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E-Bike-Expedition Teil 5 Kambodscha - Online Tagebuch 2017

Flussfahrt in die Welt der Farben – Untergang eines Landes

N 10°36’39.0’’ E 104°10’25.3’’
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    Datum:
    06.04.2017 bis 09.04.2017

    Tag: 646 – 649

    Land:
    Kambodscha

    Provinz:
    Kâmpôt

    Ort:
    Kampot

    Breitengrad N:
    10°36’39.0’’

    Längengrad E:
    104°10’25.3’’

    Gesamtkilometer:
    23.393 km

    Gesamthöhenmeter:
    70.571 m

    Sonnenaufgang:
    05:57 Uhr – 05:56 Uhr

    Sonnenuntergang:
    18:14 Uhr

    Temperatur Tag max:
    31°C

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

An einem der Abende haben wir uns entschlossen auf einem Ausflugsdampfer den Teuk Chhou Fluss zu befahren. Wir sitzen auf dem Dach des Kahns und blicken auf einfache, am Ufer stehende Strohhütten. Vor manchen der Hütten schaukeln provisorisch errichtete Bambusterrassen auf dem träge dahin fließenden Fluss. Traveller sitzen darauf, ziehen an einem Glimmstängel. Der Geruch von Marihuana weht mit ausgelassenem Lachen zu uns herüber. Ein paar Kilometer weiter säumen dichte Mangroven- und Tropenwälder das Ufer. Wie ein Scherenschnitt setzen sie sich vom wolkenverhangenen Gewitterhimmel ab. Im Hintergrund erkennen wir die Ausläufer der Elefantenberge mit dem Bokor-Nationalpark, indem angeblich noch 100 freilebende Elefanten und einige Bokor-Tiger leben sollen. Umso weiter der Abend heranrückt, umso weiter die Sonne sich auf die andere Seite unserer Mutter Erde zurückzieht, desto gewaltiger wird des Himmels Farbenspiel. Gebannt und fasziniert beobachten wir wie sich eine Mischung aller Gelbtöne in die Gewitterwolken schleicht, wie sich die Farben unaufhörlich verändern. Als würde eine mächtige Hand mit einem Stock im Himmelsgewölbe herumrühren, nimmt die Intensität unaufhörlich zu oder ab, bewegt sich wie in Wellen, in Strömungen, Turbulenzen und ganz unmerklich ist jegliches Gelb verschwunden, nur um in einem Gemenge von noch schönerem Orange oder Blutrot zu pulsieren. Als auch der letzte Hauch einer Farbe von einem umfassenden Schwarz aufgesaugt ist, schwirren blinkende kleine Lichtgeschöpfe durch das dunkle Blattwerk von Palmen und Urwaldgewächsen. „Wunderschön“, sagt Tanja leise, so als würde jedes zu laut ausgesprochene Wort die Glühwürmchen vertreiben. „Faszinierend“, sage ich ebenso gedämpft und werde mir in diesem Moment bewusst im Königreich Kambodscha angekommen zu sein.

Meine Gedanken schweifen ab und ich frage mich welche Überraschungen das südostasiatische Land, welches am Golf von Thailand liegt und an Thailand, Vietnam und Laos grenzt, für uns parat hält. Vor meinem geistigen Auge sehe ich das Kambodscha auf der Erdkugel, das knapp 2-mal kleiner als Deutschland und 53-mal kleiner als das gewaltige China ist, welches wir auf dieser Reise ebenfalls durchradelten. Ein Land indem nur etwas über 15 Millionen Menschen leben, in dessen Hauptstadt Phnom Penh das monatliche Durchschnittseinkommen bei ca. 66,- US$ und auf dem Land bei ca. 12,- US$ liegt. Zweifelsohne sind viele Bewohner des alten Königsreich sehr arm, noch ärmer als in den Nachbarländern Vietnam und Thailand.

Seltsam, das ein Volk so einen gewaltigen Rückschritt erlebt, welches die ersten Siedlungen schon vor 4.200 Jahren vorzuweisen hat, und zwischen dem 9. bis zum 15. Jahrhundert eine Hochblüte erlebte, welches Südostasien von Malakka (Stadt im heutigen Malaysia) bis zum Isthmus von Kra, (Die Landenge, die die malaiische Halbinsel mit dem asiatischen Kontinent verbindet) sowie Laos und Teile von Vietnam beherrschte, in dessen Hauptstadt Angkor bereits im Jahre 1200 etwa eine Millionen Menschen lebten und damit zu jener Zeit die größte Stadt der Welt war, welches Kulturstätten wie das Weltkulturerbe, den größten Tempelkomplex der Welt Angkor, oder Roluos, Banteay Srei und Preah Vihear hervorbrachte.

Jedoch zeigt die turbulente Vergangenheit der gesamten Region wie Kriege Länder schwächen, vernichten oder neu entstehen lassen. Bereits im Jahre 1177 eroberte die im heutigen Südvietnam lebenden Cham die Khmer-Hauptstadt Angkor für geraume Zeit. 13 Jahre später wurden sie jedoch von den Khmer wieder vertrieben. Im Jahre 1353 wurde Angkor von den Thais eingenommen. Die zogen sich zwar bald wieder zurück, eroberten aber im Jahre 1431 Angkor erneut.

