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Mongolei/Insel Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Flucht

N 50°05'328'' E 100°02'174''
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    Tag: 344

    Sonnenaufgang:
    05:15

    Sonnenuntergang:
    21:32

    Luftlinie:
    29,41

    Tageskilometer:
    40

    Gesamtkilometer:
    1666

    Bodenbeschaffenheit:
    Gras, Gestein, Fels

    Temperatur – Tag (Maximum):
    30°C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    26 °C

    Temperatur – Nacht:
    12 °C

    Breitengrad:
    50°05’328“

    Längengrad:
    100°02’174“

    Maximale Höhe:
    1700 m über dem Meer

    Aufbruchzeit:
    9:30

    Ankunftszeit:
    19:00

Schon um 9:30 Uhr lassen wir das Diebescamp hinter uns. Der Vormittag ist nahezu wolkenlos. Gegen Mittag gewinnt die Sonne immer mehr an Kraft. Trotz der 56 °C in der Sonne traben wir bald ununterbrochen. Es geht über unbewaldete Bergzüge und durch saftig grüne Täler. Die Ladung rutscht heute immer wieder, so dass wir zu kurzen Stopps gezwungen werden. Entweder wir rücken das Gepäck in Position oder müssen die Packpferde vollständig ab und neu aufladen.

Mogi schnauft wie eine Dampflok. Sein Atem geht stoßweise. An der Flanke einer mit Steinen und groben Felsen überzogenen Berghöhe halten wir, um ihm die Beißhemme abzunehmen. Schon seit uns Khurgaa und Bumbayr verlassen haben führe ich ihn neben Sar an der Leine. Wenn er jetzt ohne Maulkorb läuft ist das kein Problem. Die Leine darf nur nicht reißen. „Denis?“ „Ja?“ „Naraa kann nicht mehr.“ „Wir müssen trotzdem weiter.“ „Aber sie kann nicht mehr!“ „Möglicherweise finden wir auf der anderen Seite dieses Berges einen Platz zum rasten. Aber lass uns noch den Berg überqueren“, antworte ich.

Tatsächlich finden wir wieder an einer abfallenden Felsflanke eine saftige Weide die direkt am Egyin Gol (Egyin Fluss) grenzt. Wir entladen die Pferde, tränken sie am Fluss und legen uns ans schattenlose Ufer des Flusses. „Eine schreckliche Hitze“, stöhnt Tanja sich ihren Hut ins Gesicht ziehend. Weil es mir in der prallen Sonne zu heiß ist um zu ruhen stehe ich auf und laufe ein wenig am Ufer entlang. Immer wieder schöpfe ich mir das eiskalte Wasser ins Gesicht oder befeuchte meinen Hut, um ihn nass aufzusetzen. Eine steile Felswand begrenzt den Fluss und verhindert das Weitergehen. Pferde stehen an dieser Stelle bis zum Bauch im Wasser und kühlen ihre Körper. Ich entdecke eine Quelle. Kühles, frisches Wasser sprudelt zwischen den Felsen hervor und plätschert in den Fluss. Ich hole unsere Wasserflaschen, um sie zu befüllen.

