beläuft sich die Summe auf 5 Millionen“, rechnet er. Ich tippe die Zahlen ungläubig in meinen Taschenrechner und lese auf dem Display die Bestätigung. Als ich meine Sprache wieder finde meine ich: „Und dazu kommt noch dein Gehalt von 700.000. Das heißt wenn wir die Pferde durch den Winter bringen wollen kostet uns das 5,7 Millionen Tugrik (3.257 €). Wenn man ein gutes Pferd außerhalb einer Stadt kauft kostet es zwischen 350.000 (200,- €) und 400.000 Tugrik 228,- €). Wir könnten für den Gesamtbetrag also 14 oder besten Falls 16 neue Pferde erstehen. Das grenzt an massiven Schwachsinn“, meine ich ohne dabei jemanden beleidigen zu wollen. „Es tut mir leid. Ich hätte die Preise vorher berechnen sollen“, entschuldigt sich Bilgee. Wegen unseren schlechten Erfahrungen in Punkte Geld sind wir jetzt völlig verunsichert. Wir fragen uns ob diese Rechnung auf einem Realen Grund basiert oder ob sich Bilgee mit seinem Schwager Tovuu das Geschäft des Lebens versprochen hat. Im Bilgee-Camp, am Anfang unseres Trips, hat sich Tovuu als gierig gezeigt. Er wollte mir sofort mein altes, kaputtes Sturmfeuerzeug abschwatzen und den kaputten teuren Laderegler in Besitzt nehmen. Auf der Strecke nach Erdenet hat er den vereinbarten Fahrpreis um glatte 25 Prozent erhöht und sofort von Geld gesprochen als wir uns für Mogi eine Kette von ihm leihen wollten. Um die Gastfreundschaft nicht zu gefährden nahmen wir diese und jene Äußerung und Handlung kommentarlos hin. Da Bilgees Sohn Orgio während seiner Abwesenheit bei seiner Schwester und ihrem Mann Tovuu lebt, telefoniert Bilgee fast täglich mit Tovuu. Es könnte also sein das Tovuu nicht den besten Einfluss auf seinen Schwager hat und ihm Flöhe ins Ohr setzt wie man die reichen Deutschen galant abzocken kann. Auch wenn uns solche Gedankengänge regelrecht physische Schmerzen zufügen müssen wir sie durchspielen. Es ist immer sinnvoll zu wissen mit welch einem Charakter wir unterwegs sind. Es gibt mit Sicherheit keinen einzigen Mongolen der für normale Pferde solch einen gewaltigen finanziellen Einsatz bringen würde. Außer es handelt sich um ein mongolisches Rennpferd mit dem man während des traditionellen Naadamfest horrende Summen beim Pferdrennen verdienen kann. Ehrlich gesagt ist mit diesem plötzlich auftretende Preisvorstellung mächtig am Stützpfosten des Vertrauens gesägt worden. Aber es ist immer leicht ein vorzeitiges Urteil zu fällen. Vielleicht hat Bilgee uns tatsächlich den richtigen Preis genannt? Da die Mongolen aber geradezu unbeschreiblich erfinderisch sind aus Nichts Geld zu machen könnte es durchaus sein, dass er die Pferde zu einem Nomaden bringt, ihm einen Obolus bezahlt und selbst ein gutes Geschäft macht. Tanja, Saraa und ich überlegen hin und her. Wir kommen bei der Sache auf keinen grünen Zweig und wollen mit unserem Misstrauen unseren bisher hervorragend arbeitenden Mann nicht beleidigen. „Bilgee“, sage ich. „Ja?“ „Unter diesen Umständen hat es sich wohl erübrigt die Pferde nach Erdenet zu bringen. Das verstehst du doch?“ „Klar“, antwortet er. Das bedeutet für uns wir können nicht wie geplant morgen aufbrechen. Wir müssen uns jetzt um Plan B kümmern.“ „Der wäre?“ „Saraa, Tanja und ich müssen mit dem Gefängnisdirektor sprechen ob er sich bereit erklärt unsere Pferde über den Winter zu übernehmen“, erkläre ich.

