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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Ein erlebnisreicher, anstrengender Tag führt uns in eine andere

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    Tag: 04-Etappe Zwei

    Sonnenaufgang:
    06:28

    Sonnenuntergang:
    17:25

    Luftlinie:
    13,5

    Tageskilometer:
    15

    Temperatur - Tag (Maximum):
    28-32 Grad

Pelikan-Camp — 19.06.2001

Mit dem ersten Licht der Dämmerung binde ich Istans vordere Sattelpolster fester an den Holzrahmen. „Mal sehen ob seine Polster heute noch rutschen werden,“ brumme ich. Während der letzten Etappe hatten wir nahezu ohne Unterbrechung unendlich viele Schwierigkeiten mit unseren umgebauten Reitsätteln. Ständig haben sich unsere armen Jungs damit wunde Stellen gelaufen oder durch starke Druckstellen Geschwüre bekommen. Unabhängig davon war das daraus resultierende Umladen, Ladung zurücklassen und neu stopfen so zeitaufwendig, dass es uns alles in allem Wochen gekostet hat und wir mehrfach kurz davor standen aufzugeben. Jo und Tom haben dann für uns vier dieser wunderbaren Afghanpacksättel gebaut die auf vielen Expeditionen der Entdeckungsgeschichte gute Resultate erzielten und das Non plus Ultra der Packsättel sein sollen. Da wir bisher mit den neuen Sätteln keine Erfahrung haben bin ich also nervös und hoffe innig das diese Sattelkonstruktion keine ständige Herausforderung sein wird. Im Augenblick kann ich also noch nicht viel sagen aber in wenigen Wochen werden wir wissen ob sich die Situation maßgeblich verbessert hat oder nicht. Wichtig ist nun das System der Afghansättel und ihr Prinzip zu verstehen und dementsprechend einzugreifen. Ein Vorteil liegt aber auf der Hand. Sollte irgend etwas an ihnen zu Bruch gehen sind wir in der Lage ohne jegliche Hilfe von außen alles, absolut alles selbst zu reparieren.