Die Hitze ist jetzt drückend. Dunkle Gewitterwolken ziehen wie bald jeden Tag auf. Gefräßig eilen sie heran, um erbarmungslos das tiefe Blau zu fressen. „Wir sollten weiter“, sage ich ein wenig besorgt das Wetter studierend. „Ich bin so müde“, antwortet Tanja. „Kein Wunder. Die letzte Nacht hatten wir beide wenig Schlaf.“ „Können wir nicht hierbleiben?“ „Es gibt kein Feuerholz. Außerdem sollten wir noch mindesten 10 Kilometer zurücklegen.“ „Meinst du sie folgen uns?“ „Ich weiß nicht. Es ist schwer unsere Spuren zu entdecken. Ich habe uns den gesamten Tag über Berge und viel Geröll geführt. Aber wie du weißt ist es bald unmöglich in diesem Land unentdeckt zu bleiben. Trotz allen Tricks. Irgend ein Hirte sitzt mit seine Einauge (Fernrohr) immer an irgendeinem Ort und beobachtet seine Tiere und alles was sich durch sein Sichtfeld bewegt. Umso mehr Kilometer wir heute schaffen desto schwieriger ist es für Diebe an uns dran zu bleiben oder uns zu finden.“ „Okay“, stöhnt Tanja sich schwerfällig erhebend. Schwitzend hieven wir das schwere Gepäck auf die Sättel. Weil wegen der Felsflanke neben dem Fluss kein Weiterkommen möglich ist lenken wir unsere Pferde in den Egyin Gol. Mindestens 100 Meter reiten wir durch das kalte Wasser, um so das raue Gestein zu umgehen. „Da vorne ist es sehr tief“, warnt Tanja auf wilde Pferde deutend die beim queren der Strömung teils bis zu den Schultern im Wasser verschwinden. Vorsichtig reite ich voraus, um den steinigen Grund des Flusses aufmerksam zu studieren. „Hier sollte es gehen“, sage ich. „Ist doch viel zu tief!“, warnt Tanja. „Ach was. Das schaffen wir schon“, antworte ich Sar weiter in die Fluten treibend. Obwohl wir nasse Füße bekommen erreichen wir die andere Seite der Felsflanke und somit wieder Grasland.

Nach der Querung eines weiteren Höhenzuges kommen wir in ein riesiges Tal. Im Trab folgen wir dem Ufer des Egyin Gol bis die Hufe unserer Reittiere im feuchten, morastigen Untergrund versinken. Wir verlassen den Fluss für eine Weile, finden einen trockenen Pfad der durch die Ebene führt. „Schneller!“, rufe ich als Tanja mit Naraa in Schritt verfällt. „Naraa kann nicht mehr!“ „Tanja! Schau mal nach rechts! Siehst du das Gewitter? Diese Wolken versprechen nichts Gutes. Wir müssen die Ebene verlassen haben bevor es hier ist“, erkläre ich worauf sie Naraa wieder antreibt. Bald 10 Kilometer zieht sich das Tal entlang bis es von einem Berg begrenzt wird. Immer wieder blicke ich auf die heranrasenden Wolken. Wären wir nicht in der Mongolei würde ich sagen ein Hurrikan kommt auf uns zu. Die Wolkentürme sind blauschwarz, von eigenartigen helleren Streifen durchzogen. Solche Formationen kenne ich eigentlich nur von tropischen Ländern oder auch von Australien. Die Erinnerung an Zyklon Sam steigt plötzlich in mir hoch. Sam war ein klasse fünf Zyklon der uns bedrohte als wir mit unseren Kamelen an der Nordwestküste Australiens entlangmarschierten. Nur mit viel Glück entkamen wir damals der tödlichen Gefahr. Ich bin mir sicher hier nicht auf Sams Verwandten zu stoßen, jedoch sind die Wolkenformationen alles andere als beruhigend. „Schneller!“, rufe ich und versuche meine aufkommenden Angst zu unterdrücken. „Es geht nicht schneller!“, antwortet Tanja. „Tschuuu! Tschuuu! Tschuuu!“, treibe ich die Pferde an. Auch wenn wir es hier nicht mit einem Sturm der Superlative zu tun haben wird es ohne Ende donnern und blitzen. Da wir die höchste Erhebung weit und breit sind befinden wir uns zweifelsohne in Gefahr von einem der Blitze erwischt zu werden. „Tschuuu! Tschuuu! Tschuuu!“, rufe ich. Obwohl ich ebenfalls sehr müde bin fördert die heranrasende Bedrohung beachtliche Kraftreserven aus dem Inneren meines Körpers. „Tschuuu! Tschuuu! Tschuuu!“, rufe ich als die ersten Blitze am etwa fünf Kilometer entfernten Bergrand in die Erde schießen. „Tschuuu! Tschuuu! Tschuuu!“, rufe ich immer wieder bis wir das Ende des Tales und den vor uns liegenden Höhenzug erreichen. „Da müssen wir noch drüber. Dann sind wir wieder am Egyin Gol. Ich hoffe dort einen guten Campplatz zu finden“, erkläre ich Tanja. Seit bald 10 Stunden traben wir schon oder erklimmen Bergrücken. 40 Reitkilometer liegen hinter uns. Es ist ein anstrengender Tag der wieder alles von uns abverlangt.