Die Bitte nach einem Gespräch mit Mutter Erde wird erfüllt

Auch wenn wir hier körperlich nicht sehr gefordert werden ist die Organisation dieser Expedition mit den ständig auftauchenden Unbekannten eine Herausforderung die uns stark auf die Nerven und Psyche geht. Ich leide seit einigen Stunden unter starken Kreuzschmerzen und weiß in diesem Moment nicht wie es weitergehen soll. Da hatten wir alles organisiert, bis auf Kleinigkeiten alles im Kasten und plötzlich wendet sich das Blatt. Es grenzt für mich fast an ein Wunder es bis hierher geschafft zu haben. Dachte ich anfänglich das Visum wäre die größte Hürde. Aber so wie es aussieht ist dieser Trip eine Aneinanderreihung von bald unlösbaren Aufgaben. Und da liegt der Hase im Pfeffer begraben. Es sind nur „bald“ unlösbare Herausforderungen. Das heißt, mit dem nötigen Energieeinsatz sind diese also lösbar. Eine spirituelle weise Frau hat uns vor Jahren prophezeit, dass die Mongoleireise nicht wie viele unserer vorherigen Expeditionsreise auf der Oberfläche der Erde stattfinden wird, sondern in ihre Tiefe geht. Tanja und ich unterhalten uns öfter darüber. Vielleicht sind die ständigen Schwierigkeiten, die unzähligen Aufgaben und Hürden der Weg in die Tiefe dieser Erde? Der Weg in eine Welt die wir bisher nicht erreicht haben? Vielleicht sammeln wir hier wichtige Lebenserfahrungen die wir ansonsten nicht bekommen würden? Klar, der Weg ist das Ziel. Womit ich verstehe, dass ein Ziel noch lange nicht die Ankunft sein muss. Auf früheren Reisen hatte ich regelmäßig Gespräche mit Mutter Erde geführt. Das hat sich im ersten Drittel unseres 7.000 Kilometer langen Fußmarsches durchs Outback urplötzlich ereignet. In unseren letzten Büchern, die ich währende der vierjährigen Radreise von Deutschland bis in die Mongolei schrieb, habe ich öfter davon gesprochen. Hier jedoch ist mir der Zugang zu den Gesprächen bisher versagt geblieben. Mutter Erde meldet sich einfach nicht mehr. Manchmal vermisse ich das regelrecht denn es hat mir oft viel geholfen. Gerade in Situationen in denen ich nicht mehr weiter wusste. Liegt ihr Schweigen vielleicht daran dass wir auch ohne die Kommunikation mit ihr immer eine Lösung gefunden haben? Sind wir reifer geworden und brauchen ihre Hilfe nicht mehr? Aber das wir die Hilfe der Mutter Erde nicht mehr benötigen ist für mich kaum vorstellbar. „Vielleicht siehst du ja nur zu und meldest dich erst dann wenn es richtig eng wird? Wenn wir ohne deine Hilfe nicht mehr auskommen?“, frage ich in die Stille meines Gehirns. „Vielleicht habe ich die Freiheit und das Vertrauen in unsere Kommunikation verloren?“, frage ich weiter. „Oder habe ich im vergangenen Jahr soviel gearbeitet das mein Gehirn nicht mehr die richtige Feineinstellung findet? Die richtige Einstellung der passenden Frequenz. So wie man ein Radio einstellt um seinen gewünschten Sender zu suchen. In Momenten wo mich oder uns das Ungewisse trifft ist es eine wunderbare Sache einen mächtigen Berater auf der Seite zu wissen. Seit dem Jahr 2000 konnte ich diesen fast immer zu Rate ziehen doch jetzt im Jahr 2011 schweigt meine geliebte Mutter Erde. Ich bin nicht beleidigt oder enttäuscht darüber. Mir bleibt nichts anderes übrig als diesen Fakt zur Kenntnis zu nehmen. Oder?“ „Stimmt“, höre ich es plötzlich wenn ich ganz genau in mich hinein lausche. „Stimmt? Habe ich richtige vernommen? Du hast mir eine Antwort gegeben?