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Mongolei/Tuwa Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Erfolgreiche Jäger

N 51°33'337'' E 099°15'341''
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    Tag: 257-259

    Sonnenaufgang:
    06:46/06:41

    Sonnenuntergang:
    20:04/20:07

    Gesamtkilometer:
    1341

    Bodenbeschaffenheit:
    Eis, Schnee

    Temperatur – Tag (Maximum):
    10°C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    minus 0°C

    Temperatur – Nacht:
    minus 12°C – minus 20°C

    Breitengrad:
    51°33’337“

    Längengrad:
    099°15’341“

    Maximale Höhe:
    1981 m über dem Meer

Vor dem großen Umzug ins Frühjahrscamp kommen und gehen die Jäger. „Weil wir dem Winter über nach Jade gesucht hatten gab es keine Zeit für die Jagd. Jetzt benötigen wir dringend Fleisch“, erklärte Ultsan die plötzliche Aktivität der Männer. „Die Jäger sind da!“, schallt ein Ruf durchs Camp. Sofort eilen die Anwesenden aus ihren Tipis. Auch Tanja und ich hasten aus unserer Jurte. Tatsächlich kommen Gamba, Ovogdorj, Tso, Hadaa und Dawd, der seit kurzem sein Tipi etwa zwei Kilometer vom Camp entfernt errichtet hat, mit ihren schwer beladenen Rentieren ins Lager geritten. Jeder der Männer führt seine Tiere zum eigenen Tipi wo die Frauen ihnen sofort beim Entladen helfen. „Sie haben zwei Elche erlegt“, verbreitet sich die positive Nachricht wie ein Lauffeuer. „Elche?“, frage ich. „Ja. Das gibt viel Fleisch. Der Elch ist in der Mongolei das größte Tier“, erklärt mir Tsaya. „Aber ein Kamel ist doch bestimmt größer und schwerer“, entgegne ich. „Nein, Elche sind größer und schwerer. Ein Elch ist so groß wie ein Elefant“, sagt sie mit einer unumstößlichen Sicherheit. „Ob sie jemals einen Elefanten gesehen hat?“, frage ich mich. „Na da übertreibst du aber ein wenig“, erwidere ich vorsichtig. „Ein Elch ist mindestens so hoch wie eure Jurte“, erklärt sie selbstsicher. Weil ich nicht als Besserwisser dastehen möchte verkneife ich mir zu sagen das einige Exemplare der Afrikanischen Elefantenbulle eine Widerristhöhe von bis zu 4,5 Meter erreichen und bis zu 6 Tonnen wiegen können. Später aber bestätigt sich Tsayas Aussage daraufhin als richtig, dass der Elch mit seiner maximalen Schulterhöhe von bis 235 Zentimeter und einem Gewicht von bis zu 825 Kilogramm tatsächlich größer und schwerer ist als das mongolische Kamel.

Als die Männer und Frauen die hartgefrorenen Fleischklumpen von den Rentieren abladen und auf dem Wandan (Hochstand) verstauen ist der Clan für einige Zeit mit Fleisch versorgt. Sogleich wird in jedem Tipi Elchfleisch gekocht. Es ist zu dieser Jahreszeit fast völlig fettfrei und schmeckt ausgezeichnet. „Endlich einmal Fleisch ohne Fett“, freue ich mich als uns Purvee eine Blechschüssel voller gekochtem Elchfleisch hinstellt und eine Schale Tee mit Rentiermilch reicht.

„Was habt ihr denn mit dem Fell gemacht? Das könnt ihr doch bestimmt gut verkaufen?“, möchte ich wissen. „Das Fell ist im Frühjahr nichts wert. Wir ließen es im Wald zurück“, sagt Ovogdorj. „Warum ist es nichts wert?“, wundere ich mich „Im Frühjahr verlieren die Tiere ihr Winterfell. Es haart sehr stark. Winterfelle sind dagegen wertvoll.“ „Und das Geweih? Ein Elch hat doch ein riesiges Geweih? Das könnt ihr doch für eure Hornschnitzereien gut gebrauchen die ihr im Sommer an die Touristen verkauft?“ frage ich weiter. „Ha, ha, richtig, das Geweih des Elches hatte eine Spannweite von bald zwei Meter. Aber das ist zum Schnitzen nicht geeignet. Es ist viel zu hart“, erklärt Ovogdorj.