Wenn man bedenkt, dass in den folgenden Jahrhunderten unaufhörlich Kriege mit den Nachbarländern Thailand und Vietnam ausbrachen, ist es kein Wunder das dieses Reich stark geschwächt wurde. Letztendlich eroberte Vietnam im 17. und 18. Jahrhundert den größten Teil des Mekongdeltas und Thailand den Norden des gebeutelten Landes.

Um nicht völlig unterzugehen, ersuchte Kambodscha Schutz von der Kolonialmacht Frankreich, welches 1859 den südlichen Bereich von Vietnam einnahm. Sicherlich eine Verzweiflungstat weil Schutz in dieser Welt nie kostenlos einhergeht. So auch im Falle von Kambodscha, da das Land letztendlich seine Freiheit einbüste weil die Franzosen ab 1884 ohne König Norodom zu fragen französische Beamte einsetzten und das Land somit de facto eine Kolonie Frankreichs wurde.

Nachdem im Jahre 1953 das Königreich endlich die Geisel der Unterdrückung los wurde und die Kolonialmacht Frankreich sich aus diesem Bereich der Welt zurückzog, brach ein furchtbarer Bürgerkrieg aus der immense Opfer unter der Bevölkerung kostete und das Land wirtschaftlich zerstörte. Aber das war noch lange nicht alles, denn es folgte der Vietnamkrieg. Obzwar sich Kambodscha in diesem furchtbaren Krieg neutral verhielt, wurde das Königreich von den Amerikanern mit hineingezogen. Durch großangelegte Bombardierung der Amerikaner versuchte man den im östlichen Teil Kamboschas verlaufenden Ho-Chi-Minh-Pfad zu vernichten, sodass der Vietminh keinen Nachschub von Nord nach Südvietnam mehr liefern konnte.

Als wäre das noch nicht genug einem Land den Gar auszumachen, spülte durch das Versagen der internationalen Politik den Massenmörder Pol Pot (wirklicher Name Saloth Sar) an die Macht, der von 1975 bis 1978 für den Tot von 1,7 bis 2,2 Millionen Kambodschaner verantwortlich war. Bei der damaligen Bevölkerung von etwas über sieben Millionen Menschen wurde unter seiner Führung über ein Drittel des gesamten Volkes ausgelöscht. Zur einen Hälfte wurde die Bevölkerung erschossen, erschlagen, mit Feldhacken geköpft oder mit Plastikbeuteln erstickt. Kleinkinder wurden an Bäumen zerschmettert. Die andere Hälfte der Menschen starben an den Folgen der Zwangsarbeit, Hunger und mangelhafte medizinische Versorgung. Die Roten Khmer, die ihren Ursprung in der Kommunistischen Partei Kambodschas hatte und von Pol Pot angeführt wurde, war eine maoistisch-nationalistische Guerillabewegung, die 1975 in Kambodscha an die Macht kam und sich erst 1998 auflöste. Die Aufarbeitung, der mit Worten nicht zu beschreibenden Verbrechen der Roten Khmer, begann erst richtig zur Jahrtausendwende und ist bis heute in Gang. Sicherlich sind noch viele der damaligen Verbrecher auf freien Fuß oder in leitenden Positionen untergetaucht.

Selbst der als schwer korrupt geltende aktuelle Premierminister Samdech Hun Sen diente von 1975 bis 1977 als Kommandeur eines Rote-Khmer-Regiments in der Verwaltungszone Ost. Obwohl er als absolut skrupellos gilt und angeblich auch nicht vor Morden an politischen Rivalen und Gegnern zurückschreckt, hält er sich seit 1985 an der Macht.

Pol Pot, einer der größten Massenmörder in der Geschichte der Menschheit, starb am 15. April 1998. Bis heute ist nicht sicher ob er sich das Leben nahm oder ob er umgebracht wurde.

Tuck, tuck, tuck, klingt der schwere Dieselmotor des Ausflugdamfers an meine Ohren und holt mich aus meinen Gedanken. Die Luft ist mit ca. 31 °C schwülheiß. Die Glühwürmchen sind indes erloschen. Vor uns liegen die bunten Lichter des Touristenstädtchens Kampot. Die Stimmung der Menschen auf unserem Boot ist ausgelassen und passt nicht zu der gruseligen Vergangenheit des Landes. Und trotzdem hat sich seit dem Ende der Roten Khmer das alte Königreich Kambodscha massiv geändert. Die Einwohnerzahl hat sich indes mit knapp 16 Millionen Menschen mehr als verdoppelt. Abertausende Touristen aus aller Welt können gefahr- und bedenkenlos das Land bereisen. Die Regierung fördert den Tourismus und lockt mit leicht zu bekommenden Geschäftsvisa Investoren und Langzeitreisende aus aller Welt. Lässt man die jüngste Geschichte des Landes ruhen, übersieht man die massive Korruption, den Verkauf der letzten Regenwälder an Vietnam und China, und die unglaubliche Umweltzerstörung, kann man sich hier richtig wohl fühlen. Ich erzähle Tanja von meinen Gedanken und frage sie wie so oft ob ich all das überhaupt aufschreiben soll. „Schreib darüber, aber lass es dir nicht so stark zu Herzen gehen. Wir werden Kambodscha bereisen, uns von der furchtbaren Vergangenheit nicht einholen lassen und blenden soweit es geht die Korruption aus. Ich bin mir sicher, dass wir hier eine wunderbare Zeit verbringen und trotzdem objektiv über das Land berichten können.“…

Wer mehr über unsere Abenteuer erfahren möchte, findet unsere Bücher unter diesem Link.

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