“, frage ich. „Ja. Ich habe stimmt gesagt. Es ist richtig von dir Tatsachen nicht in Zweifel zu stellen sondern anzunehmen. Aber es ist auch wichtig zu unterscheiden. Wenn ich dir keine für dich verbale Antwort verlauten lasse heißt das noch lange nicht dass wir nicht bei euch sind. Wie du mittlerweile hoffentlich verstanden hast sind wir immer da. Leiten wir euch immer auf euren Weg. Egal ob du glaubst eine Antwort von mir zu hören oder nicht. Unsere Möglichkeiten mit euch Menschen zu kommunizieren sind unendlich vielfältig. Schon in Australien habe ich dir erklärt mit dem Rascheln der fallenden Blätter, mit dem Säuseln des Windes, dem Ruf eines Wolfes, dem Rauschen der Wellen, dem Rieseln des Schnees, dem Flattern eines Flügelschlags Zeichen und Antworten zu geben. Du musst nur hinsehen oder hinhören, am besten hinfühlen. Dann wirst du mich, uns immer verstehen. Deine Kommunikation mit mir ist mittlerweile auf einer anderen Ebene. Einer Ebene die auch ohne Worte auskommt. Also stelle bitte unsere Kommunikation nicht in Frage. Ich werde mit meinem Botschafter immer Kontakt halten und dir mit Gefühlen, Regungen, Begegnungen aller Art sprechen. Wie gesagt, die Möglichkeiten sind unbegrenzt“, vernehme ich es in diesem Moment der Aneinanderreihung dieser Buchstaben und Worte. „Kommunizierst du auch durch andere Personen mit mir? Ich meine durch deren Verhalten?“, geht mir gerade die Frage durch den Kopf. „Ja.“ „Nun, das heißt wenn Bilgee kurz vor Abreise eine irrwitzige Summe für die Überwinterung der Pferde nennt, ist das auch ein Zeichen? Eine Art Kommunikation?“, möchte ich wissen. „Aber natürlich. Wenn das Rascheln der fallenden Blätter, das Säuseln des Windes, der Ruf eines Wolfes, das Rauschen der Wellen, das Rieseln des Schnees, das Flattern eines Flügelschlags Zeichen sein können, sind es auch Menschen und deren Verhalten.“ „Oh, das klingt aber kompliziert. Wie soll ich denn unterscheiden wann du zu mir sprichst und ein Zeichen sendest und wann nicht?“, überlege ich. „Du solltest wissen das alles was geschieht Zeichen und Kommunikation bedeutet. Alles was geschieht um dich herum und im Universum ist Kommunikation, sind Zeichen. Für dich ist es wichtig sie zu verstehen. Du musst unaufhörlich daran arbeiten die Sprache der Zeichen zu lernen. Die Sprache der Gefühle zu lernen. Die Sprache der Gestik und Mimik anderer Menschen. Ich gebe zu dass dies für einen Menschen ein weiter Weg ist. Aber du bist schon lange auf diesem Pfad unterwegs und lernst schon seit deiner Geburt. Mit jedem Schritt den du vor den anderen setzt lernst du mehr. Weitet sich dein Horizont. Deine Kombinationsgabe. Deine Gefühlswelt bekommt dadurch unaufhörlich neues Futter mit der sie genährt wird. Sie wächst und wächst. Meist glaubst du davon nichts mitzubekommen. Aber glaube mir, du lernst mit jedem Atemzug dazu. Das ist wichtig für dich als Botschafter von Mutter Erde aber kein Privileg denn jeder Mensch auf diesen Planeten unterliegt unseren Gesetzen. Dem gesetzt der Mutter Erde. Jeder Mensch auf Erden hat eine Aufgabe die er zu erfüllen hat. Der eine auf diese Weise der andere auf jene Weise. Jeder hat die Möglichkeit und die Fähigkeit mit jedem Schritt dazu zu lernen. Das ist ein universales Gesetzt. Das ist für dich nichts Neues. Aber es ist für dich wie für jeden Menschen wichtig den passenden Weg zu suchen und wenn man ihn gefunden hat darauf zu bleiben. Du Denis hast den Weg schon lange gefunden und schreitest ihn voran. Er wird dich also in Bereiche und Regionen bringen die dir bis heute noch verschlossen sind. Es ist ein