Am darauffolgenden Tag ist wieder Aufregung im Camp. Diesmal kommen Ultsan und Sansar von ihrer Jagd zurück. Jeder möchte wissen ob auch sie erfolgreich waren. In der Tat haben sie zwei Gazellen erlegt. Mittags suche ich Tsaya und Ultsan in ihrem Blockhaus auf, nur um zu fragen ob sie jetzt wissen an welchem Tag wir ins Frühjahrscamp ziehen? „Bald“, antwortet Ultsan. „Äh, was ist bald?“, versuche ich herauszufinden weil der Stamm schon seit vielen Tagen von dem anstehenden Umzug spricht. „Schwer zu sagen. Wir brechen auf wenn wir aufbrechen. Spätestens aber am 20. April.“ Ich gebe mich mit der Antwort zufrieden da es offensichtlich unmöglich ist ein genaues Datum herauszufinden. Eigentlich ist der Aufbruchstag egal, wäre da nicht der Abtransport unserer Jurte zu organisieren und die dramatisch knapp werdende Schneesituation. Bilgee und Tanja steigen jeden Tag höher die Berge hinauf, um ihre Säcke zu füllen. „Kein Problem. Wenn es notwendig ist gehen wir bis zum Gipfel“, sagt Bilgee wie immer zuversichtlich.

„Wir haben gerade Gazelle gekocht. Setze dich bitte zu uns und lass es dir schmecken“, bietet mir Tsaya einen Platz an. Auf einem Holzbrett am Boden türmen sich gekochte Knochen und Fleisch. „Hier nimm“, reicht mir Ultsan ein Stück. „Was ist das?“, frage ich. „Das Herz. Es schmeckt gut. Versuche es“, sagt er weil ich zögere. „Gazellenherz. So etwas habe ich noch nie gegessen. Ihr müsst verstehen. Ich bin Halbvegetarier. Innereien sind mir im Normalfall ein Gräuel“, antworte ich und schneide mir ein Stück von dem Herz ab. „Hmm, wirklich lecker“, lobe ich und meine es so als ich den ersten Bissen probiert habe. „Nimm dir noch mehr von der Suppe. Wir haben es auf dein Anraten hin extra lange kochen lassen. Der Sud schmeckt fantastisch“, meint Tsaya. Da sie sich gestern mit Elchfleisch vollgeschlagen hat kam sie stöhnend und klagend in unsere Jurte. „Was hast du denn?“, fragte ich. „Ach ich habe mindestens ein Kilo Elch gegessen. Mir geht es gar nicht gut.“ „Kein Wunder. Zuviel ist zuviel“, erwiderte ich. „Ich weiß. Ich muss dringend abnehmen. Mit meinen 83 Kilogramm und 170 Zentimetern Körpergröße liegen mindestens 20 Kilogramm zu viel auf den Rippen“, meinte sie traurig dreinschauend. „Ist nicht gut für einen herzkranken Menschen. Du solltest deine Nahrung umstellen“, antwortete ich diplomatisch. „Nahrung umstellen? Wie soll ich das in der Taiga anstellen?“ „Es ist bestimmt nicht einfach. Aber du könntest das Fett reduzieren, weniger von dem Fleisch verzehren, keine in Öl gebratenen Boortsog zu dir nehmen und vor allem keine Nahrung nach 18:00 Uhr. Das würde schon einiges ändern“, schlage ich vor. Da sich Tsaya sehr interessiert zeigte unterhielten wir uns stundenlang über Nahrungsumstellung und der zahlreichen Möglichkeiten Gewicht zu reduzieren. Seither sind wir ihre Mentoren, zumindest nennt sie uns jetzt so. Bevor ich die Baishin wieder verlasse schenkt mir Ultsan die Hinterkeule einer Gazelle. Verwundert sehe ich ihn an. „Aber das kann ich doch nicht annehmen?“, sage ich. „Doch, doch, bitte nimm es“, meint er freundlich. „Ihr benötigt doch euer Fleisch für euch?“, unternehme ich einen erneuten Versuch das großzügige Geschenk abzulehnen. „Die Naturgötter geben uns die Nahrung. Es ist unsere Pflicht sie zu teilen. Wenn wir das nicht tun sind uns die Götter böse und werden uns in Zukunft nicht mehr so reichlich beschenken“, antwortet er, worauf ich, mich mehrfach bedankend, die Keule entgegennehme und sogleich auf das Wandan lege, um sie einzufrieren.

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