Verlieren den Track

Fünf Stunden benötigen wir heute für den Campabbau und das Laden und um neun Uhr setzen wir unsere Reise fort. Schon nach wenigen hundert Metern wird der Weg immer schlechter. „Ich denke wir sollten den Track hier verlassen und wieder an den Strand gehen,“ meine ich grübelnd auf den immer schwieriger werdenden Untergrund deutend. „Wie weit ist es denn von hier bis zum Strand?“ „Laut Karte ca. 2 Kilometer und wenn wir hier auf der alten Verbindung bleiben entfernen wir uns mehr und mehr.“ Mit dem Fernglas untersuche ich das Gelände rechts neben dem Weg, um zu sehen ob der Zaun, der uns gestern den Zugang zum Strand versperrte, verschwunden ist. „Ich kann ihn nicht mehr entdecken, lass es uns probieren,“ meine ich und führe die Kamele in das dichte Gras. Schon die ersten Meter bringen uns zum Schnaufen und es dauert nicht lange bis die heftigen Hüftschmerzen wieder beginnen. Nach zehn Minuten taucht vor uns das lästige Drahtgeflecht auf. Uns bleibt nichts anderes übrig als umzukehren und unseren Marsch auf dem unbrauchbar gewordenen Pfad fortzusetzen. „Ich kann ihn nicht mehr finden. Wo ist denn dieser verdammte Weg!“ ,rufe ich damit mich Tanja verstehen kann die hinter der Karawane läuft. „Keine Ahnung!“ ,höre ich ihre Antwort. Schweißüberströmt stapfe ich weiter. Immer wieder falle ich fast in das dichte Gestrüpp weil sich meine Füße unaufhörlich in den schrecklichen Schlingpflanzen verfangen. Ich muss eine kurze Verschnaufpause einlegen, beuge meinen Oberkörper nach vorne und stütze mich mit den Händen auf den Knien ab. „Gerne würde ich jetzt reiten, aber erstens ist es mit Edgar und Jasper zu gefährlich, denn wir wissen nie was sie als nächstes tun werden und zweitens wollen wir Sebastian nicht gleich zu Beginn überlasten. Ich gebe mir selbst einen Ruck und kämpfe mich weiter durch das Geflecht. Etwa 500 Meter vor mir entdecke ich eine Buschreihe die sich wie ein Lineal durchs Land zieht. Das muss der Weg sein. Da Tanja hinter den Kamelen gelaufen ist besitzt sie noch ein paar Kraftreserven und geht voraus um die Buschreihe zu erkunden. Tatsächlich winkt sie mir zu. Mit neuer Energie bahne ich mir den Weg durch das Gras. „Ist er das?“ ,fragt Tanja als ich sie erreiche. Prüfend lasse ich meinen Blick der Buschreihe entlang gleiten. Ohne Zweifel war das einmal ein Weg, denn er führt wie eine Schneise durch das Land und liegt mindestens zwei Meter tiefer als die riesige Fläche. „Ja,“ antworte ich und führe unsere Tiere weiter. Schon Minuten später ist kaum noch ein Unterschied zwischen offenem Buschland und der einst mal von Menschen gebauten Verkehrsverbindung zu bemerken. Große Sträucher versperren uns unaufhörlich das Weiterkommen. Im Zickzack kämpfen wir uns durch das Schlingpflanzenmeer. Erschöpft stoppe ich die Karawane, prüfe die Karte und überlege ob es nicht doch einfacher ist am Strand entlang zu laufen. „Im Notfall müssen wir den Zaun umlegen und wieder aufstellen. Ich denke das sich dieser Energieeinsatz lohnt. Wer weiß wie viel Kilometer sich dieser Alptraum hinzieht,“ sage ich. Kurz entschlossen biegen wir wieder nach Westen in Richtung Strand ab der sich irgendwo vor uns hinter den hohen Dünenwellen befinden muss. Als wir am Zaun ankommen entscheiden wir uns ihm für eine Weile zu folgen. Wer weiß, vielleicht kommt ja ein Tor welches uns den Weg auf die andere Seite freigibt. Beim übersteigen des Grasgeflechts schreien meine Muskeln vor Anstrengung. Ich bin es noch nicht gewohnt meinen Körper so zu beanspruchen, denn er hat noch keine Chance gehabt sich an solche Herausforderungen zu gewöhnen. Noch vor drei Tagen saßen wir in unserem hübschen Buschpalast der uns nahezu alles an Komfort geboten hat was der Mensch schuf und jetzt befinden wir uns in einer anderen Welt. Seit 3 ½ Stunden sind wir heute schon unterwegs und kommen kaum voran. Laut dem GPS haben wir gerade mal vier Kilometer zurückgelegt. „Sie mal da vorne. Das sieht doch aus wie ein Tor!“ ,rufe ich. Die Aussicht bald am Strand entlang marschieren zu können gibt mir neue Energie. Mit großen Schritten eile ich dem verheißungsvollen Durchgang entgegen. Als wir dort ankommen können wir unser Glück kaum glauben. Irgend jemand hat hier den Zaun auf eine Länge von ca. sechs Meter durchtrennt. Ohne Probleme durchschreiten wir die breite Öffnung und folgen nun einen anderen Zaun nach Westen der offensichtlich die Grenze zwischen Anna Plains Station und Mandora Station ist. Wir besteigen einen hohen Dünenwall und erkennen in der Entfernung das glänzende Meer. Langsam führe ich unsere Jungs die steile Düne hinab und beobachte wie dabei die Sättel nach vorne rutschen. Als wir kurze Zeit später über die nächste Düne steigen rutschen sie beim Anstieg nach hinten. Die Vorderpolster fallen dabei so stark nach unten, dass der hölzerne Abstandhalter bei Jafar und Hardie direkt auf der Wirbelsäule aufliegt. Sofort halte ich die Karawane an und versuche mit Tanja die Polster wieder nach oben zu schieben. „Wir müssen uns unbedingt etwas einfallen lassen. Wenn der Abstandhalter mit dem gesamten Ladegewicht auf der Wirbelsäule liegt dauert es nicht lange bis sich unsere Kamele schwer verletzen,“ meine ich nachdenklich und weiß immer noch nicht wie wir dieses Problem in den Griff bekommen sollen.

Endlich sind wir dann am sonnenüberfluteten Strand des Indischen Ozeans. Es ist Ebbe und der ewige Strand ist viele hundert Meter breit. Das Laufen fällt hier im Vergleich zu vorher leicht. Es ist wie ein Gleiten über eine glatte Oberfläche. An manchen Stellen versinken wir jedoch im weichen Sand. „Lass uns dort rüber gehen da sieht es einfacher aus.“ Ich habe festgestellt, dass der Sand unweit des Wassers feucht und dadurch mehr verdichtet ist. Wir versinken in diesen Bereichen kaum und kommen sehr gut voran.