wunderbarer Weg mit Höhen und Tälern. Wobei du weißt das Täler nicht negativ zu bewerten sind. Täler sind oftmals auch Ruhephasen. Phasen ohne anstrengende Höhenmeter. Es können Phasen der Erholung sein. Nur kommt es darauf an welche Einstellung du zu einem Tal hast. Ob du es als negativ oder positiv bewertest. Das ist deine Wahl. Ein Tal hat keine Emotion, genauso wenig wie eine Höhe. Es seid nur ihr Menschen die ihre eigenen Empfindungen, Meinungen, Be- und Verurteilungen in ein erlebtes Ereignis hineinlegen. Also gehe auch freudig durch Täler. Meist liegt in ihnen der Schatz der Weisheit begraben. Die von euch Menschen bezeichneten Täler oder Tiefs sind angereichert mit Aufgaben aus denen ihr Menschen viel lernen dürft. Ihr müsst nur wollen“, höre ich den Fluss der Worte einer Stimme die ich schon lange nicht mehr vernommen habe. „Dass bedeutet, dass der hohe Preis für das Pferdefutter nur eine Aufgabe für uns ist aus der wir lernen? Aus der wir Schlussfolgern um eine neue Entscheidung herbeizuführen? So wie ich deine Worte verstehe, Mutter Erde, ist dieses mit Bilgee gerade Erlebte ein wichtiger Bestandteil unseres Weges. Es ist kein Tal also keine Enttäuschung. Wenn, dann gebe ich dieser Situation nur eine Gefühlsbewertung. Nur dadurch wird die Situation enttäuschend oder nicht. Nach deiner Aussage ist sie neutral zu bewerten. Am besten ohne Emotion. Ist das so?“ „Genau so.“ „Hm, das klingt gut. Es ist also egal was geschieht. Jedes Erlebnis gehört grundsätzlich zu unserem Lebensweg. Es ist auch nicht enttäuschend. Nur wenn ich es so will, wenn ich eine Situation bewerte und zu einer Enttäuschung mache?“ „Genau. Du hast es verstanden. Genau so ist es.“ „Das würde ja bedeuten es gäbe kein Unglück?“ „Ja. Das bedeutet es.“ „Hm, wunderbar. Dann kann geschehen was will. Ich brauche nicht mehr traurig zu sein. Nur hat die ganze Sache für mich einen kleinen aber nicht unwesentlichen Haken“, überlege ich. „Und der wäre?“ „Ich habe dich soweit verstanden. Ich bräuchte über Bilgees Preis nicht traurig sein. Bin es aber. Da unterscheidet sich die Theorie von der Praxis.“ „Dann lerne aus der Theorie die Praxis zu machen. Wenn du das schaffst hat sich dein selbst gebogener Haken geglättet“, höre ich den Rat der Mutter Erde. „Okay, ich arbeite daran. Stück für Stück. Minute für Minute und Tag für Tag.“ „Na dann wirst du den Weg weitergehen und irgendwann nur noch im Jetzt leben. In einem Jetzt welches keine Fragen mehr offen lässt. Ein Jetzt in dem du gelernt hast deine Emotionen richtig zu setzen. In dem du entscheidest ob du leidest oder nicht. Wie gesagt, das bleibt immer und grundsätzlich deine eigene Entscheidung“, vernehme ich womit für diesen Augenblick mein Bedarf an Lernaufgaben gesättigt ist.

Letzten Aufgaben vor Aufbruch

Nach den Gesprächen mit Saraa, Bilgee und Mutter Erde repariert Bilgee die Packsättel der Zugpferde. Sharga und Bor werden auf den folgenden 300 bis 400 Kilometern keinen Pferdewagen mehr ziehen. Den werden wir auf Saraas Hof bis nächstes Jahr lassen. Die beiden Wagenpferde setzen wir also als Lastentiere ein. Zwar ist mir im Augenblick noch nicht klar wie wir unsere Ausrüstung auf drei Packpferde unterbringen aber irgendwie wird es schon gehen. Wir müssen uns auf das absolut wesentliche begrenzen. Das heißt es wird auch keine Berichterstattung mehr geben. Dafür reicht schon die Zeit nicht aus. Trotzdem werden wir unsere Kameras und einen Laptop dabei haben um die täglichen Kurzaufzeichnungen zu sichern.