„Wir könnten vor dem Gewitter noch über Berg sein“, sage ich erleichtert da es auch nicht empfehlenswert wäre bei Blitz und Donner auf einem Höhenzug herumzureiten. Die Pferde und wir schwitzen als wir auf der anderen Seite des Berges langsam die abschüssig, steinige Anhöhe hinunter reiten. „Dort unten! Siehst du die Flussinsel?“, frage ich Tanja. „Ja.“ „Wenn wir es schaffen mit den Pferden den Flussarm zu durchreiten wäre das möglicherweise ein fantastischer Lagerplatz“, sage ich beide Daumen drückend Recht zu behalten.

Als wir den Fluss erreichen studiere ich eine Weile die Strömung. „Ich versuche es erst ohne Packpferde“, sage ich Sar in die Fluten steuernd. Obwohl das Wasser bis zu seinem Bauch reicht ist die Durchquerung keine besondere Herausforderung. Auf der Insel durchreite ich ein dichtes Buschwerk. Als ich durch bin glaube ich meinen Augen kaum trauen zu können. Vor mir liegt eine von dichten Strauch- und Buschwerk eingesäumte saftige Weide die in der Lage ist unsere Tiere mindestens drei Tage zu ernähren. Auch bietet sie reichlich Feuerholz und das frische Wasser können wir aus dem Fluss schöpfen. Noch dazu sind wir durch die Buschbarriere vor neugierigen Blicken geschützt. „Dieses Versteck schickt uns der Himmel“, flüstere ich und reite wieder zum Ufer, um den Fluss erneut zu durchqueren. Freudig berichte ich Tanja von dem traumhaften, sicheren Ort.

„Du reitest mit Naraa und Tuya durch den Fluss, ich treibe Sharga, Bor und Tenger“, sage ich. „Du meinst sie kommen mit ihrer Ladung unversehrt rüber?“ „Absolut keine Problem. Komm schnell. Bevor jemand den Berg herunterkommt und uns sieht“, ermahne ich zur Eile. Fünf Minuten später befinden wir uns im Versteck. „Und was sagst du dazu?“, frage ich überglücklich so einen fantastischen Platz gefunden zu haben. „Kaum zu glauben. Hier kann uns keiner sehen“, antwortet sie grinsend. „Ja und außer einem Reiter kommt hier keiner auf die Insel. Selbst wenn uns Pferdediebe entdecken würden, was ich nicht glaube, ist die Insel strategisch gesehen ideal. Die Strömung des Flussarmes auf der anderen Seite ist sogar für Pferde zu stark. Also könnten sie nur auf dieser Seite durch den Fluss. Ein lautloses Anschleichen ist somit unmöglich. Eine schnelle Flucht schon gar nicht. Abgesehen davon haben wir unseren Mogi. Alles in allem absolut genial“, frohlocke ich.

Als die ersten Blitze vom Himmel zucken und die ersten Regentropfen fallen steht unser Zelt bereits. Das Unwetter fällt nicht so schlimm aus wie befürchtet. Es hat sich direkt vor uns regelrecht geteilt und braust links und rechts an uns vorüber. „Auch der Sturm hat eine Insel geformt auf der er uns ausruhen lässt“, sage ich als wir heißhungrig unsere Fertignahrung löffeln. „In der Tat. Die Mongolei gönnt uns eine Atempause“, antwortet Tanja.

Wir freuen uns über Kommentare!

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