Kein Tag gleicht dem anderen

Sturmartige Böen blasen aus der Wüste über die weite, weiße Fläche und treffen auf die rauschende Brandung. Die Wellen brechen sich im Wind und fallen mit Getöse auf das sandige Bett. Unsere Kamele fürchten sich vor diesen Geräuschen und strecken ihre Köpfe in die Höhe. Sie sehen nervös von links nach rechts um zu beobachten aus welcher Richtung das unheimliche Monster angreifen könnte. „Achtung!“ ,brüllt Tanja als Jasper von den vermeintlichen Verfolgern zu viel hat und wie eine Rakete nach vorne geschossen kommt. Alle anderen lassen sich von seiner Angst sofort anstecken und führen einen Tanz auf der mit hohen Bocksprüngen durchsetzt ist. Unberührt von dem Tollhaus hinter mir führe ich Sebastian weiter und Augenblicke später folgen sie mir wie Perlen auf der Schnur. Alle paar Minuten versuchen sie einen weiteren Ausbruch bis sie sich langsam an das Rauschen der Wellen, dem starken Wind und den Sandverwehungen gewöhnen. Ihre Füße lösen kleine Sandscheiben vom Untergrund die der Wind wie Kreisel über den Strand vor sich hertreibt bis sie in ihre Bestandteile zerfallen. Es ist ein beindruckender Marsch der sich von dem vorgestrigen Tag völlig unterscheidet. Mangrovensümpfe ziehen sich vor uns über das Strandgebiet. Die buschigen Gewächse mit ihren starken Wurzelgeflecht sind aber so weitflächig verteilt, dass wir sie ohne Schwierigkeiten durchschreiten können. Plötzlich vernehmen wir Motorengeräusche und wundern uns was da auf uns zukommt. Ein Flugzeug der Küstenwache fliegt über unsere Köpfe. Sie kontrollieren die einsamen Landstriche und gehen sicher, dass keine der vielen indonesischen und chinesischen Flüchtlinge illegal nach Australien einwandern. Jedes Jahr sind es viele Tausende von Menschen die solch einen lebensgefährlichen Weg wählen. Sie versuchen in baufälligen Nussschalen wochenlang über den Indischen Ozean zu fahren, um dann irgendwo auf einen einsamen Küstenstreifen an Land zu gehen. Viele von ihnen erreichen ihr Ziel, viele von ihnen ertrinken und viele werden von der Küstenwache aufgegriffen und wieder heimgeschickt. Manche dürfen bleiben und haben es aus ihrer Sicht geschafft.

Wir winken dem Flugzeug zu. Der Pilot muss sich wundern eine Kamelkarawane am Strand zu entdecken. „Wahrscheinlich sieht er so etwas nicht oft,“ rufe ich fröhlich. Wenig später finden wir ein paar hundert Meter vom Strand einen wunderschönen Übernachtungsplatz. Er liegt etwas höher, so das die Flut ihn hoffentlich nicht erreichen wird und ist von saftigen niedrigen Grünzeug umgeben. Mangrovensümpfe umringen den Ort und tiefer gelegene trockene Wasserläufe zeugen davon, dass sich zu manchen Zeiten im Jahr das Meer bis hier her ausbreitet. Während Tanja die Kamele zu dem frischen Grünzeug führt baue ich das Lager auf. Unendlich viele Muscheln liegen auf den Boden. Mit der Schaufel schaffe ich erst mal eine einigermaßen gerade Ebene für unser kleines Zelt. Wir genießen wie der rotglühende Sonnenball im rauschenden Meer erlöscht. Riesige Vogelscharen fliegen flach über das Land und rasen wie kleine Kamikaze durch ein Wolkenmeer voller Insekten. Der Anblick wie sie durch ihr Fressparadies flattern ist beieindruckend. Gebannt sitzen wir in unseren Stühlen und verfolgen das Naturschauspiel.

Hardie frisst Käse

Hardie nähert sich unserem Camp. Neugierig beäugt er das Solarpaddel. Er beugt seinen Kopf nach unten und versucht daraus zu trinken. Für ihn muss die blaue Farbe des Solarpaddels wie Wasser aussehen. Heute ist der vierte Tag ohne Wasser für unsere Kamele. Obwohl sie bei gutem Grünzeug bis zu drei Wochen und länger ohne Wasser auskommen können haben sie durst. „Die Gewächse hier müssen salzhaltig sein und durstig machen,“ meine ich. Tanja serviert mir mein Abendessen. Wir besitzen immer noch von dem leckeren Käse und einige Oliven. Genüsslich lass ich mir die Leckerei munden. Nachdem Hardie das Solarpaddel eingehend untersucht hat kommt er noch näher. Er steht jetzt direkt neben mir und sieht mit neugierigen Augen auf meinen Teller. „Hardie, das ist doch nur Käse. Das schmeckt dir bestimmt nicht,“ sage ich und streichle seinen Hals. „Woher willst du das wissen,“ brummt er, beugt seinen Kopf zu mir hinunter und riecht an meinem Teller. „Willst du ein Stück?“ „Aber klar,“ sabbert er so stark das ich meine Hand schützend über mein Abendessen halte. Ich spieße ein Stück Käse auf die Gabel und halte es ihm mehr zum Scherz hin. „Hm lecker,“ atmet mir Hardie entgegen, schnappt in die Gabel und frisst den Käse. Ich bin regelrecht von den Socken. „Hast du das gesehen Tanja. Er frisst Käse.“ Als sich Hardies großer Kopf wieder langsam zu mir beugt und mehr fordert, können wir uns vor lachen kaum noch halten. „Hier hast du noch einen Bissen, dann ist aber Schluss,“ meine ich, stehe auf und führe ihn wieder zu seinen Mates. Nach dem Abendessen, nutzen wir das restliche Tageslicht um unsere Jungs zu Bett zu bringen. Jeder von ihnen wird an einen der vielen Mangrovenbüsche gebunden. Satt und zufrieden setzen sie sich dann in das Gras um zu schlafen. Bis auf Hardie. „Ich will mehr von deinem leckeren Käse,“ brummelt er mich an. „Hardie, Käse ist nichts für Kamele. Ich fresse dir ja auch nicht deine Büsche weg. Schlaf jetzt,“ sage ich, streichle ihn über seinen Kopf und gehe zu unserem Camp zurück.

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