Weil wir dicke Winterschuhe für das Überleben in der Taiga dabei haben, müssen wir unsere Steigbügel austauschen. Durch den Umfang des Schuhs passt er nicht hinein. Saraa fragt überall herum ob jemand bereit ist seine mongolischen Steigbügel zu verkaufen. Die sind viel breiter und eventuell passend für unsere Monsterschuhe. Bilgee arbeitet wie immer fleißig und unaufhörlich. Damit unsere breiten Riemen durch die Eisenösen gezogen werden können feilt er an einem der mittlerweile organisierten mongolischen Steigbügel. Dann repariert er unsere Axt. Wir tauschen die abgenutzten Riemen der Packsättel aus, schneiden neue Seile für die Pferde, packen Ausrüstung und tragen Kiste für Kiste in Saraas kleinen Schuppen bis er fast platzt.

Mongolische Taktiken den Preis in die Höhe zu treiben

Dann kommt der gestern vereinbarte russische Minibus fürs Probepacken. Wie die fleißigen Bienchen schleppen wir die von Tanja geschnürten Kartons mit Nahrung und Ausrüstung wieder aus den Schuppen und schlichten sie in den Minibus. Wir sind erleichtert zu sehen wie unsere gesamte Habe in dem Geländefahrzeug unterkommt. „Sehr gut. Dann müssen wir nur noch den Termin ausmachen wann sie die Ladung hier abholen und nach Tsagaan Nuur fahren“, sage ich zu dem Besitzer des Fahrzeuges. Der druckst plötzlich herum als wolle er jetzt nicht mehr unseren Hausstand transportieren. „Was ist denn nun schon wieder los?“, wundert sich Tanja als Bilgee, der Fahrer, seine Frau und Saraa in eine nicht enden wollende Diskussionen verfallen. Nach einer Ewigkeit informiert uns Saraa. „Denis. Der Fahrer und seine Frau sind der Meinung das eure Ausrüstung nicht in den Bus passen und ihr einen zweiten mieten solltet.“ „Was? Wieso das denn? Es ist doch nahezu alles drin. Es fehlt lediglich der Teppich aus der Jurte, zwei Stühle ein Tisch und der Ofen“, antworte ich. „Das passt nicht mehr rein“, wendet sich die Frau des Fahrers geschäftstüchtig an mich. „Nun, sie haben doch versprochen alle Sitze aus dem Bus zu schrauben. Die sind noch drin und trotzdem befinden sich ca. 90 Prozent unserer gesamten Ladung bereits in ihrem Fahrzeug“, antworte ich und denke mir, dass die Aussage mit dem zweiten Bus ein Vorwand ist um mehr Geld verlangen zu können. „Es passt nicht rein“, sagt die Frau stoisch. „Wir sind hier doch alle Zeugen das alles dort unterzubringen ist“, entgegne ich auf den Bus deutend. „Oder ist hier jemand anderer Meinung?“, frage ich. Jetzt wendet sich das Blatt ein wenig weshalb die Frau des Fahrers sagt: „Ihre Sachen sind zu schwer.“ „Wie viel Fahrgäste bringen sie unter wenn sie von hier nach Tsagaan Nuur fahren?“, möchte ich auf die bald dämliche Aussage der Frau hin wissen. „13 Personen plus Fahrer“, hören wir. Ich zücke meinen Taschenrechner und tippe das Durchschnittsgewicht von 70 Kg pro Gast ein. „Alleine an Fahrgästen sind das 910 Kg ohne Gepäck. Ich gehe doch davon aus das jeder ihrer Gäste mit Gepäck reist?“ „Ja.“ „Na dann rechnen wir mal 15 Kg pro Person was wiederum knapp 200 Kg sind. Ich komme da auf ein Gesamtgewicht von 1110 Kg. Unsere komplette Ladung dürfte nicht mehr als 500 bis 600 Kg wiegen. Also hat sich das mit dem Gewicht und dem zweiten Minibus erledigt.“ Herzhaftes Gelächter ist die Antwort. „Ich denke sie wollen die Sitze nicht rausbauen damit sie auf dem Rückweg von Tsagaan Nuur Fahrgäste transportieren können und somit ein Doppelgeschäft machen“, sage ich die beiden freundlich ansehend. Wiederum ist Gelächter die Antwort. „Der Wert ihrer Ausrüstung ist zu hoch. Wir müssen Sicherheitspersonal mitschicken damit auch alles ohne Verlust ankommt“, sagt der Fahrer jetzt ohne mit der Wimper zu zucken. „Warum das denn? Muss der Fahrer irgendwo schlafen und den Bus verlassen?“ „Nein muss er nicht.“ „Gibt es bewaffnete Überfälle in der Region?“ „Ha, ha, ha. Nein das gibt es nicht.“ „Na für was brauchen wir dann Sicherheitspersonal? Um die Ware vor dem Fahrer zu schützen?“ „Ha, ha, ha“, lacht es wieder. „Bitte Saraa übersetze folgendes Wort für Wort.“ „Mache ich“, antwortet sie auf meine erneute Offerte wartend. „Wir sind hier alle erwachsene Menschen und wissen worum es geht. Die einfache Aufgabe ist es eine Ladung von ca. 600 Kg von A nach B zu transportieren…“ „Hast du das übersetzt Saraa?“ „Ja.“ Kopfnicken ist die Antwort der Anwesenden. „Also gut. Alles passt in den Bus und es ist nicht zu schwer. Richtig?“ „Ja“, antwortet Saraa und der Fahrer und die Frau antworten mit erneutem Nicken. „Wir haben es allesamt nicht nötig irgendwelche Hirngespinste zu stricken, um den gestern vereinbarten Preis in die Höhe zu treiben. Und darum geht es doch ausschließlich und alleine. Also wollen sie die Ladung zum Zielort bringen oder nicht?“ „Wir wollen“, antwortet die Frau. „Na dann reden wir nicht um den heißen Preis und verschwenden viel Zeit sondern sagen sie einfach was sie dafür haben möchten. Darüber können wir dann konkret verhandeln“, übersetzt Saraa für mich. „Wir wollen 450.000 Tugrik (257,- €) also 100.000 Tugrik (57,- €) mehr als gestern besprochen“, sagt die Frau. „Aha! Wusste ich es doch. Es geht wie immer ums Geld“, äußere ich worauf erneutes Gelächter ertönt. „Wir zahlen 350.000 Tugrik“, (200,- €) lache ich ebenfalls. Gelächter ist wie immer die Antwort. Es geht noch eine Weile hin und her. Am Ende kommt die Frau zu mir und sagt: „400.000 Tugrik. Hier ist meine Telefonnummer. Rufen sie mich bitte heute Abend an wie sie sich entscheiden“, schließt sie die Verhandlung und schreibt uns ihre Nummer auf einen Zettel. Als die beiden sich in ihren Bus setzen und davon rattern sagt Saraa: „Ich kümmere mich um einen Transport für euch. Macht euch keine Gedanken. Die Ausrüstung kommt bestimmt gut bei meinem Cousin in Tsagaan Nuur an“, beruhigt sie uns. In nicht erwähnten Gesprächen haben wir mit Saraa und ihrem Cousin Ayush vereinbart die Jurte neben seinem Blockhaus in seinem Hof aufbauen zu lassen. Das heißt, wenn wir mit unseren Pferden Tsagaan Nuur erreichen, sollte auch die Jurte stehen, so dass wir sie nur einrichten müssen. Das wäre der Idealzustand. Der 85 jährige Ayush wird auch unsere Ausrüstung entgegennehmen und bis zu unserer Ankunft bei sich lagern. Auf diese Weise vernetzen sich unsere Kontakte durch Bekannte, Freunde und vor allem durch Saraas Familie bald übers gesamte Land. So wie es aussieht sind diese Kontakte und sich stetig ausweitenden Verbindungen ein wesentlicher Nerv unserer Expeditionsreise.

Brandmarken und hoher Geldverlust

„Bevor du die Pferde auf die Weide führst sollten wir sie brandmarken“, sage ich zu Bilgee. „Machen wir“, antwortet er. Seit einer Stunde brennt bereits ein kräftiges Feuer in unserem Kanonenofen. Das Brandeisen liegt darin, um die richtige Hitze zu erlangen. Saraa hat es für uns bei einem Schmied machen lassen. Es ist ein Halbmond, gleichzeitig ist es ein D für Denis und anders herum enthält es das T für Tanja. Obwohl wir unseren Pferden diese Prozedur ersparen wollten haben uns viele Mongolen wegen der latenten Pferdediebstahlgefahr dazu geraten. Als das Eisen heiß genug ist nimmt es Bilgee, versteckt es hinter dem Rücken, geht zu meinem Pferd Sar und drückt es ihm schnell auf den Hintern. Es zischt und dampft. Ehe es Sar wirklich bemerkt ist es schon geschehen und Tanjas Naraa ist dran. Dann die anderen Vier. Bilgee macht die Sache kurz und schmerzlos. In allem was er tut ist er richtig gut. Es gibt irgendwie nichts was er nicht kann. Zum Abschluss verreibt er mit seiner flachen Hand kaltes Wasser auf die versengte Stelle des Fells. „So nun besitzen eure Pferde euer Zeichen. Das ist gut“, meint er zufrieden und macht sich fertig sie auf die Weide zum Fressen zu führen. Weil wir durch die vielen Besprechungen, dem Testladen und Vorbereitungsarbeiten fast den gesamten Tag gebraucht haben wird Bilgee heute mit den Pferden über Nacht draußen bleiben. „Wird das nicht zu kalt?“, fragt Tanja da das Thermometer nachts schon bis minus vier Grad sinkt und er kein Zelt oder Schlafsack mitnehmen möchte. „Ich habe doch meinen Deel. Damit decke ich mich zu. Das ist schon in Ordnung“, antwortet Bilgee. Tanja gibt ihm wie jeden Tag eine gut gefüllte Vespertasche mit. Somit hat unser Pferdemann Wurst, Brot, Schokolade, Kekse, eine Dose Fisch und heißen Tee dabei.

Kaum ist Bilgee mit den Pferden aus Mörön geritten kommt Saraa in unsere Jurte. Sie sieht recht geknickt aus und lässt sich schwerfällig auf Bilgees Bett sinken. „Was gibt es? Du siehst so aus als hättest du schlechte Neuigkeiten?“, frage ich. „Ja. Die habe ich in der Tat“, stöhnt sie. „Was ist denn geschehen?“, fragt Tanja. „Stellt euch vor. Ich habe gestern der Tochter meiner Schwester Geld geliehen. Sie und ihr Mann besitzen ein Geschäft auf dem Markt. Sie benötigte dringend Geld um Ware in China einzukaufen. Da sie von der Bank nichts bekommen hat bin ich eingesprungen.“ „Ja und? Was ist geschehen?“, macht sie mich neugierig. „Sie ist verschwunden.“ „Wie verschwunden?“, wollen wir wissen. „Na sie hat hoch und heilig versprochen es mir heute zurück zu geben und jetzt ist sie verschwunden. Ich suchte sie überall. Man hat mir erzählt sie ist aufs Land gefahren.“ „Um welche Summe handelt es sich denn?“, frage ich. „2,2 Millionen Tugrik (1.257 €)“, ächzt sie. „Was? Das ist ja ein Vermögen?“ antworte ich. „Ist es. Es war das Geld von dem Blockhaus was wir für eine Familie in Erdenet gebaut haben“, erklärt sie. (Saraa und ihre Brüder haben noch ein weiteres Geschäft. Sie bauen Blockhäuser und verkaufen sie in Mörön und Erdenet. Ihre Schwester Naraa vermittelt in diesem Fall auch immer wieder Kunden und Aufträge.) Das Schlimme ist keine Quittung zu besitzen. Ich händigte ihr das ganze Geld cash aus. Ich bin einfach zu gutgläubig. Wenn das mein Mann Gonschig erfährt wird er sehr ärgerlich sein.“ „Wer weiß was geschehen ist. Vielleicht kommt sie morgen zurück und gibt dir dein Geld zurück“, versuche ich sie ein wenig zu trösten. Saraa trinkt noch eine Tasse Tee und geht dann wieder in ihr Blockhaus während wir um unseren Kanonenenofen sitzen und uns wärmen. „Ist schon eigenartig was wir Menschen uns wegen Geld ständig antun, um uns zu bereichern. Ich denke wenn es Geld nicht gäbe wäre die Menschheit ein Stückchen glücklicher“, überlege ich dem knistern des Feuers zuhörend.

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